Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: squeeze out, materielle rechtskraft, abweisung, verfügung, anfechtungsklage, erlass, anfechtungsfrist, abfindung, vorverfahren, hauptsache

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Gericht:
LG Frankfurt 5.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3-5 O 104/07, 3-05
O 104/07, 3/5 O
104/07, 3/05 O
104/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 246a AktG, § 319 Abs 6
AktG, § 327e Abs 2 AktG, §
322 ZPO
Freigabeverfahren für die Handelsregistereintragung eines
angefochtenen AG-Hauptversammlungsbeschlusses: Neuer
Freigabeantrag nach rechtskräftiger Abweisung eines
ersten Antrages; Wirksamkeit eines Squeeze-out-Beschluss
und Bestätigungsbeschluss bei Beschlussfassung unter
Stimmrechtsausschluss für stimmrechtslose
Vorzugsaktionäre
Tenor
Der Antrag auf Feststellung gem. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG, dass die
Erhebung der ehemals beim Landgericht Frankfurt am Main unter dem führenden
Az. 3-05 111/06 (nunmehr Oberlandesgericht Frankfurt am Main 5 U 77/07)
anhängigen Klagen der Antragsgegner gegen den Beschluss der
außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13.12./14.12.2005
zu Tagesordnungspunkt 2 über die Übertragung der Aktien der
Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin ... (mittlerweile firmierend als ...) mit
Sitz in ... gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung nach §§ 327a ff
AktG der Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister nicht entgegensteht,
wird als unzulässig zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Verfahren wird auf EUR 125.000,– festgesetzt.
Gründe
I.
Zwischen der Antragstellerin und ihrer Hauptaktionärin wurde am 26.4.2004 ein
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, dem die
Hauptversammlung der Antragstellerin am 8.6.2004 zugestimmt hat und der
9.6.2004 in das Handelsregister eingetragen wurde.
Ein Spruchverfahren zur Frage der Angemessenheit des vereinbarten Ausgleichs
und der Abfindung ist bei der Kammer unter dem Az. 3-05 O 74/04 anhängig.
Über die gegen den zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss gerichteten
Anfechtungsklagen ist eine gerichtliche Entscheidung noch nicht ergangen. Dieser
Rechtsstreit ist vielmehr ausgesetzt worden, nachdem in der Hauptversammlung
der Antragstellerin vom 13./14.12.2005 zur Zustimmung zu diesem
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu TOP 3 ein
Bestätigungsbeschluss gefasst worden war.
In der gleichen Hauptversammlung der Antragstellerin wurde am zweiten Tag auf
Verlangen der Hauptaktionärin zu TOP 2 gemäß § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG
beschlossen, die Aktien der übrigen Aktionäre der Antragstellerin
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beschlossen, die Aktien der übrigen Aktionäre der Antragstellerin
(Minderheitsaktionäre) auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer
Barabfindung in Höhe von EUR 80,37 je Stückaktie (ohne Unterscheidung zwischen
Vorzugsaktien und Stammaktien) zu übertragen (nachfolgend:
"Übertragungsbeschluss").
Die Antragsgegner haben jeweils Anfechtungsklage gegen den
Übertragungsbeschluss erhoben, wobei ein Teil der Antragsgegner teilweise auch
Anfechtungsklage gegen den Bestätigungsbeschluss und weitere
Beschlussfassungen dieser Hauptversammlung erhoben hat. Mit Urteil vom
30.3.2007 – 3-05 O 111/06 – hat die Kammer unter Abweisung einiger Klagen u. a.
die Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 13./14.12.2005 zu TOP 2 für
nichtig erklärt. Gegen dieses Urteil hat jedenfalls die hiesige Antragstellerin zum
Az. 5 U 77/07 Oberlandesgericht Frankfurt am Main Berufung eingelegt.
