Urteil des LG Frankfurt am Main vom 16.06.2003

LG Frankfurt: diplomatische immunität, verzicht, iure gestionis, international court of justice, pfändung, völkerrecht, wiener konvention, diplomatische vertretung, internationale zuständigkeit

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Gericht:
KG Berlin 25.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
25 W 100/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 32 Abs 2 DiplBezÜbk, Art 45
Abs 2 KonsÜbk Wien, § 803 ZPO
Zwangsvollstreckungsverfahren: Zulässigkeit der Pfändung des
Bankkontos einer diplomatischen Vertretung
Tenor
1.)
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des
Amtsgerichts Mitte von Berlin vom 16. Juni 2003 – Az. 32 M 4848/03 – in der
Beschlussformel zu 1) und 3) aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Mitte von Berlin
vom 23. April 2003 –. Az 32 M 4848/03 – wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass
dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen.
2.)
Die Wirksamkeit dieser Entscheidung wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses
hinausgeschoben.
3.)
Der Gläubiger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4.)
Der Verfahrenswert wird auf 843.188,78 EUR festgesetzt.
5.)
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.) Der Gläubiger ist Inhaber von Staatsanleihen der Schuldnerin. In einem Rechtsstreit
vor dem Landgericht Frankfurt am Main erwirkte er ein Urteil, durch das die Schuldnerin
zur Zahlung von 766.937,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8,5% hieraus seit dem 23.
Februar 2002 Zug um Zug gegen Aushändigung in der Urteilsformel näher bezeichneter
Inhaberschuldverschreibungen verurteilt wurde (Urteil des Landgerichts Frankfurt/M. vom
14. März 2003, Aktenzeichen 2-21 O 294/02).
In den Anleihebedingungen der hier streitbefangenen Anleihe WKN 135 475 heißt es in §
12 Abs. 4:
"In dem Ausmaß, in dem die Republik derzeit oder zukünftig Immunität (aus hoheitlichen
oder sonstigen Gründen) von der Gerichtsbarkeit irgendeines Gerichts oder von
irgendeinem rechtlichen Verfahren (ob bei Zustellung, Benachrichtigung, Pfändung,
Vollstreckung oder in einem sonstigen Zusammenhang) in Bezug auf sich selbst oder
ihre Einkünfte, ihr Vermögen oder Eigentum besitzt oder erwerben sollte, verzichtet die
Anleiheschuldnerin hiermit unwiderruflich auf eine solche Immunität in Bezug auf ihre
Verpflichtungen aus den Teilschuldverschreibungen in dem Umfang, in dem sie dazu
gemäß dem anwendbaren Recht berechtigt ist.
Unbeschadet des Vorstehenden werden durch argentinische Gerichte Pfändungen vor
einer gerichtlichen Entscheidung nicht angeordnet im Hinblick auf (i) Vermögenswerte,
die entsprechend Artikel 6 des Konvertibilitätsgesetzes frei verfügbare Reserven
darstellen, (ii) in Argentinien belegene Vermögensgegenstände, die öffentliches
Eigentum im Sinne der Art. 2.337 und 2.340 des argentinischen Zivilgesetzbuches
darstellen, (iii) in Argentinien belegene Vermögensgegenstände, die der Erbringung
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darstellen, (iii) in Argentinien belegene Vermögensgegenstände, die der Erbringung
unverzichtbarer staatlicher Dienstleistungen gewidmet sind, und (iv)
Vermögensgegenstände im Sinne des Artikels 19 des Haushaltsgesetzes für das Jahr
1996.".
Auf Antrag des Gläubigers vom 11. April 2003 hat das Amtsgericht Mitte als
Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 23. April 2003 die Pfändung der bei der
Drittschuldnerin belegenen Konten wegen einer Forderung in Höhe von insgesamt
843.188,78 EUR angeordnet. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (Bl. 2 ff d.A.)
wurde der Drittschuldnerin am 29. April 2003 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2003, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die
Schuldnerin Erinnerung gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eingelegt
und gleichzeitig beantragt, die ausgebrachten Zwangsvollstreckungsmaßnahme ohne
Sicherheitsleistung einzustellen.
Mit Beschluss vom 6. Mai 2003 (Bl. 44 d.A.) hat das Amtsgericht Mitte die
Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 23. April
2003 bis zur Entscheidung über die Erinnerung der Schuldnerin vom 2. Mai 2003
einstweilen eingestellt.
Der Gläubiger hat mit Schriftsatz vom 8. Mai 2003 beantragt, die Erinnerung und den
Antrag auf einstweilige Anordnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung
zurückzuweisen und mit weiterem Schriftsatz vom 9. Mai 2003 Erinnerung gegen den
Beschluss des Amtsgerichts vom 6. Mai 2003 eingelegt und beantragt, diesen
aufzuheben.
