Urteil des LG Frankfurt am Main vom 13.03.2017

LG Frankfurt: eugh, treu und glauben, unerlaubte handlung, aggressive werbung, hessen, verbraucher, dienstleistungsfreiheit, niederlassungsfreiheit, veranstaltung, beschränkung

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Gericht:
LG Frankfurt 6.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-06 O 605/06,
2/06 O 605/06, 2-6
O 605/06, 2/6 O
605/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 8
UWG, Art 12 Abs 1 GG, Art 46
EG
(Wettbewerbsverstoß im Internet: Unterlassungsanspruch
einer hessischen Lottogesellschaft gegen das "Anbieten"
und "Bewerben" von Sportwetten durch ein
österreichisches Unternehmen ohne deutsche behördliche
Erlaubnis)
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,–,
ersatzweise Ordnungshaft, oder für den Fall, dass das Ordnungsgeld
nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
für die Beklagte zu 1 zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu
unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in dem
Gebiet des Landes Hessen Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis zu
veranstalten, anzubieten oder zu bewerben,
2.
der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Umsätze sie
dadurch erzielt haben, dass sie Sportwetten von Teilnehmern
innerhalb des Gebietes des Landes Hessen angenommen haben.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner
verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr
dadurch entstanden ist oder zukünftig entstehen wird, dass die
Beklagte zu 1. im Gebiet des Landes Hessen ohne behördliche
Erlaubnis Sportwetten veranstaltet, angeboten oder beworben hat
oder zukünftig verunstaltet, anbietet oder bewirbt.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 418.000,00
vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf EUR 500.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit dem
angeblich wettbewerbswidrigen Anbieten von Sportwetten geltend.
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Die Klägerin ist die ... Ihr Alleingesellschafter ist das .... Sie gehört dem deutschen
Lotto- und Toto-Block an und veranstaltet die Sportwette "Oddset" zu festen
Gewinnquoten. Die Beklagte zu 1 mit Sitz in K/Österreich bietet Sportwetten mit
festen Gewinnquoten an. Die Beklagte bietet ihre Sportwetten auch in Hessen
über in Hessen ansässige Wettannahmestellen an, wobei die Wetten allein über
den österreichischen Standort abgeschlossen werden. Unter den Domains ... und
... betreibt die Beklagte zu 1 ein Sportwettenportal. Unter der Domain ... stellte die
Beklagte in Aussicht, in Kürze eine Online-Wettmöglichkeit bereitzustellen (Anlage
K 2). Inzwischen ist auf Seiten der Domains ... und ... ein Link angebracht, der zu
der Seite ... führt. Dort kann online gewettet werden. Der Beklagte zu 2 ist
Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 1 verfügt über eine
Buchmacherbewilligung der Kärntener Landesregierung vom 27.01.2005 zur
Veranstaltung von Sportwetten. Die Beklagte bemühte sich mit Schreiben vom
07.04.2005 vergeblich um eine Feststellung der Erlaubnisfreiheit, um eine
Anerkennung der Kärntener Buchmacherbewilligung bzw. um eine Erlaubnis
hessischer Behörden. Den ablehnenden Bescheid focht die Beklagte beim
Verwaltungsgericht Wiesbaden an. Das ... wurde mit einstweiliger Anordnung des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 18.05.2006 verpflichtet, die Veranstaltung
von Sportwetten durch die Beklagte vorläufig bis zum 28.03.2006 (Datum der
Verkündung einer Entscheidung des BVerfG über eine Verfassungsbeschwerde) zu
dulden. Im Hauptsacheverfahren hat das Landgericht Wiesbaden die Klage der
Beklagten gegen ... mit Urteil vom 12.06.2007 abgewiesen (Anlage K 5). Das Urteil
ist noch nicht rechtskräftig. Seit einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts versieht die Beklagte ihre Wettscheine mit
Warnhinweisen zur Suchtprävention (Anlage B 5). Ebenso gibt sie Warnhinweise in
Wettannahmestellen und im Internet.