Bereits zuvor hatte die hiesige Antragstellerin unter dem Az.: 3-05 O 91/06 beim
Landgericht Frankfurt am Main ein Freigabeverfahren zu der angefochtenen
Beschlussfassung zu TOP 2, – Übertragung der Akteien der Minderheitsaktionäre
auf die Hauptaktionärin – beantragt. Diesen Antrag hatte die Kammer mit
Beschluss vom 10.10.2006 zurückgewiesen, wobei sie sich darauf gestützt hatte,
dass durch die damals vorgenommen Zugangskontrollen und die Weigerung des
Aktionärsvertreters F sich diesen Kontrollen zu unterziehen, das Teilnahmerecht
der von ihm vertretenen Aktionäre verletzt worden sei. Weiterhin sei die
Nichtbeteiligung der Vorzugsaktionäre bei der Beschlussfassung nach § 327a AktG
rechtlich bedenklich. Eine offensichtliche Unbegründetheit der Anfechtungsklagen
könne daher nicht angenommen werden. Die Beschwerde der hiesigen
Antragstellerin gegen diesen Beschluss hat das Oberlandesgericht Frankfurt am
Main mit Beschluss vom 16.2.2007 – 5 W 43/06 – (AG 2007, 357), wobei es sich
nur darauf gestützt hat, dass das Teilnahmerecht der vom Aktionärsvertreter
Freitag vertretenen Aktionäre verletzt worden sei.
In der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 27.2.2007 wurde zu TOP 5 ein
Bestätigungsbeschluss hinsichtlich der Beschlussfassung zu TOP 2 der
Hauptversammlung vom 13./14.12.2005 gefasst. Diese Beschlussfassung sowie
weitere Beschlussfassungen dieser Hauptversammlung sind von einer Vielzahl von
Klägern mit der Anfechtungsbeziehungsweise Nichtigkeitsklage zum Aktenzeichen
des Landgerichts Frankfurt am Main 3-05 O 56/07 angegriffen worden. In diesem
Verfahren ist das schriftliche Vorverfahren angeordnet worden. Ein Haupttermin zu
mündlichen Verhandlung ist dort noch nicht anberaumt worden.
Mit der per FAX am 29.03.2007 eingegangenen Antragsschrift vom 29.03.2007 hat
die Antragstellerin und Beklagte im Hauptsacheverfahren 3-05 O 91/06 das
sogenannte Freigabeverfahren nach §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG erneut
eingeleitet. Die Antragstellerin ist der Meinung, dass durch die Fassung eines
Bestätigungsbeschluss eine neue Sachlage gegeben sei, die es ermögliche, das
Freigabeverfahren erneut zu beantragen. Die Angriffe der Kläger gegen den
Bestätigungsbeschluss griffen nicht durch.
Sie nimmt insoweit Bezug auf die Klageerwiderung im Verfahren 3-05 O 56/07 vom
29.5.2007 nebst Anlagen. Wegen der Einzelheiten dieser Klageerwiderung wird auf
die in Ablichtungen der hiesigen Akte gereichte Klageerwiderung vom 29.5.2007
Bezug genommen. Durch den Bestätigungsbeschluss sei der von der Kammer im
Urteil vom 30.3.2007 – 3-05 O 111/06 – und dem vom Oberlandesgericht Frankfurt
am Main im Beschluss vom 16. Februar 2007 – 5 W 43/06 beanstandete Mangel
der Teilnahme geheilt worden.
Weitere Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe lägen für den Beschluss über den
Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung nicht vor.
Es liege bei der Antragstellerin zudem ein vorrangiges Vollzugsinteresse vor.
Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom
1.6.2007 (Aktenband Leitzordner) verwiesen.
Im Übrigen nimmt die Antragstellerin Bezug auf ihre Schriftsätze in den früheren
Verfahren.
Die Antragstellerin beantragt,
gem. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG festzustellen, dass die von den
Antragsgegnern vor dem Landgericht Darmstadt und sodann unter dem
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Antragsgegnern vor dem Landgericht Darmstadt und sodann unter dem
führenden Aktenzeichen 3-05 111/06 vor dem Landgericht Frankfurt am Main
anhängigen Klagen (vormals Landgericht Darmstadt Az. 14 O 24/06 u. a.) gegen
die Wirksamkeit des Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung der
Antragstellerin vom 13.12./14.12.2005 zu Tagesordnungspunkt 2, mit dem die
Hauptversammlung die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre der ... auf
die ... (mittlerweile firmierend als ...) mit Sitz in ... beschlossen hat der Eintragung
des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister nicht entgegenstehen.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegner halten zunächst die erneute Antragstellung für unzulässig, da
ihm die Rechtskraft der früheren Entscheidung im Freigabeverfahren 3-05 O 91/06
entgegenstehe. Jedenfalls sei durch den Bestätigungsbeschluss keine neue
Sachlage entstandenen, da dieser angefochten sei. Vor Rechtskraft einer
Entscheidung über den Bestätigungsbeschluss könne dieser keine Rechtswirkung
entfalten. Zudem griffen die geltend gemachten Anfechtungs- bzw.
