Urteil des LG Essen vom 12.01.2006

LG Essen: recht am eigenen bild, schutz des namens, unerlaubte handlung, verein, verfügung, persönlichkeitsrecht, veröffentlichung, erlass, gewaltanwendung, wiederholungsgefahr

Landgericht Essen, 4 O 480/05
Datum:
12.01.2006
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 480/05
Normen:
22 KunstUrhG, 823 (2) BGB, 823 (1), 1004 BGB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht Sonstiges
Tenor:
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 12.01.2006
durch den Vorsitzenden Richter am LG E., die Richterin am LG T.
und die Richterin Dr. U.
für R e c h t erkannt:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Verfügungskläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Verfügungskläger darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand:
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Der Verfügungskläger ist der Vater des Geschäftsführers der X-GmbH I. Junior. Diese
führte am 11.12.2005 in den Räumen des Hotels "Hotel H." in H. eine
Vortragsveranstaltung durch. Dozenten waren Herr L. und der Kläger. Auf Veranlassung
des Verfügungsbeklagten zu 1) suchten die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) die
Tagung auf, wo sie Filmaufnahmen von den Dozenten und Teilnehmern anfertigten.
Hierbei wurde die Filmkamera vom Verfügungsbeklagten zu 2) gehalten und der
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Verfügungsbeklagte zu 3) trug ein Mikrofon. Die beiden wurden von den Dozenten der
Veranstaltung verwiesen. Später am Tag suchte der Verfügungskläger mit einem
Rechtsanwalt die Polizeiwache in H. auf. Dort wurden sie vom Verfügungsbeklagten zu
2) erwartet, der wiederum Filmaufnahmen vom Verfügungskläger anfertigte.
Der Verfügungsbeklagte zu 3) ist Mitglied des Vereins Insolvenzhilfe.
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Der Verfügungskläger behauptet, die Verfügungsbeklagten seien bei der Anfertigung
der Aufnahmen gewaltsam vorgegangen und hätten Aufforderungen, sofort die
Örtlichkeit zu verlassen, missachtet.
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Der Verfügungsbeklagte zu 3) versuche seit mehreren Jahren, die XGmbH in
Zusammenhang mit einem Verein "die Insolvenzhilfe e.V." zu bringen und beide zu
diskreditieren, vermutlich weil es sich zumindest bei dem Verein um ein
Konkurrenzunternehmen des Vereins des Verfügungsbeklagten zu 3) handele.
Tatsächlich bestehe kein geschäftlicher Zusammenhang zwischen der XGmbH und
dem "die Insolvenzhilfe".
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Er meint, er sei in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht , dem Recht am eigenen
Wort und Bild sowie dem Recht auf Schutz des Namens und Bildes zu Werbezwecken
verletzt. Es sei zu befürchten, dass die bei dem Vorfall gefertigten Aufzeichnungen dazu
verwandt werden sollen, die X GmbH öffentlich im Zusammenhang mit dem Verein "die
Insolvenzhilfe" zu diskreditieren. Dies ergebe sich aus der bereits erfolgten
Diskreditierung in der Vergangenheit und der brutalen Vorgehensweise bei der
Beschaffung der Aufnahmen.
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Der Verfügungskläger beantragt,
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I. den Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu
50.000,- €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6
Monaten, zu verbieten, sämtliche derjenigen Bild- und Tonaufzeichnungen,
die die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) am 11.12.2005 auf dem gesamten
Gelände des "Hotels H" (Betreibergesellschaft: X GmbH ), sowie im gesamten
Umfeld des Gebäudes der Polizeiinspektion 2 – KK/VK H., des
Polizeipräsidiums S. von dem Verfügungskläger gefertigt haben und die eine
solchen Aufzeichnungen darstellen, bei denen der Verfügungskläger nur als
Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint oder
deren Fertigung und Veröffentlichung in sonstiger Weise gerechtfertigt ist –
z.B. i.S.d. § 23 Abs. KunstUrhG – in jeglicher Form zu veröffentlichen,
vervielfältigen oder in jeglicher Weise sonst zu verbreiten oder zu verwerten,
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II. anzuordnen, dass die Verfügungsbeklagten sämtliche existenten
vorgenannten Bild- und Tonaufzeichnungen im Original, sowie sämtliche
existenten hiervon gefertigten Vervielfältigungen jeglicher Art an einen von
dem Verfügungskläger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben
haben,
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III. bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 50.000,- €, an dessen Stelle
im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder
einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden einzelnen Fall der
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Zuwiderhandlung anzuordnen, dass die Verfügungsbeklagten für den Fall,
dass sie die in den Anträgen zu I. und II. bezeichneten Bild- und
Tonaufnahmen bereits an jegliche Dritte weitergegeben haben, unverzüglich
– erforderlichenfalls gerichtlich – diesen gegenüber ihre Rechte als Urheber
der vorgenannten Aufzeichnungen i.S.d. §§ 2, 4 Abs. 1, 7, 8, 9, 12, 15, 16, 17,
18, 19, 20, 21, 22 UrhG dergestalt geltend zu machen haben, dass jegliche
Dritte die vorgenannten Aufzeichnungen in keiner der im Antrag zu I.