Die Klägerin behauptet, das ... habe unmittelbar nach Kenntnisnahme des Urteils
des Bundesverfassungsgerichts vom 25.07.2006, Az. 11 TG 1465/06 die dort
gestellten Auflagen für die Übergangszeit des bestehenden Sportwettenmonopols
getroffen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in dem
Gebiet des ... Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis zu veranstalten, anzubieten
oder zu bewerben,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist oder zukünftig
entstehen wird, dass die Beklagte zu 1. im Gebiet des ... ohne behördliche
Erlaubnis Sportwetten veranstaltet, angeboten oder beworben hat oder zukünftig
verunstaltet, anbietet oder bewirbt,
3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,
welche Umsätze sie dadurch erzielt hat, dass sie Sportwetten von Teilnehmern
innerhalb des Gebietes des ... angenommen hat.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Auffassung, die Anwendung von § 284 StGB bzw. § 5 Hes
Spw/LottoG verstoße gegen Art. 12 GG sowie gegen die gemeinschaftsrechtliche
Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, sofern man Erlaubnisse aus einem
anderen Mitgliedsstaat mit vergleichbarem Schutzniveau nicht ausreichen lasse.
Die österreichische Erlaubnis der Beklagten erfasse auch Wetten mit Personen
außerhalb Österreichs. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses seien für das
staatliche Sportwettenmonopol nicht ersichtlich. Der Internet-Auftritt der
Beklagten zu 1 stelle keine Werbung im Sinne des § 284 StGB dar. Die Beklagte
sei auch nicht als Veranstalterin im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Die
Monopolisierung der Sportwetten in ... trage entgegen der vom EuGH aufgestellten
Voraussetzungen nicht kohärent und systematisch zur Begrenzung der
Wetttätigkeiten bei.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze sowie auf die zur Akte gelangten Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung des
Anbietens und Bewerbens von Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis in ... aus §§
3, 4 Nr. 11, 8 UWG iVm § 284 StGB (Antrag 1.).
Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Sie bieten in
... Sportwetten zu festen Gewinnquoten, mithin austauschbare Leistungen an. Die
Beklagte handelt dadurch wettbewerbswidrig, dass sie über Verkaufsstellen
Glücksspiele anbietet und über das Internet für die Teilnahme wirbt, weil sie damit
gegen § 284 I, IV StGB verstößt. Diese gegen die unerlaubte Veranstaltung von
Glücksspielen gerichtete Strafvorschrift ist eine wettbewerbsbezogene Norm, die
auch dem Schutz der Verbraucher dient (vgl. BGH GRUR 2002, 636, 637 –
Sportwetten, BGH MMR 2004, 529, 531 – Schöner Wetten).
Die Beklagte bietet an und bewirbt in ... Glücksspiele i.S.d. § 284 StGB. Ein
Glücksspiel im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn bei einem Spiel ein nicht
unerheblicher Einsatz erbracht werden muss und die Entscheidung über Gewinn
und Verlust zumindest im Wesentlichen nicht von Fähigkeiten, Kenntnissen oder
dem Grade der Aufmerksamkeit des Spielers, sondern vom Zufall abhängt (vgl.
BGH NStZ 03, 372). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Teilnehmer setzen
Beträge in nicht unerheblicher Höhe auf den Ausgang eines bevorstehenden
Sportereignisses. Die Entscheidung über den nach festen Quoten ausgelobten
Gewinn hängt damit zumindest ganz wesentlich vom Zufall ab. Dementsprechend
werden Sportwetten sowohl in der strafrechtlichen als auch in der
wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 02, 636 – Sportwetten;
BGH GRUR 04, 693, 695 – Schöner Wetten) einhellig als Glückspiele im Sinne des §
284 StGB angesehen.
Die Beklagte ist "Veranstalterin" von Glücksspielen im Sinne des § 284 StGB. Der
Veranstalterbegriff ist weit auszulegen. Veranstalter ist der Unternehmer der die
Spielgelegenheit in wirtschaftlich und organisatorisch verantwortlicher Weise
eröffnet und die Spielbedingungen bestimmt. Dies trifft auf österreichische
Lottogesellschaften zu, die in einem deutschen Bundesland Sportwetten anbieten
oder bewerben (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 07.07.04, 6 W 65/04, Anlage B 6).
Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht letztgenannte Entscheidung nicht
gegen eine Veranstaltereigenschaft der Beklagten.
Die Beklagte zu 1 bewirbt unstreitig auf den von ihr betriebenen Websites ...