Nichtigkeitsgründe gegen diese Beschlussfassung durch.
Die Antragsgegner beziehen sich insofern insbesondere im Wesentlichen auf ihr
schriftsätzliches Vorbringen im Verfahren 3-05 O 56/07, sowie auf ihr Vorbringen in
den Anfechtungs- beziehungsweise Nichtigkeitsklagen gegen den
Ausgangsbeschluss im Verfahren 3-05 O 111/06. Ein vorrangiges
Vollzugsinteresse habe die Antragstellerin bei dem erneuten Freigabeantrag nicht
hinreichend dargelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist unzulässig.
Dem neuen Antrag steht die materielle Rechtskraft der Entscheidung im
vorangegangenen Freigabeverfahren zwischen den Parteien entgegen, § 322 ZPO.
Infolge der durch Zurückweisung der Beschwerde rechtskräftigen Abweisung des
Freigabeantrags im Verfahren 3-05 O 91/06 durch Kammerbeschluss vom
10.10.2006 steht zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens, die auch
an jenem Verfahren beteiligt waren, bindend fest, dass die Erhebung der beim
Landgericht Frankfurt am Main unter dem Az. 3-05 111/06 (nunmehr OLG
Frankfurt am Main 5 U 77/07) anhängigen Klagen der Antragsgegner gegen den
Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom
13.12./14.12.2005 zu Tagesordnungspunkt 2 über die Übertragung der Aktien der
Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin ... (...) mit Sitz ... gegen Gewährung
einer angemessenen Barabfindung nach §§ 327a ff AktG der Eintragung des
Beschlusses in das Handelsregister entgegensteht.
Streitgegenstand eines Freigabeantrages nach §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG ist
die Frage, ob wegen der Unzulässigkeit oder offensichtlichen Unbegründetheit der
Anfechtungsklagen gegen die Beschlussfassung der Hauptversammlung über die
Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen
Barabfindung, bzw. wegen eines vorrangigen Vollzugsinteresses die Registersperre
überwunden werden kann, d. h. ob trotz der Klagen die Eintragung dieser
Übertragung in das Handelsregister erfolgen kann. Aufgrund eines solchen
Antrags hat das Gericht den angefochtenen Beschluss nicht nur auf geltend
gemachte Anfechtungs-, sondern auch auf Nichtigkeitsgründe zu untersuchen.
Somit wird durch eine Entscheidung, durch die ein derartiger Freigabeantrag
rechtskräftig als unbegründet zurück gewiesen wird, zugleich festgestellt, dass
hinsichtlich des angegriffenen und überprüften Beschlusses die erhobenen
Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklagen der Antragsgegner der Eintragung in das
Handelsregister entgegen stehen, §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 5 und 6 AktG. Eine
entsprechende rechtskräftige Entscheidung steht einer erneuten Geltendmachung
in einem weiteren Freigabeverfahren hinsichtlich der Anfechtung des
Übertragungsbeschlusses entgegen.
Die in der Literatur vertretene Gegenauffassung (vgl. Hommelhoff/Röhricht/Kiem,
Gesellschaftsrecht 1997, S. 105, 122; Riegger/Scheckenhoff ZIP 1997, 2105, 2110;
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Gesellschaftsrecht 1997, S. 105, 122; Riegger/Scheckenhoff ZIP 1997, 2105, 2110;
Rieckers BB 2005, 1348; 1351; Ihring/Erwin BB 2005, 1973; Fassbender AG 2006,
872; unklar: Heinrich/Theusinger BB 2006, 449, 452; Kocher NZR 2006, 1, 6;
Nießen Konzern 2007, 239, 244) wonach bei veränderter Sachlage, insbesondere
bei einem Bestätigungsbeschluss auch bei rechtskräftiger Ablehnung ein erneutes
Freigabeverfahren eingeleitet werden kann, überzeugt nicht.