Mit angefochtenem Beschluss vom 16. Juni 2003 hat das Amtsgericht Mitte sowohl die
Erinnerung der Schuldnerin vom 2. Mai 2003 als auch die Erinnerung des Gläubigers vom
9. Mai 2002 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die
Schuldnerin einen umfassenden Verzicht auf Immunität in den streitbefangenen
Anleihen erklärt habe, welcher eine Vollstreckung auch in die Botschaftskonten zulasse.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bl. 174 – 177 d. A. Bezug genommen.
Der Beschluss wurde der Schuldnerin und dem Gläubiger sowie der Drittschuldnerin
jeweils am 20. Juni 2003 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 25. Juni 2003 eingegangene sofortige Beschwerde der
Schuldnerin. Diese vertritt wie bereits im Verfahren über die Erinnerung die Auffassung,
dass die Vollstreckung in die Botschaftskonten unzulässig sei, da der in den
Anleihebedingungen ausgesprochene Verzicht auf Immunität sich allein auf die
allgemeine Staatenimmunität beziehe, jedoch keinen ausdrücklichen Verzicht auf die
Vorrechte und Befreiungen des diplomatischen Verkehrs darstelle. Ein derartiger
ausdrücklicher Verzicht sei aber nach dem allgemeinen Völkerrecht unerlässlich, zudem
müsse ein derartiger Verzicht auch dem Empfangsstaat schriftlich mitgeteilt werden.
Unter Bezugnahme auf die vom Botschafter der ständigen Mission der Schuldnerin in
Deutschland gegenüber dem Vollstreckungsgericht abgegebene Erklärung vom 25. März
2003 (Bl. 92 d.A.) meint die Schuldnerin, es sei von ihr hinreichend dargelegt, dass die
von der Pfändung betroffenen Konten Vermögenswerte darstellten, welche der
besonderen diplomatischen Immunität unterlägen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Schuldnerin wird auf die
Beschwerdeschrift vom 25. Juni 2003, Bl. 183 – 200 d.A. sowie den Schriftsatz vom 2. Juli
2003 verwiesen.
Die Schuldnerin beantragt,
den Beschluss des Amtsgericht Berlin Mitte vom 16. Juni 2002 und den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Mitte vom 23. April 2003 aufzuheben.
Der Gläubiger beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Der Gläubiger verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts unter erneutem Hinweis
darauf, dass die Tätigkeit der Botschaft der Schuldnerin trotz der bereits am 19. März
2003 erfolgten Vorpfändung seit Wochen unbeeinträchtigt sei. Es sei deshalb davon
auszugehen, dass die Botschaftskonten keinen hoheitlichen Zwecken dienten. Zudem
befänden sich auf den Botschaftskonten erhebliche Guthaben in Millionenhöhe, die
schon angesichts ihrer Höhe nicht nur der Deckung der als relativ gering anzusetzenden
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schon angesichts ihrer Höhe nicht nur der Deckung der als relativ gering anzusetzenden
laufenden Ausgaben und Kosten der Botschaft der Schuldnerin dienen könnten. Es liege
vielmehr nahe, dass die Schuldnerin ihre Botschaftskonten nutze, um unter ihrem
Schutz finanzielle Leistungen abzuwickeln, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit
den Aufgaben einer diplomatischen Vertretung stünden.
Der Gläubiger ist der Ansicht, eine Vollstreckung in die Botschaftskonten der Schuldnerin
sei zulässig, da die Schuldnerin in § 12 Abs. 4 der Anleihebedingungen einen
unmissverständlichen und umfassenden Verzicht auf Immunität im
Vollstreckungsverfahren erklärt habe. Ein redlich denkender, verständiger Anleger könne
den erklärten Immunitätsverzicht nur so verstehen, als dass er die Zwangsvollstreckung
in sämtliche Vermögensgegenstände der Schuldnerin zulasse. Die Anleihebedingungen
unterlägen dem Transparenzgebot des § 5 AGBG a.F. bzw. § 305 c BGB n.F.,
verbleibende Zweifel bei der Auslegung gingen daher zu Lasten der Schuldnerin.
II.) 1.) Die sofortige Beschwerde ist zulässig gemäß § 793 ZPO in Verbindung mit § 567
Abs.1 Nr. 1 ZPO, sie ist insbesondere frist- und formgerecht erhoben.
Die Zuständigkeit des Senats folgt aus 119 Abs. 1 Ziffer 1 b GVG.
2.) Die sofortige Beschwerde ist begründet; der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
ist wegen Unzulässigkeit der Vollstreckung aufzuheben, denn der angegriffene Beschluss
verstößt gegen die völkerrechtlichen Vorrechte und Befreiungen des diplomatischen
Verkehrs.
a) Es kann hier dahinstehen, ob für das vorliegende Verfahren eine internationale
Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht. Diese wäre trotz der Regelung des § 571 Abs.
