Urteil des LG Ellwangen vom 18.03.2014

auszahlung, nummer, geldstrafe, vollstreckung der strafe

LG Ellwangen Urteil vom 18.3.2014, 3 Ns 35 Js 16551/11
Strafverfahren gegen einen Rechtsanwalt wegen Untreue und Parteiverrat:
Verhängung eines Berufsverbots neben einer Bewährungsstrafe
Leitsätze
Zur Vereinbarkeit eines Berufsverbots mit einer Strafaussetzung zur Bewährung.
Tenor
Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch
Gmünd vom 12. September 2013 aufgehoben.
Der Angeklagte ist der Untreue in drei Fällen, des Parteiverrats und des versuchten
Betrugs schuldig.
Er wird zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Er wird gesondert zu einer
Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30,00 EUR
verurteilt.
Dem Angeklagten wird für die Dauer von 3 Jahren untersagt, den Beruf des
Rechtsanwalts auszuüben.
Die weitergehende Berufung des Angeklagten und die Berufung der
Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen, soweit diese
durch seine Berufung entstanden sind.
Die Staatskasse hat die Kosten des Berufungsrechtszugs insoweit zu tragen, als
diese durch die Berufung der Staatsanwaltschaft entstanden sind.
Angewendete Vorschriften:
§§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 2, 356 Abs. 1, 22, 23, 52, 53
StGB
Gründe
I.
1
Das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd hat den Angeklagten M wegen versuchten
Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, Parteiverrat und Untreue in drei
tatmehrheitlichen Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Es hat dem Angeklagten für die Dauer von drei Jahren
untersagt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben.
2
Hiergegen haben der Angeklagte über seinen Verteidiger und die
Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten form- und fristgerecht
Berufung eingelegt. Im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht
hat die Berufungskammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Verfolgung der
im Urteil des Amtsgerichts SG vom 12. September 2013 unter II. 1. enthaltenen
Taten der Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug gemäß § 154a
StPO auf den Vorwurf eines Vergehens des versuchten Betruges beschränkt.
3
Die Berufung des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Statt einer Freiheitsstrafe
ohne Bewährung ist eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren mit Bewährung
auszusprechen, neben der eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30,00
EUR festzusetzen ist. Es verbleibt jedoch bei dem angeordneten Berufsverbot
von drei Jahren. Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat dagegen keinen Erfolg.
II.
4
Der am ... März 1960 in SG geborene Angeklagte M ist verheiratet und Vater von
zwei Kindern. Die Tochter des Angeklagten ist 20 Jahre, der Sohn 13 Jahre alt.
5
Nach Erlangung der Hochschulreife studierte der Angeklagte in W
Rechtswissenschaften. Seit dem 1. März 1990 ist er als selbstständiger
Rechtsanwalt in SG tätig. Er betreibt eine Einzelkanzlei. Aus seiner Tätigkeit als
Rechtsanwalt erzielt er nach seinen Angaben ein monatliches Nettoeinkommen
von circa 2.500,00 EUR. Seine Ehefrau ist in seiner Rechtsanwaltskanzlei
beschäftigt, wobei sie ein Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze
erzielt. Aus dem Kauf einer Immobilie ist der Angeklagte verschuldet. Seine
Verbindlichkeiten bei der A Bank belaufen sich derzeit auf mindestens
550.000,00 EUR. Auf diesen Kredit muss er monatliche Raten von 1.500,00 EUR
zurückführen.
6
Der Angeklagte ist in strafrechtlicher Hinsicht bislang nicht in Erscheinung
getreten.
III.
7
Der Angeklagte ist seit dem 1. März 1990 als Rechtsanwalt im Bezirk der
Rechtsanwaltskammer Stuttgart zugelassen. Er übt seine Tätigkeit als
Einzelanwalt aus. Die Kanzlei des Angeklagten befindet sich in der ... Gasse 3/1
in SG.
8
Tat Ziffer 1:
9
Am 13. April 2007 verschuldete die Zeugin SW einen schweren Verkehrsunfall,
bei dem ihr am 19. Mai 1934 geborener Ehemann SI schwer verletzt wurde und
als Folge seiner Verletzungen letztlich ins Wachkoma fiel. Am 9. Mai 2007
bestellte das Notariat G. daraufhin die Zeugin SW zur Betreuerin für ihren
Ehemann. Als Aufgabenkreis war ihr auch die Vermögenssorge zugewiesen.
10 SI war bei der S AG unfallversichert. Als Versicherungsleistung bei Vollinvalidität
war eine Invaliditätssumme von 485.450,00 EUR vereinbart. Diese
Invaliditätssumme schuldete die S AG bei Eintritt der Vollinvalidität nur bei
Versicherungsnehmern, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. SI
war im Zeitpunkt des Unfalls 72 Jahr als. Vielmehr bestand für diesen Fall ein
Anspruch auf Leistung einer Invaliditätsrente. Zudem schuldete die S AG nach
dem Versicherungsvertrag im ersten Jahr nach dem Unfall Leistungen auf die
unfallbedingte Invalidität in Höhe von maximal 17.885,00 EUR (vereinbarte
Todesfallsumme).
11 Eigene Bemühungen der Zeugin SW, die S AG zur Erbringung von Leistungen
aus der Unfallversicherung zu bewegen, hatten keinen Erfolg.
12 Am 23. August beauftragte die Zeugin SW, die sich zuvor bereits in anderen
Fällen vom Angeklagten vertreten gelassen hatte, den Angeklagten mit der
Vertretung gegenüber der S AG als Unfallversicherung ihres Ehemannes. Hierbei
trafen der Angeklagte und die Zeugin SW am 23. August 2007 eine
Honorarvereinbarung. Diese hatte folgenden Wortlaut:
13
„Honorarvereinbarung
Auftraggeber:
Herr SI, E.
Betreuerin: Frau SW,
E.
- Auftraggeber Ziffer 1 und 2
-
Herrn Rechtsanwalt M,
SG.
- Auftragnehmer -
14 hiermit beauftragen die Auftraggeber Ziffer 1 und 2 Herrn Rechtsanwalt M, SG, mit
der Durchsetzung der Ansprüche gegen die Unfallversicherung - mithin die S AG
-. Der Auftrag beinhaltet zum einem die außergerichtliche und falls notwendig die
gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche aus der Unfallversicherung.
15 Die Auftraggeber verpflichten sich hiermit aus der vom Auftragnehmer zu
erzielenden Betrag aus der Unfallversicherung ein Pauschalhonorar von 20 % zu
bezahlen. Die Leistung Vollinvalidität liegt nach dem Versicherungsschein bei
485.450,00 EUR. Insoweit wird das Honorar aus dem von der Versicherung
geleisteten Betrag errechnet. Sollte eine gerichtliche Auseinandersetzung
notwendig werden, bleibt für die zweite Instanz eine Honorarvereinbarung
vorbehalten.
16 Den Auftraggebern ist bekannt, dass diese Vereinbarung von den gesetzlichen
Bestimmungen abweicht. Die Leistungen sind diesbezüglich mit der gesetzlichen
Mehrwertsteuer in Ansatz zu bringen sowie die Unkostenpauschale.
17 Von dieser Vereinbarung haben beide Vertragsschließenden je ein Exemplar
erhalten.
18
SG, den 23. August 2007
M
SW
Rechtsanwalt Auftraggeber“
19 In der Folgezeit machte der Angeklagte die Ansprüche gegenüber der S AG
geltend. So forderte er diese mit Schreiben vom 23. August 2007 zur Zahlung von
485.450,00 EUR auf. Mit Schreiben vom 28. August 2007 wies die S AG darauf
hin, dass kein Anspruch auf Auszahlung der Invaliditätsleistung in Form einer
einmaligen Kapitalzahlung bestehe. Vielmehr sei die Leistung als Rente
auszuzahlen. Der Angeklagte erklärte mit Schreiben vom 5. September 2007 an
die S AG, ihm sei selbstverständlich bekannt, dass nur ein Anspruch auf Leistung
der Unfallrente bestehe. Mit Schreiben vom 23. November 2007 lehnte die S AG
eine Kapitalisierung der Unfallrente endgültig ab.
20 Im weiteren Verlauf kam es zu Auseinandersetzungen über die Frage der Person
des Betreuers für Herrn SI. Am 22. Januar 2008 bestellte das nach dem Umzug
von SI nach Berlin zwischenzeitlich zuständige Amtsgericht Neukölln die Zeugin
SW und die Tochter des Betreuten, Frau HK zu gemeinsamen Betreuern. Mit
Beschluss vom 3. April 2008 wurde Frau
HK
zur alleinigen Betreuerin bestellt. Ab
diesem Zeitpunkt war, was der Angeklagte auch wusste, weil er die Zeugin SW
auch im Betreuungsverfahren vertreten hatte, diese zur Vertretung von Herrn SI
nicht mehr berechtigt. Letztlich wurde mit Beschluss vom 26. August 2008
Rechtsanwalt
WI
aus Berlin zum alleinigen Betreuer des Herrn SI in
Vermögensangelegenheiten bestellt.
