Urteil des LG Essen vom 13.04.2010

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Landgericht Essen, 12 O 255/09
Datum:
13.04.2010
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 255/09
Normen:
§§ 280, 823 BGB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht Zivilrecht
Leitsätze:
Falschbetankung eines PKW, Schadensersatz, Mitverschulden,
deklaratorisches Anerkenntnis
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.410,33 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
16.01.2009 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 10 %, die
Beklagte 90 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 110 % des
beizutreibenden Betrages,
für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung.
Der Klägerin bleibt nachgelassen die Zwangsvollstreckung der
Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110 % des beizutreibenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und aus abgetretenem Recht der Zeugen
G. F. und N. F. auf Schadensersatz in Anspruch. Die Zedenten (der Zeuge G. F. als
Alleinerbe seiner verstorbenen Ehefrau S. F.) waren Leasingnehmer eines PKW Opel
Zafira, welches von dem Zeugen N. F. genutzt wurde.
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Später erwarb die Klägerin Eigentum und Besitz an dem Fahrzeug.
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Am 24.11.2008 wollte der Zeuge N. F. das Fahrzeug an einer von der Beklagten
betriebenen Tankstelle betanken. Stationsleiter dieser Tankstelle war der Zeuge N. N.
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Ein Mitarbeiter der Beklagten übernahm die Betankung. Er verwechselte dabei den
Kraftstoff und tankte Super-Benzin statt Diesel, was zunächst nicht auffiel. Nach einer
Fahrstrecke von ca. 40 km trat an dem von dem Zeugen N. F. gelenkten PKW ein
Motorschaden auf. Der Zeuge informierte am Abend des 24.10.2008 darüber den
Geschäftsführer der Beklagten telefonisch. Dieser beruhigte ihn: Herr Elter solle sich
keine Sorgen machen. Das Fahrzeug müsse in einer Werkstatt untersucht werden.
Gegen solche Schäden sei die Beklagte versichert.
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Am nächsten Tag nahm der Geschäftsführer der Beklagten zu seinem Stationsleiter N.
Kontakt auf. Dieser möge prüfen, ob es den von dem Zeugen N. F. geschilderten
Tankvorgang gegeben habe. Diese Prüfung erfolgte am gleichen Tage. Der Zeuge N. F.
identifizierte den Angestellten, der das Fahrzeug am Tag zuvor betankt hatte. Dieser
räumte seinen Fehler ein. Der Zeuge N. veranlasste, dass der Opel Zafira zur
Überprüfung in die Werkstatt der Klägerin abgeschleppt wurde und stellte dem Zeugen
N. F. ein Leihfahrzeug zur Verfügung.
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Weil es sich bei dem beschädigten Fahrzeug um ein Leasingfahrzeug handelte, wollte
der Zeuge N. F. sich Sicherheit verschaffen und bat um eine schriftliche
Verpflichtungserklärung, die der Zeuge N. unter dem Datum des 25.11.2008 formulierte,
mit dem Firmenstempel der Beklagten versah, i. A. unterzeichnete und dem Zeugen N.
F. aushändigte. Wegen des Inhalts der Erklärung wird auf Bl. 4 d. A. Bezug genommen.
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Die Klägerin untersuchte das Fahrzeug und stellte am 28.11.2008 einen
Kostenvoranschlag über die Motorreparatur, endend mit einem Betrag von 10.410,33 €.
Das ist nach Teilklagerücknahme in Höhe von 1.219,06 € die Klageforderung.
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Die nach dem Inhalt des Leasingvertrages dazu ermächtigten Leasingnehmer G. F. und
N. F. erteilten der Klägerin den Reparaturauftrag. Der Geschäftsführer der Klägerin legte
dem Stationsleiter N. der Beklagten den Kostenvoranschlag vor. Auf seine Bitte setzte
Herr N. handschriftlich folgenden Text auf Bl. 1 des Kostenvoranschlages: "Die Kosten
werden von uns übernommen. Bitte Firmierung an die ..." Es folgt der Stempelaufdruck
der Firma der Beklagten. Herr N. unterzeichnete mit dem Zusatz "i. A.".
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Die Klägerin meint, damit habe die Beklagte die Verpflichtung zum Schadensersatz
auch unmittelbar der Klägerin gegenüber übernommen. Sollte das nicht der Fall sein,
habe sie einen Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht der Leasingnehmer
G. F. und N. F. Die Höhe der Schadensersatzforderung könne die Beklagte nicht
bestreiten, weil in den ihr zurechenbaren schriftlichen Erklärungen des Stationsleiters N.
ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu sehen sei.
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Die Klägerin behauptet, schon am Abend des Schadenseintritts habe der
Geschäftsführer der Beklagten dem Zeugen N. F. versichert, die Beklagte werde für den
Schaden aufkommen. Der Stationsleiter N. werde die notwendigen Schritte einleiten.
Dieser habe am folgenden Tag erneut erklärt, der Schaden werde übernommen. Der
Zeuge N. F. brauche keinen Rechtsanwalt einzuschalten. Für eine schriftliche
Haftungsübernahme müsse er zuvor mit dem Geschäftsführer L. der Beklagten
Rücksprache halten. Auf spätere Nachfrage habe der Zeuge N. erklärt, die Nachfrage
sei erfolgt. Die gewünschte schriftliche Erklärung könne abgeholt werden.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.410,33 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16.01.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreitet, dass ihr Geschäftsführer bereits am Tage des Schadenseintritts die
Einstandspflicht des Beklagten anerkannt habe. Er habe lediglich geäußert, dass die
Beklagte gegen solche Schadensfälle versichert sei. Das nachfolgende Verhalten des
Stationsleiters N. - insbesondere dessen schriftliche Erklärungen - sei mit ihrem
Geschäftsführer nicht abgestimmt gewesen. N. habe deshalb ohne Vollmacht gehandelt.
Das sei sowohl für die Klägerin als auch für den Zeugen N. F. daran zu erkennen
gewesen, dass Herr N. seine schriftlichen Erklärungen mit dem Zusatz "i. A."
unterzeichnet habe.
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Auch inhaltlich seien durch die schriftlichen Erklärungen Einwendungen gegen die
Klageforderung nicht ausgeschlossen. Dem Zeugen N. F. treffe ein erhebliches
Mitverschulden. Schon bei dem Tankvorgang hätte er auf den Irrtum aufmerksam
werden müssen, spätestens aber bei Erhalt der Quittung, auf welcher die (falsche)
Kraftstoffsorte angegeben gewesen sei. Der Irrtum hätte nicht erst nach einer
Fahrstrecke von 40 km, sondern durch veränderten Motorlauf viel früher erkannt werden
müssen. Bei sofortiger Beendigung der Fahrt wäre der nun eingetretene kapitale
Motorschaden vermieden worden.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen N. F. und N.
N. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom
17.11.2009 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen deliktischen (§ 823 BGB) und einen
vertraglichen (§ 280 BGB) Schadensersatzanspruch in der zugesprochenen Höhe aus
abgetretenem Recht der Leasingnehmer G. F. und N. F. (§ 398 BGB).
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht zweifelsfrei festzustellen, dass die
Beklagte durch den Zeugen N. einen direkten Anspruch der Klägerin begründen wollte.
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Die Frage kann dahingestellt bleiben, weil die Leasingnehmer G. F. und N. F. ihren
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten haben.
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Die Leasinggeberin hat beide vertraglich ermächtigt, Schäden an dem Leasingfahrzeug
reparieren zu lassen und Ansprüche gegen den Schädiger abzuwickeln. Das ist der
Rechtsgrund für eine deliktische Haftung der Beklagten aus §§ 823, 831 BGB. Darüber
hinaus hat der Zeuge N. F. gegen die Beklagte auch einen vertraglichen Anspruch auf
Schadensersatz aus § 280 BGB wegen einer positiven Verletzung des
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Betankungsvertrages.
Die Pflichtverletzung ihres Angestellten, die darin liegt, dass er das Fahrzeug mit dem
falschen Kraftstoff betankt hat, muss die Beklagte sich nach § 278 BGB zurechnen
lassen.
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Den Zedenten N. F. trifft kein Mitverschulden. Er musste den Betankungsvorgang durch
den Mitarbeiter der Beklagten nicht beaufsichtigen, sondern durfte sich auf dessen
ausreichende Qualifikation und Sorgfalt verlassen, zumal ihm der Service (so seine
Zeugenaussage) aufgedrängt worden war. Auch musste N. F. die Tankquittung nicht
daraufhin kontrollieren, ob der zutreffende Kraftstoff berechnet worden war. Die Quittung
gilt in erster Linie als Zahlungsbeleg und der Überprüfung der Richtigkeit des in
Rechnung gestellten Betrages.
