Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: unlauterer wettbewerb, vitamin, diät, zink, lebensmittel, produkt, behandlung, ernährung, verkehr, ausstattung

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Gericht:
LG Frankfurt 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2/03 O 4/08, 2-03
O 4/08, 2/3 O 4/08,
2-3 O 4/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 14b Abs 1 S 2 DiätV, § 14b
Abs 3 DiätV, § 4 Nr 11 UWG
Unlauterer Wettbewerb: Verkehrsfähigkeit eines als
„diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische
Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät)“ auf den Markt
gebrachten Mittels
Tenor
Der Beklagten wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro,
ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu
vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt,
im geschäftlichen Verkehr das Mittel ... als
"diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke
(ergänzende bilanzierte Diät). Zur diätetischen Behandlung von Erkältungen."
in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben,
Anlage K 2
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Unterlassungsausspruchs
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 Euro, hinsichtlich des
Kostenausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verkehrsfähigkeit des von der Beklagten auf den
Markt gebrachten Mittels ... als "diätetisches Lebensmittel für besondere
medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät)".
Der Kläger ist ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Er ist gemäß §
1 Ziff. 4 UKlaV (Unterlassungsklageverordnung vom 03.07.2002 – BGBl I 2565) als
branchenübergreifend und überregional tätiger Wettbewerbsverband im Sinne von
§ 13 Abs. 5 Nr. 2 UKlaG festgestellt.
Die Beklagte ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie bringt das Mittel
..."
als
"diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende
bilanzierte Diät). Zur diätetischen Behandlung von Erkältungen."
in der als Anlage K 2 (Bl. 22 d. A.) zur Akte gereichten Umverpackung nebst
Gebrauchsinformation in den Verkehr.
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Wegen der Handlung hat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 06.11.2006
abgemahnt und erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung aufgefordert.
Der Kläger vertritt die Auffassung, das streitgegenständliche Produkt erfülle nicht
die gesetzlichen Anforderungen an eine ergänzende bilanzierte Diät, sei als solche
nicht verkehrsfähig und zur Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise
geeignet. Aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG, 3, 4 Nr. 11, 5 UWG, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1
Nr. 1, 13 Abs. 5 Nr. 2 UKlaG, 1 Nr. 4 UKlaV i. V. m. §§ 1 Abs. 4 a, 14 b Abs. 1 DiätV,
11 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LFGB stehe ihm gegen die Beklagte ein
Unterlassungsanspruch zu.
"..." fehle bereits die von § 1 Nr. 4 a DiätV geforderte medizinische
Zweckbestimmung. Bei der beworbenen Indikation der handele es
sich nicht um ein klar umrissenes und definiertes Beschwerdebild. Eine
Grundvoraussetzung bei ergänzenden bilanzierten Diäten sei indes, dass die
Krankheiten, Störungen oder Beschwerden in der Kennzeichnung
angegeben würden.
Auch sei die von § 14 Abs. 1 Satz 2 DiätV geforderte sichere und nutzbringende
Verwendung nicht nachgewiesen. Der Wirksamkeitsnachweis sei vom Hersteller
bzw. vom Vertreiber der bilanzierten Diät zu erbringen, ohne dass der Kläger zuvor
substantiiert darzulegen hätte, dass der Wirksamkeitsbehauptung eine
wissenschaftliche Grundlage fehle.
Für die konkrete Formulierung der bestimmenden Bestandteile des angegriffenen
Erzeugnisses liege keine einzige veritable Studie vor. Zwar seien die einzelnen
Inhaltsstoffe bereits
Gegenstand zahlreicher Studien gewesen; dies reiche jedoch für den zu
fordernden Wirksamkeitsnachweis nicht aus. Dieser verlange zwar nicht, dass das
konkret streitgegenständliche Produkt das Untersuchungsobjekt einer doppelblind
und randomisiert durchgeführten Studie gewesen sei. Es sei jedoch zu fordern,
dass zumindest valide Studien mit Objekten durchgeführt worden seien, die mit
dem streitgegenständlichen Mittel eine zumindest ähnliche Dosierung aufwiesen.