21 Am oder kurz vor dem 3. Dezember 2008 bestellte der Angeklagte die Zeugin SW
zu sich in die Kanzlei. Nachdem sie vom Angeklagten dazu bestimmt worden
war, nahm die Zeugin SW gemeinsam mit dem Angeklagten folgende
Änderungen an der Honorarvereinbarung vom 23. August 2007 vor. Zwischen
dem zweiten und dritten inhaltlichen Absatz der Vereinbarung wurde eine
handschriftliche Änderung eingefügt. Nach dem letzten Satz des zweiten
Absatzes „Sollte eine gerichtliche Auseinandersetzung notwendig werden, bleibt
für die zweite Instanz eine Honorarvereinbarung vorbehalten.“ und den ersten
Satz des dritten Absatzes „Den Auftraggebern ist bekannt, dass diese
Vereinbarung von den gesetzlichen Bestimmungen abweicht.“, trug der
Angeklagte handschriftlich ein: „Pauschalhonorar: damit“. Die Zeugin SW fügte im
direkten Anschluss „97.090.00 EUR“ hinzu. Der Angeklagte hatte der Zeugin
erklärt, diese Einfügung müsse vorgenommen werden, um sein Honorar
durchsetzen zu können. Die Zeugin SW, die zum damaligen Zeitpunkt dem
Angeklagten vollumfänglich vertraute, nahm diese Eintragung in der Weise vor,
wie sie der Angeklagte verlangt hatte. Diese Änderung nahm der Angeklagte vor
bzw. ließ der Angeklagte vornehmen, um die Möglichkeit zu haben, von SI,
vertreten durch dessen Betreuer Rechtsanwalt
WI
, wahrheitswidrig ein
Pauschalhonorar von 97.090,00 EUR netto zu verlangen, obwohl er wusste, nur
einen Anspruch in Höhe von 20 Prozent des von der Unfallversicherung zum
damaligen Zeitpunkt ausbezahlten Betrages zu haben.
22 Auf der Grundlage dieser Änderung verlangte der Angeklagte bewusst der
Wahrheit zuwider mit an Herrn SI und dessen Betreuer Rechtsanwalt
WI
gerichteten Schreibens vom 3. Dezember 2008 die Zahlung von insgesamt
96.505,10 EUR. Der Angeklagte stellte in dieser Rechnung seinen
Honoraranspruch wie folgt dar. Als Grundlage nahm er die wahrheitswidrig
behauptete Pauschalhonorarvereinbarung von 97.090,00 EUR netto. Zu dieser
addierte er eine Pauschale für Post und Telekommunikation von 20,00 EUR, so
dass sich eine vermeintliche Nettoforderung 97.110,00 EUR ergab. Unter
Hinzurechnung eines Betrages von 18.450,90 EUR als Umsatzsteuer kam er auf
einen Bruttorechnungsbetrag von 115.560,90 EUR. Abzüglich bereits von der S
AG an ihn ausbezahlter 19.055,80 EUR forderte er die Zahlung von noch
96.505,10 EUR. Dies tat er, obwohl er wusste, nur einen Anspruch in Höhe von
20 % des bislang ausgezahlten Betrages zu haben, wobei er davon ausging,
dass die S AG weiterhin lediglich Rentenzahlungen und keine Einmalzahlung
erbracht hatte. Hierbei hatte er das Ziel, bei Rechtsanwalt
WI
als Betreuer von SI
den Irrtum zu erregen, zur Zahlung des verlangten Betrages aus einer
Pauschalhonorarverpflichtung heraus verpflichtet zu sein. Weiter sollte hierdurch
eine Zahlung in der verlangten Höhe erreicht werden, auf die ein Anspruch nicht
bestand. Er hatte dabei das Ziel, Herrn SI um die Differenz zwischen den
verlangten brutto 115.560,90 EUR und dem ihm aus der
Erfolgshonorarvereinbarung zustehenden Anspruch zu schädigen, um einen
Vorteil in dieser Höhe zu erlangen. Dabei ist davon auszugehen, dass der
Angeklagte die Erfolgshonorarvereinbarung für wirksam hielt. Nach der
Vorstellung des Angeklagten konnten zum Zeitpunkt seiner Rechnungsstellung
am 3. Dezember 2008 von der S AG maximal knapp 70.000,00 EUR ausbezahlt
gewesen sein. Hieraus hätte sich ein Vergütungsanspruch von brutto 16.683,80
EUR (20 Prozent von 70.000,00 EUR = 14.000,00 EUR, zuzüglich 20,00 EUR
Auslagenpauschale, zuzüglich 2.663,80 EUR Umsatzsteuer) ergeben. Abzüglich
bereits erhaltener Auszahlungen durch die S AG in Höhe von 19.055,80 EUR
hätte ihm kein Honorar mehr zugestanden. Dies war dem Angeklagten bewusst.
23 Die Täuschung blieb jedoch erfolglos. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2008
wies der Betreuer des Herrn SI, Herr Rechtsanwalt
WI
, die Forderung als
unbegründet zurück. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 bestand der
Angeklagte auf Begleichung der gestellten Rechnung und setzte dem Betreuer
Rechtsanwalt
WI
eine Frist zur Bezahlung bis zum 31. Dezember 2008.
24 Am 9. Februar 2009 verstarb Herr SI.
25 Die S AG leistete Invaliditätsleistungen in Höhe von insgesamt 63.158,00 EUR
sowie 2.192,80 EUR Krankenhaustagegeld. Dem Angeklagten hätten - die
zivilrechtliche Wirksamkeit der Erfolgshonorarvereinbarung unterstellt - also
13.070,16 EUR netto zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer
zugestanden. Von einer Auszahlung durch die S AG in dieser Größenordnung
war der Angeklagte bei Stellung seiner Rechnung auch ausgegangen.
26 Am 13. Januar 2009 verfasste Rechtsanwalt
WI
für Herrn SI u. a. eine negative
Feststellungsklage des Inhalts, dass die vom Angeklagten mit Rechnung vom 3.
Dezember 2008 geltend gemachte Forderung diesem nicht zustehe. In dem unter
dem Aktenzeichen 3 O 19/09 vor dem Landgericht Ellwangen geführten Prozess
machte der Angeklagte geltend, es liege eine ordnungsgemäße Vereinbarung
eines Pauschalhonorars in Höhe von 97.090,00 EUR vor. In der mündlichen
Verhandlung vom 17. September 2009 vor der 3. Zivilkammer des Landgerichts
Ellwangen führte er auf Frage des Gerichts, ob auch der Fall geregelt sei, dass
die Versicherung nur 63.158,00 EUR bezahle, aus, dass in diesem Fall die
Pauschale in Höhe von 97.090,00 EUR netto verdient sei. Das Landgericht
Ellwangen gab der negativen Feststellungsklage mit Urteil vom 12. November
2010 statt. Im Rahmen dieses Urteils gestand die 3. Zivilkammer des
Landgerichts Ellwangen dem Angeklagten für seine Tätigkeit in der
Angelegenheit gegenüber der S AG ein Honorar in Höhe von 3.686,62 EUR nach
den gesetzlichen Gebühren zu. Die vom Angeklagten geführte Berufung nahm er
am 30. Mai 2011 auf Hinweis des 12. Zivilsenates des Oberlandesgerichts
Stuttgart zurück. Im Berufungsverfahren machte er nicht mehr geltend, einen
Anspruch auf ein Pauschalhonorar von 97.090,00 EUR netto zu haben.
27 Tat Ziffer 2:
28 Am 20. Februar 2009 wurde der Pkw BMW Mini, amtliches Kennzeichen ... - …
…, von einer einstürzenden Mauer beschädigt. Dieser Pkw, den der Zeuge WA
nutzte, war von diesem bei der A. Fuhrparkmanagement GmbH geleast worden.
Als mögliche zivilrechtlich Verantwortliche für den Schadenseintritt kamen der
Vermieter des Stellplatzes, Herr W., und der Eigentümer der eingestürzten Mauer,
der Verein Naturfreunde SG in Betracht. Der Zeuge WA verfügte über eine
Kaskoversicherung bei der V AG (im Folgenden: V AG).
29 Der Zeuge WA beauftragte den Angeklagten mit der Durchsetzung seiner
Ansprüche gegenüber dem Schädiger. Er wies ausdrücklich darauf hin, dass er
eine Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung nicht wünsche.
30 Entgegen des Wunsches seines Mandanten wandte sich der Angeklagte an die
V AG und forderte diese zur Regulierung des Kaskoschadens auf. Die V AG
bezahlte an den Angeklagten insgesamt 8.800,42 EUR aus. Zunächst erfolgte
eine Akontozahlung in Höhe von 5.000,00 EUR am 9. April 2009. Die
Restzahlung in Höhe von 3.842,00 EUR wurde am 21. April 2009 vorgenommen.
Beide Zahlungen erfolgten weisungsgemäß auf das Konto des Angeklagten bei
der B Bank unter der Kontonummer 5678. Dieses Konto hatte der Angeklagte am
18. März 2009 neu eröffnet. Ein Dispositionskredit war ihm nicht eingeräumt
worden. Dieses Konto führte der Angeklagte nicht als Treuhandkonto. Über
dieses Konto wurden vielmehr sowohl geschäftliche als auch private Vorgänge
des Angeklagten abgewickelt.
