Urteil des LG Essen vom 12.05.2005

LG Essen: diabetes mellitus, coca, konsum, verbraucher, zucker, irreführende werbung, ärztliche kontrolle, medikamentöse behandlung, öffentliche meinung, schmerzensgeld

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Essen, 16 O 265/01
12.05.2005
Landgericht Essen
16. Zivilkammer
Urteil
16 O 265/01
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
Die Beklagte stellt kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke her, insbesondere das Produkt
"Coca-Cola". Der an Diabetes mellitus Typ 2 (sog. Altersdiabetes) erkrankte Kläger nimmt
die Beklagte wegen angeblich durch den Konsum des Getränks erlittener
Gesundheitsschäden in Anspruch.
Der Kläger behauptet: Er habe von Kindheit an regelmäßig die Erzeugnisse der Beklagten
konsumiert. Nach seinem Wechsel an das Landgericht O, wo er das Amt eines Richters
ausübte, im Jahre 1994 habe er aufgrund hoher Arbeitsbelastung an jedem Arbeitstag
mehrmals, vor allem auch als Zwischenmahlzeiten, das von der Beklagten hergestellte
Getränk "Coca-Cola classic" (im Folgenden als "Coca-Cola" bezeichnet) sowie
Schokoladenriegel der Marken "Mars" und "Snickers" zu sich genommen. Der tägliche
Verbrauch an "Coca-Cola" habe wenigstens zwei Flaschen à 0,5 Liter betragen; zusätzlich
habe er täglich wenigstens zwei der genannten Schokoriegel gegessen. Seine weitere
Ernährung sei durchaus gesundheitsbewusst gewesen. Er esse seit Jahren regelmäßig
morgens zwei Scheiben Brot oder zwei Brötchen sowie auch Radieschen, Salat oder
dergleichen, mittags ein Essen im üblichen Umfang (werktags seinerzeit ausschließlich in
der Kantine des Landgerichts, wobei die Kalorien auf den Bedarf nicht körperlich
arbeitender Menschen abgestimmt gewesen seien), und abends wiederum zwei Schnitten
Brot.
Am 29.04.1998 habe der Kläger wegen unklarer Beschwerden in der Nierengegend eine
Internistin aufgesucht. Diese habe einen außerordentlich hohen Blutzuckerwert von 23
mmol/l festgestellt und die notfallmäßige Einweisung des Klägers in das Klinikum O
veranlasst. Nach Durchführung einer intensivierten Insulintherapie seien die
Blutzuckerwerte abgesunken und der Kläger am 12.05.1998 aus der stationären
Krankenhausbehandlung entlassen worden. Eine anschließende medikamentöse
Behandlung mit Tabletten sei am 08.10.1998 beendet worden. Seitdem sei die Erkrankung
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diätetisch eingestellt. Zur Begrenzung bzw. Verzögerung der Krankheitsfolgen sei eine
äußerst disziplinierte Lebensführung notwendig, insbesondere regelmäßige, häufige kleine
Mahlzeiten mit möglichst präziser Berechnung der Kohlenhydratzufuhr. Hierdurch und
durch die erschwerte Glukoseverwertung auch des Gehirns werde nicht zuletzt die
berufliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt, wie z. B. der Sitzungsdienst. Auf den Konsum
von Zucker müsse weitestgehend verzichtet werden, wodurch sich das Angebot an
verfügbaren Nahrungsmitteln deutlich reduziere. Der Kläger sei hiervon besonders
betroffen, weil ihm wegen Nahrungsmittelallergien Ersatznahrungsmittel wie Obst ebenfalls
nur sehr begrenzt zur Verfügung stünden. Vor den Mahlzeiten, fünfmal täglich, sei der
Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Hierzu müsse aus einer Fingerspitze Blut abgenommen
werden. Dies führe auf Dauer zu schmerzhaften Veränderungen und
Empfindungsstörungen der Haut. Alle sechs Wochen sei eine ärztliche Kontrolle des HB
Alc (Blutzucker-Langzeitwert) und mehrmals jährlich eine zeitaufwendige Kontrolle der
Urinwerte über den Zeitraum von 24 Stunden erforderlich. Es gebe bereits jetzt Anzeichen
für einen beginnenden Nierenschaden. Seine Lebensqualität werde auch durch die
beständig in Erinnerung gerufene Gefahr schwerster Spätfolgen (Erblindung, Amputation
des sog. Zuckerfußes,
Nervenerkrankungen im Sinne von Neuropathien, dialysepflichtiger Nierenschaden) und
die verringerte Lebenserwartung beeinträchtigt.
Der Kläger ist der Auffassung, "Coca-Cola" weise einen Konstruktionsfehler auf. Er
behauptet: Der Konsum dieses Getränks habe sowohl für sich genommen als auch im
Zusammenwirken mit dem Konsum der Schokoladenriegel seine Diabeteserkrankung
verursacht. "Coca-Cola" enthalte eine Reihe von Stoffen, die allein und im
Zusammenwirken miteinander Diabetes hervorriefen. Die Beklagte verwende "high
fructose corn sirup" (Maissirup mit hohem Fruchtzuckergehalt), einen minderwertigen,
denaturierten Fruchtzucker in hoch konzentrierter Form. Unabhängig von der Art des
verwendeten Zuckers bestehe zwischen Zuckerkonsum und der Entstehung von Diabetes
mellitus Typ 2 ein direkter Ursachenzusammenhang. Zucker werde im Körper in Fett
umgewandelt, das sich an den Zellwänden anlagere und so zu Insulinresistenz führe.