Diese Auffassung verkennt, dass die Frage der Rechtskraft nicht vom Inhalt der
das Verfahren beendenden Entscheidung abhängen kann. Während bei einer, dem
Freigabeantrag rechtskräftig stattgebenden Entscheidung allgemein die
unbeschränkte Rechtskraft dieser Entscheidung angenommen wird und eine
endgültig abschließende, die Verfahrensbeteiligten – und nunmehr in den Fällen
des § 246a AktG sogar das Registergericht – bindende Entscheidung über die
Statthaftigkeit der Eintragung in das Handelsregister trotz Vorliegens von
Anfechtungs- -und/oder Nichtigkeitsklagen angenommen wird, soll dies bei der
rechtskräftig ablehnenden Entscheidung nicht so sein. Dies ist jedoch
rechtssystematisch nicht begründbar und mit dem Wesen der Rechtskraft nicht
vereinbar. Solange der Streitgegenstand als solcher gleich ist, nämlich hier die
Frage der Unzulässigkeit oder offensichtlichen Unbegründetheit der Klagen, ist
auch bei einer rechtskräftig einen Freigabeantrag abweisenden Entscheidung ein
neuer Antrag nicht statthaft.
Und Letzteres ist hier der Fall, weil Antrag und Lebenssachverhalt als den
Streitgegenstand bestimmende Komponenten gleich sind:
Der Antragstellerin hat in diesem Verfahren den gleichen Antrag gestellt wie auch
im Verfahren 3-05 O 91/06. Allerdings ist der Sachverhalt zeitlich fortgeschrieben:
Neu ist nämlich die Tatsache des Bestätigungsbeschlusses.
Diese Fortschreibung des Sachverhalts ändert aber nichts daran, dass es sich
immer noch um denselben prozessualen Sachverhalt wie im Vorverfahren, d.h. die
Frage einer Unzulässigkeit, offensichtlichen Unbegründetheit der Klagen oder des
vorrangigen Vollzugsinteresses handelt. Zwar wird durch einen bestandskräftigen
Bestätigungsbeschluss letztlich die Anfechtungsklage gegen den
Ausgangsbeschluss unbegründet, jedoch kann dies nicht dazu führen, ein bereits
beendetes Freigabeverfahren unter Berufung auf diesen Bestätigungsbeschluss zu
wiederholen. Das nunmehrige Vorliegen des Bestätigungsbeschlusses ändert auch
nicht den Streitgegenstand. Vielmehr ist in Rechtsprechung (vgl. OLG Stuttgart AG
1997, 138; LG Berlin Konzern 2003, 483) und Literatur (vgl. Fassbender AG 2006,
872; Heinrich/Theusinger BB 2006, 449; Emmerich/Habersack Konzernrecht 4.
Aufl. Rz. 36 jew. m.w.Nachw.) anerkannt, dass im Rahmen der Abwägung im
Freigabeverfahren zu prüfen ist, ob bloße Verfahrensfehler aufgrund ihrer
Behebbarkeit mittels eines Bestätigungsbeschlusses nach § 244 AktG gegen eine
schwere Rechtsverletzung sprechen und daher eine Eintragung des Beschlusses in
der Regel angeordnet werden soll. Die Frage eines möglichen
Bestätigungsbeschlusses ist daher bei Anfechtungsgründen aufgrund von
Verfahrensfehlern immer vom Gericht im Freigabeverfahren zu prüfen, wie es
vorliegend auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Beschluss
vom 16.2.2007 – 5 W 43/06 – ausdrücklich getan hat. Gleichwohl hat da
Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dieser Entscheidung trotz der bereits
unmittelbar bevorstehenden Hauptversammlung am 27.2.2007, zu der bereits
zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
geladen war und bekannt war, dass auf der Tagesordnung die Fassung des
Bestätigungsbeschlusses stand, durch Zurückweisung der Beschwerde gegen die
Kammerentscheidung vom 10.10.2006 – 3-05 O 91/06 – den Freigabeantrag der
Antragstellerin zurückgewiesen. Der am 27.2.2007 möglicherweise zu fassende
Bestätigungsbeschluss wurde daher bereits im vorhergehenden Freigabeverfahren
berücksichtigt und gehörte damit auch bereits zum Streitgegenstand dieses
Verfahrens.