31 Der Angeklagte verschwieg die Zahlungseingänge auf seinem Konto gegenüber
dem Zeugen WA. Auch in der Folgezeit erfolgte weder eine Auszahlung an den
Zeugen WA noch eine umgehende Übertragung auf ein Treuhandkonto, wodurch
der Zeuge WA, wie vom Angeklagten beabsichtigt, in Höhe der von der V AG
bezahlten 8.842,00 EUR geschädigt wurde, was der Angeklagte erkannte und so
auch in Kauf genommen hatte. Vielmehr verwendete der Angeklagte die
eingegangen Gelder für eigene Zwecke, so dass das Konto unter der Nummer
5678 vor Eingang der Restzahlung am 20. April 2009 ein Guthaben von 988,41
EUR aufwies. Nach weiteren Auszahlungen und Überweisungen belief sich der
Kontostand auf diesem Konto am 27. April 2009 nach Eingang der Restzahlung
auf 31,97 EUR. Die zugunsten des Zeugen WA vereinnahmte Summe von
8.842,00 EUR hatte der Angeklagte auch nicht auf sonstigen Konten zur stetigen
freien Verfügung, was ihm auch bewusst war. Auch in der Folgezeit zahlte der
Angeklagte entsprechend seiner Absicht den ihm ausbezahlten Betrag weder an
die V AG zurück noch an den Zeugen WA aus.
32 Vielmehr erhob er mit Klageschrift vom 10. August 2009 für den Zeugen WA
Klage auf Schadensersatz gegen dessen Vermieter vor dem Landgericht
Ellwangen. Das unter dem Aktenzeichen 3 O 258/09 geführte Klageverfahren
wurde mangels Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses nicht betrieben.
33 Der Zeuge WA, der auch von der Leasinggesellschaft im Verfahren 2-10 O
189/11 des Landgerichts Frankfurt am Main auf Zahlung in Anspruch genommen
wurde, nahm sich in der Folgezeit den Zeugen Rechtsanwalt PR als neuen
Prozessbevollmächtigten. Dieser erhob gegen den Angeklagten Klage vor dem
Landgericht Ellwangen. Am 5. Juni 2013 wurde vor dem Landgericht Ellwangen
zwischen den Parteien des Rechtsstreits ein Vergleich geschlossen, wonach der
Angeklagte sich verpflichtete, an den Zeugen WA einen Betrag in Höhe von
7.500,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus zu bezahlen. Bei der Bemessung der
Vergleichsbetrags wurde von den auszuzahlenden 8.842,00 EUR ein Abschlag
für die Honorarforderung des Angeklagten vorgenommen.
34 Eine freiwillige Zahlung durch den Angeklagten erfolgte zunächst nicht. Die vom
Zeugen Rechtsanwalt PR eingeleitete Zwangsvollstreckung blieb fruchtlos,
nachdem der Gerichtsvollzieher mitgeteilt hatte, der Angeklagte sei
gerichtsbekannt unpfändbar. In der Folgezeit erfüllte der Angeklagte jedoch seine
Verpflichtung aus dem Vergleich und beglich auch die auf ihn entfallenden
Kosten dieses Rechtsstreits.
35 Tat Ziffer 3:
36 Am 10. Juni 2009 erschien die Zeugin LV beim Angeklagten. Sie beabsichtigte,
sich von diesem im Scheidungsverfahren gegen ihren Ehemann vertreten zu
lassen. An diesem Tag trafen der Angeklagte und die Zeugin LV eine
Honorarvereinbarung für die Vertretung im Scheidungsverfahren LV gegen AV.
Am selben Tag verfasste der Angeklagte in Anwesenheit der Zeugin LV den
Scheidungsantrag, den er sodann beim Amtsgericht einreichte. Wenige Tage
später meldete sich die Zeugin LV beim Angeklagten und erklärte diesem, sie
habe sich mit ihrem Ehemann wieder versöhnt. Der Scheidungsantrag solle nicht
weiterverfolgt werden. Das unter dem Aktenzeichen 9 F 373/09 beim Amtsgericht
SG geführte Verfahren wurde nicht weitergeführt.
37 Die Versöhnung der Eheleute V war nicht von Dauer. Die Zeugin LV ließ sich in
der Folgezeit von der Rechtsanwaltskanzlei JD vertreten. Mit Antragsschrift vom
5. April 2011 beantragte der dort tätige Rechtsanwalt JE für die Zeugin LV, die
Ehe der Eheleute V zu scheiden. Mit Schriftsatz vom 14. April 2011 beantragte
der Angeklagte im vor dem Amtsgericht SG - Familiengericht - unter dem
Aktenzeichen 9 F 251/11 geführten Verfahren sodann namens und im Auftrag
des Ehemannes AV ebenfalls, die Ehe der Eheleute V zu scheiden. Das
Versorgungsausgleichsverfahren wurde durchgeführt. Mit Schriftsatz vom 4. Mai
2011 reichte der Angeklagte den von AV ausgefüllten Fragebogen zum
Versorgungsausgleich zur Akte. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2011 erklärte
Rechtsanwalt JE für die Zeugin LV die Rücknahme des Scheidungsantrags. Auf
die Anfrage des Amtsgerichts SG - Familiengericht - verwies der Angeklagte mit
Schriftsatz vom 6. Juni 2011, auf seinen Antrag vom 14. April 2011, in dem ein
selbständiger Scheidungsantrag gestellt worden sei.
38 Dem Angeklagten war beim Auftreten für Herrn AV bewusst, dass er dessen
Ehefrau, die Zeugin LV bereits früher vertreten und für diese einen
Scheidungsantrag gestellt hatte. Ihm war auch bewusst, dass die Interessen der
Eheleute V zumindest teilweise gegenläufig waren. Er erkannte, dass sich die
gegenläufigen Interessen sowohl aus dem durchzuführenden
Versorgungsausgleich als auch aus der Tatsache ergab, dass die Zeugin LV
ihren Scheidungsantrag zurücknahm, der Angeklagte für seinen Mandanten AV
den Scheidungsantrag jedoch aufrechterhielt. Diese Interessenkollision nahm er
billigend in Kauf.
39 Tat Ziffer 4:
40 Am 23. Oktober 2011 war die Zeugin NR unverschuldet in einen Verkehrsunfall
verwickelt. Ihr Unfallgegner war bei der L aG (im Folgenden: L AG) versichert. Die
Zeugin NR beauftragte den Angeklagten mit der Schadensregulierung. Am 22.
Dezember 2011 bezahlte die L AG auf das Konto des Angeklagten 7.062,81
EUR. Dieses Konto wurde nicht als Anderkonto geführt. Den Zahlungseingang
teilte der Angeklagte in der Folgezeit seiner Mandantin nicht mit; er leitete das
eingegangene Geld auch nicht unverzüglich an seine Mandantin weiter und
überwies es auch nicht auf ein von ihm geführtes Anderkonto. Dies tat der
Angeklagte, obwohl ihm bewusst war, dass die Zeugin NR dringend auf das Geld
angewiesen war, weil sie ein anderes Fahrzeug anschaffen wollte.
41 Durch ein Telefonat mit der L AG brachte die Zeugin NR am 20. Dezember 2011
in Erfahrung, dass diese das Geld bereits an den Angeklagten ausbezahlt hatte.
Es kam deshalb am 4. Januar 2012 beim Angeklagten zu einem Gespräch, in
welchem die Zeugin NR ihm die Bankdaten ihres Ehemanns mitteilte, so dass
eine Weiterleitung des Geldes erfolgen konnte. Der Angeklagte kam dieser
Aufforderung nicht nach, so dass sich die Zeugin NR am 16. Januar 2012 an den
Zeugen Rechtsanwalt HE wandte. Dieser forderte den Angeklagten mit
Schriftsatz vom 17. Januar 2012 zur unverzüglichen Auszahlung auf. Nachdem
eine Zahlung nicht erfolgt war, forderte der Zeuge Rechtsanwalt HE den
Angeklagten mit Schreiben vom 31. Januar 2012 auf, das Geld bis spätestens
zum 3. Februar 2012 an die Zeugin NR auszuzahlen. Mit Schreiben vom 8.
Februar 2012 kündigte der Angeklagte an, einen Betrag von 6.244,39 EUR
überwiesen zu haben. Tatsächlich erfolgte am 13. Februar 2012 auf dem Konto
des Ehemanns der Zeugin NR eine Gutschrift in Höhe von lediglich 2.244,39
EUR. Am 20. Februar 2012 gingen weitere 1.500,00 EUR auf dem Konto des
Ehemanns der Zeugin NR ein.
42 Mit Schriftsatz vom 1. März 2012 erhob der Zeuge Rechtsanwalt HE für die
Zeugin NR Klage beim Amtsgericht SG. Er beantragte u. a., den Angeklagten zur
Zahlung der noch ausstehenden 2.500,00 EUR zu verurteilen. Der Angeklagte
zeigte zunächst Verteidigungsbereitschaft an und beantragte, die Frist zur
Klageerwiderung bis zum 30. April 2012 zu verlängern. Am 30. April 2012 erklärte
der Angeklagte, die Ansprüche der Zeugin NR anzuerkennen. Am 2. Mai 2012
erging sodann Anerkenntnisurteil gegen den Angeklagten. Eine sofortige Zahlung
nach dem Anerkenntnis und dem Anerkenntnisurteil erfolgte jedoch nicht. Erst
nachdem der Zeuge Rechtsanwalt HE im Wege der Zwangsvollstreckung ein
vorläufiges Zahlungsverbot hinsichtlich aller Bankverbindungen des Angeklagten
ausgebracht hatte, erfolgte am 24. Mai 2012 die Bezahlung der titulierten
Forderung.
