Urteil des LG Essen vom 23.11.2007

LG Essen: zwangsvollstreckung, darlehen, einziehung, ausschluss, gefahr, pfändung, satzung, vermögensverfall, zahlungsverbot, kaufpreis

Landgericht Essen, 45 O 23/07
Datum:
23.11.2007
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
5. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
45 O 23/07
Sachgebiet:
Handelsrecht Gesellschaftsrecht / Zivilrecht
Leitsätze:
Ausschluss eines Gesellschafters aus einer GmbH, der durch das
Betreiben des Mitgesellschafters insolvent geworden ist
Rechtskraft:
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 30.01.2007, die
Kläger aus der Gesellschaft auszuschließen und ihre
Gesellschaftsanteile einzuziehen, ist unwirksam.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung iHv. 110
% des zu vollsteckenden Betrages.
Tatbestand:
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Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen den Gesellschafterbeschluss vom
30.01.2007, mit dem sie aus der Beklagten ausgeschlossen und ihre Geschäftsanteile
eingezogen wurden. Der Beschluss beruht auf § 13.1 b) des Gesellschaftsvertrages der
Beklagten. Dieser regelt den Ausschluss und die Einziehung der Geschäftsanteile eines
Gesellschafters und lautet: "Ein Gesellschafter scheidet aus der Gesellschaft aus, wenn
...
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b) die Zwangsvollstreckung in den Gesellschaftsanteil eines Gesellschafters betrieben
wird und es dem Gesellschafter nicht gelingt, die Pfändung innerhalb von 6 Wochen
abzuwenden". Im übrigen wird auf § 13 des Gesellschaftsvertrages Bezug genommen.
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Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Beklagte errichtete
zwischen 1996 und 1998 ein Wohn-, Geschäfts-, Freizeit- und Einkaufszentrum in C. Im
Jahr 1996 erwarben die Kläger jeweils 10 % der Geschäftsanteile an der Beklagten. Der
Kläger zu 1) übernahm in der Folge weitere Anteile, so dass sich sein Anteil an der
Beklagten auf 16,6 % erhöhte. Mehrheitsgesellschafter der Beklagten waren zu dem
Zeitpunkt Herr U mit 25% und die U GmbH (Alleingesellschafter Herr U) mit 34,4%. Bei
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Zeitpunkt Herr U mit 25% und die U GmbH (Alleingesellschafter Herr U) mit 34,4%. Bei
Erwerb ihrer Anteile im Jahr 1996 erhielten die Kläger von der Beklagten
Gesellschafterdarlehen iHv. jeweils € 255.645,94. Der Kläger zu 1) übernahm weitere
Darlehen, so dass sich seine Darlehen gegenüber der Beklagten auf eine Summe von €
639.114,85 beliefen. Es wurde vereinbart, dass die Darlehen am 31.12.2007
zurückgezahlt werden sollten. Nach Berechnung der Kläger beträgt zurzeit ihre
Gesamtrückzahlungsverbindlichkeit ca. € 2.100.000,00. Bezüglich des Rangs der
Darlehen wurde ein Rücktritt gegenüber den Bankdarlehen der Gesellschaft vereinbart.
Hauptdarlehensgeber war die I AG (jetzige E AG) , die der Beklagten ein
Gesamtdarlehen iHv. € 19.429.091,49 gewährte. Für dieses Darlehen übernahmen die
Kläger mit Erklärung vom 12.08.1997 eine selbstschuldnerische
Höchstbetragsbürgschaft von € 797.155,17. Darüber hinaus erklärten sie am
17./20.03.1998 in einer Grundschuldbestellungsurkunde für das Darlehen iHv. €
777.163,66 ihre persönliche Haftung und unterwarfen sich diesbezüglich der sofortigen
Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen.
Mit Vertrag vom 18./19.07.2001 kaufte Herr U, die Forderungen der E AG gegen die
Beklagte iHv. € 19.126.909,24 zu einem Kaufpreis von € 11.350.679,76 auf, was einen
Kaufpreisnachlass von € 7.776.229,48 ausmacht. Gem. § 4 des Kaufvertrages gingen
auch die von den Klägern gegebenen Sicherheiten, die Grundschuld einschließlich der
Vollstreckungsunterwerfung und die Bürgschaften auf ihn über. Daraufhin beschloss die
Beklagte im Februar 2002 eine Kapitalerhöhung von € 25.590,00 um € 11.447,350,00
auf € 11.472.940,00, die durch Umwandlung von Gesellschafterdarlehen des Hr. U iHv.