bezeichneten oder jeglicher Weise sonst veröffentlichen, vervielfältigen,
verbreiten oder verwerten darf und sämtliche bei jeglichen Dritten befindlichen
existenten Originale der vorgenannten Aufzeichnungen sowie sämtliche
existente hiervon gefertigten Vervielfältigungen jeglicher Art an die
Verfügungsbeklagten – erforderlichenfalls nach § 42 UrhG – herauszugeben
sind und von den Verfügungsbeklagten sodann an einen von dem
Verfügungskläger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sind
oder wahlweise auch von jeglichen Dritten direkt an einen von dem
Verfügungskläger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sind.
Die Verfügungsbeklagten beantragen,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Verfügungsbeklagten wenden hiergegen ein:
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Das angerufene Gericht sei schon örtlich nicht zuständig, da keine unerlaubte Handlung
ersichtlich sei.
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Der Verfügungsbeklagte zu 3) sei schon nicht passivlegitimiert, weil er weder selbst
Aufnahmen gefertigt habe noch für die Verwendung des Materials verantwortlich sei.
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Die Anfertigung der Aufnahmen sei auch nicht rechtswidrig, sondern im Rahmen
journalistischer Recherche erfolgt. Es sei lediglich um das Sammeln von Informationen
gegangen. Einen Hausfriedensbruch oder gar körperliche Gewaltanwendung seien
nicht erfolgt. Ob eine Ausstrahlung des Materials letztlich zulässig sei, könne noch gar
nicht entschieden werden, aber möglicherweise handele es sich bei dem
Verfügungskläger sogar um eine relative Person der Zeitgeschichte. Im übrigen bediene
sich die XGmbH durchaus unseriöser Mittel, um Schuldnern das Geld aus der Tasche
zu ziehen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet.
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Der Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagten keine Ansprüche aus § 22
KunstUrhG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB wegen Verletzung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und dem Recht am eigenen Bild.
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Nach § 22 KunstUrhG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet
oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Grundsätzlich soll nur dem Abgebildeten die
Verfügung über das eigene Bild zustehen und es obliegt grundsätzlich seiner
Entscheidung, ob und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild
darstellen will. § 22 KunstUrhG erfasst hierbei nicht bereits die Herstellung von
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Bildnissen (Wandtke/Bullinger – Fricke, § 22 Rn. 8; Löffler/Ricker, Handbuch des
Presserechts Seite 364 Rn. 3; BGH, Urteil v. 25.04.1995 – VI ZR 272/94, NJW 1995
Seite 1955 ff). Letzteres wird allenfalls von § 823 BGB im Rahmen des allgemeinen
Persönlichkeitsrechtes erfasst (BGH, a.a.O.).
Aber auch nach § 823 BGB besteht kein Unterlassungsanspruch des
Verfügungsklägers. Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch ist eine
Erstbegehungs- oder eine Wiederholungsgefahr. Aus dem bisherigen Vortrag des
Verfügungsklägers ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die
Verfügungsbeklagten bereits in der Vergangenheit das Recht des Verfügungsklägers
am eigenen Bild oder in sonstiger Weise sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt
haben. Die pauschale Erklärung, es sei bereits in der Vergangenheit durch den
Verfügungsbeklagten zu 3) versucht worden, die X GmbH zu diffamieren und es habe
hierüber Berichte in Sat 1 gegeben, ist nicht hinreichend substantiiert. Vielmehr kann
eine Wiederholungsgefahr nur dann angenommen werden, wenn konkret dargelegt
wird, wann wie in welcher Weise mit welchen Mitteln rechtswidrig in die Rechtsgüter
des Verfügungsklägers eingegriffen worden ist. Hierzu fehlt jeder Anhaltspunkt.
