Urteil des LG Essen vom 09.09.2010

LG Essen (firma, darlehensvertrag, bank, widerrufsrecht, kaufvertrag, fahrzeug, höhe, abschluss, verbraucher, täuschung)

Landgericht Essen, 6 O 132/10
Datum:
09.09.2010
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 132/10
Normen:
§§ 495, 355 BGB, §§ 13, 14 BGB § 312 b BGB, 123 (2) BGB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht Zivilrecht
Leitsätze:
Widerrufsrecht
Aktivlegitimation
Sittenwidrigkeit der Zinshöhe
Rechtskraft:
Urteil ist nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.540,23 € nebst 5 %
p.a. Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank aus 29.720,90 € und 4 % p.a. Schadensersatz aus 795,31 €
jeweils ab dem 07.11.2009 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Vertrages.
2
Unter dem 15.03.2006 schloss der Beklagte mit der D Bank AG einen Darlehensvertrag
über einen Gesamtdarlehensbetrag in Höhe von 38.183,94 €. Der im Darlehensvertrag
ausgewiesene Kreditbetragt sollte in einer Rate zu 418,94 €, fällig am 15.09.2006,
sowie 83 Folgeraten zu je 455,00 € zurückgeführt werden (Bl.17-21).
3
Der Jahreszins war auf 7,99 % festgeschrieben. Dem Kreditvertrag war eine
Widerrufsbelehrung beigefügt. Für den Inhalt der Widerrufsbelehrung wird auf Bl. 21 der
Gerichtsakten verwiesen.
4
Das Darlehen diente der Finanzierung des Kaufpreises eines Pkw, Hersteller: W,
Modell Q, Fahrzeug-Ident. Nr.:XXXXXXX. Diesen erwarb der Beklagte von der Firma X
zu einem Kaufpreis von 26.600,00 €.
5
Die Klägerin zahlte, auf Weisung des Beklagten, das Darlehen direkt an die Firma X
aus. Der W - Q wurde der Klägerin durch den Beklagten anlässlich des Kreditvertrages
zur Sicherheit übereignet.
6
Der Beklagte kam seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach. Unter dem 06.11.2009
forderte die Klägerin den Beklagten zur Rückzahlung des offenen Betrages i. H. v.
10.912,55 € binnen einer Frist von 17 Tagen auf und drohte die Kündigung und
Gesamtfälligkeitsstellung des Darlehens an (Bl. 22).
7
Unter dem 29.11.2007 widerrief der Beklagte den Darlehensvertrag (Bl. 105). Ebenso
widerrief er den Vertrag mit der Firma X. Gleichzeitig erklärte er die Anfechtung des
Vertrages.
8
Die Klägerin behauptet, es habe ein persönlicher Kontakt zwischen der Firma X und
dem Beklagten stattgefunden.
9
Dies ergebe sich zum einen daraus, dass regelmäßig so verfahren würde und zum
anderen daraus, dass es sonst keinen örtlich zuständigen Vertriebsmitarbeiter bei der
Fa. X bedürfe.
10
Dem Vertrag zwischen dem Beklagen und der Firma X liege das Konzept zugrunde,
dass der Käufer für die Firma Auto T... P..., Inh. C oder für die Firma Auto T... P...
Service, Inh. S. T. Werbung auf sein Fahrzeug aufzubringen habe und dann für den
Zeitraum von bis zu einem Jahr ab Zulassung seines Fahrzeugs ein Honorar
versprochen bekommt. Dieser Verpflichtung seien die Firmen nur anfänglich
nachgekommen.
11
Von dieser Vereinbarung zwischen den Firma X und dem Beklagten habe sie bei
Abschluss des Kreditvertrages keine Kenntnis gehabt.
12
Sie ist der Ansicht, dem Beklagten stünde kein Widerrufsrecht zu, da der Autokauf über
die Firma X getätigt worden sei und damit ein Kaufmann für den Beklagten gehandelt
habe. Darüber hinaus habe der Beklagte selber auch gewerblich gehandelt, da er für die
Autowerbung eine Vergütung erhalten sollte.
13
Die Vorschriften über den Verbraucherschutz fänden insoweit keine Anwendung.