Sportwetten. Dies ist etwa aus der Anlage K 2 ersichtlich. Die Beklagte zu 1 bietet
in ... auch Sportwetten an. Sie bedient sich dazu zahlreicher Wettbüros (vgl.
Schriftsatz vom 16.11.07, S. 3 f.). Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt der
Tatort in Deutschland. Dass die Wettannahmestellen von selbständigen Dritten
betrieben werden, während die Wetten in Österreich abgewickelt werden, spielt
keine Rolle. Die Beklagte bietet ihre Wetten über die Wettbüros gezielt in Hessen
an. Auch das Werben über das Internet richtet sich bestimmungsgemäß an
Kunden in Deutschland, was sich schon aus der Topleveldomain "de" ergibt.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, auf ihrer Internetseite finde kein
"Anbieten" und auch keine "Werbung" zum Spiel, sondern nur eine Information
statt. Eine Spielmöglichkeit werde auf der Seite nicht eingeräumt. Die Textzeile
"Online wetten und gewinnen!" stellt eine anpreisende Werbung dar. Ausweislich
der Anlage K 2 wurde auch eine Online-Wettmöglichkeit für die Zukunft in Aussicht
gestellt ("In Kürze: Online wetten und gewinnen!"). Insoweit bestand bereits
Erstbegehungsgefahr. Inzwischen findet sich auf den Seiten ein blinkender Hinweis,
der zu der nicht von der Beklagten betriebenen Website "..." führt. Dort kann online
gewettet werden. Die Beklagten können nicht damit gehört werden, auf dieses
Angebot hätten sie keinerlei Einfluss. Jedenfalls haben sie Einfluss auf die
Verlinkung der von ihnen betriebenen Homepages. Angesichts der
Vorankündigung müssen die Beklagten als Veranstalter angesehen werden.
Die Beklagten verfügen nicht über die für das Veranstalten von Sportwetten
notwendige Erlaubnis einer inländischen Behörde. Eine solche Erlaubnis ist nicht
mit Rücksicht darauf entbehrlich, dass der Beklagten in Österreich eine Erlaubnis
zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt worden ist (vgl. BGH MMR 2004, 529,
531 – Schöner Wetten; Tröndle/Fischer, 54. Aufl., § 284 StGB, Rn. 15; offen
gelassen in , NStZ-RR 2007, 201, 202).
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gelassen in , NStZ-RR 2007, 201, 202).
Die Vorschrift des § 284 StGB verstößt insoweit nicht gegen die durch Art. 46 und
49 EGV gewährleisteten Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit und der
Dienstleistungsfreiheit. Zwar können diese Grundfreiheiten durch
Rechtsvorschriften, die Glücksspielveranstaltungen beschränken, verletzt werden
(vgl. EuGH NJW 2004, 139 f. – Gambelli). Die Strafvorschrift des § 284 StGB
verbietet jedoch lediglich das Veranstalten eines Glücksspiels ohne behördliche
Erlaubnis und ist insoweit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses
gerechtfertigt (OLG Celle NJOZ 2007, 4289, 4295; vgl. BVerwG NJW 2001, 2648 f.).
Sie trifft selbst keine Entscheidung darüber, ob und inwieweit Glücksspiele
abweichend von ihrer grundsätzlichen Unerlaubtheit zugelassen werden können
oder nicht und verstößt als solche schon deshalb nicht gegen die
Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. Nach europäischem
Gemeinschaftsrecht steht es im Ermessen der Mitgliedstaaten, Glücksspiele auch
vollständig zu verbieten (vgl. EuGH WRP 1999, 1272, 1274 f. – Zenatti; EuGH NJW
2004, 139, 140 – Gambelli).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Anwendung des § 284 StGB entfällt, wenn die
Erlaubnis beantragt, aber rechtswidrig versagt worden ist. Der Beklagten ist eine
inländische Erlaubnis nicht rechtswidrig versagt worden. Nach § 1 I
HessSpW/LottoG ist das ... alleine befugt, innerhalb seines Staatsgebiets
Sportwetten zu veranstalten. Sie führt diese Aufgabe durch die Klägerin aus. Zwar
ist diese Vorschrift wegen Verstoßes gegen Art 12 I GG verfassungswidrig und
wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit auch
gemeinschaftsrechtswidrig (VGH Kassel, NVwZ 2006, 1435). Entsprechend den
Grundsätzen des BVerfG in der Entscheidung vom 28.03.2006 zum bayrischen
Sportwettenmonopol (BVerfG GRUR 2006, 688) darf das Gesetz jedoch zunächst
weiter angewandt werden. Die Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols ist –
nach Maßgabe der Grundsätze der Entscheidung – in der Übergangszeit bis zum
31.12.2007 zulässig (VGH Kassel, a.a.O.). Aus § 5 HessSpW/LottoG erschließt sich,
dass das Veranstaltungsmonopol des § 1 I HessSpW/LottoG auch für die Werbung
und die Aufforderung zur Vermittlung und zum Abschluss von Spielverträgen gilt.
