Urteil des LG Frankfurt am Main vom 28.06.2007
LG Frankfurt Main: stift, verkehr, verbundenes unternehmen, unlautere nachahmung, farbe, erzeugnis, gesamteindruck, leistungsschutz, werbung, hersteller
Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 179/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Nr 2 MarkenG, § 4 Nr 9
UWG, § 14 Abs 2 Nr 2
MarkenG, § 19 MarkenG, § 14
Abs 5 MarkenG
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.11.2006 verkündete Urteil der 3.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird nach teilweiser
Klagerücknahme mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte wie folgt
verurteilt bleibt:
I.
Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, die
Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem Präsidenten, untersagt, im geschäftlichen
Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland einen Stift oder Stifte in einer aus der
Abbildung auf Seite 3 der Klageschrift (Bl. 53 d. A.) ersichtlichen Form,
unberücksichtigt der Farbe, anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu
bewerben, wenn der Stift die Abmessungen des zu der Beiakte 2/3 O 49/06
Landgericht Frankfurt am Main (6 U 105/06 OLG Frankfurt am Main) gereichten
und als Anlage dort zum Protokoll vom 30.11.2006 (Bl. 522 d. BA.) genommenen
Stiftes X „A“ aufweist.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang
die Beklagte die unter Ziff. I bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar
unter Angabe
- der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten oder anderer Vorbesitzer
der Artikel gemäß Ziffer I.;
- der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten,
Lieferpreisen und Typenbezeichnung sowie den Namen und Anschriften der
gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber;
- der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und
Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;
- der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
- der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten
und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen
Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den in
Ziff. I genannten Artikeln unmittelbar zugeordnet werden.
III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden
zu ersetzen, der dieser durch die in Ziff. I bezeichneten Handlungen entstanden ist
und noch entstehen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen von der Beklagten angebotenen Textmarker,
da durch dessen Formgebung Markenrechte der Klägerin verletzt würden und er
außerdem eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Nachbildung des von der
Klägerin vertriebenen Y-Textmarkers darstelle.
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 389 ff. d.A.)
Bezug genommen.
Das Landgericht hat, gestützt auf §§ 14 II Nr. 2, V, VI, 19 MarkenG und § 242 BGB,
die Beklagte antragsgemäß wie folgt verurteilt:
I.
Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, die
Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem Präsidenten, untersagt, im geschäftlichen
Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland einen Stift oder Stifte in einer aus den
nachfolgenden Abbildungen ersichtlichen Form, unberücksichtigt der Farbe,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben: (es folgt die
Abbildung wie auf Seite 3 der Klageschrift).
II.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang
die Beklagte die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar
unter Angabe
- der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten oder anderer Vorbesitzer
der Artikel gemäß Ziffer I..;
- der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten,
Lieferpreisen und Typenbezeichnung sowie den Namen und Anschriften der
gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber;
- der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und
Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;
- der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
- der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten
und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen
Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den in
Ziff. I genannten Artikeln unmittelbar zugeordnet werden.
III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden
zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen entstanden
ist und noch entstehen wird.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt
und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung entgegen.
Ihre zunächst eingelegte Anschlussberufung, mit der sie ihr Klagebegehren auch
auf eine durch Benutzung erworbene (§ 4 Nr. 2 MarkenG) Formmarke gestützt hat
und mit der sie darüber hinaus die Vernichtung sämtlicher in Deutschland
befindlicher Stifte gemäß Ziff. I der landgerichtlichen Verurteilung beansprucht hat,
hat die Klägerin im Verhandlungstermin vor dem Senat zurückgenommen.
In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin außerdem die Klage mit
Zustimmung der Beklagten teilweise zurückgenommen, indem sie ihr
Klagebegehren dahingehend modifiziert hat, dass – gestützt auf § 4 Nr. 9 UWG –
lediglich noch solche Stifte erfasst werden sollen, die die, mit dem Erzeugnis der
Klägerin übereinstimmenden, Abmessungen des zu den Beiakten gereichten
Stiftes X „A“ aufweisen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der
Unterlassungsausspruch lautet, der Beklagten bei Meidung der im angefochtenen
Urteil ausgesprochenen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr
in der Bundesrepublik Deutschland einen Stift oder Stifte in einer aus der
Abbildung auf Seite 3 der Klageschrift (Bl. 53 d. A.) ersichtlichen Form,
unberücksichtigt der Farbe, anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu
bewerben, wenn der Stift die Abmessungen des zu der Beiakte 2/3 O 49/06
Landgericht Frankfurt am Main (6 U 105/06 OLG Frankfurt am Main) gereichten
und als Anlage dort zum Protokoll vom 30.11.2006 (Bl. 522 d. BA.) genommenen
Stiftes X „A“ aufweist;
und mit der weiteren Maßgabe, dass die Ansprüche auf Rechnungslegung,
Drittauskunft und Schadensersatzfeststellung, wie in der Klageschrift formuliert,
rückbezogen sein sollen auf den vorstehend wiedergegebenen, auf § 4 Nr. 9 UWG
gestützten Unterlassungsanspruch.