14
Weiterhin sei dem Beklagten das Widerrufsrecht gemäß § 242 BGB abgeschnitten, da
er die Klägerin getäuscht habe. Der Beklagte habe kollusiv mit der Firma X
zusammengewirkt, da – im Rahmen des Kreditvertrags- ein unzutreffender Kaufpreis für
den Pkw angegeben worden sei. Aus diesem Grund stehe ihr auch ein
Schadensersatzanspruch zu.
15
Sie bestreitet den Zugang der Widerrufserklärung bei der Händlerin.
16
Es handele sich bei Kaufvertrag und Finanzierungsgeschäft nicht um verbundene
Verträge, da es an einer wirtschaftlichen Einheit zwischen den Geschäften fehle.
17
Ein Anfechtungsrecht stehe dem Beklagten nicht zu, da dieses bereits verfristet sei und
da es keinen Anfechtungsgrund gebe.
18
Die Händlerin sei Dritte i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB und die Klägerin habe von der durch
den Beklagten geschlossenen Werbevereinbarung keine Kenntnis gehabt.
19
Sie beantragt,
20
den Beklagten zu verurteilen, an sie 30.540,23 € nebst 5 % p.a. Zinsen über
dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 29.720,90 €
und 4 % p.a. Schadensersatz aus 795,31 € jeweils ab dem 07.11.2009 zu
zahlen.
21
Hilfweise beantragt sie,
22
den Beklagten zu verurteilen, den Pkw mit der Fahrzeug-Ident.- Nr. XXXXX- Hersteller:
W, Modell: Q an die Klägerin heraus zu geben.
23
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
24
Er bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin.
25
Er behauptet, die Klägerin habe mit dem Unternehmen X S. T. aus H eine Vielzahl von
Leasingverträgen geschlossen.
26
Eine persönliche Kontaktaufnahme zwischen dem Beklagten und der Klägerin habe es
nicht gegeben. Vielmehr seien sämtliche Korrespondenzen über die Firma X geführt
worden.
27
Das Geschäftsmodell dieser Firma sei derart abgelaufen, dass jeweils Fahrzeuge
günstig angekauft und sodann zu weit überhöhten Preisen weiter verkauft worden seien.
Die finanzierende Bank habe diesen überhöhten Preis akzeptiert, ohne einen Blick in
eine Neuwagenliste zu werfen. Durch die Gewinne, die die Firma X so gemacht habe,
habe sie Raten für Neukunden übernehmen können. Es sei so ein unzulässiges
Schneeballsystem entstanden.
28
Das Fahrzeug, dass der Beklagte gekauft habe, sei zum Zeitpunkt des Ankaufs nur
15.000,00 € und nicht 26.600,00 € wert gewesen. Dies sei der Klägerin auch bekannt
gewesen bzw. hätte ihr bekannt sein müssen.
29
Er ist der Ansicht, ihm stünde ein Widerrufs- und Anfechtungsrecht zu. Der Kaufvertrag
könne widerrufen werden, da es sich um einen Fernabsatzvertrag handele und eine
Belehrung nicht erfolgt sei. Dies schlage auch auf den Kreditvertrag durch, da es sich
bei dem Kaufvertrag und dem Finanzierungsvertrag um verbundene Geschäfte i. S. d. §
358 Abs. 3 BGB handele.
30
Darüber hinaus sei der Vertrag auch sittenwidrig, da der Jahreszins, der vereinbart
worden weit über dem damals üblichen Jahreszins von 4,5 % gelegen habe.
31
Darüber hinaus sei die Geschäftsgrundlage für den Kaufvertrag und damit auch für den
32
Darlehensvertrag weggefallen, da die Firma X nicht die versprochenen Zahlungen
erbracht habe.
Entscheidungsgründe
33
Die zulässige Klage ist begründet.
34
I.
35
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 29.720,90 € aus
§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB
36
1.
37
Die Klägerin ist zunächst aktivlegitimiert. Ausweislich des zur Gerichtsakte gereichten
Handelsregisterauszugs firmierte die D Bank AG auf T. D. Bank um.