2 Satz 2 ZPO auch im Beschwerdeverfahren zu prüfen (vgl. BGH NJW 2003, 426).
Hier kann die Frage, ob der Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 23 ZPO in
Verbindung mit § 828 Abs. 2 ZPO, welcher voraussetzt, dass die Partei Gegenstände
besitzt, die dem Vollstreckungszugriff unterliegen, überhaupt gegeben ist, wenn eine
Vollstreckung nur in Vermögen der Schuldnerin erfolgen könnte, welches der
Vollstreckung wegen Immunität nicht unterliegt (verneinend z. B. OLG Frankfurt IPRax
1999, 247 f), letztlich unerörtert bleiben, denn jedenfalls fehlt es an der Zulässigkeit der
Pfändung.
b) Zutreffend hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zunächst
zugrundegelegt, dass nach der einschlägigen Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 13. Dezember 1977 = BVerfGE 46, 342, 388 f,
392) eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die über Art. 25 GG Bestandteil des
Bundesrechts wäre, nicht existiert, nach welcher dem Gerichtssaat die
Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat schlechthin verwehrt wäre.
Danach besteht aber eine gefestigte, allgemeine, von der Rechtsüberzeugung
getragene Übung der Staaten, wonach die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat
aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein
nicht-hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen ist, in
Gegenstände dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaates befinden
oder dort belegen sind, ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig ist, soweit
diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme
hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen (BverfGE a.a.O.; BverfGE 64, 1, 40).
Insbesondere Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto der Botschaft
eines fremden Staates, welches im Gerichtsstaat besteht und zur Deckung der
Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt ist. unterliegen danach nicht der
Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat (BverfGE 42, 342, 364). Denn die
finanzielle Abwicklung der Ausgaben und Kosten einer Botschaft über ein allgemeines,
laufendes Konto des Entsendestaates, das bei einer Bank im Empfangsstaat unterhalten
wird, gehört unmittelbar zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Funktionen des
Entsendestaates unbeschadet dessen, dass Leistungen, die über ein solches Konto
abgewickelt werden, im Verhältnis zur Bank oder zu Dritten sich im Rahmen von
Rechtsverhältnissen oder Verhaltensweisen vollziehen mögen, die je nach ihrer
Rechtsnatur als Verhalten iure gestionis zu qualifizieren sein mögen. Die aus einem
solchen Konto begründeten Forderungen des Entsendestaates gegen die Bank genießen
daher kraft allgemeinen Völkerrechts jedenfalls den Immunitätsschutz zugunsten
diplomatischer Vertretungen bei der Zwangsvollstreckung (BverfG 42, 342, 392 f, 397).
Eine Zwangsvollstreckung sowohl in Vermögensgegenstände eines fremden Staates, die
hoheitlichen Zwecken dienen als auch insbesondere die Zwangsvollstreckung in vom
Diplomatenrecht besonders geschützte Vermögensgegenstände setzt danach einen
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Diplomatenrecht besonders geschützte Vermögensgegenstände setzt danach einen
entsprechenden Immunitätsverzicht des fremden Staates voraus.
Die angefochtene Pfändungsmaßnahme ist entgegen der Auffassung der angefochtenen
Entscheidung unter Berücksichtigung dieser allgemein anerkannten Grundsätze – die
auch von den Parteien nicht angezweifelt werden – unzulässig, da die Schuldnerin –
entgegen der Auffassung der angefochtenen Entscheidung – den danach für die
Zulässigkeit der Vollstreckung in die Botschaftskonten möglichen und erforderlichen
Verzicht nicht erklärt hat. Denn die Schuldnerin hat keinen Verzicht auf den besonderen
Schutz, welcher sich nach dem Grundsatz der Unverletzlichkeit diplomatischer
Vertretungen als auch der Immunität des fremden Staates bezüglich der amtlichen
Funktionen seiner diplomatischen Vertretungen ergibt, erklärt. Dem in Art. 12 der
Anleihebedingungen erklärten pauschalen Immunitätsverzicht kommt ein derartiger
Erklärungsgehalt nicht zu. Die gegenständlichen Grenzen, die das allgemeine
Völkerrecht der Vollstreckung durch den Gerichtsstaat gegen den fremden Staat setzt,
sind damit durch die angegriffene Pfändungsmaßnahme überschritten.
Im Einzelnen:
(1) Entgegen der Ansicht des Gläubigers ist hier von einem unzulässigen Eingriff in nach
diesem Sinne geschütztes Vermögen auszugehen, denn es ist nach der
entsprechenden Auskunft des Botschafters mit Mitteilung vom 25. März 2003 zugrunde
zu legen, dass von den Pfändungsmaßnahmen Konten betroffen sind, welche dazu
dienen, die Ausgaben und Kosten für die Einrichtung und Tätigkeit der diplomatischen
Mission in Deutschland abzuwickeln.
Soweit der Gläubiger in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass schon wegen des
Umstands, dass der Botschaftsbetrieb trotz der seit Monaten bestehenden Pfändung
der Botschaftskonten unbeeinträchtigt weiter stattfinde, davon auszugehen sei, dass
diese keinen hoheitlichen Zwecken dienten, verfängt dies ebensowenig wie der weitere
Einwand des Gläubigers, es befänden sich auf den Botschaftskonten erhebliche
Guthaben in Millionenhöhe, die schon angesichts ihrer Höhe nicht nur der Deckung der
als relativ gering anzusetzenden laufenden Ausgaben und Kosten der Botschaft der
Schuldnerin dienen könnten.