43 Dem Angeklagten war bewusst, dass er die erhaltene Versicherungsleistung
unverzüglich an die Zeugin NR hätte auszahlen oder das Geld auf ein
Anderkonto überwiesen müssen. Hierdurch hat der Angeklagte, was er
zumindest billigend in Kauf genommen hat, das Vermögen der Zeugin NR unter
Berücksichtigung seines Vergütungsanspruchs in Höhe von 6.244,39 EUR
geschädigt hat.
44 Tat Ziffer 5:
45 Die Zeugin ES war seit dem 15. Januar 1987 bei der S GmbH in SG beschäftigt.
Am 22. März 2012 kündigte die S GmbH der Zeugin
ES
betriebsbedingt zum 31.
Oktober 2012. Bereits mit dem Kündigungsschreiben unterbreitete die S GmbH
der Zeugin
ES
den Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung. Nach dieser sollte
die Zeugin
ES
eine Abfindung in Höhe von 99.505,12 EUR brutto erhalten; des
Weiteren sollte das Vertragsverhältnis zum 30. September bzw. 31. Oktober 2012
beendet werden. Die Zeugin
ES
sollte spätestens zum 1. April 2012
unwiderruflich einseitig arbeitgeberseitig unter Fortzahlung ihrer Bezüge
freigestellt werden. Die Abfindungszahlung sollte mit dem letzten Gehalt im
Oktober 2012 ausbezahlt werden.
46 Noch am Tag der Kündigung wandte sich die Zeugin
ES
an den Angeklagten und
beauftragte diesen mit der Vertretung gegen die S GmbH. Dieser wandte sich
sogleich telefonisch an die S GmbH und übersandte dieser am 23. März 2012
eine Vertretungs- und Inkassovollmacht. Am 29. März 2012 erhob der Angeklagte
für die Zeugin
ES
Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Stuttgart,
Kammern Aalen. Parallel verhandelte er mit der S GmbH über eine
einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsvertrags. Bereits mit Schreiben vom 4.
April 2012 bat der Angeklagte das Arbeitsgericht, den Parteien gemäß § 278 Abs.
6 ZPO einen Vergleich vorzuschlagen, auf den sich die Zeugin
ES
mit der S
GmbH geeinigt habe. Dieser hatte zum Inhalt, dass die S GmbH an die Zeugin
ES einen Abfindungsbetrag in Höhe von 127.505,12 EUR brutto zu bezahlen hat.
Des Weiteren bestand Einigkeit darüber, dass das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund betriebsbedingter Kündigung des
Arbeitgebers mit Ablauf des 31. März 2012 enden werde. Die Erhöhung des
Zahlbetrags auf 127.505,12 EUR brutto ergab sich unter Hinzurechnung der
ansonsten auszuzahlenden monatlichen Gehälter der Zeugin
ES
bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist zum von der S GmbH vorgeschlagenen Abfindungsbetrag.
47 Am 5. April 2012 überwies die S GmbH den Nettoabfindungsbetrag in Höhe
73.119,70 EUR auf das Konto des Angeklagten bei der
C Bank
mit der
Kontonummer 1234. Dieses Konto wurde vom Angeklagten nicht als Anderkonto
geführt. Der Angeklagte unterrichtete seine Mandantin nicht über den Eingang
des Geldes. Er leitete diese Zahlung auch nicht unverzüglich an die Zeugin
ES
weiter und veranlasste auch nicht die Überweisung des Zahlbetrags auf ein
Anderkonto. Vielmehr verwendete der Angeklagte das eingegangene Geld zur
Begleichung sonstiger Verbindlichkeiten. Vor Eingang der 73.119,70 EUR am 5.
April 2012 wies das Konto des Angeklagten bei der C Bank einen Sollstand von
4.924,81 EUR auf, wobei ein Kontokorrentkredit in Höhe von 5.000,00 EUR
vereinbart war. Zum 10. April 2012 betrug das Habensaldo auf dem C Bankkonto
noch 30.476,91 EUR, zum 16. April 2012 noch 25.611,08 EUR und zum 2. Mai
2012 noch 8.375,23 EUR.
48 Im gleichen Zeitraum wiesen auch die sonstigen Konten des Angeklagten keine
ausreichende Deckung auf.
49 Bei der
D Bank
führte der Angeklagte jedenfalls im Zeitraum vom 5. April bis zum
2. Juli 2012 die Konten mit den Nummern 2345 und 3456. Das erste Konto wies
im April, Mai, Juni und Anfang Juli jeweils ein Sollsaldo auf, welches zwischen
692,20 EUR Soll und 1.092,20 EUR Soll schwankte. Das zweite Konto belief sich
umsatzlos auf 0 EUR. Kreditlinien waren keine eingeräumt.
50 Das Girokonto des Angeklagten bei der
E Bank
mit der Kontonummer 4567 wies
zwischen dem 5. April 2012 und dem 2. Juli 2012 ein maximales Habensaldo von
1.949,61 EUR auf; mindestens befanden sich 24,90 EUR auf diesem Konto. Eine
Kreditlinie war nicht eingeräumt.
51 Das bei der
B Bank
geführte Geschäftskonto mit der Nummer 5678 wies
zwischen dem 2. April 2012 und dem 11. Juli 2012 Kontostände zwischen 73,13
EUR Soll zum 20. April 2012 und maximal 6.033,76 EUR Haben zum 8. Mai 2012
auf. Ein Dispositionskredit war nicht vereinbart.
52 Das bei der
F Bank
geführte Darlehenskonto, welches der Finanzierung des vom
Angeklagten gefahrenen Pkws diente, belief sich vereinbarungsgemäß zwischen
April und Juli 2012 auf 27.262,67 EUR Soll bis zu 25.348,45 EUR Soll. Ein
zusätzlicher Dispositionskredit war nicht vereinbart.
53 Das bei der
G Bank
geführte Kontokorrentkonto unter der Nummer 6789 wies
zwischen dem 5. April 2012 und dem 2. Juli 2012 Kontostände zwischen
18.371,76 EUR Soll - zum 4. Mai 2012 - und maximal 2.681,06 EUR Haben - zum
11. Mai 2012 - auf. Der vereinbarte Dispositionskredit belief sich bis zum 29. April
2012 auf 18.500,00 EUR, bis zum 31. Mai 2012 auf 18.000,00 EUR und danach
auf 17.500,00 EUR. Das Sparkonto mit der Nummer 17417760 wies ein
Habensaldo von durchgehend 10,22 EUR auf. Auf diesem war eine Kreditlinie
nicht vorgesehen.
54 Die bei der
A Bank
geführten Darlehenskonten unter den Kontonummern 7890,
8901, 9012 und 0123, die der Finanzierung des Immobilienerwerbs des
Angeklagten dienten, wiesen zwischen April 2012 und Juli 2012
Gesamtverbindlichkeiten zwischen mindestens 575.652,02 EUR Soll (im Juli
2012) und höchstens 579.777,40 EUR Soll (im April 2012) auf.
55 Die Zeugin
ES
, die dem Angeklagten zum damaligen Zeitpunkt vertraute, war mit
dem Abschluss der Abfindungsvereinbarung einverstanden. Nachdem sie aber
kein Geld erhalten hatte, wandte sie sich an die S GmbH um nachzufragen, wo
ihre Abfindung bleibe. Von ihrem früheren Arbeitgeber wurde ihr mitgeteilt, der
Betrag sei bereits Anfang April an ihren Rechtsanwalt ausbezahlt worden.
Daraufhin wandte sich die Zeugin ES an den Zeugen Rechtsanwalt Prof. SC,
damit dieser sie vertrete. Mit Faxschreiben vom 2. Mai 2012 forderte der Zeuge
Rechtsanwalt SC den Angeklagten auf, die vereinnahmten Fremdgelder
umgehend bis 16.00 Uhr an die Zeugin
ES
auszuzahlen. Mit Schreiben vom 2.
Mai 2012 trat der Angeklagte diesem Begehren entgegen; es wurde auf den
Abschluss der Angelegenheit beim Arbeitsgericht Bezug genommen. Mit
Folgeschreiben vom 2. Mai, 3. Mai und 4. Mai 2012 forderte der Zeuge
Rechtsanwalt SC den Angeklagten weiterhin ultimativ zur Bezahlung der
erhaltenen Fremdgelder auf. Gleichwohl erfolgte keine vollständige Zahlung. In
der Folgezeit bezahlte der Angeklagte am 11. Mai 2012 13.119,70 EUR, am 14.
Mai 2012 weitere 20.000,00 EUR, am 31. Mai 2012 weitere 10.000,00 EUR und
am 15. Juni 2012 weitere 5.000,00 EUR.
56 Nachdem weitere Zahlungen nicht eingingen, erhob der Zeuge Rechtsanwalt SC
für die Zeugin ES Klage vor dem Landgericht Ellwangen auf Zahlung der noch
ausstehenden 20.000,00 EUR nebst Zinsen. Hiergegen verteidigte sich der
Angeklagte mit der Begründung, er habe mit der Zeugin ES eine
Stundungsvereinbarung getroffen. Nach dieser sollte der Gesamtbetrag von
73.119,70 EUR erst zum 31. Oktober 2012 in Teilzahlungen fällig sein. Mit Urteil
vom 7. Dezember 2012 verurteilte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen
den Angeklagten zur Zahlung der 20.000,00 EUR. Auf Hinweis des
Oberlandesgerichts Stuttgart nahm der Angeklagte seine eingelegte Berufung mit
Schriftsatz vom 22. April 2013 zurück. Am 12. Juni 2013 erlangte die Zeugin ES
durch Vollstreckungsbemühungen des Zeugen Rechtsanwalt SC den ihr noch
zustehenden Restbetrag in Höhe von 24.952,87 EUR (Hauptforderung nebst
Zinsen und Kosten). Ein Schaden ist der Zeugin
ES
damit nicht verblieben.