Da das unerlaubte Anbieten, Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten nach
wie vor als unzulässig angesehen werden darf, stellt dessen Untersagung bzw.
Nichtgenehmigung keinen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht der
Berufsfreiheit dar.
In seiner Entscheidung vom 28.03.2006 leitet das BVerfG die Verfassungswidrigkeit
der das staatliche Monopol begründenden Landesgesetze aus dem
legislatorischen Regelungsdefizit ab, keine hinreichende Sicherung der mit dem
staatlichen Monopol verfolgten Ziele der Begrenzung der Spielleidenschaft und der
Bekämpfung der Wettsucht zu schaffen. ODDSET verfolge erkennbar fiskalische
Interessen. Das tatsächliche Auftreten von ODDSET entspreche einer wirtschaftlich
effektiven Vermarktung und sei nicht an einer Bekämpfung von Spielsucht
ausgerichtet. Das BVerfG gibt deshalb dem Gesetzgeber eine Neuregelung auf
und verlangt für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2007 von der Exekutive, ein
"Mindestmaß an Konsistenz" herzustellen zwischen dem Ziel der Begrenzung der
Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der
tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits. Damit hat das BVerfG nicht
nur die weitere Anwendung verfassungswidrigen Rechts erlaubt, sondern
gleichzeitig wegen des festgestellten legislatorischen Defizits ein an der
Verfassung orientiertes Übergangsrecht geschaffen, das nach § 31 BVerfGG
verbindlich ist. Bei der korrekten Ausfüllung des Begriffs und der Beachtung der
Vorgaben im Tatsächlichen sieht das BVerfG bis zum 31.12.2007 Art. 12 I GG nicht
als verletzt an, wenn – unter Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols –
Privaten Wettangebote und – vermittlung aus ordnungsrechtlichen Gründen nicht
erlaubt werden. Die Grundsätze des BVerfG sind auf den in ... geprägten
Rechtszustand in vollem Umfang zu übertragen (vgl. BGH NJW 2007, 3078, 3080
"für alle anderen Bundesländer"). Das HessSpw/LottoG weist hinsichtlich der
Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols keine substanziellen
Unterscheide zu dem Staatslotteriegesetz in Bayern auf (VGH Kassel, NVwZ 2006,
1435, 1436).
Der Nichterteilung der Erlaubnis verstößt auch nicht gegen Europarecht. Die sich
aus Art. 43 und 49 EG-Vertrag ergebende Niederlassungsfreiheit und die Freiheit
des Dienstleistungsverkehrs sind nicht verletzt. Der Europäische Gerichtshof hält
eine Monopolisierung nicht grundsätzlich für unzulässig (vgl. oben).
Beschränkungen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sind aus
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Beschränkungen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sind aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zulässig. Behördliches Verhalten
muss geeignet sein, die Verwirklichung dieses Ziels zu gewährleisten. Als
schützenswert ist nach der Rechtsprechung des BVerfG das Allgemeininteresse an
der "Bekämpfung der Wettsucht" und der "Begrenzung der Spielleidenschaft"
anzusehen. Will der Staat – zur Wahrung des so definierten allgemeinen Wohls –
das Sportwettangebot monopolisieren, ist dies nach der Gambelli-Entscheidung
des EuGH nur zulässig, wenn er die Verwirklichung der genannten Ziele durch
Maßnahmen gewährleistet, die "kohärent und systematisch zur Begrenzung der
Wetttätigkeiten beitragen" (EuGH NJW 2004, 139, 140, Rn. 67 – Gambelli). Daran
fehlt es, wenn Behörden eines Mitgliedsstaats Verbraucher dazu anreizen und
ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen (EuGH aaO, Rn.