€ 7.558.700,00, und der von ihm als Alleingesellschafter betriebenen U GmbH iHv. €
3.888.650,00 erfolgte. Die Anteile an der Beklagten verteilten sich nun wie folgt: Herr U
hielt 65,94 %, die U GmbH 34,00 %. Der Anteil der Kläger an der Gesellschaft sank von
10,0 bzw. 16,6 % auf 0,02 bzw. 0,04 %, also auf zusammen 0,06 %. Mit Beschluss
wurde jedoch vereinbart, dass den Klägern im Abfindungsfall eine Abfindung in Höhe
ihrer ursprünglichen Beteiligung zustehen sollte.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.08.2006 teilte Herr U den Klägern mit, dass sie mit
der Zwangsvollstreckung zu rechnen haben, da die von ihm erworbenen Darlehen
notleidend geworden seien. In mehreren Schreiben u.a. vom 08.08.2006 und
11.08.2006 verlangten die Kläger die Zusendung der betriebwirtschaftlichen
Jahresabschlüsse. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob den Klägern lediglich
vorläufige BWAs oder die festgestellten BWAs übersandt worden sind.
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Am 17.08.2006, zugestellt am 31.08.2006, erwirkte die Beklagte ein vorläufiges
Zahlungsverbot gegen die Kläger. Hierin wurde die Pfändung der Geschäftsanteile der
Kläger an der Beklagen angekündigt. Am 27.09.2006 wurde den Klägern die erste
vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldurkunde mit der notariellen Unterwerfung
unter die Zwangsvollstreckung zugestellt. Ein weiteres Zahlungsverbot wurde am
29.09.2006 durch Hr. U erwirkt und den Klägern am 02.10.2006 zugestellt.
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Das anwaltliche Schreiben der Kläger vom 11.10.2006 mit dem Angebot von
Vergleichsverhandlungen erwiderte Hr. U durch anwaltliches Schreiben vom
25.10.2006 mit dem Vorschlag, den Klägern ihre Anteile an der Beklagten sowie an
einer weiteren Gesellschaft, der I GmbH, und ihre Darlehensforderungen gegen diese
Gesellschaften zu einem Kaufpreis von € 100.000,00 abzukaufen. Auch sollten die
Kläger ihre Bürgschaften und Titel zurückerhalten und von einer möglichen
Inanspruchnahme durch die Investitionsbank C freigestellt werden. Die Kläger nahmen
dieses Angebot nicht an.
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Am 27.10.2006 erging gegen die Kläger ein weiteres vorläufiges Zahlungsverbot,
zugestellt am 23.10.2006. Am 22.11.2006 wurde den Klägern dann der Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss zugestellt, der sich u.a. auf die Geschäftsanteile der Kläger
bezog. Die Anträge der Kläger auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung
wurden durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 23.01 bzw. 18.06.2007
zurückgewiesen.
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Die Beklagte beschloss am 30.01.2007, mit den Stimmen ihres
Mehrheitsgesellschafters Hr. U und der U GmbH, den Ausschluss der Kläger aus der
Gesellschaft und die Einziehung ihrer Geschäftsanteile.
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Die Kläger behaupten u. a., dass die Gesellschaftsdarlehen nicht notleidend geworden
seien. Der Sicherungsfall sei nicht eingetreten.
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Die Kläger beantragen,
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den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom
30.01.2007, wonach die Kläger aus der Gesellschaft ausgeschlossen
werden und ihr Geschäftsanteil eingezogen wird, für nichtig zu erklären
und
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hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, eine Abfindungsbilanz zum
31.12.2006 aufzustellen, in der alle aktiven und passiven
Vermögensgegenstände der Gesellschaft ohne Ansatz eines
Firmenwertes mit ihren wirklichen Werten eingesetzt sind.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen und erklärt für den Fall, dass es zur Entscheidung
über den Hilfsantrag kommen sollte, diesen anzuerkennen.
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Die Beklagte ist der Rechtsansicht, dass die Voraussetzungen des § 13 1. b.) der
Satzung vorlägen. Entsprechend sei der Gesellschafterbeschluss vom 30.01.2007
wirksam.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet. Der Gesellschafterbeschluss gem. § 13 1. b) der Satzung der
GmbH vom 30.01.2007, der die Kläger aus der Gesellschaft ausschließt und ihren
Geschäftsanteil einzieht, ist nichtig. Es kann dahinstehen, ob die Zwangvollstreckung in
die Geschäftsanteile der Kläger zulässig oder wirksam ist, insbesondere, ob der
Sicherungsfall eingetreten ist. Der Beschluss vom 30.01.2007 findet in § 13 1. b) des
Gesellschaftsvertrages letztlich keine Rechtsgrundlage. Der Ausschluss von
Gesellschaftern und die Einziehung ihrer Geschäftsanteile, insbesondere
Voraussetzungen und Verfahren, können zwar grundsätzlich in der Satzung der
Gesellschaft geregelt werden. Eine solche Regelung enthält hier § 13 1. b) des
Gesellschaftsvertrages. Dieser benennt ausreichend bestimmt den Grund für eine
Ausschließung und Einziehung: die Betreibung der Zwangsvollstreckung in einen
Geschäftsanteil des Gesellschafters und deren Nichtabwendung innerhalb von 6
Wochen. Ein auf dieser Grundlage gefasster Beschluss kann entsprechend § 243 AktG,
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dahin überprüft werden, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine
Ausschließung und Einziehung vorliegen. Dies war hier nach dem Sinn und Zweck des
§ 13 1. b) der Satzung nicht der Fall.