57 Auch in diesem Fall war dem Angeklagten bewusst, dass er verpflichtet war, den
erhaltenen Abfindungsbetrag entweder unverzüglich an seine Mandantin
weiterzuleiten oder diesen auf ein Treuhandkonto zu überweisen. Gegen diese
Verpflichtung hat er bewusst verstoßen, um das erhaltene Geld zur Begleichung
sonstiger Verbindlichkeiten zu verwenden. Hierdurch hat er, was er zumindest
billigend in Kauf genommen hat, das Vermögen der Zeugin ES unter
Berücksichtigung seines Vergütungsanspruchs um einen Betrag in Höhe von
mindestens 60.000,00 EUR geschädigt.
IV.
58 Persönliche Verhältnisse:
59 Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den eigenen,
glaubhaften Angaben des Angeklagten M in der Hauptverhandlung. Die
Feststellung zu den nicht vorhandenen Vorstrafen des Angeklagten der
Voreintragung beruht auf der in der Hauptverhandlung verlesenen Auskunft aus
dem Bundeszentralregister vom 22. Januar 2014.
60 Tat Ziffer 1:
61 Der Angeklagte räumt den äußeren Sachverhalt (Mandatierung als solche,
Abschluss einer Honorarvereinbarung, Geltendmachung der
Versicherungsleistung gegenüber der S AG, Ablauf des Betreuungsverfahrens,
Geltendmachung seines Honoraranspruchs am 3. Dezember 2008, Ablauf des
Zivilrechtsstreits 3 O 19/09) ein. Er bestreitet aber, die Zeugin SW getäuscht zu
haben und gegenüber Rechtsanwalt
WI
bzw. Herrn SI eine überhöhte Rechnung
gestellt zu haben, um die Empfänger zu täuschen.
62 Der Angeklagte bringt vor, die Honorarvereinbarung sei am 23. August 2007
bereits mit dem handschriftlichen Zusatz getroffen worden. Dieser sei nicht als
Vereinbarung eines Pauschalhonorars zu verstehen. Vielmehr habe damit gesagt
werden sollen, dass dies der Maximalbetrag sei, der für seine Tätigkeit zu
entrichten sei, sofern es zur Leistung der gesamten Invaliditätssumme komme.
Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars sei auf Vorschlag der Zeugin SW erfolgt.
Er habe Frau SW zuvor die gesetzlichen Gebühren anhand der Schwarzwälder
Gebührentabelle erläutert. Aus dieser hätte sich ergeben, dass seine Kosten für
die erste und zweite Instanz bei voller Invaliditätsleistung in Höhe von 485.450,00
EUR in erster und zweiter Instanz über 30.000,00 EUR betragen würden, wobei
noch die Gerichtskosten hinzuzurechnen seien. Nachdem er die
Gebührentabellen gezeigt habe, sei der maschinenschriftliche Entwurf gefertigt
worden. Dann habe er handschriftlich eingetragen „Pauschalhonorar: damit“.
Danach habe er die Vereinbarung der Zeugin SW überlassen und dieser erklärt,
sie solle eintragen, was sie für richtig halte. Um Berechnungen anstellen zu
können, habe er ihr einen Taschenrechner überlassen. Bei Stellung der
Rechnung am 3. Dezember 2008 hätte er ja nicht gewusst, welche Beträge
zwischenzeitlich von der Versicherung ausbezahlt geworden seien. Es hätte ja
die Möglichkeit bestanden, dass die S AG doch noch eine Abfindungszahlung in
Höhe der Invaliditätsleistung erbracht hätte. Diese Information sei ihm nicht
zugänglich gewesen, weil er weder die Betreuerin
HK
noch den Betreuer
WI
vertreten habe. Er hätte deshalb keine Informationen mehr über die
Auszahlungen erlangen können.
63 Die Angaben des Angeklagten zum Zustandekommen der Vereinbarung vom 23.
August 2007 sind durch die glaubhaften Angaben der Zeugin SW widerlegt.
64 Diese hat glaubhaft angegeben, zur Vereinbarung eines Erfolgshonorars
zwischen ihr und dem Angeklagten sei es auf Vorschlag des Angeklagten
gekommen. Sie, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung im August
2007 seit circa drei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland gelebt habe, habe
nicht gewusst, wie die Regelungen zur Zahlung von Anwaltshonorar in
Deutschland seien. Ihr sei nicht einmal bekannt gewesen, dass es in
Deutschland so etwas wie gesetzliche Anwaltsgebühren gebe. Sie habe die
Vorstellung gehabt, ohne Rechtsschutzversicherung könne man einen Anspruch,
der freiwillig nicht erfüllt werde, nicht durchsetzen. Sie habe gedacht, dies sei wie
bei der Krankenversicherung. Der Angeklagte habe ihr dann aber erklärt, in
Deutschland sei es in einem solchen Fall normal, eine
Erfolgshonorarvereinbarung zu treffen. Wenn ein Mandant kein Geld habe,
entspreche es der Üblichkeit, den Rechtsanwalt mit 20 Prozent am Erfolg zu
beteiligen. Daraufhin habe sie die maschinenschriftliche Vereinbarung
geschlossen. Diese sei ohne den handschriftlichen Zusatz erfolgt. Der
handschriftliche Zusatz sei wesentlich später vorgenommen worden. Dies sei zu
einem Zeitpunkt erfolgt, als sie bereits seit Längerem nicht mehr Betreuerin ihres
Mannes gewesen sei. Der Angeklagte habe sie in die Kanzlei bestellt. Der
Angeklagte habe ihr erklärt, er brauche die Ergänzung, um gegenüber dem
Betreuer Rechtsanwalt WI seinen Gebührenanspruch durchsetzen zu können.
Sie habe dem Angeklagten damals vollumfänglich vertraut. Deshalb habe sie
diese Eintragung vorgenommen. Es sei zutreffend, dass sie eine Mehrfertigung
der Honorarvereinbarung erhalten habe. Sie könne nicht mehr sagen, ob die
nachträgliche handschriftliche Ergänzung auch auf ihrem Exemplar
vorgenommen worden sei. Dieses befinde sich bei ihrem Rechtsanwalt, dem
Zeugen
DO
.
65 Die Angaben der Zeugin waren glaubhaft. Sie hat eindrücklich und detailliert
beschrieben, wie es im August 2007 zum ursprünglichen Abschluss der
Honorarvereinbarung gekommen sei. Sie hat für das Gericht gut nachvollziehbar
dargestellt, wie ihr damaliger Informationsstand gewesen sei. Sie habe als
Aussiedlerin aus der ehemaligen Sowjetunion keine Kenntnisse vom deutschen
Rechtssystem gehabt. Dem Angeklagten habe sie vertraut, auch weil die Mutter
des Angeklagten und ihre Mutter Cousinen seien. Individuell geprägt als Zeichen
der Glaubhaftigkeit der Aussage war ein Detail, als sie auf ihre
Deutschkenntnisse im damaligen Zeitpunkt angesprochen wurde. Sie hat erklärt,
bereits im Jahr 2007 ordentlich deutsch gesprochen zu haben; lediglich das vom
Angeklagten gesprochene Schwäbisch habe sie gelegentlich in Schwierigkeiten
gebracht. Des Weiteren hat sich die Zeugin stets bemüht, nur konkrete
Erinnerungen zu schildern. Soweit sie Einzelheiten nicht mehr in Erinnerung
hatte, hat sie dies deutlich kundgetan. Das Gericht ist deshalb überzeugt, dass
sämtliche Angaben der Zeugin wahr sind.
66 Ihre Angaben zum Verbleib ihres Exemplars der schriftlichen
Honorarvereinbarung deckten sich im Übrigen mit den Angaben des in der
Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Rechtsanwalt U
DO
. Dieser bestätigte
die Angabe der Zeugin SW, dass diese ihr Exemplar ihm übergeben habe.
Dieses Exemplar hatte der Zeuge Rechtsanwalt
DO
auch zum Termin der
Hauptverhandlung mitgebracht, wo es sowohl verlesen als auch von sämtlichen
Beteiligten in Augenschein genommen wurde. Dieses Schreiben deckte sich
inhaltlich mit der ebenfalls in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunde vom 23.
August 2007, dem ehemaligen Exemplar des Angeklagten.
67 Aus beiden verlesenen Urkunden ergab sich der Vertragstext und die
vorgenommenen Ergänzungen wie unter III. Tat Ziffer 1 festgestellt. Durch die
Inaugenscheinnahme beider Urkunden ergab sich, dass ein Teil des Textes in
Maschinenschrift und die Zusätze „Pauschalhonorar: damit“ und „97,090.00 EUR“
handschriftlich erfolgt waren. Die Inaugenscheinnahme ergab auch, dass das
Schriftbild „Pauschalhonorar: damit“ und das Schriftbild „97,090.00 EUR“ sich
unterschieden. Ein Rückschluss auf den Zeitpunkt der Vornahme der
handschriftlichen Ergänzung ergab sich aus der Inaugenscheinnahme nicht.
