Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: squeeze out, gesetzliche vermutung, abfindung, sitz im ausland, due diligence, aktiengesellschaft, veröffentlichung, bekanntmachung, gesetzestext, zielgesellschaft

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Gericht:
LG Frankfurt 5.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3-5 O 328/08, 3/5
O 328/08, 3-05 O
328/08, 3/05 O
328/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 23 WpÜG, § 30 WpÜG, § 39a
Abs 3 S 3 WpÜG, § 39b WpÜG,
§ 28 WpHG
Squeeze-Out bei der Aktiengesellschaft: Berechnung der
Antragsschwelle; Berücksichtigungsfähigkeit sog.
irrevocable undertakings
Tenor
Die stimmberechtigten Aktien der I A), die nicht bereits der I N.V. gehören, werden
Zug um Zug gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von EUR 64,00 je
Stückaktie auf die I N.V. übertragen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert wird auf EUR 7.500.000,-- festgesetzt.
Gründe
I.
Die I AG ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in München,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter der
Registernummer HRB XXXX . Das Grundkapital beträgt derzeit EUR 6.593.525 und
ist in 6.593.525 nennwertlose, stimmberechtigte Namensaktien eingeteilt.
Die Antragstellerin ist Aktiengesellschaft niederländischen Rechts und in das
Handelsregister der Handelskammer in Amsterdam unter der Dossiernummer
XXXX eingetragen. Die Antragstellerin ist Holding Gesellschaft der I und unterhält
Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern.
Am 20.06.2008 veröffentlichte die Antragstellerin ein Übernahmeangebot an die
Aktionäre der I AG zum Preis von EUR 64,00 je Ihypaktie, nachdem die BaFin am
19.6.2008 die Veröffentlichung des Angebots gestattet hatte. Die Frist für die
Annahme des endete am 24.07.2008, 24.00 Uhr MEZ. Wegen der Einzelheiten des
Übernahmeangebots wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Sonderband
Anlagen) verwiesen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Angebots hielt die
Antragstellerin weder unmittelbar noch über Zurechnung Aktien der I AG.
Allerdings hatte die Antragstellerin am 19.5.2008 mit den Herren Ha und Wo eine
Vereinbarung getroffen, wonach sich diese verpflichtet hatten, ihren Anteil von
zusammen 32,3 % and der I AG der Antragstellerin anzudienen. Bis zum Ende der
Annahmefrist am 24.7.2008, 24:00 Uhr (MEZ) wurde das Übernahmeangebot für
insgesamt 5.824.351 I Aktien angenommen. Dies entspricht einem Anteil von rund
89,55 % des Grundkapitals und der Stimmrechte an der I AG. Der Erwerb dieser
Aktien fand am 31.7.2008 statt. Weiterhin erwarb die Antragstellerin an diesem
Tag außerhalb des Angebotsverfahrens außerbörslich zu einem Kaufpreis von EUR
64,00 weitere 70.775 Iaktien, d.h. am 31.7.2008 hielt die Antragsteller 5.895.126
Iaktien. Innerhalb der gesetzlichen weiteren Annahmefrist gem. § 16 Abs. 2 WpÜG
bis 16.8.2008 erwarb die Antragstellerin insgesamt weitere 118.757 Iaktien zum
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bis 16.8.2008 erwarb die Antragstellerin insgesamt weitere 118.757 Iaktien zum
Angebotspreis. Das Übernahmeangebot wurde danach innerhalb der
Angebotsfristen für insgesamt 5.943.108 Aktien der I AG angenommen, was 90,14
% des Grundkapitals und der Stimmrechte entspricht; zuzüglich den außerhalb
des Angebots erworbenen 70.775 Aktien hielt die Antragstellerin nach Ablauf der
weiteren Annahmefrist und Abwicklung insgesamt 6.013883 Aktien der I AG, d.h.
91,21 % des Grundkapitals und der Stimmrechte.