Allerdings liegen die Voraussetzungen von § 13 1. b) dem Wortlaut nach vor, da die
Zwangsvollstreckung in die Geschäftsanteile der Kläger betrieben wird und die Kläger
diese auch nicht innerhalb der 6-Wochen-Frist abgewendet haben. Jedoch entsprechen
Ausschluss und Einziehung im vorliegenden Fall nicht dem Sinn und Zweck des § 13 1.
b).
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Zweck und Funktion des Zwangsausschlusses bei einer Pfändung eines
Geschäftsanteils ist es zu verhindern, dass der Anteil in der Zwangsvollstreckung
verwertet wird und eine Überfremdung der Gesellschaft eintritt (Michalski, ZIP 91, 149;
Fingerhut BB 97, 432). Der Ausschluss eines Gesellschafters und die Einziehung
seines Geschäftsanteils sollen verhindern, dass gesellschaftsfremde Dritte an der
Gesellschaft beteiligt werden. Diese Gefahr droht grundsätzlich bei der Pfändung eines
GmbH-Anteils, weil dessen Verwertung im Wege der Veräußerung gem. § 857 V ZPO
erfolgt. Im vorliegenden Fall ist es von der Beklagten jedoch treuwidrig, wenn sie sich
auf die Gefahr eines Fremdeintritts beruft, da die Zwangsvollstreckung in die
Geschäftsanteile der Kläger durch den Mehrheitsgesellschafter der Beklagten betrieben
wird. Dieser beherrscht als Vollstreckungsgläubiger das Vollstreckungsverfahren und
kann entscheiden, ob die Zwangsvollstreckung in die Geschäftsanteile der Kläger
erfolgen soll und somit die Gefahr eines Fremdeintritts besteht oder ob vorrangig
Befriedigung in anderen Vermögenswerten der Kläger zu suchen ist. Dies ist
insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Wertes der Geschäftsanteile eine
Möglichkeit, da dieser von ihm in einem Vergleichsangebot vom 25.10.2006 auf einen
geringen Betrag von unter € 100.000 taxiert wurde. Die Beklagte kann sich demnach
nicht auf die Gefahr eines Fremdeintritts berufen, denn dieser fiele in ihren
Verantwortungsbereich, da ihn der Mehrheitsgesellschafter der Beklagten zu vertreten
hätte.
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Des Weiteren dient die Regelung des § 13 1. b) der Verhinderung einer Rufschädigung
der Gesellschaft. Dies ist typischerweise anzunehmen, wenn die Pfändung nicht
innerhalb der in der Satzung bestimmten Frist abgewendet werden kann, denn hieraus
lässt sich auf ein Zahlungsunvermögen oder auf eine grobe Nachlässigkeit des
Gesellschafters in geschäftlichen Angelegenheiten schließen. Aber dieses ist im
vorliegenden Verfahren nicht gegeben. Der drohende Vermögensverfall ist nicht durch
die Kläger selbst verschuldet, sondern beruht gerade auf die prekäre finanzielle
Situation der Beklagten, bzw. auf das Verhalten der Mehrheitsgesellschafter. Wie oben
erwähnt, steht es ihnen offen, ob sie die Zwangsvollsteckung gerade in die
Gesellschaftsanteile oder in andere Vermögenswerte der Kläger betreiben. Betreiben
sie jedoch die Vollsteckung in die Geschäftsanteile der Kläger, so kann sich die
Beklagte auf die Gefahr einer Rufschädigung nicht berufen, da diese – wenn überhaupt
- durch ihre Mehrheitsgesellschafter verursacht würde.
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Dasselbe gilt bezüglich des Sicherungszweckes des § 13 1. b), die Gesellschaft vor
einem Vermögensverfall eines ihrer Gesellschafter zu schützen. Im vorliegenden
Verfahren hätte die Gefährdung der Gesellschaft durch einen Vermögensverfall der
Kläger der Mehrheitsgesellschafter der Beklagten selbst zu verantworten, da er die
Zwangsvollstreckung in die Geschäftsanteile der Kläger betreibt. Demnach ist es von
der Beklagten treuwidrig sich hierauf zu berufen.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 I ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den § 709 ZPO.
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