Zucker störe auch den Zucker- und Fettstoffwechsel der Leber und kehre ihn um, mit der
Folge chaotischer Blutzucker- und Blutfettwerte, die ihrerseits zur Insulinresistenz
beitrügen. Daneben belaste das in "Coca-Cola" enthaltene Koffein die Insulinproduktion
der Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse und fördere so ebenfalls die Insulinresistenz
des Körpers. Phosphorsäure und Zitronensäure führten zu Zink- und Chromverlust und
damit zu einer Beeinträchtigung des Insulintransports. Für die Verursachung des Diabetes
durch "Coca-Cola" und Schokoladenriegel spreche insbesondere, dass sich der Blutzucker
des Klägers normalisiert habe, als er nach dem Auftreten der Erkrankung bei ansonsten
weitestgehend unveränderter Ernährung aufgehört habe, diese Produkte zu sich zu
nehmen.
Darüber hinaus sei beim Kläger aufgrund des in "Coca-Cola" enthaltenen Zuckers und
Koffeins eine psychische Abhängigkeit entstanden, durch die er seine Ernährungsweise
quantitativ wie qualitativ nicht mehr habe kontrollieren können. Durch den Konsum von
konzentriertem Zucker steige der Blutzuckerspiegel in kurzer Zeit sehr stark an, was einen
starken Anstieg des Insulins im Blut verursache. Das Insulin lasse den Blutzuckerspiegel
wieder stark absinken, oft unter den Ausgangswert. Dadurch entstehe ein sehr starkes
Verlangen nach noch mehr
Zucker. Dieser Mechanismus, der durch weitere Zusatzstoffe (wie Koffein) sowie negative
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Gefühle und Stress noch verschärft werde, führe zu Entzugserscheinungen wie bei Drogen.
Der in "Coca-Cola" verwendete Aromamix enthalte weitere Suchtstoffe wie Muskat, das
auch von Rauschgiftsüchtigen als Ersatzdroge missbraucht werde.
Die genannten Folgen des Konsums von "Coca-Cola", insbesondere des
Übermaßkonsums, seien der Beklagten seit Jahrzehnten bekannt. Sie bemühe sich
nachhaltig, die Inhaltsstoffe, insbesondere den Zuckergehalt ihrer Produkte zu
verheimlichen. Sie und ihre Verbände als Teil der weltweiten "Zuckerlobby" versuchten seit
vielen Jahrzehnten durch Fehlinformationen und Manipulation der öffentlichen Meinung,
durch Drohungen und Repressalien, durch irreführende Angaben sowie durch gekaufte
und falsche Gutachten und Medienberichte die Gefahren des Zuckers und ihrer Produkte
zu verheimlichen und zu beschönigen. Die Beklagte verhindere durch Drohung mit dem
Entzug von Werbeaufträgen kritische Berichterstattung in den Massenmedien. Sie
beeinflusse die wissenschaftliche Meinung durch eigene Gutachten und Institute. Durch die
Vergabe von Forschungsaufträgen an von Fremdfinanzierung abhängige Institute werde
vorauseilender Gehorsam erzeugt. Sie unterdrücke auf diese Weise ihr missliebige
Forschungsergebnisse. Verbraucherverbände würden durch Gerichtsverfahren mundtot
gemacht. Sie habe auch durch weltweite nachdrückliche Einflussnahme auf die Politik bis
hin zur Täuschung und Nötigung offizieller Stellen Maßnahmen zur Bekämpfung der
Folgen von Diabetes verhindert.
Darüber hinaus fördere die Beklagte den Missbrauch durch aggressive und irreführende
Werbung. Seit Beginn des letzten Jahrhunderts preise sie ihre Produkte ausdrücklich als
gesund an. So werde durch die Werbung "Morgens um zehn in Deutschland" suggeriert,
dass "Coca-Cola" risikolos zwischendurch getrunken werden könne. Durch
"Dauertrinkpreisaktionen" werde mit günstigen Preisen für den Fall des Dauerkonsums
geworben. Die Werbeaktionen der Beklagten wendeten sich insbesondere an Kinder. Die
Allgegenwärtigkeit von "Coca-Cola" und "Coca-Cola"-Werbung erweckten den Eindruck,
es handele sich um kein Genuss- bzw. Suchtmittel, sondern um einen notwendigen
Bestandteil des Lebens. Auch würden die Getränke in immer größeren Verpackungen
angeboten.
Der Kläger ist ferner der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, über die mit
dem Konsum von "Coca-Cola" verbundenen Gefahren durch Warnhinweise aufzuklären. Er
behauptet, er hätte seinen Konsum auf derartige Hinweise auf ein gesundheitlich
zuverlässig unbedenkliches Minimum beschränkt.