Die Schuldnerin hat insofern nachvollziehbar und hinreichend dargelegt und durch
Vorlage der Bestätigung des Botschafters vom 25. März 2003 hinreichend glaubhaft
gemacht, dass die der Pfändung unterliegenden Konten der Abwicklung der Ausgaben
und Kosten für die Einrichtung und Tätigkeit ihrer diplomatischen Mission dienen und
dass die Pfändung der Konten den Botschaftsbetrieb schwerwiegend beeinträchtigen
würde. Dies ist entgegen der Auffassung des Gläubigers ausreichend, auch wenn weder
eine Versicherung des Botschafters an Eides Statt eingereicht wurde noch die Mitteilung
des Botschafters eine genaue Aufschlüsselung der Guthaben bzw. Ausgaben und Kosten
enthält. Denn an die Darlegungs- und Beweisführungslast der Schuldnerin sind insoweit
keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 46, 342, 400; BGH Beschluss vom
28. Mai 2003 – IXa ZB 19/03 –). So verwehrt das allgemeine Völkerrecht zwar nicht, vom
Entsendestaat zu verlangen, dass er glaubhaft macht, es handele sich bei einem Konto
um ein Konto, das zur Aufrechterhaltung der Funktion seiner diplomatischen Vertretung
dient; für Inhalt und Form dieser Glaubhaftmachung muss es der Gerichtsstaat von
Völkerrechts wegen allerdings genügen lassen, wenn eine gehörige Versicherung durch
ein zuständiges Organ des Entsendestaates erfolgt (BVerfG a.a.O; BGH Beschluss vom
28. Mai 2003 – IX a ZB 19/03 –, S. 10).
Dies ist hier gegeben: Wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung einer
Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretung und wegen der latent
gegebenen Missbrauchsmöglichkeit zieht das allgemeine Völkerrecht den Schutzbereich
zugunsten des fremden Staates sehr weit und stellt auf die typische, abstrakte Gefahr,
nicht aber auf die konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen
Vertretung durch Maßnahmen des Empfangsstaates ab (BVerfGE 46, 342, 395).
Die abstrakte Gefahr ist danach hier anzunehmen, auch wenn der Botschaftsbetrieb
trotz der seit nunmehr Monaten dauernden Pfändung jedenfalls nach außen hin
unbeeinträchtigt erscheinen sollte, wie der Gläubiger vorträgt. Denn das
Bundesverfassungsgericht hat bereits mit der Entscheidung vom 13. Dezember 1977
hierzu ausgeführt, dass es für die Frage der Immunität eines Entsendestaates zu
Gunsten seiner diplomatischen Vertretung gerade nicht auf die wirtschaftliche Lage des
Entsendestaates ankommt, ob er also etwa in der Lage ist, trotz der Pfändung von
Forderungen aus einem allgemeinen laufenden Konto seiner Botschaft den
Botschaftsbetrieb durch finanzielle Zuwendungen oder Leistungen, die auf anderen
Wege erbracht werden, aufrechtzuerhalten. Es kommt insofern allein auf die abstrakte
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Wege erbracht werden, aufrechtzuerhalten. Es kommt insofern allein auf die abstrakte
Gefährdung durch Vollstreckungsmaßnahmen dieser Art an. Sie ist bei den
Rechtswirkungen, die ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach deutschen Recht
zu Lasten des Vollstreckungsschuldners und von Drittschuldnern auslöst, gegeben. Eine
Unterscheidung nach der wirtschaftlichen Lage des Entsendestaates würde überdies zu
einer unterschiedlichen Behandlung fremder Staaten im Bereich der diplomatischen
Immunität führen können, die dem völkerrechtlichen Grundsatz der souveränen
Gleichheit der Staaten widerstritte (BVerfGE 46, 342; 402).
Auch der Umstand, dass die gepfändeten Konten nach Auskunft der Drittschuldnerin
erhebliche Guthaben aufweisen, führt angesichts der vom Botschafter abgegeben
Erklärung zu keinem anderen Ergebnis: Es würde eine völkerrechtswidrige Einmischung
in die ausschließlichen Angelegenheiten des Entsendestaates darstellen, dem
Entsendestaat ohne seine Zustimmung anzusinnen, das Bestehen oder die früheren,
gegenwärtigen oder künftigen Verwendungszwecke von Guthaben auf einem
Botschaftskonto darzulegen (BVerfGE a.a.O.)
Das streitbefangene Konsulatskonto unterfällt daher dem Schutz der besonderen
diplomatischen Immunität.
(2) Die Pfändung der Botschaftskonten ist mangels eines ausdrücklich erklärten
Verzichts auf die besondere diplomatische Immunität unzulässig.
