Urteil des LG Essen vom 05.12.1980

LG Essen (anteil, zwangsversteigerung, treu und glauben, essen, wohnung, zpo, interesse, vorteil, gebrauch, wohnrecht)

Landgericht Essen, 3 O 145/79
Datum:
05.12.1980
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 145/79
Normen:
§§ 771 ZPO, 753 BGB, 180 ZVG
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht Sonstiges Zivilrecht, Zwangsversteigerungsrecht
Leitsätze:
Teilungsversteigerung, Erbbaurecht, Drittwiderspruchsklage
Tenor:
Die vom Amtsgericht Essen - 34 K 126/78 - auf Antrag des Beklagten mit
Beschluß vom 20. Dezember 1978 angeordnete Zwangsversteigerung
zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an den Wohnungs-
Erbbau-Grundbuch von ... Blatt ... Amtsgericht Essen-Borbeck
eingetragenen Erbbaurechtes, verbunden mit dem Sondereigentum an
der Wohnung im Hause ... , Erdgeschoß links, Nr. ...des Aufteilungsplans
wird für unzulässig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 6.700,-- DM vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Klägerin und der Beklagte sind je zu 1/2 Inhaber eines Erbbaurechts am Wohnungs-
Erbbau-Grundbuch von ... Blatt ... Amtsgericht Essen-Borbeck. Ihre Ehe wurde am
30.08.1978 vom Familiengericht - Amtsgericht Essen - geschieden. In diesem Verfahren
ist der Klägerin das Wohnrecht zugesprochen worden. Der Beklagte hat daraufhin am
27.11.1978 die Teilungsversteigerung beantragt, um die Gemeinschaft am Erbbaurecht
aufzuheben. Dieses Erbbaurecht ist der einzige Vermögensgegenstand der Klägerin. Es
war von dieser zusammen mit dem Beklagten 1966 erworben worden.
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Auf den Anteil des Beklagten lasten wegen Unterhaltsschulden erhebliche
Sicherungshypotheken zugunsten der Klägerin und eine Sicherungshypothek von z. Zt.
10.000,-- DM zugunsten der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Beide Gläubiger
betreiben zur Zeit die Zwangsversteigerung. Aus Titeln in Höhe von ca. 10.000,-- DM
hat die Klägerin ebenfalls die Zwangsversteigerung in den halben Anteil des Beklagten
beantragt bzw. wird sie wegen des zuletzt ergangenen Titels noch beantragen.
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beantragt bzw. wird sie wegen des zuletzt ergangenen Titels noch beantragen.
Die Klägerin behauptet, beim Kauf des Erbbaurechts sei stillschweigend eine
Zweckvereinbarung dahin getroffen worden, eine gesicherte Wohnung bis zum
Lebensende der Ehegatten schaffen zu wollen. Darin sei der Ausschluß eines
Aufhebungsanspruches gemäß § 749 II BGB zu sehen. Zumindest ergebe sich die
Rechtsmißbräuchlichkeit aus § 242 BGB.
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Die Klägerin ist im übrigen der Ansicht, eine Zwangsversteigerung durch den Beklagten
stelle sich auch nach der Scheidung als rechtsmißbräuchlich dar, da das Erbbaurecht
Grundlage ihrer Lebensführung sei und die Klägerin daher ein außerordentliches
Interesse an dessen Erhalt habe.
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Die Zwangsvollstreckung sei desweiteren zum einen auch schon deswegen unzulässig,
weil das Familiengericht der Klägerin die Wohnung zugewiesen habe. Für den
Beklagten bestehe daher die Verpflichtung, seinen Wohnungsanteil auf die Klägerin zu
übertragen. Zwar habe die Klägerin einen entsprechenden Kauf zum Preise von
20.000,-- DM angeboten, doch sei der Beklagte von einem überhöhten Gesamtwert des
Erbbaurechts von 120.000,-- DM ausgegangen und habe deswegen abgelehnt.
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Zum anderen ergebe sich die Unzulässigkeit der Zwangsversteigerung auch darauf,
daß der Beklagte keinen Vorteil erlangen könne. Die U- AG habe erklärt, von ihrem
Heimfallrecht im Falle einer Zwangsversteigerung durch den Beklagten Gebrauch zu
machen, wobei sie dann von einem Wert von 80.000,-- bis 90.000,-- DM ausgehen
werde. Der Grund dafür sei, daß der Beklagte nicht mehr bei der I-AG sondern bei der S
beschäftigt sei. Der Klägerin hingegen wollten sie, was unwidersprochen ist, das
Erbbaurecht belassen, da es sich um einen Sozialfall handele. Durch eine
Zwangsversteigerung wurde der Klägerin also das Wohnrecht entzogen.