Die Beklagte beantragt,
die Klage auch mit den in der Berufungsverhandlung gestellten Anträgen
abzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten
Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des einstweiligen Verfügungsverfahrens (Landgericht Frankfurt am Main
– 2/03 O 49/06; Oberlandesgericht Frankfurt am Main – 6 U 105/06) waren
beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Soweit die Klägerin ihre Klage in der Berufungsverhandlung aufrechterhalten hat,
hat die zulässige Berufung der Beklagten in der Sache keinen Erfolg.
In dem jetzt konkretisierten und modifizierten Antragsumfang ergibt sich der von
der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch (jedenfalls) aus §§ 3, 4 Nr.
9 a), 8 Abs.1 UWG; die Klägerin ist insoweit als Herstellerin des Originalstifts
aktivlegitimiert.
Durch die sondergesetzliche Regelung des § 14 MarkenG werden Ansprüche aus
ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 9 UWG
nicht von vornherein ausgeschlossen. Neben Ansprüchen aus Markenrecht können
Ansprüche aus UWG gegeben sein, wenn sie sich gegen ein wettbewerbswidriges
Verhalten richten, das als solches nicht Gegenstand der markenrechtlichen
Regelung ist (vgl. BGH, WRP 2003, 521, 526 m.w.N. – Abschlußstück). Im
vorliegenden Fall beziehen sich die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche
aus Markenrecht und ihre behaupteten Ansprüche aus ergänzendem
wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz auf verschiedene Schutzgegenstände,
weil sie an unterschiedliche Sachverhalte anknüpfen. Für die Ansprüche aus
ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz kommt es nicht auf eine
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ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz kommt es nicht auf eine
Ähnlichkeit der beanstandeten Textmarker mit den Grafiken der Klagemarken an.
Vielmehr macht die Klägerin insoweit geltend, dass es sich um eine unlautere
Nachahmung ihres Y-Textmarkers handele, wobei die Beklagte auch dessen
Abmessungen nahezu identisch übernommen habe.
Der von der Klägerin hergestellte und vertriebene Textmarker Y verfügt über
wettbewerbliche Eigenart. Diese ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden
Merkmalen:
- Der Stift verjüngt sich nach vorne (Kappe) und hinten (Korpus) konstant, und
zwar in der Breite und in der Höhe,
- die im Querschnitt größte Ausdehnung befindet sich an dem Übergang zwischen
dem Korpus und der Kappe,
- der Korpus und die Kappe sind oben und unten abgeflacht, und die Spitze der
Kappe und das Ende des Stifts sind ebenfalls abgeflacht.
Neben diesen formbezogenen Merkmalen wird das Erscheinungsbild des Stifts Y in
seiner gängigen Ausführungsform vor allem auch durch seine Zweifarbigkeit
geprägt, wobei der Korpus in der jeweiligen Markierfarbe und die Kappe sowie die
Beschriftung in Schwarz gehalten sind. Außerdem ist der Stift in deutlich
wahrnehmbarer Form mit den Marken der Klägerin („Y“ und der Abbildung eines
…) versehen.
Unerheblich für den Gesamteindruck sind demgegenüber Details, die der Verkehr
bei situationsgemäßer Aufmerksamkeit kaum wahrnimmt. Hierzu zählen die
„Doppelkante“, die Korpus und Kappe trennt, und die runde Einkerbung auf der
Endseite der Kappe. Auch die für sich betrachtet etwas ungewöhnliche
asymmetrische Einkerbung mit bumerangförmiger kleiner Kante auf der Kappe
des Stifts tritt im Gesamteindruck zurück. Für die wettbewerbliche Eigenart
unerheblich sind außerdem bei der Warengattung weitverbreitete Merkmale wie
das Vorhandensein einer abziehbaren Kappe und die flache Form des Stifts mit
gerundeten Schmalseiten.