Am 10.10.2008 erwarb die Antragstellerin jeweils außerhalb des Angebots
außerbörslich insgesamt weitere 170.404 und am 13. 10.2008 insgesamt weitere
208.294 Aktien der I AG.
Die Antragstellerin gab am 13.10.2008 gemäß § 23 As. 1 Satz 1 Nr. 4 WpÜG
bekannt, dass sie nunmehr 6.392581 Aktien der I AG halte, d.h. ca. 96,95 % des
Grundkapitals und de Stimmrechte der I AG. Wegen der Einzelheiten dieser
Bekanntmachung wird auch die zu der Akte gereichte Ablichtung (Sonderband
Anlagen) verwiesen.
Weitere 10.085 Iaktien erwarb die Antragstellerin am 14.10.2008 außerhalb des
Angebots.
Mit Antragsschrift vom 24.10.2008 – eingegangen bei Gericht am 24.10.2008 - hat
die Antragstellerin beantragt, die stimmberechtigten Aktien der I AG, die nicht
bereits der I N.V. gehören, werden gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von
EUR 64,00 je Stückaktie auf die I N.V. übertragen
Zu diesem Zeitpunkt hielt die Antragstellerin 6.402.666 Aktien der I AG, d.h.
190.859 Aktien dieser Gesellschaft wurden von der Antragstellerin nicht gehalten.
Das Gericht hat den Antrag im elektronischen Bundesanzeiger vom 7.11.2008 –
dem satzungsmäßig einzigem Gesellschaftsblatt der I AG - gem. § 39b WpÜG
bekannt gemacht.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 39a Abs. 1,
Abs. 3 WpÜG vorlägen. Sie sei Inhaber von (über) 95 % des stimmberechtigten
Grundkapitals der I AG und sie habe aufgrund des Angebots über 90 % des von
Angebot betroffenen Grundkapitals erworben, wobei auch die Erwerbe von den
Herren Ha und Wo einzubeziehen seien. Die Vermutung des § 39a Abs. 3 WpÜG
sei daher eingetreten, wonach der Angebotspreis von 64,00 EUR eine
angemessene Abfindung sei. Diese Vermutung sei auch unwiderleglich. Selbst
wenn man von einer widerleglichen Vermutung ausgehen wollte, ergäbe sich durch
den sehr hohen Angebotserfolg, dass die im Angebot angebotene Gegenleistung
der volle Ausgleich für die Aktien darstelle.
Die Antragsteller sei auch zur Antragsstellung befugt, da sie die 95 % Schwelle des
Aktienbesitzes innerhalb der der 3 Monatsfrist des § 39a Abs. 4 WpÜG nach Ablauf
der Antragsfrist erreicht habe. Weiteres werde vom Gesetz nicht verlangt. Es sei
daher nicht erforderlich, die 95 % innerhalb der Angebotsfrist oder in engen
zeitlichen Zusammenhang damit zu erlagen. Zudem sei dieser hier gegeben. Ein
Rechtsverlust nach § 59 WpÜG sei nicht eingetreten. Eine Verpflichtung zur
Abgabe eines Pflichtangebots habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, zwischen der
Antragstellerin und den Herren Ha und Wo habe es nur eine schuldrechtliche
Vereinbarung gegeben. Die Übertragung der Aktien sei erst im Rahmen des
Angebots erfolgt. Ein Rechtsverlust nach § 28 WpHG sei ebenfalls nicht
eingetreten. Die Antragstellerin sei ihren Mitteilungspflichten nach § 28 WpHG
nachgekommen. Nebenabreden bei den Erwerben außerhalb des Angebots habe
es nicht gegeben, die Aktien seien zu dem Preis von EUR 64,00 je Aktie erworben
worden.
Die Antragsgegner haben sich nach Bekanntmachung der Anträge im
Bundesanzeiger an Verfahren beteiligt und sind dem Antrag entgegen getreten.