68 Dagegen ist die Einlassung des Angeklagten, er sei stets von einem
Erfolgshonorar von 20 Prozent des ausbezahlten Betrags ausgegangen, schon
für sich genommen nicht glaubhaft. Dies beruht schon darauf, als er sich in seiner
jetzigen Einlassung zu seiner früheren Erklärung in Widerspruch setzt. Er gibt
nunmehr an, er sei nie davon ausgegangen, einen Anspruch auf ein
Pauschalhonorar in Höhe von 97.090,00 EUR netto zu haben. Eine plausible
Erklärung dafür, warum er trotzdem dieses Honorar gegenüber SI bzw. dessen
Betreuer Rechtsanwalt
WI
geltend gemacht hat, konnte er nicht angeben. Soweit
er lediglich darauf verwiesen hat, er habe schließlich nicht gewusst, welche
Zahlungen die S AG im Zeitpunkt der Rechnungsstellung erbracht gehabt habe,
weshalb er den vollen Betrag in die Rechnung gesetzt habe, vermag dies das
Gericht nicht zu überzeugen. Eine wirksame Vereinbarung eines Erfolgshonorars
unterstellt, hätte es dem Angeklagten jederzeit freigestanden, den Betreuer
Rechtsanwalt
WI
um Auskunft zu ersuchen, welche Beträge denn nunmehr
bezahlt worden seien und auf der Grundlage dieser Auskunft das Honorar
geltend zu machen. Dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Rechnungsstellung
angenommen hat, die S AG habe eventuell doch eine Kapitalisierung
vorgenommen und die Invaliditätsleistung in Höhe von 485.450,00 EUR
vollständige ausbezahlt, ist fernliegend. So hatte der Angeklagte selbst mit
Schreiben vom 5. September 2007 eingeräumt, ihm sei bewusst, dass ein solcher
Anspruch nicht bestehe. Zudem hat die Zeugin MS, bei der es sich um die
Sachbearbeiterin bei der S AG des Invaliditätsfalls SI handelt, in der
Hauptverhandlung glaubhaft erklärt, Verhandlungen über eine Einmalzahlung als
Abfindung hätten zwar anfangs stattgefunden. Der Angeklagte habe eine
Vorstellung in der Größenordnung von 350.000,00 EUR als Einmalzahlung
gehabt. Diese seien aber spätestens mit Schreiben vom 23. November 2007 an
den Angeklagten endgültig abgelehnt worden. Danach habe es auch mit dem
Angeklagten keine Gespräche über eine Kapitalisierung mehr gegeben.
69 Zudem steht diese Erklärung auch im Widerspruch zum Vorbringen des
Angeklagten im Verfahren 3 O 19/09 des Landgerichts Ellwangen. In diesem
Verfahren hat er sowohl schriftsätzlich als auch auf ausdrückliche Nachfrage der
Zivilkammer erklärt, er habe einen Pauschalhonoraranspruch in Höhe von
97.090,00 EUR netto unabhängig von der seitens der S AG erbrachten
Versicherungsleistung. Dieses Vorbringen im Zivilverfahren hat der Angeklagte
auf Vorhalt seines Schriftsatzes vom 21. August 2009 sowie des Protokolls der
mündlichen Verhandlung vor der Zivilkammer vom 17. September 2009 bestätigt.
Er konnte jedoch in der Hauptverhandlung vor der Berufungskammer nicht
erklären, warum er - entgegen seiner Einlassung im Strafverfahren - schriftsätzlich
und im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ein Pauschalhonorar in Höhe von
97.090,00 EUR netto als vereinbart behauptet hat.
70 Darüber hinaus ist die Erklärung, die der Angeklagte für den handschriftlichen
Zusatz gegeben hat, nicht plausibel. Der Angeklagte hat erklärt, der
handschriftliche Zusatz habe lediglich einen Maximalbetrag angeben sollen. Sein
konkreter Anspruch hätte sich immer auf 20 Prozent des von der S AG
ausbezahlten Betrages belaufen. Danach wäre die Angabe eines
Maximalbetrages nach dem eigenen Vorbringen des Angeklagten zum einen
bereits überflüssig gewesen. Denn im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 23.
August 2007 ging sowohl der Angeklagte als auch die Zeugin SW davon aus,
dass eine Einmalzahlung auf die Invaliditätsleistung erfolgen wird und dass diese
maximal 485.450,00 EUR betragen werde. Zum anderen deutet der Wortlaut
„Pauschalhonorar damit: 97.090,00 EUR“ nicht darauf hin, dass damit ein
Maximalbetrag angegeben werden soll. Denn gerade diese wichtige Klarstellung
fehlt in dieser Formulierung.
71 Nur am Rande sei angemerkt, dass die Behauptung des Angeklagten, bei
Anwendung des RVG entstünden bei ihm gesetzliche Gebühren in Höhe von
über 30.000,00 EUR für die erste und zweite Instanz inhaltlich unzutreffend ist.
Unter Berücksichtigung einer Einigung in zweiter Instanz wären bei Anwendung
des RVG Anwaltsgebühren des Angeklagten in Höhe von 25.282,51 EUR.
72 Dies zeigt folgende Berechnung:
73
1. Instanz
2. Instanz
Verfahrensgebühr 1,3
4.176,90 EUR 1,6
5.140,80 EUR
Terminsgebühr
1,2
3.855,60 EUR 1,2
3.855,60 EUR
Einigungsgebühr
1,3
4.176,90 EUR
Auslagen
20,00 EUR
20, 00 EUR
Zwischensumme
8.052,50 EUR
13.193,30 EUR
Umsatzsteuer
1.529,98 EUR
2.506,73 EUR
Gesamt
9.584,48 EUR
15.700,03 EUR
74 Selbst wenn man zugunsten des Angeklagten entgegen dessen möglicherweise
unpräzisen Vorbringens noch die Gebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit
hinzuaddieren würde, bliebe man unter 30.000,00 EUR. Denn - ausgehend von
einer 1,5 Geschäftsgebührt ergäbe sich außergerichtlich ein Honoraranspruch in
Höhe von 5.759,01 EUR. Aufgrund der Anrechnungsregelung würde hieraus ein
Gesamtanspruch von 28.173,92 EUR (5.759,01 EUR + 25.282,51 EUR -
2.867,60 [Anrechnung]) folgen.
75 Zudem wäre der vorgenommene Vergleich auch irreführend. Denn nach dem
Wortlaut der Vereinbarung sollten die außergerichtliche Tätigkeit und die Kosten
der ersten Instanz abgegolten sein; für die zweite Instanz sollte eine
Honorarvereinbarung vorbehalten bleiben.
76 Dem Angeklagten war bewusst, dass ihm im Zeitpunkt der Rechnungsstellung
kein Honoraranspruch mehr zugestanden hat. Wie bereits ausgeführt, ist
widerlegt, dass der Angeklagte es für möglich hielt, dass eine Abfindungszahlung
erfolgt war. Vielmehr musste er davon ausgehen, dass die S AG maximal knapp
70.000,00 EUR ausgezahlt hatte. Denn dem Angeklagten war zum einen
bekannt, dass innerhalb des ersten Unfalljahres nach dem Unfall (13. April 2007
bis 12. April 2008) maximal die Todesfallsumme von 17.885,00 EUR geschuldet
war. Danach war, wie dem Angeklagten ebenfalls bekannt war, eine
Quartalsrente von 16.345,00 EUR geschuldet. Bis zum 3. Dezember 2008
konnten also maximal 17.885,00 EUR + 3 x 16.345,00 EUR + 2.192,80 EUR
(Krankenhaustagegeld) = 69.112,80 EUR ausbezahlt worden sein. Dies war dem
Angeklagten aus der Korrespondenz mit der Versicherung und den von ihm
geprüften Versicherungsunterlagen auch bewusst. Zu seinen Gunsten ist davon
auszugehen, dass ihm nicht bewusst war, dass die S AG insgesamt nur
63.158,00 EUR zuzüglich 2.192,80 EUR Krankenhaustagegeld ausbezahlt hatte.
77 Dass der Angeklagte sich selbst zu Unrecht bereichern wollte, folgt daraus, dass
er Zahlung der Rechnung an sich selbst verlangt hatte.
78 Die weiteren Feststellungen zu den tatsächlich geleisteten Auszahlungen und zur
Korrespondenz der S AG mit dem Angeklagten beruhen - neben den eigenen
Angaben des Angeklagten, der die Korrespondenz als solche einräumt - auf den
glaubhaften Angaben der Zeugin MS, die den Versicherungsfall für die S AG
abgewickelt hat.
79 Tat Ziffer 2:
80 Die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt beruhen bereits auf den eigenen
Angaben des Angeklagten. Dieser hat eingeräumt, die Zahlungen von der V AG
als Kaskoversicherer des Zeugen WA erhalten zu haben. Er hat auch weiter
eingeräumt, die erhaltene Zahlung an den Zeugen WA erst weitergereicht zu
haben, als es nach Abschluss eines Vergleiches vor dem Landgericht Ellwangen
über 7.500,00 EUR zu Vollstreckungsmaßnahmen durch den Zeugen
Rechtsanwalt PR für den Zeugen WA gekommen sei. Weiter hat er eingeräumt,
namens des Zeugen WA eine Klage gegen dessen Vermieter WE beim
Landgericht Ellwangen eingereicht zu haben, die mangels Zahlung des
Vorschusses nicht weiterbetrieben worden sei.
