Urteil des LG Frankfurt am Main vom 13.03.2017
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Gericht:
LG Frankfurt 6.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-06 O 337/07,
2/06 O 337/07, 2-6
O 337/07, 2/6 O
337/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 3 S 2 Nr 1 HeilMWerbG
Irreführende Heilmittelwerbung: Nachweis der
wissenschaftlichen Absicherung einer Wirkungsbehauptung
durch die placebo-kontrollierte Doppelblindstudie für ein
Vorgängerprodukt
Tenor
Der Beschluss – einstweilige Verfügung – vom 11.7.2007 wird bestätigt.
Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Eilverfahrens zu
tragen.
Tatbestand
Zu den satzungsmäßigen Aufgaben des Antragstellers gehört die Bekämpfung
unlauteren Wettbewerbs. Außerdem ist er als Wettbewerbsverband gemäß § 13 V
Nr. 2 UKlaG festgestellt.
Die Antragsgegnerin vertreibt u. a. Mittel gegen das Schnarchen, nämlich "...
Gaumen-Strips", "... Nasenspray" und "... Rachenspray".
Für diese Produkte hat die Antragsgegnerin in der "Apotheken-Umschau" bzw. auf
der Produktverpackung mit den nachstehend im Verfügungstenor
wiedergegebenen Äußerungen geworben. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Werbeanzeigen bzw. Produktverpackungen Anlage 2 bis Anlage 6 (Bl. 14 ff.) Bezug
genommen.
Der Antragsteller sieht darin wissenschaftlich nicht belegte Wirkungsangaben bzw.
täuschende Erfolgsversprechen.
Er hat deshalb am 11.7.07 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der
Antragsgegnerin untersagt wurde,
im geschäftlichen Verkehr
1. für die Mittel "... Gaumen-Strips", "... Nasenspray" und/oder "... Rachenspray"
zu werben:
1.1. "Die einfache Lösung gegen Schnarchen",
1.2. "Wirkt gegen Schnarchen bis zu 8 Stunden" und/oder "...wirkt (wirken) bis zu 8
Stunden"
1.3. "...wurden entwickelt um das Schnarchen zu reduzieren oder zu verhindern",
1.4. "Die Lösung
... macht das betroffene Gewebe geschmeidig und hilft jene Schwingungen zu
vermeiden, die das Schnarchen verursachen können",
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1.5. "Die Lösung
... enthält aufeinander abgestimmte Inhaltsstoffe in mikroverkapselter Form
und ist die ganze Nacht über aktiv – so dass Sie und Ihr Partner ruhig schlafen
können.";
2. für das Mittel "... Gaumen-Strips" zu werben:
"14 Nächte erholsamer Schlaf – effektiv...",
3. für das Mittel "... Rachenspray" zu werben:
"50 Nächte erholsamer Schlaf – effektiv..."
4. für das Mittel "... Nasenspray" zu werben:
"25 Nächte erholsamer Schlaf – effektiv...".
Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.
Der Antragteller beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 11.7.07 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 11.7.07 aufzuheben und den Eilantrag
zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin behauptet, dass Hauptursache für das Schnarchen eine
Erschlaffung von Weichteilgewebe sei, das durch die Atemluft in Schwingung
versetzt werde. Ihre Produkte würden das erschlaffte Weichteilgewebe im
Rachenraum bzw. im Nasen-Rachenbereich befeuchten und befetten und dadurch
geschmeidig machen. Eine länger anhaltende Wirkung werde dadurch erzielt, dass
die Wirkstoffe durch Verwendung von Spheruliten nur nach und nach an den
Schleimhäuten freigesetzt würden. Dies sei durch entsprechende Studien belegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung war der Beschluss – einstweilige
Verfügung – vom 11.7.07 zu bestätigen. Denn dem Antragsteller stehen die
geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 2 UKlaG, 3 HWG zu.
Die Äußerungen 1.1, 1.5, 1.5 und 2 bis 4 sind schon deshalb zu untersagen, weil
sie ein Erfolgsversprechen enthalten. Indem die Mittel als "die Lösung" bzw.
"effektiv...anzuwenden" beworben werden, entsteht der Eindruck, dass ein Erfolg
mit Sicherheit eintritt, was indessen nicht einmal nach den von der
Antragsgegnerin vorgelegten Studien zutrifft. Denn "die Lösung" verspricht eine
endgültige und damit im vorliegenden Sachzusammenhang vollständige
Beseitigung des Problems "Schnarchen". Die "effektive Anwendung" deutet in die
gleiche Richtung.
Davon abgesehen bestehen Bedenken, die Wirkungsäußerungen generell als
wissenschaftlich gesichert anzusehen, weshalb ebenfalls die oben genannten aber
auch die übrigen Werbeaussagen zu verbieten sind.
Die Antragsgegnerin legt als Anlage 1 eine placebo-kontrollierte Doppelblindstudie
vor. Diese betraf jedoch nicht das streitgegenständliche Rachenspray, sondern ein
Vorgängerprodukt. Dieses Produkt soll zwar nach Darstellung der Antragsgegnerin
im Vergleich zu dem Vorgängerprodukt deutlich verbessert worden sein.
Andererseits legt die Antragsgegnerin aber auch dar (Bl. 123), dass das neue
Produkt eine völlig andere Wirkstoffkombination aufweist, die derart deutlich von
dem Vorgängerprodukt abweicht, dass die Kritik, die die Stiftung Warentest
hinsichtlich des alten Produkts geäußert hatte, auf das neue Produkt nicht
übertragen werden könne. Handelt es sich aber um einen derart großen
Unterschied, erscheint es auch nicht mehr gerechtfertigt, die Ergebnisse der
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Unterschied, erscheint es auch nicht mehr gerechtfertigt, die Ergebnisse der
Studie gemäß Anlage 1 auf das neue Produkt unbesehen zu übertragen.
Außerdem wurden bei dieser Studie lediglich 28 Paare (davon 28 Schnarcher und
28 Partner) untersucht bzw. befragt. Diese Anzahl genügt nicht, um
Zufallsergebnisse auszuschließen. Darüber hinaus ist zu beanstanden, dass
lediglich Befragungen der Betroffenen durchgeführt wurden. Geräuschmessungen
erfolgten nicht, so dass die Angaben der Betroffenen zur Intensität des
Schnarchens oder zur Schlafunterbrechung nicht objektiv überprüft werden
konnten, was jedoch schon deshalb angezeigt erschien, weil
Schlafunterbrechungen nicht zwingend auf das Schnarchen des Partners
zurückzuführen sind.
Diese Bedenken gelten auch für die späteren Studien, an denen zwar ein größerer
Personenkreis teilgenommen hat, deren Design jedoch wissenschaftlichen
Anforderungen ebenfalls nicht genügt. Mit Recht beanstandet der Antragsteller,
dass die Einnahme der Produkte nicht unter Aufsicht erfolgte und auch nur über
den kurzen Zeitraum von 2 Nächten. Placebos wurden nicht einbezogen.
Das vorgelegte Material trägt daher die Werbeaussagen der Antragsgegnerin
nicht. In diesem Fall verbleibt es auch bei der Darlegungslast des Werbenden, also
der Antragsgegnerin (vgl. ...).
Auf die weiteren Studien kommt es nicht mehr an, da diese sich zu der Frage
verhalten, ob und wie lange der angebliche Wirkstoff auf den Schleimhäuten
appliziert wird. Sie sagen aber nichts darüber aus, ob der Wirkstoff überhaupt wirkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.