Das LG Frankfurt am Main sei nicht zur Entscheidung zuständig.
Die Antragstellerin sei nicht zur Antragstellung nach § 39a WpÜG befugt, da sie die
95 % Schwelle erst im Oktober 2008, d.h. nicht während des Angebots oder in
unmittelbarem engem zeitlichem Zusammenhang damit erreicht habe. Bei der
Antragstellerin seien auch ein Rechtsverlust nach § 59 WpÜG und nach § 28 WpHG
eingetreten.
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Zudem seien die Erwerbe von den Herren Ha und Wo aufgrund der
Vorabvereinbarungen bei der Ermittlung, ob 90 % das Übernahmeangebot
angenommen hätten, nicht zu berücksichtigen. Es werde bestritten, dass es zu
den Erwerben außerhalb der Angebotsfrist keine Nebenabsprachen gebe, bzw. nur
ein Preis von EUR 64,00 gezahlt worden sein Die §§ 39a, 39b WpÜG entsprächen
nicht der Übernahmerichtlinie. Diese verlange keine unwiderlegliche Vermutung.
Es fehlten Schutzmechanismen zugunsten der Minderheitsaktionäre im Gesetz.
Die Vermutung des § 39a Abs. 3 WpÜG könne nicht unwiderleglich sein, da eine
unwiderlegliche Vermutung verfassungswidrig wäre, da dann kein voller Wertersatz
geleistet werden müsse.
Das Gericht sei daher gehalten das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof oder
dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Zur Angemessenheit sei ein Sachverständigengutachten einzuholen. Es bestehe
ein Informationsgefälle zwischen der Antragstellerin, die eine due diligence bei der I
durchgeführt habe und den übrigen Aktionären.
Die übrigen Aktionäre hätten keinen aussagekräftigen Informationen über den
Wert der I AG. Jedenfalls sei eine Abfindung in Höhe von EUR 64,00 nicht
angemessen. Dies ergebe sich aus überschlägigen Unternehmensbewertungen
nach der Ertragswertmethode Die Erfahrungen aus anderen Übernahmen zeigten,
dass Preise aufgrund von WpÜG Angeboten unter den tatsächlichen Werten lägen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Das Landgericht Frankfurt am Main ist zunächst gem. § 39a Abs. 5 WpÜG zur
Entscheidung über den Antrag berufen. Soweit sich einzelne Antragsgegner darauf
beziehen, dass die vom Bundesgesetzgeber hier gewählte bundesweite
Zuständigkeitskonzentration gegen die Länderautonomie verstoße und es nur den
Ländern möglich sei, mittels Staatsvertrag eine solche länderübergreifende
Zuständigkeit zu schaffen, so wird übersehen, dass gem. Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1
GG dem Bund u . a. für den Bereich der Gerichtsverfassung und gerichtliches
Verfahren die konkurrierende Gesetzgebung zukommt, d. h. er ggf. die Maßstäbe
der sachlichen, funktionellen und örtlichen Zuständigkeit definieren kann. Macht er
wie vorliegend von diesem Recht durch die Bestimmung eines bundeseinheitlichen
Gerichtsstandes für Verfahren nach §§ 39a, 39b WpÜG Gebrauch, so kommt es
auf Ländervereinbarungen im Wege eines Staatsvertrages nicht mehr an (so auch
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 9.12.2008 - WpÜG 2/08 – NJW 2009, 375 = NZG
2009, 74).
Der Antrag auf Übertragung der übrigen stimmberechtigten Aktien der I AG gegen
Gewährung einer Abfindung in Höhe von EUR 64,00 auf die Antragstellerin ist
zunächst zulässig.
Die Antragstellerin ist gem. § 39a Abs. 1 WpÜG antragsbefugt.