Der Nachweis des diätetischen Nutzens müsse für die Beschaffenheit
des Produkts geführt werden. Dem sei die Beklagte mit den im Prozess
vorgelegten Studien nicht nachgekommen. Der als Anlage B 11 vorgelegten
wissenschaftlichen Stellungnahme von .... ... hätten reine Monopräparate
zugrunde gelegen; sie könne daher keine Aussage für die hier
streitgegenständliche Formulierung von Inhaltsstoffen geben.
Aufgrund der niedrigen Dosierung von (500 mg) könne die Einnahme
von ... allenfalls mittel- bzw. langfristig wirken. Erkältungskrankheiten dauerten
indes selten länger als einige Tage an, so dass die Krankheit bereits wieder
abgeklungen sei, bevor die angegebene Wirkung eintreten könne. Auch könne aus
der Tatsache, dass bzw. Ascorbinsäure das Immunsystem unterstütze,
nicht geschlussfolgert werden, dass dieser Stoff auch gegen Erkältungskrankheiten
bzw. grippale Infekte wirke. Den beklagtenseits vorgelegten Studien mit einem
positiven Ergebnis hinsichtlich der Wirkung von auf
Erkältungskrankheiten habe eine tägliche Supplementierung von mehr als 1 g
Vitamin C zugrunde gelegen. Die dort gefundenen Ergebnisse seien daher auf
"Cebion akut plus" nicht übertragbar. Der derzeitige wissenschaftliche
Erkenntnisstand für und erlaube keine belastbaren
Wirkungsaussagen.
Die von der Beklagten in Anlagen B 19 und B 20 vorgelegten Studien zu klinisch
relevanten Effekten von ließen den zu
fordernden Wirksamkeitsnachweis vermissen, da sich diese Untersuchungen nur
auf den Verzehr probiotischer Kulturen durch gesunde Erwachsene
bezogen hätten.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte meint, das Produkt "..." erfülle die spezifischen
Tatbestandsvoraussetzungen einer ergänzenden bilanzierten Diät gemäß § 1 Abs.
4 a DiätV. Der Klagevortrag sei bereits deshalb unschlüssig, weil er sich auf den
Hinweis beschränke, dass und auch über die übliche Ernährung
sowie über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden könnten; es fehle
Vortrag dazu, dass mit einer Modifizierung der normalen Ernährung oder anderen
diätetischen Maßnahmen neben und auch und die
genannten in der jeweiligen Stammform in dieser
Dosierung aufgenommen werden könnten. Nahrungsergänzungsmittel müssten
im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeitsklausel gänzlich außer Betracht
bleiben. "Erkältung" definiere einen Zustand, der diätetisch beeinflusst werden
könne. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige
Verbraucher ordne den Begriff der "Erkältung" zutreffend ein und wisse zwischen
"Erkältung" und "Grippe" zu unterscheiden. Die auf Klägerseite liegende
Darlegungs- und Beweislast für den Wettbewerbsverstoß habe sich darauf zu
erstrecken, dass die einzelnen Inhaltsstoffe sich in ihrer Wirkung hemmen könnten
und daher das Produkt in der Gesamtbeschaffenheit nicht wirksam sei. Die
Wirksamkeit von "..." werde schon durch die beiden mit der Klageerwiderung vom
20.03.2008 vorgelegten unabhängige Sachverständigengutachten von ... vom
13.11.2006 (Anlage B 11) und von ... (Anlage B 12) vom Mai 2005 belegt. Zum
Nachweis der Wirksamkeit sei es nicht notwendig, das individuelle Produkt als
solches einem placebokontrollierten In-vivo-Test zu unterziehen; die Vorlage einer
placebokontrollierten klinischen Studie zu einem einzelnen Bestandteil des
Produkts reiche aus.