Der in § 12 Abs. 4 1. Teilabsatz der Anleihebedingungen, welche der titulierten Forderung
zugrunde liegen, enthält einen Immunitätsverzicht, welcher nicht eindeutig ist. Nach der
Klausel wird Verzicht auf derzeitige oder zukünftige "Immunität (aus hoheitlichen oder
aus sonstigen Gründen)" erklärt. Aus dem Wortlaut ergibt sich nicht, welchen Umfang
der Immunitätsverzicht hat, ob der Immunitätsverzicht sich auf die allgemeine
Staatenimmunität oder auch auf die besondere diplomatische Immunität bezieht. Inhalt
und Reichweite der Verzichtserklärung sind daher durch Auslegung zu ermitteln, §§ 133,
157 BGB; nach der gebotenen Auslegung bezieht sich der erklärte Immunitätsverzicht
aber nur auf die allgemeine Staatenimmunität.
Soweit der Gläubiger darauf verweist, dass der Immunitätsverzicht ein umfassender sei,
da ausdrücklich auf Immunität aus hoheitlichen und sonstigen Gründen und auch ohne
Einschränkung im Zwangsvollstreckungsverfahren verzichtet werde, nicht zuletzt um
trotz der zur Zeit der Ausgabe angespannten wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin
so die Anleihe für den Anleger attraktiv zu gestalten, greift dies zu kurz, denn es gibt
gerade kein einheitliches Rechtsinstitut der Immunität. Entscheidend kann somit
entgegen der Ansicht des Gläubigers nicht allein sein, ob überhaupt (pauschal) ein
Verzicht auf Immunität erklärt wurde. Bei der Auslegung des erklärten
Immunitätsverzichts ist vielmehr zu berücksichtigen, dass Staatenimmunität und
diplomatische Immunität verschiedene Institute des Völkerrechts mit jeweils eigenen
Regeln sind, so dass von etwaigen Beschränkungen in einem Bereich nicht auf den
anderen geschlossen werden kann. Die diplomatische Immunität stellt nicht nur einen
Reflex der Immunität des Entsendestaates dar, sondern erklärt sich eigenständig aus
dem besonderen Status des Diplomaten. Die Anwesenheit des Diplomaten auf dem
Territorium des Empfangsstaates und seine Befugnis, dort für den Entsendestaat tätig
zu werden, beruhen auf der Zustimmung des Empfangsstaates in Form des Agrément.
Diese Zustimmung rechtfertigt die persönliche wie funktionelle diplomatische Immunität
(BVerfGE 96, 68, 83, 84; Seidl-Hohenfeldern/Stein, Völkerrecht, 10. Auflage, Rz. 1462
und 1008 ff; Ipsen, Völkerrecht, 4. Auflage, § 26 R. 16 und 26; § 35 Rz. 34 ff).
Schutzzweck und Schutzwirkung unterscheiden beide Rechtsinstitute: während die
Staatenimmunität auf der gleichberechtigten Souveränität der Staaten als
Völkerrechtssubjekte beruhen ("par in parem non hebet imperium"), ist das Schutzgut
der Vorrechte und Befreiungen des diplomatischen Verkehrs ein anderes, nämlich das
Interesse der Völkergemeinschaft am diplomatischen Verkehr. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Juni 1997 dazu
ausgeführt:
"Die Institution der Diplomatie mit ihren Privilegien und Immunitäten hat sich im Laufe
der Jahrhunderte als unverzichtbares Instrument der effektiven Kooperation innerhalb
der internationalen Gemeinschaft erwiesen, das es den Staaten erlaubt, unabhängig von
ihren unterschiedlichen Verfassungs- und Sozialsystemen ein gegenseitiges Verständnis
zu entwickeln und ihre Meinungsverschiedenheiten mit friedlichen Mitteln beizulegen
(vgl. IGH, Diplomatic and Consular Staff Fall, International Court of
Justice-Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders 1979, S. 6
<19>; IGH, Diplomatic and Consular Staff Fall, ICJ Rep. 1980, S. 1 >42
f.>. Die Komplexität der heutigen internationalen Gemeinschaft verlangt mehr denn je,
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f.>. Die Komplexität der heutigen internationalen Gemeinschaft verlangt mehr denn je,
dass die Regeln, die den geordneten Fortschritt der Beziehungen zwischen ihren
Mitgliedern sichern, dauerhaft und mit größter Sorgfalt respektiert werden (vgl. IGH,
Diplomatic and Consular Staff Fall, ICJ Rep. 1980, S. 1 >43>). Zusätzlich
ist die besondere Rolle der Gegenseitigkeit im Diplomatenrecht zu beachten: Jeder
Empfangsstaat ist zugleich Entsendestaat; jede Einschränkung und jeder Verstoß gegen
diplomatische Immunitäten und Vorrechte kann – rechtlich oder faktisch – auf die
eigenen Diplomaten und ihre Angehörige im Ausland zurückwirken .... Die Regeln des
Diplomatenrechts stellen deshalb eine in sich geschlossene Ordnung, ein sog. self-
contained regime dar .... (BVerfGE 96, 68, 83 f).