Der Antragstellerin gehören nach Durchführung eines Übernahmeangebots
mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals der I AG.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage einer Bestätigung glaubhaft gemacht, dass
sie zum Zeitpunkt der Antragsstellung am 24.10.2008 mit 6.402.666 Aktien in das
Aktienregister der I AG eingetragen ist, § 67 AktG, d.h. sie hielt zu diesem
Zeitpunkt 97,1 % der Aktien dieser Gesellschaft, nachdem sie zum Zeitpunkt der
Bekanntmachung gem. § 23 Abs. 1Satz 1 Nr. 4 WpÜG am 13.10.2008 bereits
6.392.581 Aktien, d.h. 96,95 % gehalten hatte. Die Antragstellerin hat den Antrag
am 24.10.2008 auch gem. § 39a Abs. 3 WpÜG innerhalb von 3 Monaten nach
Ablauf des Annahmefrist am 24.7.2008 gestellt, wobei hier dahingestellt bleiben
kann, ob für den Fristbeginn der Antragsfrist nicht auf das Ende der weiteren
Annahmefrist nach § 16 Abs. 2 WpÜG (so: Geibel/Süßmann WpÜG, 2. Aufl. § 39a
Rz. 20 m.w.Nachw.; kritisch: Stöwe, Der übernahmerechtliche Squeeze-out, S.
106)) abzustellen ist. Entgegen der Auffassung einiger Antragsgegner und
Stimmen in der Literatur verlangt die gesetzliche Regelung des § 39a WpÜG weder
dass die 95 % innerhalb der Angebotsfrist (so Geibel/Süßmann WpÜG, 2. Aufl. §
39a Rz. 8) noch in einem engen und zeitlichen Zusammenhang damit (so
Santelmann in Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2. Aufl. § 39a Rz. 15; Kießling, Der
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Santelmann in Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2. Aufl. § 39a Rz. 15; Kießling, Der
übernahmenrechtliche Squeeze-out gemäß §§ 39a, 39bWpÜG,S. 50 f;; Deilmann
NZG 2007, 721, 722; Meyer WM 2006, 1142;) erreicht sein müssen. Zwar findet
sich eine derartige Formulierung des engen zeitlichen Zusammenhangs auch in
den Gesetzesmaterialien zu § 39a WpÜG (Begr. RegE BT-Drucks 16/1003 S. 21)
doch hat dies im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. An einen
derartigen, im Gesetzestext nicht manifestierten Willen des Gesetzgebers sind die
Gerichte nicht nach Art. 20 Abs. 3 und 97 GG gebunden (vgl. BGH, Beschl. v.
26.5.2008 – II ZB 23/07 -; BGH AG 2007, 629-631 = NZG 2007, 675 zur
Zulässigkeit von Nebeninterventionen bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage)
und es gebietet auch der Respekt vor dem Gesetzgeber nicht die Berücksichtigung
dieser im Gesetzgebungsverfahren gemachten Äußerung. Vielmehr bestimmt der
Gesetzgeber durch den normativen Gesetzestext unter welchen Voraussetzungen
dem Bürger ein Recht zusteht und welchen Inhalt es haben soll (vgl. BVerfG NJW
1989, 666). Die gesetzliche Bestimmung des § 39a WPÜG verlangt aber allein,
dass der Antragsteller in einer Frist von 3 Monaten nach Ende der Angebotsfrist
den Antrag auf Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre stellen kann,
wenn ihm mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals gehören. Auf
welcher Grundlage der Antragsteller bis zur Antragsstellung diese Schwelle
erreicht, gibt das Gesetz nicht vor (so auch Paefgen WM 2007, 765, 766
m.w.Nachw.). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus § 39c WpÜG,
vielmehr bestätigt dies die Ansicht des Gerichts. Zwar knüpft das dort geregelte
Recht des "sell-out" binnen 3 Monaten zunächst an das Ende der Annahmefrist an,
doch wird deutlich, dass auch der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass
innerhalb der Angebotsfrist das Erreichen der 95 % Schwelle nicht zwingend ist, da
er die Frist für ein "sell-out" nach § 39c WpÜG nicht vor der Mitteilung nach § 23
Abs. 1 Nr. 4 oder Satz 2 WpÜG beginnen lässt. Dies wäre überflüssig, wenn der
Bieter die 95 % Schwelle in der Angebotsfrist erreichen müsste.