Wie die dem sog. Goldstandard des wissenschaftlichen Nachweises entsprechende
Studie von Michael de Vrese u. a. aus dem Jahre 2006 (vorgelegt in Anlage B 19)
gezeigt habe, profitierten Probanden im Erkältungsfall von dem Verzehr der in "...
..." in gleicher Dosierung enthaltenen Die
juristische und wissenschaftliche Bewertung der Wirksamkeit eines Produkts könne
sich nicht deshalb ändern, weil es sich nicht um ein Monopräparat handele,
sondern um ein Produkt, dem weitere für den Patienten nützliche Inhaltsstoffe
hinzugefügt worden seien, um den Behandlungserfolg noch zu verbessern.
Es gebe, so behauptet die Beklagte in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz
vom 26.06.2008 keinerlei wissenschaftliche Anhaltspunkte dafür, dass die neben
den enthaltenen Zutaten von "... die Wirkung der
probiotischen Bakterienkulturen hemmen oder sonst einschränken könnten.
Insoweit verweist die Beklagte auf die als Anlagen zum Schriftsatz vom 26.06.2008
vorgelegte Gutachten, nämlich das Ergänzungsgutachten von ... vom 18.06.2008
(Anlage B 23), das Sachverständigengutachten der ... ... (Anlage B 24) sowie das
Gutachten ... (Anlage B 25). Damit habe die Beklagte, so meint sie, nachgewiesen,
dass die Ergebnisse der placebokontrollierten In-vivo-Studie von de Vrese (Anlage
B 19) auf das streitgegenständliche Gesamtprodukt ... übertragbar seien.
Die Beklagte meint weiterhin, der diätetische Nutzen der weiteren Inhaltsstoffe
sei gleichermaßen durch die beiderseits vorgelegten
Studien wissenschaftlich belegt.
Sowohl die Anlagen K 13, K 17 und K 18 zur Klageschrift als auch insbesondere die
beklagtenseits vorgelegten Anlagen B 14 – B 16 zur Klageerwiderung vom
20.03.2008 bestätigten, dass eine Verringerung der Dauer von
Erkältungskrankheiten durch erreichbar sei.
Der diätetische Nutzen von für Patienten mit Erkältungskrankheiten werde
durch die klägerseits als Anlage K 21 vorgelegte Publikation von Hahn aus dem
Jahr 2006 und die als Anlage B 17 zur Klageerwiderung vorgelegte
placebokontrollierte, doppelblinde randomisierte klinische Studie von Prasad aus
dem Jahr 2000 bewiesen und bestätigt durch die klinische Studie von Prasad aus
dem Jahr 2007, Anlage B 18. Hinsichtlich der Wirkungsweise von behauptet
die Beklagte, dass sowohl die angeborene, als auch die adaptive Immunität durch
diesen Stoff beeinflusst würden; insoweit wird auf den Beklagtenvortrag auf S. 33
der Klageerwiderung vom 20.03.2008 (Bl. 186 d. A.) Bezug genommen.
Weiterhin behauptet die Beklagte, der diätetische Nutzen des werde durch
das in ... enthaltene gefördert. fördere die intestinale Absorption
und die Bioverfügbarkeit von
Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
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Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Der Kläger ist aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Vorschrift regelt
neben der materiellen Anspruchsberechtigung auch die prozessuale Klagebefugnis
( in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8 Rdn. 261; BGH,
NJW 1996, 3276 f. m. w. N.).
Bei dem Kläger handelt es sich um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung
gewerblicher Interessen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, der insbesondere nach
seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine
satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich
wahrzunehmen (so für den Kläger u. a. BGH, GRUR 2004, 793, 794; BGH, NJW
1996, 3276). Es ist gerichtsbekannt, dass dem Kläger eine erhebliche Anzahl
Unternehmen angehört, die im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von
Nahrungsergänzungsmitteln und pharmazeutischer Produkte tätig sind.