Der Kläger hält wegen der bislang erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen ein
Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 11.000,00 DM (5.624,21 €) für angemessen.
Hilfsweise stützt er den Zahlungsantrag auf Schadensersatzansprüche wegen
Zahnbehandlungskosten der Jahre 1997 bis 2000 (Zahnarztrechnungen vom 30.01.1997,
13.01.1998, 30.04.1998, 14.12.1998, 05.01.2000, 31.01.2000, 31.01.2000, 22.05.2000,
23.05.2000) in Höhe von insgesamt 6.496,56 DM sowie Kosten einer diabetesbedingt
erforderlichen Heilkur gemäß Rechnung vom 31.12.1998 in Höhe von 3.760,00 DM. Der
Kläger behauptet, die Schäden an seinen "grundsätzlich recht soliden Zähnen" seien durch
den Konsum von "Coca-Cola" verursacht worden und nicht auf mangelhafte Zahnpflege
zurückzuführen. Die Wirkung der Zuckersäuren setze unmittelbar nach dem Konsum ein.
Auch trage in den Situationen, in den "Coca-Cola" nach der Werbung der Beklagten
konsumiert werden solle, niemand eine Zahnbürste bei sich. Im Übrigen seien die
Zahnschäden ohnehin nicht durch Zähneputzen vermeidbar gewesen, da der in "Coca-
Cola" enthaltene Zucker die Zähne von innen, etwa durch Entzug von Kalzium, schädige.
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Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein der Höhe nach in das Ermessen des
Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 5.624,21 €, nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.07.2000 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und
immateriellen Zukunftsschaden aus Anlass seiner im Jahr 1998 festgestellten
Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus Typ 2 zu ersetzen, soweit ein öffentlich-
rechtlicher Forderungsübergang nicht stattfindet;
hilfsweise,
1. die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben der Mars GmbH, vertreten durch die
Geschäftsführer D und T S2, Industriering 17, ####1 W, zu verurteilen, an den Kläger ein
der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens
jedoch 5.624,21 €, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank seit dem 17.07.2000 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben der Mars GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer 0 und T S2, ####1 W, verpflichtet ist, dem Kläger allen
materiellen und immateriellen Zukunftsschaden aus Anlass seiner im Jahr 1998
festgestellten Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus Typ 2 zu ersetzen, soweit ein
öffentlich-rechtlicher Forderungsübergang nicht stattfindet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Angaben des Klägers zu seinem Ernährungsverhalten sowie
zum Auftreten seiner Krankheit und deren Folgen mit Nichtwissen. Sie bestreitet ferner,
dass der vorgetragene Konsum von "Coca-Cola" zur Erkrankung des Klägers geführt habe.
Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Genuss dieses Getränks bzw. zuckerhaltiger
Lebensmittel im Allgemeinen und dem Auftreten von Diabetes mellitus Typ 2 bestehe nicht.
Diabetes mellitus Typ 2 werde vielmehr
durch ein Zusammentreffen verschiedener Faktoren verursacht, wie Adipositas
(Fettleibigkeit), mangelnder körperlicher Aktivität und genetischer Disposition. Beim Kläger
hätten sowohl eine familiäre Veranlagung, ein Bewegungsmangel als auch Übergewicht
bestanden. Auch das Übergewicht des Klägers sei nicht bzw. nicht allein durch den
behaupteten "Coca-Cola"-Konsum hervorgerufen worden, sondern durch die Verbindung
von kalorienreicher Nahrung, Bewegungsmangel und fehlender sportlicher Betätigung. Im
Übrigen verwende sie für die Herstellung von "Coca-Cola" ausschließlich Kristallzucker
(Saccharose). Zitronensäure sei in dem Getränk nicht enthalten. Weder Zucker noch die in
dem Getränk enthaltene Koffeinmenge könnten Sucht verursachen. Auch die weiteren in
"Coca-Cola" enthaltenen Stoffe hätten nicht die ihnen vom Kläger zugeschriebene
Wirkung. Die Beklagte ist im Übrigen der Auffassung, dass sie für die vorgetragenen
Gesundheitsschäden ohnehin nicht einzustehen habe. Dass "Coca-Cola" Zucker und
Koffein enthalte, sei ebenso allgemein bekannt wie die Folgen eines übermäßigen
Zuckerkonsums. Die Verbraucher schätzten das Getränk gerade auch wegen des süßen
Geschmacks.
Der Kläger entgegnet: Bei einer Körpergröße von 1,87 m habe sein Körpergewicht
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zwischen 1974 und 1981 etwa 90 bis 95 kg betragen. 1992 habe es seinen höchsten Stand
bei etwa 111 kg erreicht. 1996 habe er 104 kg, 1998 – bei Feststellung des Diabetes – 103
kg gewogen. Soweit in einem Krankenhausbericht die Rede davon sei, sein Gewicht habe
im Mai 1998 118 kg betragen, sei dies unrichtig. Im Übrigen sei das Körpergewicht für sich
genommen nicht aussagekräftig. Er habe einen besonders schweren ("westfälischen")
Knochenbau und durch den Schwimmsport breite Schultern. Während seiner Studienzeit
sei er fünffacher Bezirksmeister im Rettungsschwimmen gewesen. Bis 1986 habe er der
Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Z1 im Brandmeisterdienstgrad angehört und sei bis
zuletzt Träger des Leistungsabzeichens der Feuerwehr in Gold gewesen, das durch
sportliche Leistungen unter Einsatzbedingungen und in voller Ausrüstung erlangt werde.