Diese Unterschiedlichkeit beider Rechtsinstitute der Immunität findet ihren Ausdruck
auch in dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (BGBl. 1969 II, S.
1585) und dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (BGBl. II 1964
II, S. 959), welche die Kodifikation des zuvor lange Zeit auf gewohnheitsrechtlicher
Tradition beruhenden Rechts der diplomatischen Vertretungen und dessen teilweise
Fortentwicklung darstellen und teilweise fortentwickeln (Ipsen, Völkerrecht, 4. Auflage, §
35 Rz. 4; Doehring, Völkerrecht, Rz. 490).
Entgegen der vom Gläubiger vertretenen Ansicht ist der besondere Schutzbereich der
diplomatischen Immunität von den Wiener Übereinkommen darin nicht abschließend
definiert. Den Räumlichkeiten der diplomatischen Mission, ihrer Einrichtung und den
sonstigen darin befindlichen Gegenständen sowie Beförderungsmitteln der
diplomatischen Mission wird zwar ausdrücklich Immunität zuerkannt, diese Aufzählung
von geschützten Vermögenswerten in den Wiener Übereinkommen ist aber nicht
abschließend in dem Sinne, dass diese und weitere Vermögensgegenstände darüber
hinaus nicht auch den völkerrechtlichen Immunitätsschutz der amtlichen Funktion der
diplomatischen Vertretung des Entsendestaates genießen könnten (BVerfGE 42, 342,
396, 397). Vielmehr ist als allgemeine Regel des Völkerrechts anerkannt, dass
Gegenstände, deren sich der Entsendestaat zur Wahrnehmung seiner diplomatischen
Funktionen bedient, auch dann jedenfalls Immunitätsschutz genießen, wenn sie nicht
unter den sachlichen oder räumlichen Anwendungsbereich der
Unverletzlichkeitsregelung des Wiener Übereinkommens teilhaben (BVerfGE a.a.O.).
Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 13.
Dezember 1977 auch erkannt, dass Forderungen aus einem allgemeinen, laufenden
Bankkonto, das der Entsendestaat für seine diplomatische Vertretung im Empfangsstaat
unterhält und das zur Deckung und Abwicklung der Ausgaben und Kosten der Botschaft
bestimmt ist, nach dem allgemeinen Völkerrecht an dem besonderen Schutz zugunsten
diplomatischer Vertretungen teilhat, gerade weil sich dies aus dem Zweck des
besonderen völkerrechtlichen Schutzes zugunsten diplomatischer Vertretungen ergibt
(ebenso BGH Beschluss vom 28. Mai 2003 – IXa ZB 19/03 –).
Die in den Wiener Abkommen getroffenen Regelungen hinsichtlich eines Verzichts auf
Immunität sind daher auch heranzuziehen, wenn es – wie hier – um eine
Zwangsvollstreckung in Botschaftskonten geht, weil diese an den besonderen
Vorrechten und Befreiungen des diplomatischen Verkehrs teilhaben. Sowohl Artikel 32
des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen als auch Art. 45 des
Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen sehen die Möglichkeit eines
Immunitätsverzichts durch den Entsendestaat in Bezug auf die vom Diplomatenrecht
besonders geschützten Vermögensgegenstände vor. Während Art. 32 Abs. 2 des Wiener
Übereinkommens über diplomatische Beziehungen einen ausdrücklich erklärten Verzicht
verlangt, ist nach der Bestimmung des Art. 45 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über
konsularische Beziehungen ein ausdrücklicher Verzicht erforderlich, welcher zusätzlich
dem Empfangsstaat schriftlich mitzuteilen ist. Unabhängig davon, dass letztere
Bestimmung sogar noch die Voraussetzung der Mitteilung gegenüber dem
Empfangsstaat beinhaltet, ist in beiden Fällen jedenfalls ein ausdrücklicher Verzicht auf
den besonderen Schutz der diplomatischen Vermögenswerte erforderlich.
Entsprechendes ergibt sich aus den Artikeln 18 und 19 des Entwurfs der
Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (International Law Commission) zur
Staatenimmunität (Artikelentwürfe der ILC über die gerichtlichen Immunitäten der
Staaten und ihres Eigentums, in YILC 1991 II (2), 12 ff) und dem dazu ergangenen
Bericht der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen. Danach ist grundsätzlich
ein Verzicht auf Vollstreckungsimmunität u.a. auch hinsichtlich Bankkonten, welche für
Zwecke der diplomatischen Mission eines Staates oder seiner Konsularposten genutzt
werden oder genutzt werden sollen, möglich. Allerdings gelten für die Annahme eines
derartigen Verzichts strenge Voraussetzungen; dies folgt aus der amtlichen Erläuterung
zu Art. 19 des Entwurfs der Völkerrechtskommission (Report of the International Law
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Commission on the work of ist 43 Session, Document A/46/10, Yearbook of the
International Law Commission 1991, vol 2, 9, 59). Darin heißt es ausdrücklich, dass ein
allgemeiner Verzicht oder ein Verzicht in Bezug auf sämtliches in dem Territorium
belegene Vermögen nicht ausreichend wäre, um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
gegen Vermögen zuzulassen, das dem besonderen Schutz der Wiener Konvention
unterliegt.