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Die Frage eines Mitverschuldens kann dahingestellt bleiben, weil die Beklagte in
Kenntnis der vorgenannten Ansatzpunkte für ein mögliches Mitverschulden und in
Kenntnis des hohen Reparaturaufwandes durch den Kostenvoranschlag der Klägerin
ihre Schuld deklaratorisch anerkannt hat, wodurch bereits vorhandene Einwendungen
gegen die Schadensersatzforderung ausgeschlossen werden. Das deklaratorische
Anerkenntnis bezieht sich sowohl auf den Grund als auch - durch Erklärung der
Kostenübernahme auf dem Voranschlag der Klägerin - auf die Höhe der Forderung.
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Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dem Zeugen N. die Reparaturkosten
ungewöhnlich hoch erschienen und er gleichwohl die Eintrittspflicht der Beklagten
schriftlich bestätigt hat.
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Das Verhalten des Zeugen N. ist der Beklagten zumindest unter
Rechtsscheinsgesichtspunkten zuzurechnen. Entgegen der Erklärungen des
Geschäftsführers der Beklagten und der Aussage des Zeugen N. geht das Gericht
davon aus, dass der Zeuge N. sein Verhalten gegenüber dem Zeugen N. F. und
gegenüber der Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beklagten abgestimmt hat. Dieser
hatte den Zeugen N. über den Vorgang unterrichtet und ihn gebeten, die Angelegenheit
abzuwickeln. Dem Zeugen N. war die rechtliche Tragweite seiner schriftlichen Erklärung
bewusst, weil er eine solche Erklärung nur nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer
der Beklagten habe abgeben wollen, wie der Zeuge N. F. glaubhaft ausgesagt hat. Es
erscheint deshalb äußerst unwahrscheinlich, dass der Zeuge N. sich anschließend
gegen seine eigene Einschätzung der Sachlage und gegen das von ihm selbst
angekündigte Vorgehen verhält.
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In Erwägung zu ziehen ist ferner eine Ermächtigung des Zeugen N. aus § 56 HGB. Der
Geschäftsführer der Beklagten hat ausgeführt, dass Irrtümer beim Betanken hin und
wieder vorkommen, deren Bearbeitung also dem Betätigungsfeld des Stationsleiters
nicht fremd ist.
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Die Frage kann dahingestellt bleiben, weil die Erklärungen des Zeugen N. der Klägerin
nach dem Institut der Duldungsvollmacht zuzurechnen sind. Herr N. war Stationsleiter
der Tankstelle. Er war in der Lage und berechtigt, die betrieblichen Einrichtungen und
auch den Firmenstempel zu benutzen. Er war durch den Geschäftsführer der Beklagten
über den Vorgang unterrichtet und gebeten worden, sich mit der Bearbeitung - wenn
auch in strittigem Umfang - zu befassen, während der Geschäftsführer selbst sich aus
verständlichen persönlichen Gründen nicht damit befassen mochte.
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Durch Verwendung des Firmenstempels hat der Zeuge N. nach außen den Eindruck
erweckt, er handele durch die Beklagte legitimiert. Der Zusatz "i. A." vor seiner
Unterschrift hat demgegenüber keine Bedeutung, weil er sich nicht zwingend auf die
Bevollmächtigung bezieht, sondern nach allgemeinem Verständnis nur zum Ausdruck
bringt, dass der Unterzeichner die Erklärung nicht für sich selbst, sondern für eine
andere Person abgibt.
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Die Adressaten der Erklärungen des Zeugen N. durften vor dem Hintergrund der
geschilderten Entwicklung des Geschehens darauf vertrauen, dass der Zeuge N. durch
die Beklagte bevollmächtigt war. Der Zeuge N. hat das Abschleppen des defekten PKW
veranlasst, er hat dem Zeugen N. F. ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt, er hat
das persönliche Gespräch mit ihm geführt und ihn durch seine schriftlichen Zusagen
davon abgehalten, einen Rechtsanwalt einzuschalten.
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Deshalb sind der Beklagten die Erklärungen des Zeugen N. zuzurechnen. Er hat den
Schadensersatzanspruch deklaratorisch anerkannt. Der Klage war stattzugeben.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92, 269 Abs. 3, 709 ZPO.
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Die Kostenbeteiligung der Klägerin beruht auf der teilweisen Rücknahme der Klage.
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