Diese sportlichen Leistungen habe er trotz eines zeitweise höheren Körpergewichts als bei
Prozessbeginn erbracht. Seit 1986 habe der Kläger regelmäßig alle zwei Jahre an
Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen, wobei sich keine relevanten
Vorerkrankungen ergeben hätten. Wenn bei Aufnahme in die Krankenhausbehandlung
gleichwohl ein "mäßiger Allgemeinzustand" attestiert worden sei, habe dies seine Ursache
allein in dem regelmäßigen, nicht durch zusätzliche Bewegung kompensierten Verzehr von
"Coca-Cola" und von Schokoriegeln gehabt, die sehr kurzfristig zu einer deutlichen
Verschlechterung seiner körperlichen Verfassung geführt hätten.
Der Kläger sei auch nicht unsportlich gewesen. Während seiner Tätigkeit in S von 1992 bis
September 1994 habe er regelmäßig an der dortigen Gerichtssportgruppe teilgenommen
(zwei Stunden wöchentlich). Er sei von Kindheit an ein begeisterter Wanderer gewesen. Er
habe sich schon 1992 vorgenommen, die gesamte Ostseeküste zu Fuß abzuwandern, was
inzwischen weitgehend geschehen sei. Wann immer die dienstlichen Belange es
zugelassen hätten, habe er für die Fahrten zum Gericht sein Fahrrad benutzt. Für den Weg
in sein in der 4. Etage liegendes Zimmer habe er grundsätzlich die Treppen benutzt. Er
verfüge über ein ganzes Arsenal an Sportgeräten, vom Expander über Hanteln bis zum
Heimtrainer, die er auch in der Zeit zwischen 1994 und 1998 regelmäßig benutzt habe. Er
sei auch in der Lage gewesen, seinen Umzug von B nach S einschließlich der Führung
des Möbelwagens und des Transports der Möbel allein ohne jede Hilfe Dritter
durchzuführen. Allein in der Zeit von September 1994 bis März 1998 habe ihm die Zeit für
regelmäßige körperliche Betätigung gefehlt. Wegen seines typischen Tagesablaufs in der
betreffenden Zeit wird auf seine zu den Gerichtsakten gereichte Aufstellung (Anlage zum
Schriftsatz vom 28.01.2002, Bl. 836 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Im Übrigen treffe es nicht zu, dass die von "Coca-Cola" ausgehenden Gefahren den
Verbrauchern bekannt seien. Diese wüssten allenfalls, dass der enthaltene Zucker dick
machen könne, was in erster Linie ein modisches bzw. kosmetisches Problem darstelle.
Über Gesundheitsgefahren bestünden allenfalls nebulöse Vorstellungen.
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage bleibt sowohl mit dem Zahlungs- als auch mit dem Feststellungsantrag ohne
Erfolg.
I.
Die Zahlungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehen im Zusammenhang
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mit dem vorgetragenen "Coca-Cola"-Konsum unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu.
1.
Die Beklagte ist nicht aus dem Gesichtspunkt der Produzentenhaftung gemäß §§ 823 Abs.
1, 847 BGB a. F. zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet. Es kann dahinstehen, ob
der im Jahr 1998 beim Kläger festgestellte Diabetes mellitus Typ 2 durch den
vorgetragenen Konsum von "Coca-Cola" in den Jahren 1994 bis 1998 (zumindest mit-
)verursacht wurde. Denn auch wenn der Dauerkonsum von "Coca-Cola" generell geeignet
sein sollte, beim Konsumenten Diabetes herbeizuführen, hätte die Beklagte durch das
Inverkehrbringen dieses Produkts nicht gegen die ihr obliegenden
Verkehrssicherungspflichten verstoßen.
Die deliktische Produzentenhaftung gemäß §§ 823 ff. BGB knüpft an das Inverkehrbringen
eines fehlerhaften Produktes an, wobei generell zwischen Konstruktions-, Fabrikations-
und Instruktionsfehlern unterschieden wird (vgl. nur Foerste in: Graf von Westphalen,
Produkthaftungshandbuch, 2. Auflage, § 24 Rn. 57). Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es
nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner
Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann und des
Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden
kann (vgl. § 3 ProdHaftG). Maßgeblich ist die durchschnittliche Erwartung der Verbraucher,
für die
das Produkt bestimmt ist (Foerste a. a. O. Rn. 62). Dementsprechend ist ein Produkt dann
nicht fehlerhaft, wenn die von ihm typischerweise ausgehenden Gefahren den
Verbrauchern bekannt sind und von ihnen in Kauf genommen werden (BGH VersR 1977,
334; NJW 1990, 906; Foerste a. a. O. Rn. 9, 87; Wagner in: Münchener Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Auflage, § 823 Rn. 592). Dies ist in der Rechtsprechung
insbesondere für Genussmittel wie Tabakwaren (LG Bielefeld, NJW 2000, 2514, 2515;
OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2001, 1471; LG Arnsberg, NJW 2004, 232, 234; OLG Hamm
NJW 2005, 295) und Alkoholika (OLG Hamm NJW 2001, 1654 – Bier), aber auch für
Süßwaren (OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 - Schokoriegel; LG Bonn, Urteil vom
19.04.2004, Az. 9 O 2004 – Lakritz) entschieden worden.