Für dass Erreichen der 95 % Schwelle ist auch unbeachtlich, ob die Erwerbe nach
der Angebotsfrist zu dem Preis des Angebots erfolgten, oder der Bieter hier eine
höhere Gegenleistung gewährt hat, so dass das entsprechende Bestreiten einiger
Antragsgegner hier unbeachtlich ist. Die hätte zwar Bedeutung für die Frage, ob
hier nicht Ansprüche nach § 31 Abs. 4 WpÜG entstanden sind, für die Frage des
Erreichens der 95 % Schwelle ist dies jedoch unbeachtlich.
Der Antrag ist auch begründet.
Entgegen der Auffassung einiger Antragsgegner hat die Antragstellerin durch ihr
Übernahmeangebot mehr als 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals i.
S. d. § 39a Abs. 3 WpÜG erworben. Die vorliegend aufgrund der sog. "irrevocable
undertakings" erworbenen Aktien von den Herren Ha und Wo sind in die 90 %
Schwelle einzubeziehen. Es kommt hier nicht darauf an, dass die dem Erwerb der
Aktien zugrunde liegende Vereinbarung außerhalb des Angebotverfahrens
geschlossen wurde. Nach dem Wortlaut des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG sind solche
Aktien zu berücksichtigen, die der Bieter "aufgrund des Angebots" erworben hat.
Dies ist bei den sog. "irrevocable undertakings" hier der Fall, weil hier erst die
Aktien aufgrund des formellen Angebotverfahrens an die Antragstellerin veräußert
und übertragen wurden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.12.2008 –
WpÜG 2/08a.a.O.; Kammerbeschluss vom 5.8.2008 - 3-05 O 15/08 – NZG 2008,
665). Der Kaufpreis richtet sich nach dem Gegenwert, der auch für die übrigen
Aktionäre gilt (vgl. Paefgen WM 2007, 765; Ott WM 2008, 384, 389). Es ist auch
nicht ersichtlich und wird von den Antragsgegnern auch nicht substantiiert
dargetan, dass weitere Gegenleistungen über Nebenabreden vereinbart und
geflossen sind.
Dem Antrag steht weder ein Rechtsverlust nach § 59WpÜG noch nach § 28WpHG
entgegen. Derartige Rechtsverluste sind bei der der Antragstellerin nicht
erkennbar.
Die Vereinbarung mit den Herren Ha und Wo hat nicht zu einem Kontrollerwerb
geführt, der ein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG erforderlich gemacht hätte. Dies
ist erst gem. § 35 Abs. 1 WpÜG erst erforderlich, wenn ein Kontrollerwerb i.S.d. §
29 Abs. 2 WpÜG stattgefunden hat, d.h. der 30 % der stimmrechte an der
Zielgesellschaft gehalten werden. Ein "Halten" der Stimmrechte bedingt aber, dass
der Bieter Eigentümer der fraglichen Aktien geworden ist (vgl. Holst in Heidel
Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 29 WpÜG Rz. 2 m.w.Nachw.). Eigentum geht aber erst
im Rahmen eines dinglichen Vollzugs über, nicht bereits mit einer
schuldrechtlichen Übertragungsverpflichtung. Die dingliche Übertragung der Aktien
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schuldrechtlichen Übertragungsverpflichtung. Die dingliche Übertragung der Aktien
der Herren Ha und Wo fand hier aber erst im Rahmen des Vollzugs des
Übernahmeangebots statt. Ein Pflichtangebot war daher nach § 35 Abs. 3 WpÜG
nichterforderlich.
Auch in Verstoß gegen Meldepflichten nach §§ 21, 22 WpHG ist nicht feststellbar.
