Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: briefkasten, anschrift, grundstück, fehlerhaftigkeit, wohnung, zustellung, zwangsvollstreckung, auskunft, zugang, beweiskraft

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Gericht:
LG Frankfurt 9.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-09 T 650/06,
2/09 T 650/06, 2-9
T 650/06, 2/9 T
650/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 180 ZPO, § 181 ZPO, § 27
GVollzGA, §§ 27ff GVollzGA
Zustellung von Zwangsvollstreckungsunterlagen:
Verweigerung einer Ersatzzustellung durch den
Gerichtsvollzieher mangels Auffindbarkeit eines
Briefkastens für den Schuldner
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1.021,91 EUR.
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aus einem
Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 22.11.2005 – 05-1670697-
0-2 wegen einer Hauptforderung nebst Kosten und Zinsen in Höhe von insgesamt
1.021,91 EUR.
Mit am 28.4.2006 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom
24.4.2006 beantragte die Gläubigerin, den Schuldner zur wiederholten Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung zu laden.
Der zuständige Gerichtsvollzieher begab sich am 10.5.2006 zu der im Antrag
bezeichneten Anschrift des Schuldners und vermerkte im Vollstreckungsprotokoll,
der Schuldner sei dort nicht zu ermitteln, bei der Anschrift handele es sich um eine
"Lagerungsstätte, Wiesengelände". Mit Schreiben vom 10.5.2006 reichte der
Gerichtsvollzieher die Vollstreckungsunterlagen an die Gläubigerin zurück und
teilte mit, bei der Schuldneradresse handele es sich um einen Lagerplatz inmitten
einer Schrebergartenkolonie und es sei weder ein Wohnhaus gesichtet worden
noch sei eine Ladung nach § 180 ZPO möglich gewesen. Unter Verweis auf eine
Mitteilung des Einwohnermeldeamtes der Stadt F, wegen deren Einzelheiten auf Bl.
7 d. A. Bezug genommen wird, machte die Gläubigerin geltend, der Schuldner
wohne unter der bezeichneten Anschrift und dort sei gut sichtbar ein mit dem
Namen des Schuldners versehener Briefkasten angebracht. Der Gerichtsvollzieher
begab sich am 11.8.2006 erneut an die von der Gläubigerin bezeichneten Anschrift
und vermerkte in dem Vollstreckungsprotokoll wiederum, dass der Schuldner dort
nicht zu ermitteln sei; es sei trotz intensiver Suche kein Briefkasten und kein
Hinweis auf den Schuldner gefunden worden. Mit Schreiben vom 13.8.2006 reichte
der Gerichtsvollzieher die Vollstreckungsunterlagen erneut an die Gläubigerin
zurück. Mit am 23.8.2006 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die
Gläubigerin ohne Formulierung eines konkreten Antrags Erinnerung gegen die Art
und Weise der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher erhoben und die
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und Weise der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher erhoben und die
Auffassung vertreten, der Gerichtsvollzieher hätte eine Ladung zur Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung gemäß § 180 ZPO zustellen müssen.
Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 20.10.2006
zurückgewiesen. Gegen diesen am 25.10.2006 zugestellten Beschluss hat die
Gläubigerin am 30.10.2006 "sofortige weitere Beschwerde" erhoben und eine
weitere "einfache Melderegisterauskunft gemäß § 34 Abs. 1 HMG" vom 24.10.2006
vorgelegt, für deren Einzelheiten auf Bl. 27 d. A. Bezug genommen wird.
Unter dem 15.11.2006 hat der Gerichtsvollzieher mitgeteilt, der Zugang zu dem
im Vollstreckungsauftrag angegebenen Grundstück sei durch ein großes Metalltor
verwehrt, welches anlässlich der Vollstreckungsversuche jeweils verschlossen
gewesen sei; ein frei zugänglicher Briefkasten habe sich am Grundstückstor nicht
befunden.
Die Gläubigerin hat mit Schriftsatz vom 11.12.2006 geltend gemacht, der
Gerichtsvollzieher habe nach Erwirkung eines Durchsuchungsbeschlusses die
Möglichkeit, das Gelände zu betreten. Mit Beschluss vom 14.12.2006 hat das
Amtsgericht eine Nichtabhilfeentscheidung getroffen und die Sache dem
Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793 ZPO statthaft und zulässig,
insbesondere fristgemäß erhoben.
Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet, da das Amtsgericht die Erinnerung
der Gläubigerin gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung zu Recht
zurückgewiesen hat. Das Verfahren des Gerichtsvollziehers anlässlich der
Vollstreckungsversuche vom 10.5. und 11.8.2005 ist nicht zu beanstanden.
Insbesondere hat der Gerichtsvollzieher das bei der Zustellung zu beachtende
Verfahren eingehalten.