81 Er hat aber bestritten, die Gelder absprachewidrig für sich behalten zu haben. Der
Zeuge WA sei bei unklarer Haftungslage zu ihm gekommen. Dieser habe ihm
gesagt, eine Vollkaskoversicherung zu haben. Diese solle allerdings nur in
Anspruch genommen werden, wenn es nicht zu einer Höherstufung komme. Die
Kaskoversicherung habe der Angeklagte für den Mandanten in Anspruch
genommen, um eine eventuelle Verjährung zu unterbrechen. Der Angeklagte
habe dann mit der V AG vereinbart, das Geld auch für diese zu verwahren. Diese
Vereinbarung habe den Sinn gehabt, dass die V AG den Zeugen WA nicht
höherstufe. Mit der V AG sei weiter vereinbart worden, das Geld dann
zurückzuzahlen, wenn vom wahren Schädiger Schadensersatz geleistet werde.
Es sei zwar richtig, dass sein Konto bei der B Bank, auf dem die Zahlungen der V
AG eingegangen seien, in der Folgezeit keine Deckung mehr in Höhe des
Zahlanspruchs des Zeugen WA aufgewiesen habe. Er habe aber noch weitere
Konten, die im fraglichen Zeitraum stets die erforderliche Deckung aufgewiesen
hätten.
82 Die Angaben des Angeklagten sind schon für sich genommen nicht glaubhaft.
83 Dies beruht zum einen darauf, dass der Angeklagte seinen eigenen Vortrag zu
der Sache angepasst hat. So hat er zunächst in erster Instanz angegeben, er
habe die Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen, um Gelder zur
Verfügung zu haben, um den Prozess gegen den Schädiger W. oder den
Schädiger Verein Naturfreunde führen zu können. Auf Vorhalt, dass das
Verfahren gegen den möglichen Schädiger W. mangels Zahlung des
Gerichtskostenvorschusses im Verfahren 3 O 258/09 des Landgerichts
Ellwangen nicht weiterbetrieben worden sei, wechselte er schon in erster Instanz
seine Einlassung und brachte nunmehr vor, es habe eine Absprache mit der V
AG gegeben, dass das Geld zurückkomme, wenn der Prozess gegen den
Stellplatzeigentümer gewonnen werde. Auf Vorhalt dieses Aussageverhaltens
konnte der Angeklagte keine Erklärung dafür abgeben, warum er sich zunächst
abweichend eingelassen hat. Er blieb nur bei seiner Behauptung, die jetzige
Darstellung sei richtig.
84 Zum anderen ist die Erklärung, er habe mit dem Zahlungsverlangen die
Verjährung unterbrechen wollen, absolut fernliegend und liegt neben jeder
üblichen anwaltlichen Vorgehensweise. Denn im Zeitpunkt der Anforderung des
Geldes von der V AG drohte noch nicht ansatzweise Verjährung. Der
Schadensfall war am 20. Februar 2009 eingetreten. Bereits am 9. April 2009
erfolgte die erste Auszahlung der V AG, am 21. April 2009 die
Komplettregulierung. Bereits aus Gründen des zeitlichen Ablaufs ist deshalb die
Erklärung des Angeklagten abwegig. Des Weiteren spricht gegen die Einlassung
des Angeklagten, dass das Bürgerliche Gesetzbuch Vereinbarungen über die
Verjährung zulässt, § 202 BGB. Dies entspricht auch der gerichtsbekannten
Praxis. Im Fall drohender Verjährung werden regelmäßig Vereinbarungen über
die Verlängerung der Verjährungsfrist getroffen; die Geltendmachung des
Anspruchs, um eine Verjährung zu verhindern, ist dem Gericht demgegenüber
noch nie untergekommen.
85 Weiter spricht gegen die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten, dass der
Zeuge WA von der V AG in seinen Prämien für die Kaskoversicherung
höhergestuft wurde. Nach der Behauptung des Angeklagten war Gegenstand
seiner Vereinbarung mit der V AG auch, dass der Zeuge WA in seinen
Versicherungsprämien nicht höhergestuft wird. Dass eine Höhestufung erfolgt ist,
folgt aus den glaubhaften Angaben des Zeugen WA. Dieser hat nachvollziehbar
angegeben, ihm sei das Problem erst bewusst geworden, als die Höherstufung
erfolgt sei. Vorher habe er gar nicht gewusst, dass die V AG geleistet habe. Dies
deckt sich mit den Angaben seines Bruders, des Zeugen JU. Dieser hat glaubhaft
angegeben, damals bei dem Versicherungsmakler LO beschäftigt gewesen zu
sein, bei dem sein Bruder, der Zeuge WA, Kunde gewesen sei. Zu seinen
Aufgaben habe gehört, die Versicherungsleistungen der Kunden zu überprüfen.
Dabei sei ihm aufgefallen, dass sein Bruder höhergestuft worden sei.
86 Zudem widersprechen die Angaben des Angeklagten den weiteren glaubhaften
Angaben des Zeugen WA. Dieser hat zur Überzeugung des Gerichts zutreffend
dargelegt, er habe den Angeklagten aufgefordert, die Kaskoversicherung nicht in
Anspruch zu nehmen. Denn ihm sei es darum gegangen, eine Höherstufung zu
vermeiden. Er sei der festen Überzeugung gewesen, dass für den Schaden ein
anderer persönlich verantwortlich sei. Schließlich habe er den Stellplatz gemietet
und ein Vermieter müsse doch für die Sicherheit des Parkplatzes sorgen. Diese
Darstellung aus Sicht des juristischen Laien war für die Kammer vollständig
überzeugend. Der Zeuge WA hat nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht, dass
es für ihn fernliegend gewesen wäre, seine Versicherung in Anspruch zu
nehmen, wenn es doch einen klaren Verantwortlichen gebe.
87 Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Angeklagte nicht in der Lage war, den
von der Versicherung ausgezahlten Betrag jederzeit und vorbehaltlos an den
Zeugen H. auszuzahlen.
88 Diese Überzeugung gründet sich zum einen auf den Verlauf des Kontos bei der B
Bank, auf dem die fragliche Zahlung geleistet wurde. Der Verlauf folgt aus der
Verlesung der Kontoauszüge des Kontos des Angeklagten bei der
B Bank
mit
der Kontonummer 5678 vom 1. April 2009 bis 2. Juni 2009 in der
Hauptverhandlung. Aus diesen ergibt sich Folgendes: Vor Eingang der 5.000,00
EUR von der V AG am 14. April 2009 belief sich der Kontostand des neu
eingerichteten Kontos, für das ein Kreditrahmen nicht vereinbart war, auf 5,00
EUR Soll, der auf die erste und zuvor einzige Buchung auf dem Konto
zurückging; am 1. April 2009 wurden 5,00 EUR für die Bankcard belastet. Nach
Eingang der 5.000,00 EUR von der V AG am 14. April 2009 erfolgten am 15. und
16. April Überweisungen an W in Höhe von 941,64 EUR, an X in Höhe von
157,25 EUR, an die Y in Höhe von 275,72 EUR, an die Z in Höhe von 2.000,00
EUR, so dass bereits am 16. April 2009 nur noch 1.620,39 EUR auf dem Konto
vorhanden waren. Nach Gutschriften in Höhe von 7.004,98 und 7.908,51 EUR
am 17. April 2009 betrug der Kontostand zum 20. April 2000 kurzzeitig 15.488,41
EUR. In der Folgezeit wurde das Konto nach zwei Barauszahlungen am 20. April
2009 über 7.000,00 EUR und 7.500,00 EUR zum 21. April 2009 auf 769,43 EUR
zurückgeführt. Die Gutschrift der V AG mit Wertstellung zum 23. April 2009 über
3.800,42 EUR führte kurzzeitig zu einem Kontostand in Höhe von 5.960,32 EUR
zum 22. April 2009. Nach einigen Überweisungen betrug der Kontostand zum 27.
April 2009 nur noch 31,97 EUR. In der Folgezeit befanden sich auf dem Konto
schwankende Habensalden; das höchste Habensaldo betrug zum 14. Mai 2009
6.014,81 EUR.
89 Zum anderen zeigt der weitere zeitliche Verlauf deutlich, dass der Angeklagte
entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage war, den dem Zeugen WA
zustehenden Betrag auszukehren. Denn eine Zahlung leistete der Angeklagte
erst, nachdem er auf Zahlung verklagt und dort einen Vergleich geschlossen
hatte und gegen ihn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden
waren. Dies hat er nicht bestritten. Es folgt zudem aus den glaubhaften Angaben
des Zeugen Rechtsanwalt PR, der eindrücklich geschildert hat, wie unangenehm
es ihm gewesen sei, gegen einen Kollegen vorzugehen und gegen diesen sogar
eine Strafanzeige zu erstatten. So habe er zunächst mit Schreiben vom 23.
Januar 2012 dem Angeklagten eine Frist zur Zahlung bzw. zur Erklärung zum
Sachverhalt bis zum 26. Januar 2012 gesetzt. Mit Schreiben vom 2. Februar
2012 habe er den Angeklagten schriftlich erinnert und eine neue Frist bis zum 6.