Entgegen der Rechtsmeinung des Gläubigers dienen die Arbeiten der
Völkerrechtskommission und der International Law Association der Feststellung von
völkerrechtlichen Normen und sind deshalb Erkenntnisquelle des Völkerrechts (vgl. Art.
38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes, BGBl. 1973 II, S. 505). Es ist
deshalb im hier zu entscheidenden Fall dieser Bericht der Völkerrechtskommission der
Vereinten Nationen ebenfalls zu berücksichtigen, denn dieser gibt den Stand des
Völkergewohnheitsrechts wieder, das gemäß Art. 25 GG Teil der objektiven
Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist.
Die danach an einen Immunitätsverzicht hinsichtlich der Zwangsvollstreckung in
Botschaftskonten zu stellenden Anforderungen unterscheiden sich danach maßgeblich
von den Anforderungen an einen Verzicht auf allgemeine Staatenimmunität.
(3) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier der erklärte pauschale Verzicht der
Schuldnerin auf Immunität nicht ausreichend, denn die besondere Schutzwürdigkeit der
diplomatischen Aktivitäten erfordert (zumindest) einen explizit erklärten Verzicht des
Entsendestaates auf Immunität hinsichtlich der Zwangsvollstreckung in Vermögen,
welches dem besonderen Schutz der Wiener Übereinkommen unterliegt. Daran fehlt es
hier aber schon, so dass es hier nicht darauf ankommt, ob über einen derart
ausdrücklich erklärten Verzicht hinausgehend etwa noch eine schriftliche Mitteilung an
den Empfangsstaat – wie in Art. 45 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über
konsularische Beziehungen verlangt – erforderlich wäre, an der es hier gleichfalls fehlt.
So lässt sich aus der Stellung des erklärten Verzichts in dem ersten Teilabsatz der
Regelung des § 12 Abs. 4 im Gegensatz zu dem zweiten Teilabsatz in § 12 Abs. 4 der
Anleihebedingungen entgegen der Auffassung des Gläubigers nicht entnehmen, dass
der im ersten Teilabsatz erklärte Verzicht ein umfassender Verzicht auch im Hinblick auf
den besonderen diplomatischen Schutz sei, denn der zweite Absatz nimmt
Vermögensgegenstände, die der Erbringung unverzichtbarer staatlicher
Dienstleistungen gewidmet sind, von einer Pfändung durch argentinische Gerichte aus.
Zwar enthält der erste Teilabsatz keinerlei derartige Einschränkung, aus dem Fehlen
einer Einschränkung kann aber nach Ausfassung des erkennenden Senats nicht
geschlossen werden, dass damit der Verzicht auf Immunität ein allumfassender sein
sollte. Denn allein der Hinweis im zweiten Teilabsatz darauf, welche
Vermögensgegenstände in der Rechtsordnung der Schuldnerin unpfändbar sind –
welcher für den ausländischen Anleihegläubiger naturgemäß von besonderer Bedeutung
ist – lässt – unter Anwendung des danach gebotenen restriktiven Ansatzes – nicht den
Umkehrschluss zu, dass im Übrigen – also weltweit – besonders geschützte
Vermögensgegenstände dem Zugriff der Anleihegläubiger preisgegeben werden sollen.
Ein Verzicht auf die besondere diplomatische Immunität kann auch nicht aus der
Formulierung "aus hoheitlichen oder sonstigen Gründen" in der Verzichtsklausel
entnommen werden. Dies folgt zum einen daraus, dass die Klausel sich nach ihrem
Wortlaut schon nur allein auf "ihre Einkünfte, ihr Vermögen oder Eigentum" bezieht und
die davon völlig unabhängigen Vorrechte und Befreiungen des diplomatischen Verkehrs
unberührt lässt. Zum anderen zielt das Merkmal der "hoheitlichen Gründe" erkennbar
auf solche schwächeren Gründe, die aus der Souveränität der Schuldnerin folgen und
kann sich daher nicht auf den im Interesse der Völkergemeinschaft liegenden, also völlig
andersartigen und ungleich stärkeren Schutz der Vorrechte und Befreiungen des
diplomatischen Verkehrs erstrecken.
Entsprechendes gilt für die in der Verzichtsklausel erwähnten "sonstigen Gründe", da
dieses Merkmal neben dem Begriff "hoheitlichen" schon nach Wortlaut und Stellung nur
noch schwächere und ergänzende Bedeutung zukommt.
Es scheidet die Annahme, mit dem Bezug auf "sonstige Gründe" sei der Schutz des
diplomatischen Verkehrs gemeint, zudem schon deshalb aus, weil mit der Verwendung
dieses Begriffs jedenfalls der gebotene ausdrückliche Verzicht nicht erklärt ist, denn ein
expliziter Verzicht in dem dargestellten Sinne kann nur dann gegeben sein, wenn er
auch unmissverständlich – also z.B. unter Nennung der betroffenen diplomatisch
genutzten Vermögensgegenstände – formuliert ist. Dies ist mit "sonstigen Gründen"
nicht ansatzweise gegeben.