Zudem erschiene es bedenklich, wenn jede Umgestaltung der Prozesssituation
des Anfechtungsverfahrens, beispielsweise nach einer zugunsten der Beklagten
ausgegangen Beweisaufnahme, welches negative Auswirkungen auf die
Erfolgsaussichten der Klagen haben kann, ein bereits abgeschlossenes, den
Antrag zurückweisendes, Freigabeverfahren wiederholt werden könnte, während
bei einem Wechsel der Prozesssituation zugunsten der Kläger es bei der früher
getroffenen Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit trotz Vorliegens von
nunmehr ggf. begründeten Klagen bleiben soll, wobei noch zu berücksichtigen ist,
dass die Anfechtungskläger nach Ablauf der Anfechtungsfrist keine neuen
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dass die Anfechtungskläger nach Ablauf der Anfechtungsfrist keine neuen
Anfechtungsgründe – beispielsweise Beschlussfassung mit Stimmen eines
Aktionärs trotz Stimmverbots wegen Verletzung der Aktien- oder
wertpapierrechtlichen Meldepflichten – in das Verfahren einführen können, selbst
wenn ihnen diese Gründe erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist bekannt geworden
sind. Dies wird dem Interesse der Beteiligten nicht gerecht.
Eines der wesentlichen Probleme bei der Lösung des Konflikts zwischen einerseits
den Interessen der beteiligten Unternehmen und der Mehrheit der Anteilsinhaber
an der Durchführung der beschlossenen Strukturmaßnahme und andererseits der
Minderheit an der Wahrung ihrer berechtigten Belange liegt in der typischerweise
langen Dauer der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsverfahren.
Dadurch wird oftmals die Durchführbarkeit der geplanten Maßnahme in Frage
gestellt und zudem die Gefahr heraufbeschworen, dass einzelne Anteilsinhaber die
mit der Verzögerung entstehende Verhinderungsmacht zweckwidrig zur
Durchsetzung eigener, verfahrensfremder Interessen auszunutzen versuchen. Mit
dem im Jahre 1994 in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(BGH v. 2. 7. 1990, II ZB 1/90, BGHZ 112, 9, 23 f., NJW 1990, 2747) eingeführten
Freigabeverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG und später nach §§ 319 Abs. 6, 327e,
246a AktG wollte der Gesetzgeber diesem Missstand entgegenwirken. Danach soll
die Strukturmaßnahme in das Handelsregister eingetragen und damit vollzogen
werden dürfen, wenn die gegen den Zustimmungsbeschluss gerichteten Klagen
unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind oder wenn sie – ihre Zulässigkeit
und Begründetheit unterstellt – bei Abwägung aller Umstände kein derartiges
Gewicht haben, dass es wirtschaftlich gerechtfertigt wäre, die Durchführung der
Strukturmaßnahme bis zum Abschluss der Klageverfahren auf Jahre zu blockieren
(Begr. zu dem Entw. eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts, BT-
Drs. 12/6699, S. 88 ff.). Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Gesetzgeber das
Freigabeverfahren ähnlich ausgestaltet wie das Verfahren auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes nach §§ 916 ff. ZPO. Insbesondere
genügt die Glaubhaftmachung der entscheidungserheblichen Tatsachen und eine
mündliche Verhandlung ist nicht zwingend vorgeschrieben. Die Eilbedürftigkeit der
Herbeiführung einer rechtskräftigen Entscheidung im Freigabeverfahren hat der
Gesetzgeber auch durch die Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens
unterstrichen. Er hat in § 16 Abs. 3 UmwG und § 319 Abs. 6 AktG nunmehr