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An einem schutzwürdigen Interesse des Beklagten fehle es auch deshalb, da er im
Wege einer Zwangsversteigerung nur Geld erhalte, was die Klägerin zu zahlen auch
bereit und in der Lage sei. Einen entsprechenden Betrag von 20.000,-- DM würden, was
unwidersprochen ist, ihre Töchter ihr auch zur Verfügung stellen.
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Ginge man von einem Gesamtwert des Erbbaurechts von 90.000,-- DM und von einer
Belastung in Höhe von insgesamt 34.000,-- DM aus, so ergebe sich bei einem
Gesamtverkauf ein Erlös von 56.000,-- DM, also 28.000,-- DM je Hälfte. Bringe man
noch die von der Klägerin selbst zu vollstreckenden 10.000,-- DM in Anrechnung, so
ergebe sich die Möglichkeit eines freihändigen Erwerbs durch die Klägerin.
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Die Klägerin beantragt,
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wie zugesprochen zu erkennen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, der
Klägerin seinen halben Anteil an dem Wohnungseigentum, ... Erdgeschoß
links, eingetragen im Grundbuch des AG Essen-Borbeck von ..., Blatt ...,
gegen Zahlung eines angemessenen, durch einen neutralen
Sachverständigen festzusetzenden Entgeltes zu übereignen.
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hilfs-hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin seinen Anteil für
DM 20.000,-- unter Befreiung von Zwangsvollstreckungen anzubieten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die von der Klägerin behauptete stillschweigende Zweckvereinbarung sei beim Erwerb
des Erbbaurechts nicht erfolgt. Man habe nur einen Vermögenswert schaffen wollen,
wobei die Wohnung ein Nebenprodukt dieser Anschaffung gewesen sei. An eine bis
zum Lebensende gesicherte Wohnung sei jedoch nicht gedacht worden.
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Unerheblich sei, daß der Klägerin die Wohnung durch das Familiengericht zugewiesen
worden
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sei. In diesem Verfahren wurde nur über das Wohnrecht als solches, nicht aber über das
Eigentumsrecht entschieden. Eine Verpflichtung, seinen Anteil auf die Klägerin zu
übertragen, ergebe sich jedenfalls nicht daraus. Einer solchen Verpflichtung stehe auch
entgegen, daß gerade die Zwangsversteigerung als gesetzliches Mittel zur Aufhebung
einer solchen Gemeinschaft vorgesehen sei.
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Durch die Zwangsversteigerung werde das Wohnrecht der Klägerin auch nicht
beeinträchtigt. Die Erklärung der U- AG, von ihrem Heimfallrecht im Falle der
Teilungsversteigerung durch den Beklagten Gebrauch machen zu wollen, müsse mit
Nichtwissen bestritten werden. Da also auch im Falle einer Zwangsversteigerung das
Erbbaurecht der Klägerin bestehen bleiben könne und diese überdies auch die
Möglichkeit habe, den Anteil des Beklagten selbst zu ersteigern, liege ein
Rechtsmißbrauch nicht vor.
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Der nur in der Zwangsversteigerung zu erzielende Preis in Höhe von 120.000,-- DM
ergebe sich daraus, daß für entsprechende Wohnungen in dieser Wohngegend
durchaus höhere Preise gezahlt würden. Dieser Preis sei auch nur durch eine
Zwangsversteigerung zu erzielen.
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Das Interesse des Beklagten an einem angemessenen Erlös sei ebenso hoch zu
bewerten, wie das Interesse der Klägerin an dem Erhalt des Erbbaurechts.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
22
Die Klage ist begründet.
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Der Anspruch der Klägerin ist nach § 771 ZPO gerechtfertigt.
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Zwar handelt es sich bei der Teilungsversteigerung gern. §§ 753 BGB, 180 ZVG nicht
um eine Vollstreckung im Sinne dieser Vorschrift und die Klägerin ist auch nicht Dritte,
doch ist diese Vorschrift auf die Teilungsversteigerung unmittelbar anwendbar, da eine
speziellere Regelung fehlt (vgl. SeIler Kommentar § 180 ZVG Anmerkung 22).
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Einem die Veräußerung hinderndem Recht entspricht der Anspruch der Klägerin auf
Erhalt ihres hälftigen Bruchteils am Wohnungserbbaurecht in Verbindung mit dem
Sondereigentumsanteil an der Wohnung.
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Ein Recht des Beklagten, die Teilungsversteigerung gegen den Willen der Klägerin
durchzuführen, besteht nicht. Dieses Recht ist zwar weder durch Gesetz noch durch
eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien ausgeschlossen, wohl aber
gemäß § 242 BGB aus Treu und Glauben, da das Betreiben der Teilungsversteigerung
sich als rechtsmißbräuchlich darstellt.