Für die ausreichende personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung des Klägers
zur Verfolgung seiner satzungsmäßigen Zwecke spricht eine tatsächliche
Vermutung (vgl. BGH WRP 1997, 439 – Geburtstagswerbung II). Der Kläger ist seit
mindestens 15 Jahren damit befasst, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Auch vor
der Kammer hat er zahlreiche Verfahren anhängig gemacht. Es hat niemals
Hinweise darauf gegeben, dass die Ausstattung des Klägers unzureichend sei. Der
Kläger ist zu dem im Jahre 2002 in die Unterlassungsklageverordnung
aufgenommen worden. In einem solchen Fall kommt dem Kläger eine tatsächliche
Vermutung zugute, dass seine Ausstattung den Anforderungen genügt.
Die Klage ist auch begründet.
Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 3,
4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 14 b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 DiätVO.
Erfüllt ein Produkt die in §§ 1 Abs. 4 a, 14 b Abs. 1 Satz 2 DiätV niedergelegten
gesetzlichen Anforderungen nicht, darf es gemäß § 14 b Abs. 3 DiätV nicht
hergestellt und nicht als bilanzierte Diät in den Verkehr gebracht werden. Bei § 14
b Abs. 3 DiätV handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung, die dem
Gesundheitsschutz dient und deren Verletzung zugleich einen Verstoß gegen §§ 3,
4 Nr. 11 UWG begründet (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.01.2006, 6 U
241/04, Anlage B 1, S. 9 der Gründe).
Nach § 14 b Abs. 1 S. 2 DiätV müssen bilanzierte Diäten sich gemäß den
Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und
der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen. Bei "..." handelt es sich um
ein Das Mittel dient der Ernährung, da es (Mikro-) Nährstoffe enthält.
Keiner Entscheidung bedarf die zwischen den Parteien umstrittene Rechtsfrage,
ob. "..." i. S. von § 1 Abs. 4 a DiätV dient, ob
es sich insbesondere bei einer um ein
handelt.
Auch nötigt der vorliegende Fall nicht zu einer Stellungnahme zu der in
Rechtsprechung und juristischer Literatur umstrittenen Frage, ob auch
zur Modifizierung der normalen Ernährung bei der
Prüfung der Subsidiaritätsklausel berücksichtigt werden dürfen oder nicht
(bejahend: OLG München, Urteil vom 07.11.2002 – Az.: 29 U 4634/02;
Zipfel/Rathke, a. a. O., Rn. 91 zu § 1 DiätVO m. w. Nw. zum Streitstand).
Denn die Verkehrsfähigkeit von "..." scheitert jedenfalls daran, dass die Beklagte
den ihr obliegenden im vorliegenden Rechtsstreit nicht
erbracht hat.
Der von § 14 Abs. 1 Satz 2 DiätV geforderte Wirksamkeitsnachweis ist von dem
Hersteller bzw. dem Vertreiber der bilanzierten Diät zu erbringen, ohne dass der
Kläger zuvor substantiiert darzulegen hätte, dass der Wirkungsbehauptung eine
wissenschaftliche Grundlage fehlt (vgl. OLG Frankfurt, am Main, Urteil vom
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wissenschaftliche Grundlage fehlt (vgl. OLG Frankfurt, am Main, Urteil vom
12.01.2006, 6 U 241/04, Anlage B 1, S. 18 der Gründe; OLG München, MD 2006,
99, 103 m. w. N.).