Gemessen an diesen Maßstäben ist in der behaupteten Verursachung von Diabetes
mellitus Typ 2 durch den Dauerkonsum von "Coca-Cola" kein Konstruktionsfehler zu
erkennen. Bereits in den neunziger Jahren war allgemein bekannt, dass der Dauerkonsum
von "Coca-Cola" zu erheblichen Gesundheitsschäden führen kann. Es bedarf hier nicht der
Abgrenzung, ab welcher Verzehrmenge oder –häufigkeit der durchschnittliche Verbraucher
von einem potentiell schädlichen Dauerkonsum ausgeht. Jedenfalls fällt der vom Kläger
beschriebene und von ihm selbst als "Dauerkonsum" bezeichnete Verzehr nach
Auffassung der Kammer ohne weiteres hierunter.
Zum allgemeinen Wissen der Verbraucher gehört auch, dass der Dauerkonsum
zuckerhaltiger Speisen und Getränke erhebliche Gesundheitsgefahren mit sich bringt.
Hierzu zählt nicht nur die Gefahr von Zahnschäden infolge Karies und Parodontose,
sondern auch der Umstand, dass eine gemessen am Kalorienbedarf zu energiereiche
Nahrung zu Übergewicht und damit verbundenen Folgeerkrankungen führen kann. Die
"klassische" Variante von "Coca-Cola" enthält, wie jedem Verbraucher bekannt ist oder
sich jedenfalls ohne weiteres aufgrund des süßen Geschmacks erschließt, einen nicht
unerheblichen Anteil an Zucker. Der hierdurch hervorgerufene süße Geschmack ist in den
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Augen der Verbraucher eine produkttypische Eigenschaft, auf der die Wertschätzung des
Produkts bei den
Konsumenten maßgeblich beruht und die trotz der bei Dauerkonsum drohenden Gefahren
in Kauf genommen wird. Technische Möglichkeiten zur Minimierung dieser Risiken sind
nicht ersichtlich. Aus Sicht der Verbraucher stellt die Ersetzung des in "Coca-Cola"
enthaltenen Zuckers durch Süßstoffe keine gleichwertige Alternative dar. Der Kläger selbst
trägt vor, dass ihm die "Coca-Cola light"-Variante wegen der enthaltenen Süßstoffe stets
suspekt gewesen sei.
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass jeder einzelne
Verbraucher konkrete Vorstellungen von den durch den Konsum von "Coca-Cola"
drohenden Folgen gehabt hätte. Das oben angeführte allgemeine Gefahrenbewusstsein ist
ausreichend, eine Detailkenntnis der verschiedenen Krankheitsbilder nicht erforderlich
(OLG Hamm, NJW 2004, 1654; 2005, 295, 296). Bei der Bestimmung des Umfangs der
Verkehrssicherungspflichten ist zudem eine gewisse Eigenverantwortung des
Konsumenten in Rechnung zu stellen. Der Hersteller darf annehmen, dass die Kenntnis
typischer Risiken und Gefahrenquellen dem Erwachsenen durch seine Erziehung,
Lebenserfahrung, Berufserfahrung, die Schule, die Massenmedien, Mitteilungen der
Krankenkassen usw. vermittelt wird (Foerste a. a. O. Rn. 5). Dass ein Dauerkonsum
zuckerhaltiger Produkte zu Übergewicht und zu Folgeerkrankungen, wie beispielsweise
Herz/Kreislauf- und Stoffwechselkrankheiten – zu denen auch Diabetes mellitus Typ 2
gehört – führen kann, war für einen durchschnittlichen, durch das allgemeine
Gefahrenwissen sensibilisierten Verbraucher aus den genannten Erkenntnisquellen ohne
weiteres in Erfahrung zu bringen. Wenn, wie es oftmals aus Desinteresse, Verdrängung
oder aus anderen in der Person des Verbrauchers liegenden Gründen geschieht, nicht alle
Verbraucher hiervon Gebrauch gemacht haben, führt dies zu keiner Erweiterung des
Pflichtenkreises des Herstellers (Foerste a. a. O. Rn. 6). Der oben ausgeführte Umfang der
Erwartungen und Kenntnismöglichkeiten der Verbraucher in den neunziger Jahren ist für
die Kammer aufgrund eigener Kenntnis, nicht zuletzt auch der Medienberichterstattung der
damaligen Zeit, offenkundig. Der vom Kläger insoweit für erforderlich gehaltenen Einholung
eines Sachverständigengutachtens bedarf es gemäß § 291 ZPO daher nicht.
Die Gefahrenkenntnis der Verbraucher wäre nach den vorgenannten Grundsätzen auch
dann gegeben, wenn – wie der Kläger vorträgt – ein dauerhafter Konsum zuckerhaltiger
Getränke ohne Hinzutreten weiterer Umstände Insulinresistenz im menschlichen Körper
hervorrufen und damit unmittelbar zum Auftreten von Diabetes mellitus Typ 2 führen könnte.
