Urteil des LG Essen vom 19.05.2009

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Landgericht Essen, 9 O 152/07
Datum:
19.05.2009
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 152/07
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Leitsätze:
Kaufvertrag, Größe der Wohnung, Wohnflächenberechnung nach DIN
284
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger begehren die Rückerstattung eines Kaufpreisanteils für die
Eigentumswohnung Nr. 5, .......... Dieses Objekt kauften sie mit notariellem Vertrag vom
17.09.2002, der eine Herstellungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich einer
Altbausanierung des aus dem Jahre 1920 stammenden Gebäudes enthielt. Bei
Vertragsschluss waren allerdings die geschuldeten Umbauarbeiten größtenteils
durchgeführt, weitere Arbeiten sollten aber noch erfolgen.
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In § 6 des Kaufvertrages heißt es u.a.: "Käufer hat den Vertragsgegenstand genau
besichtigt und kauft ihn, wie er steht und liegt"; darüber hinaus wurden im Weiteren
Ansprüche wegen Sach- und Rechtsmängeln ausgeschlossen, insbesondere für "die
Richtigkeit des im Grundbuch eingetragenen Flächenmaßes"; desweiteren wurde
erklärt, dass Garantien seitens des Verkäufers nicht abgegeben werden. Außerdem
wurde notariell über die Rechtsfolgen des Gewährleistungsausschlusses aufgeklärt,
was ebenfalls in § 6 des Kaufvertrages niedergelegt ist.
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Der Vertrag enthält keine Angaben zur Größe der Wohnung.
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Die Kläger tragen vor, sie seien erkennbar von einer Wohnungsgröße von 74 qm
ausgegangen, weil sich dies aus der Bezugnahme auf die Teilungserklärung und die
Abgeschlossenheitserklärung ergebe. Insoweit seien auch einseitige Vorstellungen der
Käufer maßgeblich, die Wohnfläche sei insoweit als Beschaffenheitsvereinbarung
anzusehen. Tatsächlich sei die Größe der Wohnung wesentliche Grundlage der
Kaufpreisbildung gewesen. Die Kläger hätten die Wohnung auch nicht selbst
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ausgemessen, sondern die Wohnungsgröße lediglich anhand der
Grundrisszeichnungen überprüft.
Bei den Kaufvertragsverhandlungen sei es zu einer Kaufpreisreduzierung nicht wegen
Flächenabweichungen, sondern wegen der Frage steuerlicher Absetzbarkeiten
gekommen.
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Beim Weiterverkauf der Wohnung habe sich dann herausgestellt, dass die Wohnung
tatsächlich 68,17 qm (bzw. jetzt gem. Vortrag Blatt 107 der Akte: 66,72 qm) betrage. Die
Differenzen bestünden im Bereich des Wohnzimmers und des Dachbodenzimmers.
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Mit der vorliegenden Klage verlangen die Kläger deshalb einen Kaufpreisanteil von
8.948,70 Euro zurück. Außerdem begehren sie den Ausgleich zu viel gezahlter
Hausgelder, die sich nach den Miteigentumsanteilen und damit letztlich auch nach der
Wohnungsgröße bemessen würden, hier einen Anteil von 368,12 Euro, außerdem zu
viel gezahlte Erwerbsnebenkosten und Grundsteuer in Höhe von 627,70 Euro und
Finanzierungsaufwand in Höhe von 214,32 Euro. Hinsichtlich der Berechnung insoweit
wird auf Blatt 30 der Akte verwiesen.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 9.944,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, Grundlage für die Aufteilung in Eigentumswohnungen sei eine
Wohnflächenberechnung des Architekten W vom 21.05.1999 gewesen.
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Auf ein Suchinserat des Zeugen L, der als Vater bzw. Schwiegervater der Kläger an den
Kaufvertragsverhandlungen teilgenommen habe, seien die Unterlagen, zu denen auch
die Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 30.11.1999 und die Teilungserklärung vom
31.03.2000 gehörten, übermittelt worden. Der Zeuge L habe dann nach einer
Besichtigung unter dem 23.08.2002 ein Angebot übermittelt und bereits konkrete
Bedenken hinsichtlich der Größe des Wohnzimmers und der Genehmigung des
Spitzbodens mitgeteilt. Die Klägerseite habe selbst ausgemessen, die Größe der
Wohnung sei deshalb bei Vertragsabschluss bekannt gewesen. Aus diesem Grund sei
es auch im Rahmen der Kaufpreisverhandlungen zu einer Kaufpreisreduzierung von
9.000,00 Euro gekommen.
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Die Beklagte verweist darüber hinaus auf den Gewährleistungsausschluss in § 6 des
notariellen Vertrages. Die Übernahme sei dementsprechend auch als mängelfrei zum
12.10.2002 erfolgt. Erst unter dem 11.09.2007 seien Ansprüche angemeldet worden.
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Die Beklagte weist darauf hin, dass im Kaufvertrag weder eine Mindestgröße der
Wohnung noch eine bestimmte Wohnfläche vereinbart gewesen sei, ebenso wenig ein
Quadratmeterpreis.
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Die von den Klägern mitgeteilte Wohnflächengröße bestreitet die Beklagte unter
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Hinweis darauf, dass die Wohnflächenberechnung des Architekten zutreffe.
Sie bestreitet die dargelegten Schäden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen in den Akten Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens zur Wohnungsgröße. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Dipl.-Ing. L vom 14.11.08 verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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1. Die Kläger können bereits deshalb keine Ansprüche aus dem Kaufvertrag über die
Eigentumswohnung .......... gegenüber der Beklagten als Verkäuferin herleiten, weil
solche Gewährleistungsansprüche gemäß § 6 des Kaufvertrages wirksam
ausgeschlossen worden sind.