69). Das vom BVerfG geschaffene Übergangsrecht mit dem Verlangen nach
einem "Mindestmaß an Konsistenz" entspricht diesen Anforderungen.
Die Auswertung der neueren Rechtsprechung des EuGH führt zu keinem anderen
Ergebnis. In der von der Beklagten besonders herausgestellten Entscheidung vom
06.03.2007 (EuGH MMR 2007, 300 – Placanica) hat der EuGH den Ausschluss von
Wirtschaftsteilnehmern in der Form von Kapitalgesellschaften durch ein
Konzessionierungssystem in Italien als Art. 43 und 49 EG-Vertrag
entgegenstehend beurteilt. Der EuGH hat jedoch erneut festgestellt, dass die
Beschränkung der Anzahl der Wettanbieter gerechtfertigt sein kann, um die
Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern und in geordnete Bahnen zu lenken. Im
Gegensatz zur deutschen Rechtslage hatte für Italien zuvor der dortige Corte
suprema di cassazione (verbindlich) festgestellt, dass der italienische Gesetzgeber
im Bereich der Glücksspiele eine expansive Politik mit dem Ziel betreibe, die
Staatseinnahmen zu erhöhen, und dass die italienischen Rechtsvorschriften weder
mit dem Ziel der Beschränkung der Spielleidenschaft der Verbraucher noch mit
dem einer Eindämmung des Spielangebots gerechtfertigt werden könnten (vgl.
EuGH MMR 2007, 300, 303 Rdnr. 54).
Werden also unter Beachtung des vom BVerfG gesetzten Übergangsrechts von
der Klägerin nunmehr wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht
eingeleitet und wird die Wettleidenschaft tatsächlich eingedämmt und gebremst,
so liegt in der Übergangszeit auch kein Verstoß gegen Art. 43, 49 EG-Vertrag
(mehr) vor. Nach den Vorgaben des BVerfG darf der Staat die Übergangszeit nicht
zu einer expansiven Vermarktung von Wetten nutzen. Daher sind bis zu einer
Neuregelung die Erweiterung des Angebots staatlicher Wettveranstaltung sowie
eine Werbung die über sachliche Informationen zur Art und Weise der
Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten auffordert, untersagt. Ferner
hat die Staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv über die Gefahren des
Wettens aufzuklären (BVerfG GRUR 2006, 688, 694, Rn 160).
Die Klägerin hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie nach Kenntnisnahme
des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 25.07.2006, Az. 11 TG 1465/06
ausreichende Maßnahmen zur Erfüllung der dort gestellten Auflagen getroffen hat.
Aus dem Maßnahmenkatalog der Anlage K 3 und der Dokumentation der Anlagen
K 4, K 19 ergibt sich, dass die Klägerin zum Beispiel keine Live-Wetten, keine
Halbzeitwetten und keine TV-Wetten mehr anbietet. Auch Wetten über SMS sind
nicht mehr möglich. Rundfunk- und Fernsehwerbungen werden nicht mehr
geschaltet. Entsprechende Verträge wurden storniert. Im Internet und auf
verschiedenen Werbemedien wurden Spielsuchthinweise angebracht. Der
Internetvertrieb wurde komplett eingestellt. Außerdem wurde eine
Kundenkartenpflicht eingeführt. Soweit die Beklagte darauf verweist, es gebe nach
wie vor keine Einsatzbeschränkungen zugunsten der Verbraucher, keine
Verlusthöhenbegrenzung, keine SchuFa-Abfragen zur Identifizierung
zahlungsfähiger Kunden und kein Verbot des Wettangebots in Geschäften des
täglichen Bedarfs, so mögen diese Maßnahmen zwar ebenfalls suchtpräventiv
wirken, werden aber vom BVerfG nicht explizit vorgeschrieben. Auch die aus der
Anlage B 23 ersichtlichen Werbemaßnahmen der Klägerin für Oddset sprechen
nicht gegen das Einhalten der Kriterien des BVerfG. Zwar geht der Slogan
"ODDSET, die Sportwette von Lotto. Jetzt Quoten abrufen. Jetzt gewinnen!!" über
eine sachliche Information hinaus. Dennoch handelt es sich nicht um eine
expansive oder aggressive Werbung, zumal sie nur in Lottoannahmestellen
aushängt. Dort gehen ohnehin nur bereits spielbereite Kunden hin.