bewusst die weitere Beschwerde zum BGH ausgeschlossen (2. Gesetz zur
Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19.4.2007; BGBl. 2007, 542 ff) und den
Gerichten zudem aufgeben, im Regelfall über den Freigabeantrag spätestens 3
Monate nach Antragstellung zu entscheiden Wie sich aus den Gesetzesmaterialen
zur nunmehr vorgenommen Änderung des Umwandlungsgesetzes (vgl. BT-Drucks
16/2919) und des hier einschlägigen Freigabeverfahren nach § 319 Abs. 6 AktG
spätestens
zweiten Instanz Klarheit darüber besteht, ob die beabsichtigte Maßnahme
ungeachtet der erhobenen Klagen durchgeführt werden kann (so auch BGH,
Beschl. 29. 5. 2006 – II ZB 5/06 – DStR 2006, 1145 – NJW 2006, 2924 = NZG 2006,
553), d.h. aber auch die Eintragung bis zur Beendigung des Klageverfahrens zu
unterbleiben hat. Der Gesetzgeber hat nämlich nicht zwischen stattgebenden und
zurückweisenden Antrag unterschieden, sondern darauf, dass über den
Freigabeantrag in der genannten Zeit im Regelfall zu entscheiden ist. Daraus folgt,
dass auch die zurückweisende Entscheidung in Rechtskraft erwächst und einem
neuen Antrag der beklagten Gesellschaft hinsichtlich der gleichen Kläger und dem
gleichen angegriffenen Hauptversammlungsbeschluss auch bei neuer Prozesslage
im Anfechtungsverfahren – entgegensteht.
Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass in dem ähnlich ausgebildeten
Verfahren der einstweiligen Verfügung und des Arrestes nach §§ 916 ff ZPO nach
herrschender Ansicht die ablehnende Entscheidung nur eingeschränkte
Rechtskraft hat und bei neuer Sachlage ein erneuter Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung oder Arrest gestellt werden kann, doch kennt das Recht
hier auch ausdrücklich die Aufhebung eines Arrestes oder einstweiligen Verfügung
bei veränderter Sachlage, §§ 927, 936 ZPO auf Antrag des Beklagten, ein Recht
welches den Antragsgegnern im Freigabeverfahren gerade nicht zusteht, so dass
eine vergleichbare Sachlage hier nicht gegeben ist.
Im Übrigen ist fraglich, ob bei Zulässigkeit des neuen Antrages der Antrag derzeit
erfolgreich wäre. Entscheidend wäre dann, ob der Bestätigungsbeschluss der
Hauptversammlung vom 27.2.2007 zu einer offensichtlichen Unbegründetheit der
Anfechtungsklagen führen würde, die dann im Berufungsrechtszug gegen das
Kammerurteil vom 30.3.2007 – 3-05 O 111/06 – zu berücksichtigen wären. Nach §
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Kammerurteil vom 30.3.2007 – 3-05 O 111/06 – zu berücksichtigen wären. Nach §
244 AktG würde zwar ein derartiger Bestätigungsbeschluss die Anfechtbarkeit des
Ausgangsbeschlusses beseitigen – wobei Nichtigkeitsgründe im vorliegenden
Verfahren hinsichtlich des Ausgangsbeschlusses nicht gegeben sind, wie die
Kammer bereits in ihrem Urteil festgestellt hat – doch kann nur ein
bestandskräftiger Bestätigungsbeschluss diese Rechtswirkung entfalten. Es käme
daher darauf an, ob die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen den
Bestätigungsbeschluss in Verfahren 3-05 O 56/07 offensichtlich nicht durchgreifen,
d.h. die Erfolgsaussichten der dort erhobenen Klagen wäre im vorliegenden
Freigabeverfahren inzident zu prüfen. Eine derartige Einschätzung kann jedoch bei
der derzeitigen Prozesssituationen dieses Verfahrens nicht angenommen werden.
Die hiesige Antragstellerin und dortige Beklagte hat ausführlich zu den Klagen mit
Schriftsatz vom 29.5.2007 Stellung genommen.
