Urteil des LG Essen vom 30.09.2010

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Landgericht Essen, 10 S 143/09
Datum:
30.09.2010
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 S 143/09
Normen:
§ 812 BGB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht Sonstiges Steuerrecht / Zivilrecht
Leitsätze:
Umsatzsteuervoranmeldung für ein Besitzunternehmen
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 04.03.2009 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Essen – Steele (Az.: 8 C 196/06) aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 548,88
Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit
dem 26.07.2009 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
A.
2
Der Beklagte war als Steuerberater für den Kläger und dessen Unternehmen tätig. Das
"Unternehmen F" war im Wege einer Betriebsaufspaltung in ein Besitzunternehmen –
die Einzelfirma N. F. – und in ein Betriebsunternehmen – die F Reifen GmbH –
aufgespalten worden.
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Der Kläger zahlte an den Beklagten vom 01.01.2004 bis zum 31.08.2005 monatlich
einen Betrag von 153,39 Euro, insgesamt also 3.067,80 Euro (= 20 * 153,39 Euro). In
der Folgezeit kündigte der Beklagte die bis dato bestehende Zusammenarbeit auf.
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Mit zwei Rechnungen vom 29.08.2005 (in überarbeiteter Fassung vom 28.10.2008)
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stellte der Beklagte dem Kläger für die Vornahme von Umsatzsteuervoranmeldungen
Beträge in Höhe von 2.138,00 Euro netto und 980,00 Euro netto in Rechnung. Nach
Verrechnung mit den monatlichen Zahlungen machte der Beklagte gegen den Kläger
eine Forderung von 548,88 Euro gegen den Kläger geltend. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Inhalt der genannten Rechnungen – Bl. 88 ff. GA – Bezug
genommen.
Der Kläger hat behauptet, dass der Beklagte im Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum
31.08.2005 nicht tätig geworden sei bzw. für ihn die abgerechneten Leistungen nicht
erbracht habe. Die Umsatzsteuervoranmeldung sei vielmehr für die F GmbH erfolgt, die
das entsprechende Honorar überdies gezahlt habe.
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Der Beklagte hat behauptet, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen für die
Unternehmen des Klägers in einer gemeinsamen Erklärung abgegeben worden seien.
Er hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger wegen des bestehenden
Organschaftsverhältnisses als Unternehmer selbst monatliche
Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben habe. Er hat behauptet, die
Umsatzsteuervoranmeldungen 2004 und 2005 seien für den Kläger erstellt worden;
hierfür habe dieser die monatliche Pauschale zahlen wollen.
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Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Verwertung eines schriftlichen Gutachtens
des Sachverständigen K aus dem Rechtsstreit 8 C 331/06 (AG Essen – Steele) / 10 S
403/09 (LG Essen)). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt
des genannten Gutachtens vom 30.08.2007 verwiesen. Mit am 04.03.2009 verkündetem
Urteil hat das Amtsgericht der auf Zahlung von 3.067,80 Euro gerichteten Klage
stattgegeben und die Widerklage – gerichtet auf Zahlung von 548,88 Euro –
abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe eine
Forderung gegen den Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung. Der Beklagte sei
verpflichtet gewesen, die monatlichen Umsätze des Besitzunternehmens bei der
Umsatzsteuervoranmeldung der GmbH, also des Betriebsunternehmens, zu
berücksichtigen. Er habe demnach keine Umsatzsteuervoranmeldung für das
Besitzunternehmen erstellen müssen. Darüber hinaus seien die abgerechneten
Gebühren nicht fällig geworden, da der Beklagte die überarbeiteten Rechnungen vom
28.10.2008 nicht unterschrieben habe. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den
tatsächlichen Feststellungen und zur Begründung des amtsgerichtlichen Urteils wird auf
den Inhalt der angefochtenen Entscheidung verwiesen (Bl. 149 ff. GA).
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Das Urteil ist dem Beklagen am 10.03.2009 zugestellt worden. Er hat dagegen am
23.03.2009 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 10.05.2009 – einem Montag –
begründet. Im Rahmen der Berufung verfolgt er seine bisherigen Anträge auf
Klageabweisung und auf Stattgabe der Widerklage weiter und verweist zur Begründung
in weiten Teilen auf sein erstinstanzliches Vorbringen, das er vertieft und ergänzt. Er
vertritt die Ansicht, dass sämtliche Umsätze bei dem Besitzunternehmen "N. F." hätten
deklariert werden müssen. Die Rechnungen, die er gestellt habe, seien zudem fällig, da
er sie in ihrer ursprünglichen Fassung aus 2005 – unstreitig – unterschrieben habe.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und nimmt ebenfalls im Wesentlichen auf
seinen bisherigen Vortrag Bezug. Er meint, der Beklagte sei beweisfällig dafür
geblieben, dass er für ihn – den Kläger – Leistungen erbracht habe; für ihn habe er
keine eigenen Umsatzsteuervoranmeldungen erstellen müssen.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf ihre jeweiligen Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf
den Inhalt des Gutachtens des Steuerberaters E vom 03.08.2010 verwiesen (Bl. 230 ff.