Der Ernsthaftigkeit der Maßnahmen bzw. dem Kohärenzkriterium des EuGH steht
auch nicht entgegen, dass das ... andere staatliche Glücksspielformen wie etwa
Spielkasinos nach wie vor anpreisend bewirbt und vermarktet. Die Vorgaben des
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Spielkasinos nach wie vor anpreisend bewirbt und vermarktet. Die Vorgaben des
BVerfG beziehen sich auf Sportwetten. Nur in diesem Bereich will die Beklagte
auch tätig werden. Sie kann sich deshalb im Wettbewerbsprozess nicht mit
anderen Spielformen vergleichen. Auch der EuGH-Entscheidung "Placanica" kann
entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnommen werden, dass bei der
Betrachtung der Kohärenz zwischen den gesetzgeberischen Zielen und der
Regelung der gesamte Glücksspielbereich berücksichtigt werden muss. Vielmehr
wird das Kohärenzkriterium in der genannten Entscheidung nur hinsichtlich der
Beschränkung der Konzessionen im Sportwettenbereich beleuchtet. Dem steht
nicht entgegen, dass der EuGH auf die Feststellung des
zurückgegriffen hat, wonach der italienische Gesetzgeber im
Glücksspielbereich das vorrangige Ziel der Einnahmenerzielung verfolge (EuGH
MMR 2007, 300, 303 Rn. 50, 54 – Placanica). Da auch Wetten zu den Glücksspielen
gehören, konnte diese Feststellung angewendet werden.
Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, das Sportwettenmonopol und die
dort eingeleiteten Maßnahmen seien nicht geeignet, das grundsätzlich legitime
Ziel der Suchtbekämpfung zu erreichen, solange andere Glücksspielformen wie
Pferdewetten nicht monopolisiert seien und damit nicht den staatlichen
suchtpräventiven Maßnahmen unterfielen. Wie die Beklagte selbst vorträgt,
erfreuen sich gerade die Oddset-Sportwetten einer besonderen Beliebtheit. Es gibt
in ... hundertmal mehr Annahmestellen für staatliche Sportwetten als etwa für
Pferdewetten (Bl. 91 d. A.) Dies leuchtet auch ein, weil sich bekanntermaßen für
Fußball weitaus mehr Verbraucher interessieren als für jede andere Sportart. Dem
Gesetzgeber muss ein gewisser Beurteilungsspielraum zugemessen werden,
welche Wettart er für besonders gefährlich hält. Er ist nicht verpflichtet, alle
Wettarten gleichermaßen zu monopolisieren.
Die Beklagte verfügte damit nicht über die im Sinne des § 284 StGB erforderliche
Erlaubnis. Ob ihre österreichische Buchmachererlaubnis ein vergleichbares
Schutzniveau sicherstellt, wie die vom BVerfG der Klägerin für die Übergangszeit
vorgeschriebenen Maßnahmen, ist unerheblich.
Unerheblich ist auch, ob die Klägerin selbst über eine "behördliche Erlaubnis"
verfügt, was die Beklagte unwidersprochen in Abrede stellt. Der Einwand der
"unclean hands" greift nicht ein. Denn bei einem Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG
iVm § 284 StGB geht es vorrangig um Belange des Gemeinwohls, nicht nur um
den Schutz der Wettbewerber. Für den "unclean hands"-Einwand ist deshalb kein
Raum.
Die Beklagten handeln auch vorsätzlich im Sinne des § 284 StGB. Wenn der
Rechtsbruchtatbestand an eine Strafnorm anknüpft, muss der Straftatbestand
auch hinsichtlich des Verschuldens erfüllt sein (OLG Celle NJOZ 2007, 4289, 4295;
Hefermehl/Köhler, 25. Aufl., § 4 UWG, Rn. 11.50). Spätestens seit Zustellung der
vorliegenden Klage sind ihnen sämtliche Umstände bekannt, die die Strafbarkeit
wegen unerlaubten Veranstaltens von Glücksspielen begründen. Unerheblich ist,
dass die Beklagten sich im Besitz einer gültigen (österreichischen) Genehmigung
wähnen bzw. aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen von einer
Erlaubnisfreiheit ausgehen. Auf einen Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB
können sich die Beklagten im Wettbewerbsrecht nicht mit Erfolg berufen. Denn für
den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ist – anders als für den
staatlichen Strafanspruch – die Vorwerfbarkeit nicht maßgeblich. Ein
Verbotsirrtum ist deshalb unbeachtlich (Hefermehl/Köhler, 25. Aufl., § 4 UWG, Rn.