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Auch die Formulierungen "in bezug auf sich selbst" und "soweit sie dazu gemäß
anwendbarem Recht berechtigt ist" in der Verzichtsklausel lassen eine Auslegung wie
vom Amtsgericht vorgenommen, nicht zu, denn auch insofern fehlt der erforderliche
ausdrückliche Verzicht bezüglich diplomatisch geschützter Vermögenswerte.
Ferner ist ebenfalls der Ansicht des Gläubigers, aus Sicht eines redlich denkenden,
verständigen Anlegers unter Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt ergebe sich, dass
die Verzichtsklausel ihm gestatte, die Vollstreckung ggf. auch in Konsularkonten zu
betreiben, entgegenzutreten. Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass ein Verzicht
auf die Vorrechte und Befreiungen des diplomatischen Verkehrs weltweite Geltung hätte
mit der Folge, dass – gerade bei der vom Gläubiger behaupteten schon bekannten sehr
angespannten finanziellen Situation der Schuldnerin bei Ausgabe der Anleihen – der
Zugriff weltweit auf diplomatische Vermögenswerte möglich wäre und damit ggf. die
außenpolitische und diplomatische Handlungsfähigkeit der Schuldner hätte massiv
beeinträchtigt werden können. Dass eine derartige Auslegung auch bei dringendem
Finanzierungsbedarf keinesfalls im Interesse eines Staates sein kann, liegt auf der Hand.
3.) Anders als vom Amtsgericht Mitte in einem parallel gelagerten Fall mit Beschluss
vom 10. September 2003 angenommen, ist nach Auffassung des Senats eine Vorlage
an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG nicht erforderlich.
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ist gemäß Art. 100 Abs. 2 GG bei
Zweifeln am Bestehen oder an Umfang und Tragweite einer allgemeinen Regel des
Völkerrechts zulässig und geboten; auf deren unmittelbare Wirkung auf den Einzelnen
kommt es – angesichts der Umsetzung in Art. 25 GG und abweichend vom Wortlaut des
Art. 100 Abs. 2 GG – nicht an (vgl. BVerfG NJW 1963, 435, 436; BVerfG vom 12. April
1983 – 2 BvR 678/81, 2 BvR 679/81, 2 BvR 683/81; BVerfGE 64, 1; BVerfGE 96, 68). Das
Gericht ist nicht nur dann zur Vorlage verpflichtet, wenn es selbst Zweifel über das
Bestehen oder die Tragweite einer Regel des Völkerrechts hegt, sondern wenn es
objektiv auf ernst zu nehmende Zweifel stößt, d.h. wenn das Gericht abweichen würde
von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von Entscheidungen hoher deutscher,
ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren
der Völkerrechtswissenschaft (vgl. BVerfGE vom 12. April 1983 – 2 BvR 678/81, 2 BvR
679/81, 2 BvR 683/81; BVerfGE 64, 1).
Allein der hier zu entscheidende Frage, ob die Schuldnerin durch den allgemein
formulierten Immunitätsverzicht in den streitbefangenen Anleihebedingungen auf ihre
Immunität auch bezüglich der Vollstreckung in ihre Botschaftskonten verzichtet hat,
stellt keine derartige allgemeine Frage des Völkerrechts gemäß Art. 25 GG entscheidend
ist, sondern betrifft lediglich eine Frage der Auslegung der im rechtsgeschäftlichen
Bereich seitens der von der Schuldnerin in den Anleihebedingungen abgegebenen
Verzichtserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB.
Zweifel ergeben sich hinsichtlich der Erforderlichkeit eines ausdrücklich erklärten
Verzichts auf die Vorrechte und Befreiungen des diplomatischen Verkehrs nicht, denn
die Völkerrechtsquellen ergeben insofern ein einheitliches, übereinstimmendes
Meinungsbild.
4.) Wegen des gefundenen Ergebnisses kann der Senat damit offenlassen, ob der
Vollstreckung in die Botschaftskonten ggf. (auch) die analoge Anwendung des § 882 a
ZPO entgegenstünde.
5.) Zur Vermeidung möglicher Rechtsverluste auf Gläubigerseite ist es geboten, die
Wirksamkeit des Beschlusses bis zur Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung
auszusetzen, § 570 Abs. 3 ZPO (BGHZ 66, 394, 395; OLG Köln MDR 1989, 464, 465).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Verfahrenswert ist entsprechend der Forderung, wegen der vollstreckt wird, auf
843.188,73 EUR festzusetzen.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da von einer Vielzahl gleichgelagerter
Fälle in der Bundesrepublik Deutschland auszugehen ist.
Die zuständige Einzelrichterin überträgt nach Anhörung und mit Zustimmung der
Parteien das Verfahren zur Entscheidung auf den Senat, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat, § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
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