Für die hier interessierende Frage des Gefahrenbewusstseins der Verbraucher ist die
Kenntnis der komplexen Wirkungszusammenhänge im menschlichen Körper ebenso wenig
erforderlich wie die Kenntnis der verschiedenen Krankheitsbilder. Es ist in diesem
Zusammenhang ebenfalls ohne Belang, welche Zuckerarten (Saccharose und/oder
Fructose) in "Coca-Cola" enthalten sind. Gleichfalls kann dahinstehen, ob neben Zucker
noch weitere Inhaltsstoffe geeignet sind, Diabetes hervorzurufen. Denn nach dem Vortrag
des Klägers gehen diese in ihren Auswirkungen nicht über das von den Verbrauchern
tolerierte Risiko der Verursachung von Diabetes hinaus.
Soweit sich der Kläger ferner darauf beruft, Inhaltsstoffe von "Coca-Cola" wie Zucker und
Koffein hätten bei ihm ein Suchtverhalten hervorgerufen, das seine ernährungsmäßige
Selbstkontrolle ausgeschaltet hätte, folgt die Kammer ihm nicht. Eine Abhängigkeit von
"Coca-Cola" nach Art einer Sucht oder Drogenabhängigkeit ist dem Sachvortrag des
Klägers nicht zu entnehmen. Insbesondere hat er nicht vorgetragen, nach dem Absetzen
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dieses Getränks irgendwelche Entzugserscheinungen erlitten zu haben. Die Kammer geht
daher davon aus, dass die Wirkung von "Coca-Cola" während der Zeit des Dauerkonsums
nicht über die Erscheinungen hinausgegangen ist, die die Gewöhnung an Süßigkeiten und
Koffein nach der Lebenserfahrung haben kann ("Süßhunger", "Kaffeedurst"). Derartige
Empfindungen schließen gewöhnlich jedoch nicht die freie Willensbestimmung des
Konsumenten aus, sondern können mit etwas Willensstärke überwunden werden. Im
Übrigen sind auch derartige Folgen des Konsums zucker- und koffeinhaltiger Lebensmittel
– zu denen bekanntermaßen auch "Coca-Cola" gehört – bei den Verbrauchern bekannt
und werden von ihnen hingenommen.
Der Einwand des Klägers, die Beklagte täusche die Öffentlichkeit über die von "Coca-Cola"
ausgehenden Gefahren, greift ebenfalls nicht durch. Zwar trifft es zu,
dass ein Hersteller, der die von seinen Produkten ausgehenden Gefahren verharmlost, sich
nicht darauf berufen kann, diese seien allgemeinkundig (Foerste a. a. O. Rn. 9). Die vom
Kläger vorgelegte Werbung geht jedoch nicht über die üblichen Anpreisungen hinaus,
insbesondere steht sie in keinem Bezug zur Gesundheit der Konsumenten. Auch solchen
Werbemaßnahmen, mit denen die Beklagte die Verbraucher zur Abnahme großer Mengen
oder zum regelmäßigen Konsum bewegen will, kann in den Augen eines verständigen
Verbrauchers nicht die Aussage entnommen werden, dass ein Dauer- oder
Übermaßkonsum ohne Gesundheitsschäden bleiben werde. Entsprechendes gilt für die
Inverkehrgabe von "Coca Cola" in größeren Flaschen oder Gebinden. Soweit auf der
amerikanischen Homepage des Coca-Cola-Konzerns unter den "frequently asked
questions (faqs)" die Äußerung enthalten war, es liege kein wissenschaftlicher Beweis für
einen Zusammenhang zwischen Coca-Cola und Diabetes vor, ist nicht ersichtlich, dass
dies nennenswert auf die Vorstellungen deutscher Verbraucher eingewirkt hätte. Eine
derartige Behauptung geht aus dem ebenfalls vorgelegten Ausdruck der deutschen
Homepage der Beklagten im Übrigen nicht hervor. Es kann dahinstehen, ob die weiteren
im Internet abgegebenen Erklärungen zu den gesundheitlichen Aspekten zuckerhaltiger
Erfrischungsgetränke die tatsächlichen Gefahren verharmlosen. Jedenfalls können die aus
den Jahren 2000 und 2001 stammenden Internetinhalte schon aufgrund des zeitlichen
Ablaufs nicht die Vorstellungen der Verbraucher in den neunziger Jahren beeinflusst
haben. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf eine vorgelegte Videokassette
vorgetragen hat, die Beklagte preise ihr Produkt seit Beginn des Jahrhunderts als gesund
an, liegt kein konkreter Sachvortrag vor. Die Kammer ist nicht verpflichtet, sich das
Vorbringen der Parteien aus pauschal in Bezug genommenen Anlagen oder gar nur mit
technischen Hilfsmitteln einsehbarer Videokassetten herauszusuchen. Die Kammer hat
deshalb von einer Inaugenscheinnahme der Videokassette abgesehen, zumal mit Blick auf
den umfangreichen schriftsätzlichen Vortrag des Klägers davon auszugehen ist, dass der
Kläger es nicht versäumt hätte, klare Fälle von Verbrauchertäuschungen schriftlich
vorzutragen.