GA).
12
B.
13
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da die Klage
zulässig, aber unbegründet und die Widerklage zulässig und begründet ist. Im
Einzelnen:
14
AA. Klage
15
I. §§ 812 I Satz 1, 1. Alt., 818 BGB
16
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 3.067,80 Euro (=
20 * 153,39 Euro) aus §§ 812 I Satz 1, 818 BGB.
17
1.
18
Der Beklagte hat im o. g. Umfang eine erhöhte Gutschrift gegen sein Kreditinstitut
erlangt. Dies beruhte ferner auf einer Leistung des Klägers, da er den Betrag von
3.067,80 Euro gezahlt hat, um sich von einer (vermeintlich) bestehenden Verbindlichkeit
zu befreien (solvendi causa).
19
2.
20
Die Leistung erfolgte allerdings mit Rechtsgrund, da der Kläger aufgrund eines
bestehenden Steuerberatervertrages verpflichtet war, die entsprechende Summe zu
zahlen, §§ 611, 612 I, II, 675 BGB i. V. m. StBGebV. Im Einzelnen:
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a) Im Rahmen des § 812 I Satz 1, 1. Alt. BGB gelten folgende Grundsätze bezüglich der
Darlegungs- und Beweislast: Grundsätzlich hat der Bereicherungsgläubiger die
Umstände darzutun und zu beweisen, aus denen sich die Voraussetzungen des
Anspruchs ergeben, d. h. auch das Fehlen eines rechtlichen Grundes (Palandt/Sprau,
69. Auflage, § 812 BGB, Rdnr. 76). Der Bereicherungsschuldner muss aber im Sinne
einer sekundären Behauptungslast die Umstände darlegen, aus denen er ableitet, das
Erlangte behalten zu dürfen, wenn der Gläubiger außerhalb des von ihm zu
beweisenden Geschehensablaufs steht, während der Schuldner diese Kenntnis hat und
ihm nähere Angaben zuzumuten sind (Palandt/Sprau § 812 BGB, Rdnr. 76). Verlangt
der Gläubiger – wie hier – die Herausgabe des Erlangten wegen Erfüllung einer
Nichtschuld, muss er grundsätzlich das Nichtbestehen der Verbindlichkeit dartun und
ggf. beweisen (vgl. Palandt/Sprau § 812 BGB, Rdnr. 77).
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b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Kläger die 3.067,80 Euro mit Rechtsgrund
gezahlt. Gem. § 2 II Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit unter
anderem nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem
Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch
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in das Unternehmen des Organträgers eingeordnet ist (sog. Organschaft). Bei einer
Betriebsaufspaltung – wie hier – steht die entstandene Kapitalgesellschaft im
allgemeinen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Besitzunternehmer. Die Organschaft
hat – hier schließt sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen E in
vollem Umfang an – die Folge, dass alle Handlungen des Organs umsatzsteuerlich dem
Organträger zugerechnet werden. Leistungsbewegungen zwischen dem Organ und dem
Organträger sind steuerlich unbeachtliche Innenumsätze. Die Steuerschuldnerschaft
konzentriert sich demzufolge beim Organträger als dem einzigen Unternehmer des
Organkreises. Zusammenfassend schuldet der Organträger die Umsatzsteuer für alle
Handlungen der Organgesellschaft. Zur Abgabe der Voranmeldungen und der
Steuererklärung ist nach dem oben Gesagten der Unternehmer verpflichtet (§§ 149 Satz
1 AO i. V. m. 18 I Satz 1, III Satz 1, V UStG), also im konkreten Fall der Kläger. Aufgrund
der vorliegenden umsatzsteuerlichen Organschaft – auch insofern verweist die Kammer
in vollem Umfang auf die sachverständigen Feststellungen im Gutachten vom
03.08.2010 – waren auch die Umsatzsteuer – Voranmeldungen nur vom Organträger (d.
h. dem Kläger) abzugeben und auch nur diesem gegenüber nach der StBGebV
abrechenbar, weswegen der entsprechende Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den
Parteien, nicht hingegen zwischen den F GmbH und dem Beklagten zustande
gekommen ist.
