Urteil des LG Essen vom 16.12.2004

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Landgericht Essen, 10 S 354/04
Datum:
16.12.2004
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 S 354/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 130 C 36/04
Schlagworte:
Versendungskauf, online-Bestellung
Normen:
BGB §§ 447, 448
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Rechtskraft:
ja
Tenor:
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 16.12.2004
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E.,
die Richterin am Landgericht S. und
die Richterin am Landgericht T.
für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.07.2004 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Essen - 130 C 36/04 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wegen des Tatbestands wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug
genommen, § 540 ZPO.
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Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben.
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Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit welcher sie weiterhin unter Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrags die Rechtsansicht vertritt, die Vorschrift des § 447 BGB sei
anwendbar.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat der
Klage im Ergebnis zu Recht entsprochen.
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Der Kläger kann von der Beklagten gem. §§ 326 I und IV, 275 I, 346 I BGB die
Rückzahlung des Kaufpreises verlangen, welchen er für das von jener im Rahmen einer
online -Aktion erworbene Notebook bezahlt hat.
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Aufgrund des Ergebnisses der vor dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme
steht fest, dass die Beklagte gem. § 275 I BGB von der ihr obliegenden Leistungspflicht
frei geworden ist, weil das Notebook, nachdem es, wie der Zeuge X. bestätigt hat,
ordnungsgemäß verpackt zur Post gegeben worden ist, auf dem Versandweg unter nicht
aufklärbaren Umständen untergegangen ist.
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Gem. § 326 I Satz 2 BGB entfällt damit grundsätzlich zugleich der Anspruch des
Schuldners auf die Gegenleistung. Nach Absatz IV vorgenannter Vorschrift ist eine
bereits erbrachte, aber nicht geschuldete Gegenleistung gem. § 346 I BGB zurück zu
gewähren.
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Diesem Ergebnis kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegen halten, die Preisgefahr sei
bereits gem. § 447 BGB auf den Kläger übergegangen.
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§ 447 BGB verlangt eine Versendung auf Verlangen des Käufers. Das Amtsgericht hat
die Aussage des Zeugen X. im übrigen rechtsfehlerfrei dahin gewürdigt, dass diese
nicht zum Beweis für die Behauptung geeignet ist, der Kläger habe anläßlich des
Telefonats, bei dem die Abwicklung des abgeschlossenen Kaufvertrages besprochen
wurde, entsprechendes verlangt.
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§ 447 BGB gilt aber auch dann, wenn die Zusendung der Ware auf einer Vertragspflicht
oder einem Handelsbrauch und damit auf einer Nebenpflicht des Verkäufers beruht. Es
ist dabei im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob die Versendung im ursprünglichen
Vertrag vereinbart worden ist ( MK § 447 BGB Rdn. 7 f ).
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Dazu, dass sich aus dem vom Kläger akzeptierten Vertragsangebot der Beklagten die
Vereinbarung eines Versendungskaufs ableiten läßt, z.B., weil sie die Versendung des
Notebooks auf dessen Kosten angeboten hat ( § 448 BGB ), ist nichts dargetan worden.
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Allein der Umstand, dass der Kaufvertrag im Zusammenhang mit einer online - Aktion
zustandegekommen ist, reicht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dafür aus, dass
damit zugleich konkludent ein Versendungskauf vereinbart worden ist.
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Zwar scheint das Landgericht Berlin in der von der Beklagten zitierten Entscheidung,
veröffentlicht in NJW 2003, 3494, davon, wenn auch ohne nähere Begründung,
auszugehen, als auch die von der Beklagten vorgelegte Kommentarstelle aus dem
Anwaltskommentar diese Entscheidung aufgegriffen hat.
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Unter Berücksichtigung des allgemeinen Vertragsrechts gehört es, sofern nicht
ausnahmsweise eine Bringschuld vereinbart worden ist, nicht zum Pflichtenkreis des
Verkäufers, die Ware beim Käufer auf sein Risiko abzuliefern. Sofern die
Voraussetzungen des § 447 BGB erfüllt sind, ändert sich an dieser Bewertung zwar
nichts, jedoch übernimmt der Verkäufer in diesem Fall auf Kosten des Käufers die
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Versendung der Ware, jedoch für jenen verbunden mit dem Risiko, dass er, obwohl er
die Kaufsache nicht erhält, dennoch zur Kaufpreiszahlung verpflichtet bleibt. Durch die
in § 447 BGB geschaffene Regelung, dass die Versendung auf Verlangen des Käufers
bzw. aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Abrede zu erfolgen hat, soll aber
zugleich verhindert werden, dass der Verkäufer dem abholbereiten Käufer durch
eigenmächtige Versendung die Gefahr aufbürdet ( MK aaO ).
Wegen der weitreichenden Konsequenzen, die für den Käufer mit einem
Versendungskauf verbunden sein können, kann daher auch bei einem "online"
zustande gekommenen Kaufvertrag nicht generell die schlüssige Abrede eines
Versendungskaufs angenommen werden. Der Umstand, dass bei dieser Art von
Verträgen die Parteien häufig an unterschiedlichen Orten leben, zwingt jedenfalls nicht
dazu. Hierbei handelt es sich nämlich nicht nur um ein dieser Art von Verträgen
anhaftendes, durch den technischen Fortschritt bedingtes Phänomen. Vielmehr hat der
Gesetzgeber diese schon seit je her bekannte Abwicklungsvariante in §§ 447 und 448
BGB interessengerecht geregelt. Vorliegend ist ferner zu berücksichtigen, dass es eher
im Interesse des Klägers gelegen hat, den Kaufgegenstand - elektronisches Gerät -
nicht versenden zu lassen mit einem nicht unerheblichen Beschädigungsrisiko (wieso
sollte der Kläger das eingehen wollen), sondern selbst von Düsseldorf aus in Essen
abzuholen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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gez. E. gez. T. gez. S.
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