Auch das Vorbringen des Klägers, die Beklagte manipuliere in vielfältiger Weise die Politik
sowie die öffentliche Meinung und verhindere unabhängige Forschung, greift nicht durch.
Wie von der Beklagten über den gesamten Verlauf des Prozesses gerügt worden ist,
lassen sich dem Vortrag des Klägers keine konkreten, der Beklagten zurechenbaren
Vorgänge entnehmen. Soweit der Kläger das weltweite Handeln der
"Genussmittelindustrie" und der "Zuckerlobby" anprangert, ist bereits kein Zusammenhang
mit der Beklagten ersichtlich. Eine Rechtsgrundlage für die Auffassung des Klägers, die
Beklagte müsse sich das Handeln Dritter, wie etwa von Verbänden oder anderen
Interessengruppen, zurechnen lassen, die "in ihrem Interesse" handeln, sieht die Kammer
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nicht. Auch die weiteren, auf die Beklagten bezogenen, Behauptungen lassen keinen
Bezug zu konkreten, zeitlich einzuordnenden Geschehensvorgängen erkennen. Dies gilt
auch, soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe "die Verbreitung der
Forschungsergebnisse Prof. M vereitelt" oder versuche, "über von ihr finanzierte Institute
oder Agenturen durch gekaufte Gutachten die Feststellungen der WHO auszuhebeln". Die
hierzu erfolgten Beweisangebote ersetzen keinen ordnungsgemäßen Sachvortrag.
Die Beklagte hat auch nicht gegen etwaige Instruktionspflichten verstoßen. Zur Belehrung
über allgemein bekannte Gefahren ist ein Hersteller nicht verpflichtet (vgl. nur Wagner a. a.
O.). Wie oben ausgeführt, waren die Gefahren des Dauerkonsums von "Coca-Cola" den
Konsumenten bekannt.
Der Kläger kann einen Instruktionsfehler auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte für ihr
Produkt keine Konsumhöchstmengen angibt. Die Bestimmung der Menge, bei deren
Überschreitung die Gesundheit des Verbrauchers konkret gefährdet ist, hängt nicht allein
von der konsumierten Menge an "Coca-Cola" ab, sondern von vielen Faktoren, wie
beispielsweise vom Gesundheitszustand und der Lebensführung des Verbrauchers sowie
der Art und Zusammensetzung anderer von ihm verzehrter Lebensmittel. Abstrakte
Hinweise sind nicht möglich. Ein Verbraucher, der weiß, dass hoher Konsum die
Gesundheit tendenziell stärker bedroht, ist daher hinreichend informiert (Foerste, ZLR
2003, 360, 365). Soweit der Kläger auf anderslautende Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in den so
genannten Kindertee-Fällen (vgl. BGHZ 116, 60, 66 ff.) hinweist, führt dies zu keiner
anderen Bewertung. In den dortigen Fällen beruhten die Produktgefahren auf der
besonderen Konstruktion der Flasche und des Saugers; zudem hatte sich die Herstellerin
als Berater in Sachen Babynahrung geriert (vgl. Steffen, NJW 1996, 3062, 3063).
Vergleichbare Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Für die vom Kläger beantragte Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof
zwecks Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV sieht die Kammer keine Veranlassung.
Wie sich aus Art. 234 Abs. 3 EGV ergibt, besteht in erster Instanz ohnehin keine
Verpflichtung zur Vorlage. Darüber hinaus steht die durch die Kammer im vorliegenden
Rechtsstreit vorgenommene Anwendung des deutschen Produzenten- und
Produkthaftungsrechts in keinem Widerspruch zu europäischen Normen, insbesondere
nicht zur Produkthaftungsrichtlinie (Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur
Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung
für fehlerhafte Produkte). Soweit bei der Feststellung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts
auf die allgemeinen Verbrauchererwartungen abzustellen ist, steht dies vielmehr im
Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der genannten Richtlinie. Entgegen der Ansicht des Klägers führt
die von der Kammer und der zitierten Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum
vorgenommene Rechtsanwendung auch nicht dazu, dass eine Produkthaftung für
gesundheitsschädliche Genussmittel faktisch ausgeschlossen sei.
Der Kläger kann seinen Schmerzensgeldanspruch auch nicht auf andere
Anspruchsgrundlagen stützen.
Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 847 BGB a. F. in Verbindung mit der vom Kläger
herangezogenen Vorschrift des § 20 LMBG scheitert bereits daran, dass diese Vorschrift
nur auf Tabakerzeugnisse anwendbar ist.
Auch ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 847 BGB a. F. in Verbindung mit den §§ 223, 229
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StGB a. F. kommt nicht in Betracht. Auch bei Bejahung der Kausalität ist nicht ersichtlich,
dass die Beklagte durch das Inverkehrbringen von "Coca-Cola"
Straftatbestände verwirklicht hätte. Durch die Manifestation des klägerischen Diabetes
hätte sich lediglich das Risiko der im vorangegangenen Dauerkonsum liegenden
eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Klägers verwirklicht.