Gemäß § 28 WpHG verliert der Meldepflichtige die aus der Aktie resultierenden
Mitverwaltungs- und Vermögensrechte dann, wenn die Meldepflicht gemäß §§ 21,
22 WpHG nicht erfüllt wird. Soweit Antragsgegner einen Verstoß gegen
Meldepflichten durch Bezugnahme auf der von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht im Internet veröffentlichten Meldelage begründen
wollen, hat dies schon deshalb keinen Erfolg, weil diese Internetveröffentlichungen
keinen Rückschluss auf die Meldungen erlauben, worauf die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht selbst hinweist.
Die Antragstellerin hat dargelegt und durch entsprechende Unterlagen (Anlage 11
Bl. 337 f d. A.) belegt, dass die Meldepflichten erfüllt worden sind. Dem sind die
Antragsgegner auch nicht mehr substantiiert entgegen getreten.
Soweit aus dem Internetauftritt der BaFin sich ggf. für bestimmte Zeitpunkte noch
von den vorgelegten Meldungen abweichende Beteiligungsquoten ergeben haben
sollte kommt es hierauf nicht an (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.11.2007 – 5
W 22/07 -; Kammerurteil v. 18.3.2008 - 3-05 O 211/07 -), die BaFin weist selbst in
ihrem Internetauftritt darauf hin, dass es regelmäßig bei der Veröffentlichung der
gemeldeten Stimmrechtsanteile in der Stimmrechtsdatenbank zu Verzögerungen
komme, und die Datenbank daher in keinen Fall als Nachweis dafür dienen kann,
dass die Mitteilungspflichten erfüllt oder nicht erfüllt worden sind.
Bei der beantragten Übertragung für die Angemessenheit der Abfindung kann sich
die Antragstellerin auf die gesetzliche Vermutung berufen, dass der Preis des
Angebots von EUR 64,00 je Stückaktie auch im Rahmen der Aktienübertragung
nach § 39a Abs. 1 WpÜG durch Gerichtsbeschluss ein angemessener Preis ist,
wobei grundsätzlich die Vermutung einer marktpreisorientierten
Angemessenheitsvermutung nicht zu beanstanden ist (vgl. hier im Einzelnen:
Stöwe - Der Übernahmerechtliche Squeeze-out -, Europ. Hochschulschriften
Bd./Vol. 4628, S. 63 ff, 97 ff m.w.Nachw.).
Nach § 39a Abs. 3 WpÜG ist die im Rahmen des Übernahme- oder Pflichtangebots
gewährte Abfindung als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter auf
Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 % des vom Angebot
betroffenen Grundkapitals erworben hat. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben,
ob es sich hier um eine unwiderlegliche Vermutung (so: Steinmeyer in
Häger/Santelmann WpÜG 2. Aufl. § 39a Rz. 25; Hörmann/Feldhaus BB 2008, 2035;
Dieckmann NJW 2007, 17, 20; Holzborn BKR 2007, 101, 106) handelt. Selbst wenn
man es als eine widerlegliche Vermutung ansehen wollte (so: Kammerbeschluss
vom 5.8.2008 – 3-05 O 15/08 – a.a.O., offen gelassen in der
Beschwerdeentscheidung hierzu durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main,
Beschl. v. 9.12.2008 – WpÜG 2/08 – a.a.O.) wäre die Vermutung hier nicht
entkräftet.