11.54).
Ohnehin war der Verbotsirrtum vermeidbar. Denn spätestens seit der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 12.06.2007 in dem
Verwaltungsstreitverfahren der Parteien konnten die Beklagten nicht mehr davon
ausgehen, dass sie im Besitz einer für ... wirksamen Genehmigung sind oder ihre
Tätigkeit gar erlaubnisfrei ist. Trotzdem setzten die Beklagten ihre Tätigkeit fort.
Der Beklagte zu 2 ist als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 für den
Wettbewerbsverstoß persönlich verantwortlich. Der gesetzliche Vertreter einer
GmbH haftet für eine unerlaubte Handlung, wenn er sie selbst begangen hat oder
als Störer für die Rechtsverletzung ursächlich ist (BGH, GRUR 1986, 248, 250 –
Sporthosen). Selbst ohne eigene Kenntnis kommt eine persönliche Haftung des
Geschäftsführers unter dem Gesichtspunkt der Organisationspflichtverletzung in
Betracht. Er muss sich das Wissen der Personen zurechnen lassen, die er bewusst
eigenverantwortlich für sich handeln lässt (§ 166 I BGB analog; OLG Frankfurt,
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eigenverantwortlich für sich handeln lässt (§ 166 I BGB analog; OLG Frankfurt,
GRUR-RR 2001, 198, 199 – Verantwortlichkeit; OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 182,
183 – Miss17).
Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, mit dem Verbot des
Anbietens von Wetten in ... werde ihnen angesichts der weltweiten Verbreitung des
Internets etwas Unmögliches abverlangt. Nach der Fassung des Klageantrags ist
den Beklagten das "Anbieten" und "Bewerben" im Gebiet des ... verboten. Es wird
nicht verlangt, für Spieler aus ... jede Spielmöglichkeit technisch auszuschließen.
Die Klägerin hat bislang unwidersprochen vorgetragen, dass es zahlreiche
technische Möglichkeiten gibt, den Standort des Kunden zu identifizieren (vgl.
Schriftsatz vom 16.11.07, S. 21 ff.). Letztlich spielt es aber keine Rolle, ob es
technisch umsetzbar ist, Zugriffe aus ... auf die Website zu verhindern. Jedenfalls
wäre es zumutbar, einen Disclaimer aufzunehmen, in dem die Beklagte ankündigt,
Adressaten in ... nicht zu beliefern (vgl. BGH NJW 2006, 2630 –
Arzneimittelwerbung im Internet). Die Beklagten verstoßen gegen das Verbot
nicht, wenn trotzdem Kunden aus ... Wetten in Auftrag geben, ohne dass die
Beklagte dies bemerkt. Denn es ist den Beklagten nur das Anbieten, nicht das
unbewusste Annehmen von Wetten aus ... verboten.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf
Schadensersatz aus § 9 UWG zu (Antrag 2.). Die Beklagten haben den
Wettbewerbsverstoß schuldhaft begangen (vgl. oben).
Der Klägerin steht gegen die Beklagten außerdem nach Treu und Glauben (§ 242
BGB) als Hilfsanspruch zum Schadensersatzanspruch ein Anspruch auf Auskunft
über die mit den Verletzungshandlungen erwirtschafteten Umsätzen zu (Antrag
3.).
Die Kammer sieht keine Notwendigkeit, Auslegungsfragen des EGV im Wege der
Vorabentscheidung durch den EuGH nach Art. 234 EGV klären zu lassen. Denn die
Kammer weicht von der Rechtsprechung des EuGH nicht ab. Eine Vorlagepflicht zu
einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts trifft nach Art.
234 III EGV ohnehin nur das letztinstanzliche Hauptsachegericht (vgl. BVerfG NJW
2007, 1521; BVerfG GRUR 2005, 52).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO
festgesetzt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.