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Ein solcher Rechtsrnißbrauch ist allerdings nur bei einer Unzumutbarkeit der
Teilungsversteigerung für den Antragsgegner und bei Eingreifen des Schikaneverbotes
anzunehmen. Diese Grenze ergibt sich darauf, daß die Teilungsversteigerung zwar
gesetzlich zur Auflösung einer Gemeinschaft vorgesehen ist, ein rechtliches Interesse
für diesen Aufhebungsanspruch jedoch nicht gefordert wird.
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Der Beklagte handelt rechtsmißbräuchlich, da er der Klägerin durch die
Teilungsversteigerung bewußt Nachteile zufügt, ohne selbst einen rechtlichen oder
wirtschaftlichen Vorteil durch diese Rechtsausübung zu erlangen.
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Durch die Teilungsversteigerung wird der Klägerin ihr eigener
Wohnungserbbaurechtsanteil und auch das Nutzungsrecht entzogen. Nach dem Vortrag
der Klägerin im Schriftsatz vom 05.04.1979 will die U-AG für diesen Fall gemäß § 3
Erbbau v i.V.m. dem Erbvertrag von ihrem Heimfallrecht Gebrauch machen.
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Aufgrund dieses Heimfallrechtes, das vorrangig vor der Teilungsversteigerung zu
berücksichtigen ist, besteht für die Klägerin nicht die Möglichkeit, den Anteil des
Beklagten selbst zu ersteigern.
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Soweit der Beklagte nunmehr in seinem neuerlichen Schriftsatz vom 1.12.1980
bestreitet, daß die U-AG überhaupt von ihrem Heimfallrecht Gebrauch machen werde,
ist dieses Vorbringen verspätet (§ 296 I ZPO). Dem Beklagten war eine Erklärungsfrist
zur Klageerwiderung bis zum 18.7.1979 gesetzt worden.
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Demgegenüber erlangt der Beklagte durch die Teilungsversteigerung keinen Vorteil.
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Die Möglichkeit des Beklagten, das Wohnungserbbaurecht selbst zu ersteigern, ist
aufgrund des vorrangigen Heimfallrechts der U-AG ebenfalls ausgeschlossen.
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Ein Vorteil ergibt sich auch nicht darauf, daß der Beklagte seinen Anteil durch die
Teilungsversteigerung zu verfügbarem Vermögen machen kann. Einerseits betreibt die
Klägerin die Zwangsvollstreckung in den Anteil des Beklagten, so daß sich dieser
ohnehin mit seinem Anteil aus der Gemeinschaft lösen kann und dafür Bargeld erhält.
Andererseits entsteht ein Nachteil des Beklagten schon deswegen nicht, da die Klägerin
angeboten hat, diesen Anteil freihändig zu einem angemessenen Betrag zu erwerben.
Zwar braucht sich der Beklagte grundsätzlich nicht mit einer solchen Ausgleichszahlung
zufrieden zu geben, da durch die Teilungsversteigerung ein höherer als der
angemessene Betrag zu erzielen sein könnte. Jedoch will die U- AG nach dem
maßgeblichen Vortrag der Klägerin das Heimfallrecht nur bis zu einem Betrag von
90.000,-- DM geltend machen. Da dieses Recht der Teilungsversteigerung vorgeht,
kann der Beklagte keinesfalls einen höheren Gewinn erzielen, als die Klägerin zu
zahlen bereit ist.
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Der Rechtsmißbrauch ergibt sich auch daraus, daß der Beklagte ein Recht geltend
macht, das ihm in Kürze gegen die Klägerin nicht mehr zustehen wird. Durch die von der
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Klägerin betriebene Vollstreckungsversteigerung verliert der Beklagte seinen Bruchteil
am Wohnungserbbaurecht. Dadurch wird die Teilungsversteigerung gegenstandslos. In
diesem Fall ist die Vollstreckungsversteigerung zuerst vorzunehmen, ein Recht zur
Teilungsversteigerung besteht dann nicht mehr.
Die Klägerin hat ihrerseits nicht rechtsmißbräuchlich gehandelt, indem sie die
Zwangsvollstreckung in den Anteil des Beklagten beantragt hat. Durch diese von ihr
betriebene Zwangsvollstreckung wird die Aufhebung des Wohnungserbbaurechts nicht
zwingend herbeigeführt. Dieses ergibt sich daraus, daß die U-AG zugunsten der
Klägerin unstreitig von ihrem Heimfallrecht absehen will und die Klägerin durch das ihr
von den Töchtern zugesagte Darlehen in der Lage ist, den Anteil des Beklagten selbst
zu erwerben.
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Die Kostenentscheidung erfolgte gemäß § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung beruht auf § 709 ZPO. Das Interesse des
Beklagten an der Durchführung der Teilungsversteigerung ist gemäß § 3 ZPO auf 5.000,
-- DM festgesetzt worden.
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