Urteil des LG Essen vom 11.11.2009

LG Essen (kläger, uwg, irreführende werbung, zertifizierung, werbung, unterlassen, essen, unternehmen, teilnahme, dienstleistung)

Landgericht Essen, 44 O 96/09
Datum:
11.11.2009
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
4. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
44 O 96/09
Normen:
§§ 3, 5 UWG
Sachgebiet:
Wirtschaftsrecht Handelsrecht Zivilrecht
Leitsätze:
Zertifizierung, Nachhilfeunterricht
Tenor:
1.
Der Beklagten wird, bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €,
ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, untersagt,
im Wettbewerb handelnd mit der Ankündigung : „TÜV-geprüfte
Nachhilfe“ zu werben,
insbesondere wie in der Zeitungsanzeige Anlage 1 zur Klageschrift vom
10.07.2009
geschehen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 208,65 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2009
zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 12.000,00 €.
Tatbestand:
1
Die Beklagte befasst sich mit der Erteilung von Nachhilfeunterricht für Schüler. Sie ließ
durch die TÜV ... GmbH in der Vergangenheit eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001
durchführen.
2
Im Frühjahr 2008 warb sie in Zeitungsannoncen sodann unter anderem mit der
Werbeaussage:
"TÜV-geprüfte Nachhilfe"
3
Zu weiteren Einzelheiten der Anzeigengestaltung wird auf Bl. 5 d.A. verwiesen.
4
Der Kläger erachtet diese Werbung als irreführend. Mit Schreiben vom 12.06.2008
forderte er die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
Dies lehnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2008 ab. Auf Antrag
des Klägers wurde sodann vor der Einigungsstelle der Industrie- und Handelskammer ...
ein Einigungstermin vom 24.03.2009 durchgeführt, der zu keiner Einigung führte. Für die
Wahrnehmung dieses Termins sind dem Kläger Kosten von 88,00 € entstanden.
5
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte die vorgenannte Werbeaussage zu
unterlassen habe, weil der Eindruck erweckt werde, dass die "Nachhilfe" qualitativ
überprüft worden sei.
6
Ferner seien dem Kläger Abmahnkosten von 208,65 € sowie weitere 88,00 € für die
Teilnahme am Einigungstermin zu ersetzen.
7
Der Kläger beantragt,
8
1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd
mit der Ankündigung "TÜV-geprüfte Nachhilfe" zu werben. Für jeden Fall
der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wird der Beklagten ein
Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweises Ordnungshaft oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an einem ihrer
Geschäftsführer, angedroht.
9
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 296,65 € nebst
5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Sie meint, der Unterlassungsantrag sei zu unbestimmt formuliert. Er sei auch sachlich
unberechtigt. Die Werbeaussage der Beklagten sei nicht irreführend. Sie werde vom
angesprochenen Personenkreis so verstanden, dass die Beklagte eine Zertifizierung
durch den TÜV erreicht habe. Weitergehende Qualitätserwartungen würden mit der
Werbeaussage nicht verbunden. Auch müsse berücksichtigt werden, dass die Qualität
des Nachhilfeunterrichts bei der Beklagten regelmäßig in internen Audits überprüft
werde.
13
Entscheidungsgründe:
14
Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
15
Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt. Er genügt auch dem Konkretisierungsgebot.
Dies gestattet Verallgemeinerungen, wenn in ihnen – wie hier – das charakteristische
der begangenen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (vgl.: Köhler in
Hefermehl/Bornkamm/Köhler, Kommentar zum UWG, 27. Aufl. § 12 UWG Rn. 2.44). Der
Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Er kann gemäß den §§ 8 Abs. 1
Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG Unterlassen der beanstandeten Werbeaussagen
verlangen.
16
Die Kammer teilt die Einschätzung des Klägers, dass die Werbung hier irreführend im
Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG ist, weil sie von einem relevanten Teil des
angesprochenen Kreises nicht auf das Unternehmen, sondern auf die Dienstleistung
"Nachhilfe" bezogen und angenommen wird, diese selbst sei Gegenstand einer
qualitativen Überprüfung durch den TÜV gewesen. Tatsächlich hat der TÜV – unstreitig
– nur das Unternehmen und dessen Unternehmensabläufe untersucht, welche die
Vorgaben im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems erfüllen müssen. Dass die
Beklagte zur Sicherstellung der Zertifizierung gemäß DIN EN ISO 9001 verpflichtet wird,
die Qualität ihrer Mitarbeiter durch Weiterbildung und Schulungen zu verbessern und
dazu interne Audits durchzuführen ändert nichts daran, dass der TÜV selbst keine
Überprüfung des Erfolges solcher Ausbildungs- und Fortbildungsbemühungen
vornimmt, also nicht die Dienstleistung "Nachhilfe" selbst überprüft.
17
Die gemäß § 3 UWG vorzunehmende Gesamtabwägung ergibt keine Gesichtspunkte,
die dazu führen, dass die irreführende Werbung der Beklagten hier ausnahmsweise zu
gestatten ist.
18
Das Zahlungsbegehren ist teilweise begründet. Der Kläger kann gemäß § 12 Abs. 1
Satz 2 UWG Erstattung von 208,65 € und gemäß den §§ 288, 291 BGB hierauf
5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung verlangen.
19
Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger auch Erstattung der weiteren Kosten von
88,00 € für seine Teilnahme am Einigungstermin begehrt. Diese Kosten sind weder
gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG noch gemäß den §§ 683, 670 BGB zu ersetzen.
Insoweit konnte der Kläger nach bereits zuvor erfolgter eindeutiger Weigerung, eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, nämlich nicht annehmen, dass er mit
der Anrufung der Einigungsstelle dem wirklich oder mutmaßlichen Interesse der
Beklagten entspreche (vgl.: OLG Hamm, 09.02.1988 – 4 U 242/87 – GRUR 1988, 715;
Köhler in Hefermehl/Bornkamm/Köhler a.a.O. § 15 UWG Rn. 29). Soweit der Kläger zur
Anspruchsbegründung auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG hinweist, geht das Gericht
angesichts der klaren Ablehnung mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2008 von einer
Verletzung der Schadensminderungspflicht aus, die hier zum Wegfall eines Anspruches
führt.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung war
verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten verursacht.
21
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.
22