Die gegebene vermutete Angemessenheit der Abfindung wegen Erreichens des
Quorums nach § 39a Abs. 3 S. 3 WpÜG ist aufgrund des Vorbringens der
Antragsgegner nicht erschüttert. Es sind von ihnen keine konkreten Anhaltspunkte
vorgebracht worden, wonach EUR 64,00 je Stückaktie keine angemessene
Abfindung sind. Diese Anhaltspunkte ergeben sich zunächst nicht aus den
Überlegungen und Darlegungen einiger Antragsgegner, dass in einer Vielzahl von
aktienrechtlichen Ausschlussverfahren, denen ein Übernahmeangebot voraus
ging, eine höhere Abfindung festgelegt wurde, als es dem Übernahmeangebot
entsprach. Derartige behauptete allgemeine Erfahrungen können eine konkrete
Vermutung nicht erschüttern. Vielmehr ist für eine derartige Erschütterung auf
konkrete, die Zielgesellschaft betreffende Umstände abzustellen, aus denen sich
der die fehlende Angemessenheit der Abfindung aufdrängt. Unabhängig davon, ob
hier betriebswirtschaftliche Bewertungsmodelle überhaupt geeignet sind, die
Vermutung des § 39a Abs. 3 S. 3 WpÜG zu erschüttern (ablehnend OLG Frankfurt
am Main, Beschl. v. 9.12.2008 – WpÜG 2/08 – a.a.O.) sind die von einigen
Antragsgegnern vorgebrachten (überschlägigen) Bewertungsannahmen, die auf
der Ertragswertmethode beruhen, nicht geeignet, konkrete Anhaltspunkte für die
Unangemessenheit der Bewertung zu erbringen. Diese Überlegungen blenden
völlig die derzeitige wirtschaftliche Situation im Bankensektor aus, indem sie von
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völlig die derzeitige wirtschaftliche Situation im Bankensektor aus, indem sie von
den Erträgen der Vergangenheit (bis 2007) ein ständiges Wachstum der
ausschüttbaren Erträge der I AG unterstellen. Die absehbare künftige Ertragslage
der Banken allgemein und der I ist jedoch allgemeinkundig eine andere. Wie der
sich z. B. aus einer Pressemitteilung der I AG zum 3. Quartal 2008 vom November
2008 ergibt, lag das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT bei 5,0 Millionen Euro
(Q3 2007: 5,4 Mio. EUR) und der Nettogewinn erreichte 2,8 Millionen Euro (Q3
2007: 3,4 Mio. EUR), d. h. ist rückläufig.
Diese Vermutung wird auch nicht dadurch entkräftet, indem einzelne
Antragsgegner geltend machen, dass weitere Gegenleistungen über
Nebenabreden für die Erwerbe von den Herren Ha und Wo vereinbart und
geflossen seien, bzw. bestritten wird, dass die erwerbe der Antragsteller nach Ende
der Angebotfrist zu EUR 64,--je Aktien erfolgten. Das entsprechende Vorbringen
einzelner Antragsgegner ist nicht durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt,
erscheint vielmehr aus der Luft gegriffen und ins Blaue hinein erfolgt. Ein solches
dem Ausforschungsbeweis dienendes Vorbringen ist auch im echten
Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbeachtlich und zwingt das Gericht
nicht im Wege der Amtsermittlung diese Umstände aufzuklären, zumal
grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin sich rechtstreu
verhalten hat und ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 23 Abs. 2 WpÜG
zutreffend nachgekommen ist. Es bleibt daher bei der gesetzlichen Vermutung der
Angemessenheit, ohne dass es darauf ankommt, ob im Verfahren nach §§ 39a,
39b WpÜG überhaupt eine Beweiserhebung zum Wert der Zielgesellschaft
statthaft wäre (verneinend: Kammerbeschluss vom 5.8.2008 – 3-05 O 15/08 –
a.a.O.).
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof oder und das
Bundesverfassungsgericht scheidet mangels Entscheidungserheblichkeit aus.