c) Der Kläger hat die 3.067,80 Euro mit Rechtsgrund gezahlt, weil die Forderung des
Beklagten diesen Betrag (zuzüglich der im Rahmen der Widerklage – dazu sogleich –
anfallenden Summe) umfasste. Der Sachverständige E hat in seinem Gutachten vom
03.08.2010 nämlich weiterhin ausgeführt, dass der Beklagte hinsichtlich der
Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 2004 und 2005 von zutreffenden
Gegenstandswerten ausgegangen sei. Die Kammer hat den Inhalt des Gutachtens bei
der Urteilsfindung in vollem Umfang berücksichtigt, da die Parteien keine Einwände
gegen die Richtigkeit der sachverständigen Feststellungen erhoben und auch die
Fachkunde des Gutachters nicht bezweifelt haben. Soweit der Gutachter die Frage
untersucht, ob dem Beklagten der berechnete Gebührensatz von 4/10 zustand, folgt
daraus nicht, dass der Kläger die Zahlungen ohne Rechtsgrund vorgenommen hat. Zum
einen hat der Sachverständige nicht ausgeführt, dass er die Berechnung für
unzutreffend halte; zum anderen hat der Kläger die Berechnung des Beklagten insoweit
zu keiner Zeit angegriffen. Die Forderung des Beklagten ist zudem gem. § 9 I Satz 1
StBGebV fällig, da er die ursprünglichen Rechnungen vom 29.08.2005 unstreitig
unterschrieben hatte. Die Rechnungen vom 28.10.2008 weisen lediglich so leichte
Modifikationen auf, dass es keiner erneuten Unterschrift bedurfte. Das gilt um so mehr,
als die letztgenannten Honorarabrechnungen zwei Daten – das vom 29.08.2005 und
das vom 28.10.2008 – aufweisen, woraus der Kläger entnehmen konnte, dass es sich
im Wesentlichen um Abschriften der bereits bekannten Rechnungen gehandelt hat,
denen keine eigenständige Bedeutung mehr zukommen sollte.
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II. Zinsen
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Da der Kläger mit der Hauptforderung unterliegt, hat er zudem keinen Anspruch auf
Zahlung von (Verzugs-) Zinsen gegen den Beklagten, §§ 280 ff., 286, 288 BGB.
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BB. Widerklage
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I. §§ 611, 612 I, II, 675 BGB i. V. m. § 9 I Satz 1 StBGebV
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Die zulässige Widerklage ist begründet; der Beklagte hat Anspruch gegen den Kläger
auf Zahlung von 548,88 Euro aus §§ 611 I, 612 I, II, 675 BGB i. V. m. § 9 I Satz 1
StBGebV.
29
1.
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Zwischen den Parteien ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen,
wonach der Kläger verpflichtet ist, das nach den Vorschriften der StBGebV zu
berechnende Honorar an den Beklagten zu zahlen. Zur Vermeidung von
Wiederholungen nimmt die Kammer zunächst auf die Ausführungen zur Klage Bezug,
die hier sinngemäß gelten.
31
2.
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Dem Beklagten steht gegen den Kläger eine fällige Forderung von jedenfalls noch
548,88 Euro zu. Bezüglich der Rechnung vom 29.08.2005 / 28.10.2008 verbleibt – unter
Berücksichtigung eines gezahlten Betrages von 1.840,68 Euro (=12 * 153,39 Euro) eine
Restsumme von 639,40 Euro (Rechnung – Nr. 23951/0358/2005). Hinsichtlich der
weiteren Honorarabrechnung vom 29.08.2005 / 28.10.2008 (Rechnung – Nr.
23951/0359/2005) war dem Kläger unter Berücksichtigung einer Zahlung von 1.227,12
Euro (= 8 * 153,39 Euro) eine Gutschrift von 90,32 Euro zu erteilen. Saldiert man die
beiden Beträge, erhält man eine Summe von 549,08 Euro. Da der Kläger infolge eines
Rechenfehlers lediglich eine Forderung über 548,88 Euro geltend macht, ist die
Kammer an die entsprechende Antragstellung gebunden, § 308 I ZPO.
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II. Zinsen
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Da der Beklagte mit der Hauptforderung obsiegt, hat er gegen den Kläger ferner einen
Anspruch auf Zahlung von (Rechtshängigkeits-) Zinsen aus §§ 280 ff., 286, 288, 291
BGB; Rechtshängigkeit trat mit Zustellung der Widerklage am 26.07.2006 ein (Bl. 51
GA).
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C.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8
EGZPO.
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Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 II ZPO liegen nicht vor.
Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung
des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich.
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