Das Erzeugnis der Klägerin besitzt fraglos eine „gewisse Bekanntheit“; das stellt
auch die Beklagte nicht in Abrede. Darüber hinaus ist die wettbewerbliche Eigenart
des Y-Stifts durch langjährige und intensive Benutzung erheblich gesteigert. Diese
Einschätzung wird durch die Einwendungen der Beklagten nicht ernstlich in Frage
gestellt, wobei der Senat nicht verkennt, dass zwischen dem vorgelegten Z-Stift
„Textmarker …“, bei dem eine erhebliche Marktbedeutung unterstellt werden darf,
und dem Y eine vage Ähnlichkeit besteht.
Der beanstandete Stift stellt eine Nachahmung des Y in Form einer
nachschaffenden Leistungsübernahme dar. Der Textmarker der Beklagten
verjüngt sich – in der Breite und in der Höhe – nach vorne (Kappe) und hinten
(Korpus), wobei sich die voluminöseste Stelle am Übergang zwischen Korpus und
Kappe befindet. Korpus und Kappe sind oben und unten abgeflacht; die Spitze der
Kappe und das Stiftende sind ebenfalls abgeflacht.
Allerdings unterscheidet sich die angegriffene Ausführungsform von dem Stift der
Klägerin bereits in der Formgebung durch einzelne Zusätze. Die Kappe ist anders
gestaltet; vor allem steht die Kappenspitze an den Schmalseiten etwas über und
die Oberfläche der Kappe ist nicht einheitlich, sondern in glänzende und matte
Segmente unterteilt. Des Weiteren befinden sich an den Schmalseiten des Korpus
Riffelungen, denen keine rein technische Funktion zuzuschreiben ist, da die
Griffigkeit des Stiftes nicht spürbar durch die Riffelungen erhöht wird, sondern
durch das in diesem Bereich verwendete gummiartige Material.
Noch erheblicher sind die Unterschiede in der Farbgebung. Bei der angegriffenen
Ausführungsform sind, abweichend vom gewohnten Erscheinungsbild des Y, die
Ober- und Unterseite des Korpus in der Farbe der Kappe gehalten; die
Schmalseiten sind davon farblich abgesetzt. Die Farbgebung der Ober- und
Unterseite greift zum Stiftende hin teilweise auf die Schmalseiten über. Durch
diese farbliche Ausbreitung zum Stiftende hin wird der konische Verlauf des
Schaftes optisch etwas konterkariert. Ähnlich verhält es sich bei der Kappe
aufgrund der seitlich ausgewölbten Spitze.
Schließlich weist vor allem die Beschriftung auf eine gegenüber dem Y-Stift andere
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Schließlich weist vor allem die Beschriftung auf eine gegenüber dem Y-Stift andere
Herkunft hin. In dem Aufdruck „X“ sieht der Verkehr eine Herstellerbezeichnung
oder Dachmarke und in „A“ die Produktbezeichnung. Ferner ist auch die
gestalterische Ausführung der Beschriftung bei den beiden Stiften verschieden; so
ist der Schriftzug „A“ in einem Goldton gehalten.
Durch die demnach von der Beklagten ergriffenen Abstand wahrenden
Maßnahmen wird eine unmittelbare Herkunftstäuschung vermieden. Die Annahme
einer Herkunftstäuschung scheitert bereits an den
unterschiedlichen und hinreichend auffälligen Herstellerangaben (vgl. zu diesem
Gesichtspunkt BGH, GRUR 2001, 251, 254 – Messerkennzeichnung; BGH, WRP
2006, 75, 79 Rdnr. 33 – Jeans I). Die weiteren eben genannten Unterschiede, die
von der klaren und „glatten“ Formgebung des Y-Stiftes optisch wegführen, treten
ergänzend hinzu.
Unter Einbeziehung der Tatsache, dass der beanstandete Textmarker in seinen
Abmessungen nahezu identisch mit dem Produkt der Klägerin übereinstimmt, ist
jedoch eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne zu bejahen. Es besteht die
Gefahr, dass der Verkehr angesichts des X-Textmarkers vermutet, es mit einer
Zweitmarke der Klägerin zu tun zu haben, oder annimmt, zwischen den beteiligten
Unternehmen bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen.
Zwar spricht eine deutlich erkennbare unterschiedliche Herstellerangabe auf dem
nachgeahmten Produkt in der Regel auch gegen die Annahme einer Zweitmarke
(vgl. BGH, GRUR 2001, 251, 254 – Messerkennzeichnung; BGH, WRP 2001, 534,
537 – Viennetta). Des Weiteren liegt die Vermutung einer lizenzvertraglichen
Beziehung der beteiligten Unternehmen im Regelfall fern, wenn eine (fast)
identische Leistungsübernahme zu verneinen ist; denn es entspricht nicht der
Lebenserfahrung, dass ein Unternehmen seinem Konkurrenten die
nachschaffende Übernahme seiner Produkte gestattet (vgl. BGH, WRP 2001, 534,
537 – Viennetta).
Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht demgegenüber aber in einer
frappierenden Übereinstimmung der Abmessungen, die gerade dem
aufmerksamen Verbraucher auffallen und ihn zu Fehlschlüssen verleiten kann. Die
Übereinstimmung in den Abmessungen geht darauf zurück, dass die Beklagte den
Y-Textmarker ursprünglich praktisch identisch nachgeahmt hatte. Von diesem
Plagiat, dessen Vertrieb ihr untersagt wurde, ist die Beklagte in der Folgezeit
abgerückt, indem sie sich bei dem hier streitgegenständlichen Erzeugnis durch
diverse Zutaten und Veränderungen von der ursprünglichen Vorlage gestalterisch
abgesetzt hat. An einer (fast) identischen Leistungsübernahme fehlt es hier somit
nur deshalb, weil sich die angegriffene Ausführungsform mit ihren zusätzlichen
Merkmalen von dem Gesamteindruck des Y-Textmarkers entfernt hat.
Angesichts der übereinstimmenden Abmessungen kann aber für nicht
unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs (die nicht wissen, dass der Stift
der Beklagten nicht unmittelbar auf dem Stift der Klägerin, sondern auf einem
unzulässigen Plagiat dieses Stiftes aufbaut) der Eindruck entstehen, bei dem
angegriffenen Textmarker handele es sich um ein mit dem Y-Textmarker teilweise
baugleiches Erzeugnis in abgewandelter Aufmachung, durch dessen Vertrieb die
Klägerin über ein mit ihr vertraglich verbundenes Unternehmen eine zweite
Vermarktungslinie im unteren Preissegment bedienen wolle.
Die von der Beklagten vorgelegte Verkehrsbefragung der von B-Marktforschung
(Anlage B 7) ändert an dieser Einschätzung nichts. Unabhängig von der Frage, ob
das Umfrageergebnis als Beleg für das Fehlen einer unmittelbaren
Verwechslungsgefahr gesehen werden kann, spricht es jedenfalls nicht stichhaltig
gegen die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn.
Die auf Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung
gerichteten Folgeanträge sind – nunmehr beschränkt auf Stifte mit den
Abmessungen des beanstandeten Textmarkers X „A“ – ebenfalls begründet (§§ 9
UWG, 242 BGB). Die Beklagte hat zumindest fahrlässig gehandelt. Im Bereich des
wettbewerbsrechtlichen ergänzenden Leistungsschutzes finden die Grundsätze der
dreifachen Schadensberechnung und der BGH-Entscheidung
„Gemeinkostenanteil“ Anwendung (vgl. BGH, WRP 2007, 533, 535 –
Steckverbindergehäuse). Dem entspricht der Umfang der dem Verletzten zum
Zweck der Schadensberechnung zu erteilenden Auskünfte. Des Weiteren besteht
auch ein Anspruch auf Drittauskunft, gestützt auf §·242 BGB (vgl. BGH, WRP 2001,
918, 919 – Entfernung der Herstellungsnummer II;
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in: Ullmann jurisPK-UWG, § 4 Nr. 9 Rdn 55). Interessen der Beklagten, die
der Verpflichtung zur Erteilung einer Drittauskunft durchgreifend entgegenstehen
könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 I, 97 I, 269 III 2, 516 III ZPO.
Die in der Berufungsverhandlung vorgenommene Modifizierung der Klageanträge
beinhaltete eine teilweise Klagerücknahme erheblichen Ausmaßes, da der
ursprünglich angestrebte Verbotsumfang wesentlich weiter gewesen wäre und
kleinere Abänderungen in der Formgebung des gegnerischen Produkts mit erfasst
hätte. Andererseits war bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen, dass es der
Klägerin insbesondere um ein Verbot des angegriffenen Textmarkers in der von
der Beklagten vertriebenen konkreten Ausführungsform ging und dass sich die
Teilrücknahme auf die – wegen des frühzeitigen Einschreitens der Klägerin hier
allerdings ohnehin geringe – wirtschaftliche Bedeutung der Folgeansprüche kaum
auswirkt. Im Ergebnis hält der Senat eine Kostenaufhebung für angemessen. Dies
gilt auch für das Berufungsverfahren, da auf die mit der Anschlussberufung
verbundene Klageerweiterung nur ein relativ geringer Teilwert entfällt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht vorliegen. Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten
Umstände des vorliegenden Einzelfalles, die das Gericht auf der Grundlage
anerkannter Rechtsgrundsätze bewertet hat.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.