Mangels dargelegter oder sonst erkennbarer Umstände, dass die gesetzliche
Vermutung der Angemessenheit der Preises durch den Markttest im Rahmen des
Übernahmeangebots (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.) nicht eine angemessen Abfindung
darstellt, ist nicht feststellbar, dass hier die Minderheitsaktionäre in ihrem
Eigentumsrecht unstatthaft beeinträchtigt würden, d.h. es fehlt hier eine
Entscheidungserheblichkeit. Auch aus Art. 15 der Übernahmerichtlinie (R 04/25),
die mit den §§ 39a f WpÜG umgesetzt werden sollte, folgt nicht, dass es dem
Gesetzgeber verwehrt wäre, hier eine gesetzliche Vermutung anzunehmen,
vielmehr wird dies in dieser Richtlinie geradezu vorgegeben. Für das Gericht ist
auch nicht ersichtlich, dass bei der Frage, ob der Antragsteller in der Angebotsfrist
die 95 % Schwelle erreichen muss oder es genügt, wenn diese in der 3 Monatsfrist
zur Antragstellung erfolgt, verfassungsrechtliche oder europarechtliche Fragen
tangiert würden. Es handelt sich hierbei nur um die verfahrensrechtliche Frage der
Zulässigkeit des Antrags. Für die Frage, ob die Minderheitsaktionäre in ihrer
Eigentumsstellung unangemessen beeinträchtigt werden, ist dieser
verfahrensrechtliche Aspekt ohne Bedeutung. Auch aus den Art. 15 und 16 der
Übernahmerichtlinie (R 04/25) ergibt sich nichts zu der Frage des Verfahrens,
diese regeln nur materielle Voraussetzungen (vgl. hierzu Kießling a.a.O. S. 165
m.w.Nachw.).
Ergänzend zum Antrag hat das Gericht ausdrücklich eine Zug um Zug
Übertragung gegen Zahlung der Abfindung ausgesprochen. Wenn sich auch nach
Ansicht des Gerichts zwar schon diese Zug um Zug Übertagung aus dem
entsprechenden gerichtlichen Ausspruch "der Übertragung gegen Abfindung"
ergibt hält die Kammer jedoch zur Klarstellung einen ausdrücklichen Ausspruch zur
Sicherung des Art. 15 V Übernahmerichtlinie (R 04/25), dass die Mitgliedstaaten
sicherstellen "dass eine angemessene Abfindung garantiert wird" für geboten (vgl.
hierzu Heidel/Lochner in Heidel Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. § 39 WpÜG Rz. 27),
zumal die Antragstellerin ihren Sitz im Ausland hat und es den
Minderheitsaktionären nicht zumutbar ist nach erfolgter Übertragung ggf. die
Abfindung vor ausländischen Gerichten geltend zu machen. Im Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit ist auch das Gericht nicht zwingend an den gestellten
Antrag gebunden (vgl. BGH NJW 1983, 173)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 39b Abs. 6 Satz 7 und 8 WpÜG. Danach ist in
allen Fällen der Antragsteller Schuldner der Gerichtskosten.
Weiter findet danach eine Kostenerstattung der außergerichtlichen Kosten der
Antragsgegner durch den Antragsteller grundsätzlich nicht statt, es sei denn, die
Billigkeit gebietet eine andere Entscheidung. Dies ist hier nicht der Fall, zumal die
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Billigkeit gebietet eine andere Entscheidung. Dies ist hier nicht der Fall, zumal die
Antragsgegner in der Sache ohne Erfolg blieben.
Die Bestimmung des Geschäftswerts für das Gericht ergibt sich aus § 39b Abs. 6
Satz 5 WpÜG. Danach richtet sich der Geschäftswert nach dem Betrag, der dem
Wert aller Aktien entspricht, auf den sich der Ausschluss beziehen, mindestens
jedoch 200.000,-- EUR und höchstens 7,5 Mio. EUR. Es sind von dem beantragten
Ausschluss der Minderheitsaktionäre 190.859 Stückaktien zu je EUR 64,00
betroffen, wodurch sich der Höchstgeschäftswert von EUR 7,5 Mio. ergibt. Die
Bestimmung des Geschäftswertes für die anwaltlich vertretenen Antragsgegner
gem. § 31a RVG konnte mangels Antrags nach § 33 RVG nicht erfolgen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.