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Auch eine Erstbegehungsgefahr ist nicht hinreichend ersichtlich. Eine solche ist
anzunehmen, wenn konkrete greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Verstoß
ernstlich droht, was nicht bereits durch die bloße Möglichkeit begründet wird (BGH,
Urteil v. 16.01.1992 – I ZR 20/90, NJW-RR 1992 Seite 618 ff; BGH, Urteil v. 26.04.1990
– I ZR 99/98, NJW 1990 Seite 2469 ff; BGH, Urteil v. 19.06.1951 – I ZR 77/50, BGHZ 2,
394 ff). Ob letztlich eine Veröffentlichung der streitigen Aufnahmen rechtswidrig oder
nach § 23 KunstUrhG oder nach Art. 5 GG gerechtfertigt wäre, kann vielmehr noch gar
nicht abgesehen werden. Dies ist vielmehr davon abhängig, unter welchem Thema und
in welchem Zusammenhang die Aufnahmen ausgestrahlt werden sollen. Hierbei könnte
es sich zum einen um eine Berichterstattung im öffentlichen Interesse handeln, wenn es
um nachweislich missbräuchliche und verbraucherfeindliche Praktiken bei der XGmbH
geht und ggf. sogar der Verfügungskläger durch einen "schwarzen Balken" vor den
Augen unkenntlich gemacht wird. Zum anderen könnte es sich dann auch um einen
Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG handeln. Ein Bildnis aus dem
Bereich der Zeitgeschichte ist insoweit weit zu fassen und umfasst alles, woran
gegenwärtig allgemeines Interesse besteht. Dies könnte bei der Aufdeckung von
Missbrauch mit Verbraucherinsolvenzen durchaus der Fall sein. Vorliegend ist aber
bislang noch nicht einmal ersichtlich, ob überhaupt eine Verbreitung der
Aufzeichnungen vorgesehen ist. Vielmehr tragen die Verfügungsbeklagten vor, bislang
erfolge lediglich eine Recherche und ob die erzielten Aufnahmen letztlich verwertet
würden – und ggf. in welchem Umfang – stünde noch gar nicht fest. Daher berühmen
sich die Verfügungsbeklagten nicht einmal, dass eine Verwertung der Aufnahmen
zulässig und auch beabsichtigt wäre. Vielmehr muss das bisherige Geschehen noch
dem zulässigen Bereich journalistischer Recherche zugeordnet werden. In diesem
Rahmen besteht noch kein Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz, da für die Presse
eine unerträgliche Belästigung und Einschüchterung bestünde, wenn sie immer schon
dann, wenn sie über Tatsachen recherchiert, mit Unterlassungsansprüchen überzogen
werden könnte (so OLG Hamburg, Urteil v. 15.08.1991 – 3 U 99/91, AfP 1992 Seite 279
f). Dagegen reicht die bloße Möglichkeit, dass ein Bericht mit belastendem Inhalt
veröffentlicht werden könnte, nicht aus (Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts,
Seite 380 Rn. 5). Steht dagegen fest, dass eine – geplante – Veröffentlichung etwa von
Fotos gegen das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen verstößt, kann im
Rahmen eines Einstweiligen Verfügungsverfahrens vorbeugende Unterlassung verlangt
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werden (so OLG Celle, Urteil v. 08.08.1984 – 13 U 44/84, AfP 1984 Seite 236 f).
Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass bereits die
Anfertigung der Aufnahmen als solches nach § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2, 1 GG
rechtswidrig war. Bereits die Herstellung von Bildaufnahmen kann zwar unter
Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und einer Güter- und Interessenabwägung
einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
darstellen, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht (BGH, Urteil v. 25.04.1995 –
VI ZR 272/94, NJW 1995 Seite 1955 ff). Aber auch dies ist vorliegend nicht der Fall.
Dass die Aufnahmen lediglich dazu dienen sollten, Werbung für den Verein, in dem der
Verfügungsbeklagte zu 3) Mitglied ist, zu stützen, den Wettbewerb mit diesem Verein zu
begünstigen oder zur Schmähkritik an der X GmbH benutzt werden sollten, ist nicht
hinreichend aus den Umständen erkennbar oder glaubhaft gemacht. Nach dem
Pressekodex des deutschen Presserates dürfen zwar bei der Beschaffung von
Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern keine unlauteren Methoden angewandt
werden. Allerdings fällt auch die Publikation rechtswidrig recherchierter Informationen
grundsätzlich in den Schutzbereich von Art. 5 GG. Ob hierbei die Vorgehensweise noch
von der Pressefreiheit gedeckt ist, ist auch danach zu beurteilen, ob etwa zu ermittelnde
Geschäftspraktiken anders als durch die vorgenommene Art der Recherche nicht
aufgedeckt werden können (OLG München, Urteil vom 20.01.2005 – 6 U 3236/04, AfP
2005 Seite 371 ff). Im vorliegenden Fall stellt sich das Vorgehen der
Verfügungsbeklagten gegenüber dem Verfügungskläger jedoch nicht als rechtswidrig
dar. Dass die Aufnahmen durch Gewaltanwendung gegenüber dem Verfügungskläger
zu Stande gekommen sind, ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Insoweit stehen
einander widersprechende eidesstattliche Versicherungen gegenüber. Zudem hat die
Kammer auch nach Inaugenscheinnahme der von den Verfügungsbeklagten
vorgelegten Videoaufzeichnung keinen Anhaltspunkt für einen gewalttätigen Übergriff
gegen den Verfügungskläger erkennen können.
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Ein Hausfriedensbruch wurde gegenüber dem Verfügungskläger nicht begangen, da
nicht er, sondern die XGmbH Inhaberin des Hausrechtes auf der streitgegenständlichen
Veranstaltung war. Das Filmen vor dem Polizeipräsidium schließlich erfolgte schon
nicht in einem geschützten Bereich und musste ohnehin hingenommen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund von §§ 708 Nr.
11, 711 ZPO.
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