Die Kammer schließt sich den nachfolgend zitierten Ausführungen des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in dem vorgenannten Urteil auf S. 18/19 der
Gründe vollinhaltlich an:
"Diese Beweislastverteilung folgt aus der gebotenen richtlinienkonformen
Auslegung des § 14 b Abs. 1 Satz 2 DiätV. Die Richtlinie 1999/21/EG der
Kommission vom 25.03.1999 bestimmt in Art. 3, dass die Wirksamkeit einer
bilanzierten Diät durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen
ist. Andererseits kann aus dem Text der Richtlinie nicht noch weitergehend
geschlossen werden, dass die Wirksamkeit als solche in der Fachwelt allgemein
anerkannt und unumstritten sein müsse. Der Nachweis kann auch durch die
Vorlage von Studien erbracht werden, die nach allgemein anerkannten
wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurden. Damit gelten für den hier zu
führenden Wirksamkeitsnachweis im Ergebnis die gleichen Anforderungen, die
auch sonst zu erfüllen sind, wenn die wissenschaftliche Absicherung einer
gesundheitsbezogenen Wirkungsbehauptung zu beweisen ist.
Grundsätzlich erfordert ein wissenschaftlich fundierter Wirksamkeitsnachweis
die Vorlage einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit
einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den
Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen wurde."
Mit beiden Parteien geht die Kammer davon aus, dass zur Erbringung des
Wirkungsnachweises die Vorlage eines placebokontrollierten In-vivo-Tests für das
in Verkehr zu bringende Lebensmittel nicht zu fordern ist. Andererseits
dürfte jedoch die Erfüllung der an den Wirksamkeitsnachweis zu stellenden
Anforderungen hinsichtlich eines
nicht genügen, um die Verkehrsfähigkeit des aus diesen und
Bestandteilen zusammengesetzten Erzeugnisses zu begründen. Da der
Wirkungsnachweis die umfassen muss,
darf er nicht lediglich für einzelne geführt werden. Er hat auch etwaige
der einzelnen Bestandteile zu umfassen (vgl. Zipfel/Rathke, a.
a. O., Rn. 9 h zu § 14 b) DiätVO). Denn der Nachweis der nutzbringenden
Verwendung muss sich auf die besonderen Ernährungserfordernisse der Personen,
für die die bilanzierte Diät bestimmt ist, beziehen (§ 14 b Abs. 1 Satz 2 DiätV).
Dieses gesetzliche Erfordernis bedingt, dass für das Präparat sowohl qualitativ, d.
h. von der Art der Zutaten, als auch quantitativ, also ihrer Menge, ein Nutzen für
den Verwender ausgehen muss (vgl. Hahn: Bilanzierte Diäten, ZLR 5/2002, 543 ff.,
558).
Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass sie den an einen Wirkungsnachweis zu
stellenden Anforderungen jedenfalls für die in "..." enthaltenen
durch die Vorlage der wissenschaftlichen Stellungnahme des ...
vom 13.11.2006 (Anlage B 11), des "Expert Statement" zur klinischen
Humanstudie von ... vom Mai 2005 (Anlage B 12) sowie der Zusammenfassung
der klinischen Studie von ... ... ("Probiotische Bakterien vermindern im Rahmen
einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie die Dauer und Intensität
grippaler Infekte, aber nicht deren Inzidenz", Anlage B 19) entsprochen hat. Dieser
langfristigen Verzehr.
Hinsichtlich der ist die Vergleichbarkeit zwischen dem
streitgegenständlichen Produkt der Beklagten ... und dem der vorgenannten
Studie von ... zugrundeliegenden Verum gegeben. Die randomisierte, kontrollierte,
doppelblinde Interventionsstudie von ... (Anlage B 19) wurde mit einem
Kombinationserzeugnis geführt, das aus
und
zusammengesetzt war. Die in ..." enthaltene
Zubereitung probiotischer Kulturen besteht ebenfalls aus den Bakterienstämmen
Dies wird auch von ... in dem als Anlage
B 23 zum nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 26.06.2008
vorgelegten Ergänzungsgutachten vom 18.06.2008 (unter Ziff. 4.1) bestätigt.
Offen bleiben kann, ob sich der Wirksamkeitsnachweis über die in "..." enthaltenen
hinaus auch auf die anderen Produktbestandteile
erstreckt. Dies erscheint zweifelhaft, da die in dem Verum der
Studie von ... enthaltenen den von der EG
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Studie von ... enthaltenen den von der EG
empfohlenen Tagesrationen (RDA; vgl. Anlage B 19, unter 2. 3
entsprachen, während die empfohlene
Tagesdosis an Vitamin C, Zink und Histidin in "..." weit unterschritten wird.
