Urteil des LG Essen vom 17.12.2007

LG Essen: wider besseres wissen, polizei, wohnung, schmerzensgeld, absicht, meinung, behörde, komplikationen, strafurteil, vollstreckbarkeit

Landgericht Essen, 3 O 442/07
Datum:
17.12.2007
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 442/07
Normen:
§§ 253, 123 (2), 164 BGB, § 186 StGB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von
1.000,00 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/6, die Beklagte
2/6.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch können die Parteien die
Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor in gleicher Höhe
Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Am 20.10.2002 wollte der Kläger die
gemeinsamen Kinder in der Wohnung der Beklagten gegen 9.00 Uhr morgens abholen.
Die Beklagte verweigerte jedoch die Herausgabe mit der Begründung, die Parteien
hätten einen Termin um 10.00 Uhr vereinbart. Der Kläger wartete daraufhin vor der
Wohnung, während die Beklagte telefonisch die Polizei rief mit der Behauptung, der
Kläger randaliere vor der Wohnung, habe vor die Tür getreten und die Wohnungsklingel
zerstört. Bei dem anschließenden Polizeieinsatz wurde dem Kläger ein Platzverweis
erteilt. Er wurde unter Einsatz körperlicher Gewalt abgeführt.
2
Mit Urteil des Landgerichts Essen vom 09.09.2003 (6 Js 284/03 StA Essen) ist der
Kläger von dem in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf des Widerstandes
gegen Vollstreckungsbeamte und der Beleidigung freigesprochen worden (Bl. 96 ff. ).
Ein gegen die Beklagte wegen falscher Verdächtigung u. a. geführtes Strafverfahren ist
durch Einstellung nach § 153 a StGB beendet worden.
3
Mit der Klage hat der Kläger Widerruf und Unterlassung der von der Beklagten
4
aufgestellten Behauptungen sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 5.000,00
€ begehrt. Die Parteien haben einen gerichtlichen Teilvergleich geschlossen,
demzufolge die Beklagte die aufgestellten Behauptungen zurücknimmt und sich zur
Unterlassung verpflichtet. Die Hauptsache haben die Parteien insoweit
übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger verfolgt noch den Antrag auf Zahlung
eines Schmerzensgeldes.
Er behauptet, die Beklagte habe die Polizei mit der falschen Behauptung gerufen, um
gegen ihn ein behördliches Verfahren auszulösen.
5
Der Kläger beantragt,
6
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen,
dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch
5.000,00 €.
7
Die Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Sie bestreitet die Absicht, ein behördliches Verfahren auszulösen. Der Kläger sei zu früh
erschienen und habe immer wieder geklingelt, so dass sie sich nicht anders zu helfen
gewusst habe, als die Polizei zu rufen.
10
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
11
Entscheidungsgründe:
12
Die Klage hat nur teilweise Erfolg.
13
Nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 164, 186 StGB, § 253 BGB ist die Beklagte
verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 1.000,00 € zu zahlen. Im Übrigen
hat die Klage keinen Erfolg.
14
Die Beklagte räumt heute ein, dass ihre früher der Polizei gegenüber aufgestellten
Behauptungen, der Kläger randaliere vor ihrer Wohnung, habe vor die Tür getreten und
die Wohnungsklingel zerstört, falsch waren. Damit hat sie sich nicht nur nach § 186
StGB strafbar gemacht, sondern auch nach § 164 StGB.
15
Nach § 186 StGB macht sich einer üblen Nachrede schuldig, wer in Beziehung auf
einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich
zu machen oder der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist. Die von der
Beklagten aufgestellten unrichtigen Behauptungen in Bezug auf den Kläger waren in
diesem Sinne geeignet. Aufgrund der unwahren Behauptungen hielten nämlich die
eingesetzten Beamten den Kläger für einen Randalierer und verhängten gegen ihn
einen Platzverweis. Der Kläger macht auch unwidersprochen geltend, er sei wegen des
damaligen Vorfalls in eine sog. Randaliererkartei aufgenommen worden. Bereits in den
Augen der eingesetzten Polizeibeamten, denen gegenüber die Beklagte die von ihr
heute nicht mehr für wahr gehaltenen Behauptungen aufgestellt hat, hat die Beklagte
den Kläger seinerzeit verächtlich gemacht. Die vorhersehbaren Folgen, nämlich ein
16
Polizeieinsatz gegen den Kläger und behördliche Komplikationen, betrafen auch die
Geltung des Klägers in der öffentlichen Meinung. Wie aus dem Strafurteil ersichtlich ist,
ist den Nachbarn der Polizeieinsatz nicht verborgen geblieben. Dass die Beklagte
vorsätzlich gehandelt hat, ist außer Zweifel. Sie hatte sich über den zu früh
erschienenen und nicht von ihrer Tür weichenden Kläger geärgert und wollte ihn
loswerden.
Nach § 164 StGB macht sich einer falschen Verdächtigung schuldig u. a. derjenige, der
einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger
gegenüber über einen anderen wider besseres Wissen eine Behauptung tatsächlicher
Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche
Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen, wenn der Täter in der Absicht handelt, ein
solches behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen auszulösen.
Auch diese Voraussetzungen sind gegeben. Das Herbeirufen der Polizei durch die
Beklagte war nicht nur geeignet, einen Platzverweis und - wie geschehen - andere
behördliche Maßnahmen gegen den Kläger auszulösen. Darauf kam es der Beklagten
auch gerade an, weil sie sich über den Kläger geärgert hatte. Einen anderen Sinn
konnte das Herbeirufen der Polizei nicht haben.
17
Wegen der von ihr begangenen unerlaubten Handlung schuldet die Beklagte dem
Kläger nach § 253 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld. Das Gericht hat unter
Abwägung aller maßgebenden Umstände ein Schmerzensgeld von 1.000,00 € für
angemessen gehalten. Dabei war einerseits zu berücksichtigen, dass die Beklagte
gegen den Kläger eine vorsätzliche Straftat begangen hat. Andererseits konnte es nicht
unberücksichtigt bleiben, dass die Atmosphäre unter den Parteien seinerzeit aufgeheizt
war. Für den Kläger hätte nichts näher gelegen, als sich von dem Haus der Beklagten
für eine Stunde zu entfernen, um sodann um 10.00 Uhr die Kinder abzuholen, statt vor
der Wohnung zu warten. Gerade dadurch fühlte nämlich die Beklagte sich bedrängt und
hat sich zu den Maßnahmen gegen den Kläger hinreißen lassen. Den Kläger trifft somit
ein Mitverschulden, wenn auch das Verschulden der Beklagten überwiegt.
18
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a, 92 ZPO.
19
Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass die Beklagte auch hinsichtlich der für erledigt
erklärten Anträge auf Unterlassung kostenpflichtig ist.
20
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
21