Dabei hat sie zu gegebenenfalls entscheidungserheblichen Umständen
umfangreiche Beweisangebote gemacht. Ob diese Beweise gegebenenfalls zu
erheben sind, kann erst nach den noch ausstehenden Stellungnahmen der
dortigen Kläger zu dieser Klageerwiderung beurteilt werden. Erst dann – unter
Umständen nach einer erforderlich werdenden Beweisaufnahme – lässt sich
hinreichend sicher beurteilen, ob die geltend gemachten Nichtigkeits-
beziehungsweise Anfechtungsgründe gegen den Bestätigungsbeschluss
durchgreifen können oder der Bestätigungsbeschluss durch (rechtskräftige)
Abweisung dieser Klagen Auswirkungen auf die Anfechtbarkeit des
Ausgangsbeschlusses und damit auf das Klageverfahren 3-05 O 111/06 = 5 U
77/07 OLG Frankfurt am Main haben kann. Diese Unsicherheit über die Wirkung
des Bestätigungsbeschlusses auf den Ausgangsbeschluss stünde daher jedenfalls
derzeit der Annahme einer offensichtlichen Unbegründetheit der
Anfechtungsklagen gegen den Ausgangsbeschluss mithin der Stattgabe über den
vorliegenden Freigabeantrag entgegen.
Nicht entgegen steht allerdings, dass die Vorzugsaktionäre weder beim
Ausgangsbeschluss, noch beim Bestätigungsbeschluss mitgestimmt haben, bzw.
ein Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre hierzu in entsprechender Anwendung
des § 141 AktG nicht vorliegt. Die Kammer gibt im Hinblick auf die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 30.5.2007 – 1 BvR 390/04 – ihre
entgegenstehende Ansicht (so noch Beschluss vom 10.10.2006 – 3-05 O 91/06 –
und Kammerurteil vom 20.1.2004 – 3-05 O 120/03 – NZG 2004, 672) ausdrücklich
auf, nachdem das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung zur
Verfassungsmäßigkeit des sog. Squeeze-out und des Freigabeverfahrens nach §§
327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG dargelegt hat, dass die Vorschriften über den
Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327 a ff. AktG Art. 14 Abs. 1 Satz 1
GG nicht verletzen, da § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG insofern keine
Enteignungsregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG darstellt, sondern eine
Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Aufgrund
dieses Rechtscharakters des von der Hauptversammlung gefassten
Übertragungsbeschlusses und des vom Bundesverfassungsgericht in diesem
Zusammenhang in den Vordergrund gestellten Umstands, dass das
Mitgliedschaftsinteresse eines Aktionärs vom Gesetzgeber in der Regel umso
niedriger bewerten werden kann, je geringer dessen Anteil an der Gesellschaft
ausfällt und gerade für den Vorzugsaktionär die Aktie typischerweise eher eine
Kapitalanlage als eine unternehmerische Beteiligung darstellt genügen für diesen
daher Schutzvorkehrungen, die allein auf die vermögensrechtliche Komponente
der Aktienanlage abstellen. Diesem Interesse wird aber beim stimmrechtslosen
Vorzugsaktionär durch das Spruchverfahren, welches auch der Vorzugsaktionär
betreiben kann, ausreichend genüge getan. Es ist daher aus
verfassungsrechtlicher Sicht nicht erforderlich, entgegen dem Gesetzeswortlaut
bei der Fassung des Übertragungsbeschlusses, bzw. eines entsprechenden
Bestätigungsbeschusses dem stimmrechtslosen Vorzugsaktionär ein Stimmrecht
einzuräumen, wie dies noch die Kammer in den genannten Entscheidungen für
geboten erachtet hat oder in analoger Anwendung des § 141 AktG hier einen
Zustimmungsbeschluss zu fordern.
Die Kosten des Verfahrens sind gem. § 91 ZPO der unterlegenen Antragstellerin
aufzuerlegen.
Der Wert für das Verfahren war auf ½ des Wertes der Hauptsache für die
Antragstellerin anzusetzen, wobei in der Hauptsache die Kammer angesichts des
Volumens der angefochtenen Abfindung für die ausgeschlossenen Aktionäre von
ca. 164 Mio. EUR und den geltend gemachten Einsparungen jährlich hier die Hälfte
ca. 164 Mio. EUR und den geltend gemachten Einsparungen jährlich hier die Hälfte
des höchsten Regelstreitwert des § 247 AktG in Höhe von EUR 500.000,– für
angemessen erachtet.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.