38
Die Parteien haben unter dem 15.03.2006 einen wirksamen Darlehensvertrag
abgeschlossen. Dieser war als " Darlehensvertrag" bezeichnet und enthielt die
Vertragskondiktionen eines Darlehensvertrags. Damit handelte es sich offensichtlich um
einen Darlehensvertrag und nicht, wie von dem Beklagten vorgetragen, um einen
Leasingvertrag.
39
2.
40
Der Darlehensvertrag wurde nicht gemäß §§ 495, 355 BGB wirksam widerrufen. Dem
Beklagten stand zwar ein Widerrufsrecht gemäß § 495 BGB zu, da der Darlehensvertrag
zwischen der Klägerin als Unternehmerin gemäß § 14 BGB und dem Beklagten als
Verbraucher gemäß § 13 BGB abgeschlossen wurde.
41
Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte mit dem Pkw, den er mit dem Geld aus dem
Darlehensvertrag erworben hat, noch weitere finanzielle Ziele verfolgte, da er für die
Verbrauchereigenschaft unmittelbar auf die Beurteilung des geschlossenen Vertrages-
mithin auf den Kreditvertrag- ankommt und bei Abschluss dieses Vertrages keine
Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Beklagte unternehmerisch tätig war.
42
Die Widerrufsfrist des § 355 BGB war jedoch bei Ausübung des Widerrufs am
29.11.2007 bereits abgelaufen.
43
Dem Darlehensvertrag war eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung beigefügt. Sie
enthielt alle erforderlichen Bestandteile des § 355 BGB und auch die Anforderungen
des § 358 Abs. 5 BGB wurden eingehalten. Die Widerrufsbelehrung entsprach darüber
hinaus den Vorgaben in der Anlage 2 zum EG BGB.
44
3.
45
Auch ein Widerruf des Darlehensvertrages gemäß § 312 b BGB konnte nicht erfolgen.
46
Ein Widerrufsrecht gemäß § 312 b BGB ist gemäß § 312 d Abs. 5 nicht in den Fällen
gegeben, in denen dem Verbraucher- wie vorliegend- bereits ein Widerrufsrecht gemäß
§ 495 BGB zusteht.
47
4.
48
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 2 BGB kommt
ebenfalls nicht in Betracht. Danach ist eine Willenserklärung, die einem anderen
gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte
oder kennen musste. Dies ist aber vorliegend nicht ersichtlich.
49
Aus der bloßen Abweichung von den Preisen auf Neuwagentabellen kann sich dies
nicht ergeben, da der finanzierten Bank insoweit keine Überprüfungspflicht zukommt.
Der Preis ist auch nicht derart hoch, dass sich der Bank die Täuschung gerade zu
aufdrängt.
50
Eine Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und der Fa. X wurde von dem Beklagten
nicht dargelegt.
51
5.
52
Der Darlehensvertrag ist auch nicht gemäß § 138 BGB sittenwidrig. Der Jahreszinssatz
von 7,99 % liegt bereits unterhalb der Sittenwidrigkeitsgrenze. Der Vertragszins
übersteigt den marktüblichen Effektivzins nicht um 100 %.
53
Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass die Bank die schwächere Lage des
Beklagten ausgenutzt hat.
54
6.
55
Ebenfalls kann keine Rückabwicklung über die Vorschrift des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB erfolgen.
56
Für eine Anwendung von § 313 BGB wäre nur dann Raum, wenn die Vereinbarung
zwischen dem Beklagten und der Firma X erkennbar Geschäftsgrundlage des
Darlehensvertrages geworden wäre. Die einseitigen Erwartungen einer Partei, die für
die Willensbildung maßgeblich waren, gehören nur dann zur Geschäftsgrundlage, wenn
sie in den gemeinschaftlichen Geschäftswillen beider Parteien aufgenommen worden
sind. Dies ist jedoch erkennbar nicht der Fall. Vielmehr war der zugrundeliegende
Werbevertrag nur Geschäftsgrundlage für das Geschäft zwischen dem Beklagten und
der Fa- X.
57
7.
58
Auch ein Einwendungsdurchgriff gemäß § 358 Abs. 3 BGB, nach dem der Beklagte der
Klägerin einen Widerruf des zugrundeliegenden Geschäfts gemäß § 312 b BGB
entgegenhalten kann, scheidet aus.