Gleichfalls scheidet ein Anspruch gemäß §§ 826, 847 BGB a. F. aus. Im Hinblick auf die
obigen Ausführungen ist im Verhalten der Beklagten auch keine vorsätzliche sittenwidrige
Schädigung zu erblicken.
Der Schmerzensgeldanspruch kann auch nicht auf das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)
gestützt werden. Dessen § 8 Satz 2 ist nicht auf Schadensfälle anzuwenden, die vor dem
01.08.2002 eingetreten sind.
2.
Der Zahlungsantrag ist auch nicht gerechtfertigt, soweit der Kläger diesen hilfsweise auf die
Kosten der Heilkur sowie der Zahnbehandlungen gestützt hat.
Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch erklärt hat, es handele sich insoweit
"um eine Hilfsbegründung" und keinen "regelrechten Klageantrag hilfsweise", ist das
weitere prozessuale Begehren des Klägers doch nach den Regeln des so genannten
verdeckten Hilfsantrags zu beurteilen. Da der Kläger zur hilfsweisen Begründung des
Zahlungsantrags einen neuen Lebenssachverhalt zur Entscheidung des Gerichts stellt, ist
nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff von einem Hilfsantrag
auszugehen. Gegen seine Zulässigkeit bestehen keine Bedenken. In der Sache bleibt er
jedoch ohne Erfolg.
Hinsichtlich der Kosten der diabetesbedingten Heilkur folgt dies daraus, dass – wie
ausgeführt – das Inverkehrbringen von "Coca-Cola" durch die Beklagte selbst dann keine
pflichtwidrige und zu Schadensersatz verpflichtende Handlung darstellen würde, wenn die
Diabeteserkrankung des Klägers durch den Konsum dieses Getränks (mit-)verursacht
worden wäre. Demzufolge sind einerseits Schadensersatzansprüche gemäß §§ 823 ff.
BGB nicht gegeben. Zum anderen
scheiden mangels Vorliegen eines Produktfehlers auch Ansprüche nach § 1 ProdHaftG
aus. Der Fehlerbegriff des § 3 ProdHaftG entspricht dem der deliktischen
Produzentenhaftung (Graf von Westphalen, a. a. O. § 74 Rn. 3).
Im Hinblick auf die Kosten der Zahnbehandlung stehen dem Kläger ebenfalls unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu. Es kann
hierbei dahinstehen, ob die Zahnschäden des Klägers durch den Dauerkonsum von "Coca-
Cola" zumindest mitverursacht worden sind. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre der
Beklagte insoweit weder ein Konstruktions- noch ein Instruktionsfehler anzulasten. Wie
bereits ausgeführt, war und ist dem durchschnittlichen Verbraucher bekannt, dass der
Dauerkonsum zuckerhaltiger Produkte bei mangelhafter Zahnpflege die Gefahr von
Zahnerkrankungen durch Karies mit sich bringt. Dass die Zahnschäden des Klägers
ausschließlich "von innen" durch Entzug von Kalzium entstanden seien, wie es der Kläger
vorträgt, hält die Kammer für ausgeschlossen. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers ist
davon auszugehen, dass er nicht nach jeder Zwischenmahlzeit mit zuckerhaltigen Speisen
und Getränken die Zähne geputzt und damit seinen Zahnschmelz regelmäßig längere Zeit
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den allgemein bekannten Einwirkungen der Kariesbakterien ausgesetzt hat, was die
Entstehung von Karies zur Folge hatte. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens
zu derartigen allgemeinkundigen medizinischen Grundzusammenhängen hält die Kammer
nicht für erforderlich.
II.
Der Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Wie ausgeführt, scheidet eine
Schadensersatzpflicht der Beklagten im Hinblick auf die Diabeteserkrankung des Klägers
aus.
Soweit der Kläger hilfsweise beantragt hat, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung
bzw. die Feststellung ihrer Ersatzpflicht "als Gesamtschuldnerin neben der Mars GmbH"
auszusprechen, bleibt dies ebenfalls ohne Erfolg. Abgesehen davon, dass die Mars GmbH
weder rechtskräfig verurteilt noch am vorliegenden Rechtsstreit
beteiligt ist, scheitert ein derartiger Ausspruch bereits an der fehlenden Haftung der
Beklagten.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: 25.868,31 €
Antrag zu 1: Schmerzensgeld: 5.624,21 €
Hilfsantrag, § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a. F.: 5.244,10 €
Antrag zu 2: 15.000,00 €
Bei der Bemessung des Streitwerts des Feststellungsantrags legt die Kammer in
Anlehnung an die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Mönchengladbach im dortigen
Parallelverfahren 3 O 217/01 zugrunde, dass die vom Kläger für möglich gehaltenen
Spätschäden grundsätzlich einen Streitwert von 150.000,00 € rechtfertigen. Da der Kläger
zur Überzeugung der Kammer die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts jedoch durch
Einhaltung einer angepassten Diät, Gewichtsreduzierung und regelmäßige ärztliche
Untersuchungen geringhalten kann, hält die Kammer den Ansatz von lediglich 1/10 des
genannten Betrages für angemessen.