Denn der Wirksamkeitsnachweis war – schon bezogen auf die Wirksamkeit der
– nicht nur in qualitativer Hinsicht, sondern auch in quantitativer
Hinsicht auf die konkrete zu beziehen. Dies bedingt
insbesondere die Berücksichtigung der zeitlichen Begrenzung der Nährstoffzufuhr
Denn das Erzeugnis "..." ist in der Weise
formuliert, dass es einen Nährstoffbedarf decken soll, der
sich nach dem Empfängerhorizont der angesprochenen Verbraucherkreise auch
auf die eigentliche beschränkt. Dieses Empfängerverständnis wird
hervorgerufen durch die Angabe des Beschwerdebildes: "Zur diätetischen
Behandlung von Erkältungen". Die Behandlung von Erkältungen setzt deren
Eintreten voraus. Diese Begriffsbestimmung wird gestützt durch die auf der
Umverpackung ausweislich Anlage K 2 (Bl. 22 d. A.) enthaltene
Produktbeschreibung: "...Ist die Immunabwehr geschwächt und gewinnen die
Während dieser Zeit
(Hervorhebung d. d. Verf.) hilft dem Körper eine gezielte Ernährung..."
kurzfristigem Verzehr
unergiebig
Untersuchung war, ob sich der
günstig auswirkt (vgl. Anlage B 19 unter 1. Einleitung). Beobachtet wurden 242
bzw. 237 (insgesamt 479) Studienteilnehmer zwischen Januar und Mai 2001 bzw.
zwischen Dezember 2001 und Juni 2002. Aussagen zu den Wirkungen eines
lassen sich dieser Studie nicht entnehmen.
Für einen lediglich
wäre jedoch der Wirkungsnachweis
von "..." zu führen.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Autoren ... im Rahmen der
vorgenannten Studie auch bei einer Untergruppe von 122 Probanten die zelluläre
Immunantwort vor und nach 14-tägiger Einnahme der Präparate untersuchten.
Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass sich nach 14-tägigem Verzehr
probiotischer Bakterien bei der Verumgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe eine
signifikant stärkere Zunahme zytotoxischer T-Zellen plus T-Suppressor-Zellen
(CD8) sowie ein geringerer Anstieg der übrigen untersuchten Immunzellen fand.
Maßgeblich für die entscheidungserhebliche Frage der Beeinflussung der
Erkältungssymptomatik durch die
ist der weitergehende Ergebnisbefund der Studie von ...., wonach sich bei der
Änderungen der T-Zell-Aktivierung und der
phagozytischen Aktivität
Beobachtungszeitraums gerade nicht finden ließen (vgl. Anlage B 19 unter 3.2
Die Phagozytose bezeichnet den
Vorgang, der Vitamin C verbraucht und bei dem die Leukozyten bakterielle oder
bösartige Zellen umschließen und zerstören, nachdem sie diese als körperfremd
identifiziert und für die Zerstörung markiert haben.
Soweit die Autoren ... und ... in dem Beitrag: "Klinisch relevante Effekte einer
probiotischen Bakterienstamm-Mischung bei viralen Erkältungskrankheiten
nachgewiesen" (Anlage B 20) die immunstimulierenden Wirkungen probiotischer
Bakterienkulturen hervorheben, beziehen sie sich primär auf die Studie von .... Für
die Wirkweise von "..." sind diese Ausführungen ebenso wenig aussagekräftig wie
die in Bezug genommene Studie selbst.
Auch die beklagtenseits vorgelegten englischsprachigen Studien (Anlagen B 14 – B
16) sind unergiebig. Sie beziehen sich nicht auf eine Nährstoffkombination,
sondern allein auf die Wirkungen reiner – Zufuhr.