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Demnach hat der Käufer den Vertragsgegenstand gekauft wie besichtigt unter
Ausschluss von Ansprüchen wegen Sach- und Rechtsmängeln, außerdem wurde in
diesem Vertragspassus ausdrücklich ein Haftungsausschluss hinsichtlich des
Flächenmaßes vereinbart. Diese vertragliche Regelung unterliegt nicht der
Inhaltskontrolle der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Allgemeine
Geschäftsbedingungen liegen nur dann vor, wenn es sich insoweit um für eine Mehrzahl
von Fällen vorformulierte Vertragsbedingung handelt, die eine Vertragspartei der
anderen bei Abschluss des Vertrages stellt (§ 305 BGB). Zumindest § 6 des Vertrages,
der die Gewährleistung regelt, stellt keine allgemeine Geschäftsbedingung in dem
vorgenannten Sinne dar, weil aufgrund des Parteivortrages feststeht, dass diese
Regelung nicht einseitig vom Verkäufer "gestellt" worden ist, vielmehr ist sie
ausgehandelt worden und damit als Individualvereinbarung anzusehen. Dies ergibt sich
unzweifelhaft aus der E-Mail des Zeugen L vom 04.09.2002. Dieser Zeuge ist unstreitig
für die Kläger bei den Vertragsverhandlungen aufgetreten. Aus der E-Mail ergibt sich,
dass der Vertragsentwurf hinsichtlich der Gewährleistungsrechte zwischen den Parteien
besprochen und im Einzelnen ausgehandelt worden ist. Insoweit liegen also keine AGB
vor.
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Zwar kann nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BauR 2007, Seite 222) ein
Gewährleistungsausschluss auch in einem Individualvertrag gemäß § 242 BGB
unwirksam sein. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn eine ausführliche Belehrung über
die Rechtsfolgen durch den Notar erfolgt ist. Aus dem vorletzten Absatz zu § 6 Ziffer 3
des Notarvertrages ergibt sich, dass eine solche ausführliche Erörterung und Belehrung
mit dem Notar stattgefunden hat.
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Da folglich der Gewährleistungsausschluss wirksam vereinbart worden ist, ist es den
Klägern verwehrt, Gewährleistungsrechte -hier: Minderung wegen Größe des Objektes-
geltend zumachen.
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2. Unabhängig von der zuvor erörterten Frage hat die durchgeführte Beweisaufnahme
aber auch nicht das Bestehen eines Mangels im Sinne des klägerischen Vortrages
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ergeben. Der Sachverständige L hat insoweit überzeugend und nachvollziehbar -und
von den Parteien auch nicht angegriffen- die Wohnungsgröße nach den verschiedenen
möglichen Berechnungsmethoden nachgewiesen. Nach der zweiten
Berechnungsverordnung sowie der Wohnflächenverordnung und auch nach der
inzwischen nicht mehr gültigen DIN 284 beträgt die Wohnungsgröße 67,40 qm. Nach
der DIN 277 beträgt die Wohnungsgröße dagegen 80,40 qm, ist sogar mithin größer als
von den Klägern bei Vertragsabschluss vorausgesetzt. Dass die Parteien bei
Vertragsabschluss, dem die Übergabe von Unterlagen mit Wohnflächenberechnungen
vorausgegangen war, von einer bestimmten Berechnungsmethode ausgegangen
waren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere die Flächenberechnungen
des Architekten enthalten insoweit keinerlei Hinweise auf die Art und Weise der
Berechnung. Dass die Kläger selbst nach der zweiten Berechnungsverordnung oder der
DIN 283 die Wohnfläche kalkuliert hätten, tragen sie selbst substantiiert nicht vor.
Solches ist auch sonst nicht ersichtlich. Auch dass aufgrund gesetzlicher Vorgaben die
Anwendung einer der Berechnungsmethoden zwingend vorgegeben war, ist nicht
ersichtlich. Die Vorschriften der zweiten Berechnungsverordnung und der
Wohnflächenverordnung sind zwingend anwendbar, wenn es um die Berechnung der
Wirtschaftlichkeit, der Belastung, der Wohnfläche oder des Kaufpreises für öffentlich
geförderten Wohnraum geht oder wenn die Anwendung dieser Vorschrift gesetzlich
angeordnet ist (vgl. § 1 2. Berechnungsverordnung). Die Beklagte hat insoweit
bestritten, dass die Wohnung bzw. die Umbaumaßnahmen öffentlich gefördert oder
teilweise öffentlich gefördert worden sind. Der Vortrag der Kläger hierzu ist völlig
pauschal gehalten. Da die Kläger Rechte aus denen von ihnen für anwendbar erklärten
Normen herleiten wollen, müssten sie die Voraussetzung ihrer Anwendbarkeit im
Einzelnen darlegen und ggfls. beweisen. Der Vortrag diesbezüglich ist aber pauschal
gehalten und erfolgt offensichtlich ins Blaue hinein.
Mithin kann nicht festgestellt werden, dass rechtlich verbindlich von einer geringeren
Wohnfläche ausgegangen werden muss.
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Deshalb stehen unabhängig von der Frage des Gewährleistungsausschlusses auch
sachlich den Klägern die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche nicht zu.
Dementsprechend musste die Klage mit der sich aus § 91 ZPO ergebenen Kostenfolge
abgewiesen werden.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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VRLG L ist urlaubsbedingt gez. C gez. G an der Unterschriftsleistung gehindert.
09.07.09 gez. C
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