Eine Zustellung der Ladung an den Schuldner durch Übergabe durch den
Gerichtsvollzieher war nicht möglich, da der Gerichtsvollzieher den Schuldner
anlässlich der Vollstreckungsversuche nicht angetroffen hat. Diesen nach §§ 762,
415 Abs. 1 ZPO als bewiesen feststehenden Umstand hat die Gläubigerin nicht
bestritten.
Der Gerichtsvollzieher hat auch nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem er
keine Ersatzzustellung i. S. des § 180 ZPO nicht vorgenommen hat. Insoweit ist
bewiesen, dass der Gerichtsvollzieher anlässlich der Vollstreckungsversuche
keinen Briefkasten vorgefunden hat. Dies folgt aus der Beweiskraft des
Vollstreckungsprotokolls, welches gemäß § 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO vollen
Beweis für die beurkundeten Tatsachen erbringt. Da der Gerichtsvollzieher an dem
verschlossenen Tor zum Grundstück keinen Briefkasten des Schuldners
vorgefunden hat, war es ihm nicht möglich, eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO
vorzunehmen. Das Gegenteil, nämlich das Vorhandensein eines Briefkastens, ist
auch nicht durch die Melderegisterauskunft vom 13.7.2006 bewiesen. Denn dort
wird auf eine nicht näher bezeichnete "schriftliche Mitteilung", deren Aussteller
nicht bezeichnet wird, Bezug genommen, wonach "gut sichtbar" ein Briefkasten
angebracht sei. Die Mitteilung, dass ein Briefkasten angebracht sei, ist nicht von
der Beweiskraft der Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO umfasst, da es sich
ausweislich der Überschrift um eine einfache Melderegisterauskunft handelt und es
nicht zum zugewiesenen Geschäftskreis der Meldebehörde i. S. des § 415 Abs. 1
ZPO gehört, Auskunft über tatsächliche Verhältnisse bezüglich einer
Briefkastenanlage zu geben. Zudem lässt der Wortlaut des Schreibens vom
13.7.2006 erkennen, dass hier lediglich der Inhalt einer nicht näher bezeichneten
schriftlichen Mitteilung eines Dritten wiedergegeben wird, nicht aber eigene
Erkenntnisse i. S. des § 418 Abs. 1 ZPO bezeugt werden sollen.
Auch aus der Melderegisterauskunft vom 24.10.2006 lässt sich eine
Fehlerhaftigkeit des Vorgehens des Gerichtsvollziehers anlässlich der
Vollstreckungsversuche nicht herleiten. In dieser Auskunft werden ohne nähere
Darlegung der Art "örtliche Ermittlungen" angegeben, wonach der Schuldner einen
Wohnwagen bewohne und ein Briefkasten für den Schuldner an einer Wohnung
eines Dritten angebracht sei. Selbst wenn diese "örtlichen Ermittlungen" zum
Zeitpunkt der Erteilung der "Melderegisterauskunft" am 24.10.2006 zutreffen
sollten, ergibt sich hieraus keine Fehlerhaftigkeit der Unterlassung der
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sollten, ergibt sich hieraus keine Fehlerhaftigkeit der Unterlassung der
Ersatzzustellung durch den Gerichtsvollzieher. Selbst wenn der bezeichnete
Briefkasten zum Zeitpunkt der Vollstreckungsversuche des Gerichtsvollziehers
bereits vorhanden war, folgt hieraus nicht die Fehlerhaftigkeit des Vorgehens des
Gerichtsvollziehers. Denn selbst wenn an einer Wohnung eines Dritten ein
Briefkasten für den Schuldner angebracht wäre, so wäre eine Fehlerhaftigkeit des
Vorgehens des Gerichtsvollziehers nur dann festzustellen, wenn der Briefkasten
auch zugänglich gewesen wäre. Dem steht jedoch die Angabe des
Gerichtsvollziehers, das auf dem Lichtbild Bl. 29 d. A. erkennbare Eisentor sei
jeweils verschlossen gewesen, entgegen. Selbst wenn sich auf dem Grundstück
tatsächlich die Wohnung eines Dritten mit einem Briefkasten des Schuldners
befinden würde, so ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gerichtsvollzieher keine
Öffnung des verschlossenen Tores am Zugang zum Grundstück veranlasst hat.
Denn Hof bzw. Garten gehört zur Wohnung i. S. des § 758 ZPO (Zöller-Stöber §
758 a ZPO, 4), so dass eine gewaltsame Öffnung des Tores und die Durchsuchung
des Grundstücks nach einer Zustellmöglichkeit einer richterlichen
Durchsuchungsanordnung nach § 758 a ZPO bedurft hätte. Es ist auch nicht zu
beanstanden, dass der Gerichtsvollzieher selbst eine derartige
Durchsuchungsanordnung nicht beantragt hat. Es ist Sache des Gläubigers, einen
entsprechenden Antrag bei dem Vollstreckungsgericht anzubringen; hierzu ist der
Gerichtsvollzieher nicht befugt (Zöller-Stöber § 758 a ZPO, 23).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574
ZPO nicht gegeben sind.
Die Wertfestsetzung folgt aus § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.