Die als Anlage B 17 vorgelegte placebokontrollierte, doppelblinde randomisierte
klinische Studie von ... beschränkt sich gleichermaßen wie die die klinische Studie
von ... aus dem Jahr 2007 (Anlage B 18) auf die Wirksamkeit von bei der
Behandlung grippaler Infekte. Diese Belege sind für das vorliegende
Kombinationspräparat nicht aussagekräftig.
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Einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO bedurfte es
auch unter Berücksichtigung der im nicht nachgelassenen Schriftsatz der
Beklagten vom 26.06.2008 gemachten Ausführungen und vorgelegten Gutachten
nicht. Weder das Ergänzungsgutachten von ... vom 18.06.2008 (Anlage B 23) noch
das in Anlage B 24 vorgelegte "Gutachten zur Überlebensfähigkeit,
Vermehrungsrate und immunologischen Aktivität von Probiotika in Kombination
mit Vitamin C und Zink in dem Präparat Cebion akut plus zur diätetischen
Behandlung von Erkältungen", erstellt von ..., noch schließlich das in Anlage B 25
vorgelegte Gutachten TNO Quality of Life treffen Aussagen zur Wirksamkeit einer
kurzzeitigen, auf die Erkältungsdauer beschränkten, Einnahme des hier
streitgegenständlichen Kombinationspräparats.
Davon geht ersichtlich auch die Beklagte nicht aus, denn sie schreibt diesen
Gutachten nur die Bestätigung zu, dass es keinerlei wissenschaftliche Hinweise
dafür gebe, dass das Gesamtprodukt "..." nicht den gleichen nützlichen
diätetischen Behandlungseffekt für Erkältungspatienten aufweise, wie die
probiotischen Kulturen alleine (so die Ausführungen auf S. 12 des Schriftsatzes der
Beklagten vom 26.06.2008).
Auch die im Schriftsatz vom 26.06.2008 von der Beklagten beantragte Einholung
eines Sachverständigengutachtens zur Wirksamkeit der konkreten
Produktbestandteile kam nicht in Betracht. Mit diesem
Beweisantrag will die Beklagte den wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis
nachholen. Das ist jedoch aus materiellrechtlichen Gründen unerheblich. Denn der
Tatbestand des § 14 b Abs. 3 DiätV ist erfüllt, wenn im Zeitpunkt des
Inverkehrbringens eines Produktes als "bilanzierte Diät" die dem Lebensmittel
beigelegte Wirkung wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert ist. Es kommt
nicht darauf an, ob der wissenschaftliche Wirkungsnachweis objektiv erbracht
werden könnte. Maßgeblich für den auf die Zukunft gerichteten
Unterlassungsantrag ist vielmehr allein, ob bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung die Verkehrsfähigkeit durch wissenschaftlichen Nachweis hergestellt
ist. Denn die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Produkts ist Voraussetzung
für dessen Verkehrsfähigkeit (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.09.2004, MD 12/04, S.
1248, 1253, vorgelegt als Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 20.03.2008).
Schließlich handelt es sich bei § 14 b Abs. 3 DiätV um eine
Marktverhaltensregelung, so wie dies auch für andere Vermarktungsverbote und -
beschränkungen, die dem Gesundheitsschutz dienen, anzunehmen ist (vgl. dazu
OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.01.2006, 6 U 241/04, Anlage B1, S. 9 der
Gründe, unter Hinweis auf Hefermehl/ /Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24.
Aufl., § 4 UWG, Rn. 11.146 ff.).
Der beklagtenseits angeregten Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen
Gerichtshof bedurfte es nicht. Denn die Kammer hat bei der getroffenen
Entscheidung im Ergebnis nicht entscheidend auf die Frage abgestellt, ob die
Erkenntnisse aus klinischen Studien zu Einzelzutaten auf das Gesamtprodukt
übertragbar seien und für die Absicherung des Gesamtprodukts genügen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.