59
Zwar liegen die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts vor, da sich die
Klägerin bei dem Abschluss des Verbraucherdarlehens der Mitwirkung der Fa. X
bedient hat, da der Kreditvertrag durch die Fa. X übergeben worden ist. Ein
Widerrufsrecht nach § 312 b BGB ist jedoch nicht gegeben.
60
Im vorliegenden Fall liegt bereits kein Geschäft zwischen einem Verbraucher und einem
61
Unternehmer vor. Über die Zuordnung zu einem privaten oder unternehmerischen
Bereich entscheidet nicht er innere Wille des Handelnden, sondern der durch
Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts, in die die Begleitumstände
einzubeziehen sind. (BGH, NJW 08, 435 Tz 7 Urteil vom 30.09.2009- VIII ZR 7/09)
Soll bei Kauf eines Pkws dieser sowohl gewerblich als auch beruflich genutzt werden,
ist entscheidend welche Benutzung überwiegt. Für den Umstand der
Verbrauchereigenschaft trägt der Verbraucher die Darlegungs- und Beweislast. Bleiben
Zweifel, sind die Schutzvorschriften des Verbraucherrechts nicht anzuwenden (BGH,
NJW 07, 2619 Tz 13).
62
Es erscheint nach Auffassung der Kammer zweifelhaft, ob der Beklagte den Vertrag –
wie behauptet - als Verbraucher abgeschlossen hat und nicht den Kaufvertrag über den
Pkw zu einer selbständigen beruflichen Tätigkeit abgeschlossen hat, also
unternehmerisch handelte.
63
Unternehmerisch tätig ist derjenige, der am Markt planmäßig und dauerhaft Leistung
gegen Entgelt anbietet. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist dabei nicht erforderlich.
64
Vorliegend nutzte der Beklagte den Pkw um Werbung zu fahren und erhielt dafür ein
Entgelt in Form der Übernahme der Leasingraten. Die Abrede über die Werbung
bestand für 2 Jahre und war damit dauerhaft.
65
Auch steht dieser Beurteilung nicht entgegen, dass es sich vorliegend um eine
nebenberufliche Tätigkeiten handelt, da grundsätzlich auch Nebentätigkeiten der
unternehmerischen Sphäre unterfallen können.
66
8.
67
Die Klägerin hat den Darlehensvertrag unter dem 10.12.2009 wirksam gekündigt. Die
Voraussetzungen des § 498 BGB wurden ausweislich des Schriftsatzes vom
06.11.2009 eingehalten. Die Klägerin hat dem Beklagten eine Frist zur Zahlung unter
Androhung der Kündigung und Gesamtfälligkeitsstellung gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt
war der Beklagte mit der Zahlung eines Betrages in Höhe von 10.912,55 € in Verzug.
Trotz Mahnung hat der Beklagte den offenen Betrag nicht beglichen
68
II.
69
Ein Anspruch der Kläger auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 BGB
bzw. § 826 BGB besteht jedoch nicht.
70
Es liegt bereits keine Täuschung des Beklagten vor. Der Beklagte hat den Pkw für einen
Kaufpreis von 26.600,00 € erworben. Diese Angaben sind auch im Darlehensvertrag
angegeben. Darüber hinaus ist auch die Kausalität der behaupteten täuschenden
Angabe des Kaufpreises für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht dargelegt.
71
Auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 311 BGB besteht nicht. Der Beklagte
hat keine vorvertragliche Pflicht verletzt. Für ihn bestand keine aus dem Vorfeld des
Darlehensvertrages resultierende Pflicht über das dem Kaufvertrag zugrundeliegende
Fahrzeug aufzuklären. Für den Abschluss des Darlehensvertrags ist nicht das
zugrundeliegende Geschäft, sondern die Solvenz des Darlehensnehmers entscheidend.
72
III.
73
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz der Verzugszinsen in Höhe von 795,31 €
aus § 497 Abs. 1 BGB und einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verzugs mit der
Zinszahlung in Höhe von 24,02 € aus § 497 Abs. 2, 289 BGB.
74
IV.
75
Eine Entscheidung über den Hilfsantrag war entbehrlich, da die Klägerin in vollem
Umfang mit ihrem Hauptantrag durch dringt.
76
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 und 2 ZPO.
77
Der Streitwert wird auf 29.736,67 €.
78