Februar 2012 gesetzt. Die danach erfolgten Antworten seien unbefriedigend
geblieben. Mit Schreiben vom 19. März 2012 habe der Zeuge Rechtsanwalt PR
nicht nur gefordert, das Geld nunmehr umgehend bis spätestens zum 19. März
2012 auszahlen; vielmehr sei in diesem auch mit der Einleitung gerichtlicher
Schritte gedroht worden. Darauf hat der Angeklagte nur entgegnet, innerhalb
dieser kurzen Frist sei ein Eingehen auf das Schreiben nicht möglich. Dass der
Angeklagte trotz dieser Androhung nicht bezahlt hat, deutet zusätzlich darauf hin,
dass er zur Zahlung nicht in der Lage war.
90 Er wäre jedoch, was ihm bewusst war, verpflichtet gewesen, das von ihm
entgegengenommene Fremdgeld stets auszahlen zu können und stets
uneingeschränkt bereit zu sein, den Betrag aus eigenen, flüssigen Mitteln
vollständig zu erbringen. Dies kann nach dem tatsächlichen zeitlichen Ablauf
ausgeschlossen werden.
91 Letztlich zeigt auch die oben dargelegte wahrheitswidrige Darstellung des
tatsächlichen Ablaufs, dass dem Angeklagten daran gelegen ist, eine Erklärung
dafür liefern zu können, warum er das Geld nicht ausbezahlt hat. Daraus ist
ergänzend der Schluss zu ziehen, dass dies eine Schutzbehauptung ist, die
aufgestellt wurde, um seine schlechte wirtschaftliche Lage zu verdecken.
92 Tat Ziffer 3:
93 Die Feststellungen zum äußeren Ablauf und zu den Verfahrensdaten
(Mandatsübernahme gegenüber der Zeugin LV, Stellung eines
Scheidungsantrags für sie, Übernahme des Mandats für AV, dessen Vertretung
im zweiten Scheidungsverfahren), beruhen auf den eigenen Angaben des
Angeklagten.
94 Der Angeklagte hat lediglich bestritten, im Zeitpunkt der Übernahme des Mandats
für Herrn AV und während des laufenden Scheidungsverfahrens bis zu seiner
Mandatsniederlegung gewusst zu haben, dass er einst die Zeugin LV vertreten
habe. Er habe lediglich am 10. Juni 2009 mit der Zeugin LV persönlichen Kontakt
gehabt. Es sei zu einem Beratungsgespräch gekommen, in dem sowohl die
Vergütungsvereinbarung getroffen worden, ein Mandantengespräch geführt als
auch der Scheidungsantrag diktiert worden sei. Das Gespräch sei nicht allzu
lange gegangen. Er gehe davon aus, dass es insgesamt circa eine halbe Stunde
gedauert habe. Als er das Mandat des Zeugen AV übernommen habe, habe
seine Kanzleisoftware keine Interessenkollision angezeigt. Prinzipiell leuchte bei
der von ihm verwendeten Software RA Micro eine Warnmeldung auf, wenn die
Software eine Interessenkollision erkenne. Dies sei im vorliegenden Fall
unterblieben.
95 Diese Einlassung des Angeklagten ist aufgrund des tatsächlichen Ablaufs und
der Angaben der Zeugen LV widerlegt. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der
Angeklagte bei Stellung des Scheidungsantrags für AV wusste, dass er zuvor die
Zeugin LV vertreten hatte.
96 Gegen die Einlassung des Angeklagten spricht schon, dass zwischen dem
Scheidungsantrag, den er für LV gestellt hat und dem Scheidungsantrag, den er
für Herrn AV am 14. April 2011 gestellt hat, ein weiteres Verfahren vor dem
Amtsgericht SG - Familiengericht - unter seiner Beteiligung durchgeführt wurde.
Am 29. März 2011 kam es im einstweiligen Anordnungsverfahren über die
Zuweisung der Ehewohnung zu einer nichtöffentlichen Sitzung, an dem die
Zeugin LV mit ihrem damaligen Verfahrensbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt
JE und Herr AV mit seinem Verfahrensbevollmächtigten, dem Angeklagten
teilgenommen hat. Dass diese Verhandlung stattgefunden hat, hat der
Angeklagte, dem das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts SG
vom 29. März 2011 im Verfahren 9 F 27/11 vorgehalten wurde, eingeräumt. Bei
dieser Verhandlung kam es also nach seinen eigenen Angaben zu einem
weiteren persönlichen Kontakt mit seiner ehemaligen Mandantin.
97 Zudem hat die Zeugin LV glaubhaft angegeben, im Rahmen dieser Verhandlung
am 29. März 2011 angesprochen zu haben, dass es doch nicht sein könne, dass
der Angeklagte nunmehr ihren Ehemann vertrete. Die Angaben der Zeugin LV
sind glaubhaft. Sie decken sich auch ansatzweise mit dem protokollierten Ablauf
der nicht öffentlichen Sitzung. Denn dort ist festgehalten, dass sie bereits im Jahr
2009 einen Scheidungsantrag gestellt hatte. Zudem war die Zeugin LV ehrlich
und nachvollziehbar empört über das Verhalten des Angeklagten. Sie hat
dargestellt, dass sie es nicht habe fassen können, dass der Angeklagte zunächst
sie und sodann ihren Mann vertreten habe. Sie habe sich dadurch verraten
gefühlt.
98 Ein noch entscheidenderer Gesichtspunkt gegen die Wahrheit der Einlassung
des Angeklagten ist die Tatsache, dass der Angeklagte am 6. April 2011, also
acht Tage bevor er den Scheidungsantrag für Herrn AV stellte, seine Tätigkeit
aus dem Jahr 2009 gegenüber der Zeugin LV abgerechnet hat. Diese Rechnung
hat er mit einem Anschreiben vom 6. April 2011 an Rechtsanwalt JE als
damaligem Verfahrensbevollmächtigten der Zeugin LV übersandt. In dem in der
Hauptverhandlung verlesenen Schriftsatz vom 6. April 2011 an Herrn
Rechtsanwalt JE führt der Angeklagte wörtlich aus:
99 „[…] In dieser Angelegenheit möchte ich darauf verweisen, dass seinerzeit eine
Honorarvereinbarung für die Ehescheidung zwischen Ihrer Partei - meiner
damaligen Mandantin - und mir abgeschlossen wurde. Von dieser
Honorarvereinbarung müsste Ihre Partei eine Vereinbarung ebenfalls vorliegen
haben. Eine Kostenrechnung vom 01.07.2009 habe ich noch in meinen
Unterlagen. Da sich die Parteien wieder versöhnt haben, wurde seinerzeit nichts
mehr veranlasst. Ich darf Sie bitten, die beigefügte Kostenrechnung Ihrer Partei
weiterzureichen und die Restgebühren auszugleichen.“
100 Soweit der Angeklagte zu diesem Schreiben erklärt hat, Rechnungen würden von
ihm als Standardvorgänge unterzeichnet und nicht näher wahrgenommen,
vermag dies nicht zu überzeugen. Denn bei dem Begleitschreiben vom 6. April
2011 handelt sich um ein individuell geprägtes, kein rein standardisiertes
Schreiben. So bezeichnet der Angeklagte die Zeugin LV tatsächlich auch völlig
zutreffend - sowohl als seine damalige als auch die jetzige Mandantin von
Rechtsanwalt JE.
101 In einer Gesamtschau all dieser Umstände kann ausgeschlossen werden, dass
der Angeklagte im Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags und auch im
Zeitpunkt der Einreichung des Fragebogens zum Versorgungsausgleich sowie
des Festhaltens am Scheidungsantrag am 6. Juni 2011 nicht mehr wusste, dass
er zuvor die Zeugin LV im Scheidungsverfahren gegen AV vertreten hatte.
Spätestens mit der Erklärung der Zeugin LV, sie nehme ihren Scheidungsantrag
zurück und seiner Erklärung, der Scheidungsantrag des AV bleibe
aufrechterhalten, war für ihn zudem klar, dass nun widerstreitende Interessen
vorliegen. Gleichwohl führte er das Mandat fort, bis er es auf den Hinweis, gegen
ihn liege eine Anzeige wegen Parteiverrats vor, niederlegte.
102 Tat Ziffer 4:
103 Der Angeklagte hat zu diesem Komplex keine Angaben gemacht.
104 Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin
NR, des Zeugen Rechtsanwalt HE und den in der Hauptverhandlung verlesenen
Urkunden.
105 Aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Abrechnungsschreiben der L AG
vom 20. Dezember 2011 ergibt sich, dass die L AG an den Angeklagten einen
Betrag von 7.079,81 EUR bezahlt hat. Dies deckt sich auch mit den glaubhaften
Angaben der Zeugin NR. Diese hat in der Hauptverhandlung angegeben, bei
einem Anruf bei der L AG Versicherung sei ihr gesagt worden, man habe an den
Angeklagten die Auszahlung vorgenommen.
106 Aus der weiter glaubhaften Aussage der Zeugin NR ergibt sich, dass der
Angeklagte spätestens am 4. Januar 2012 zur Weiterleitung des Geldes
aufgefordert und ihm die Kontonummer gegeben worden ist, auf welche die
Überweisung vorgenommen werden soll. Weiterhin folgt aus der Aussage der
Zeugin NR auch, dass in der Folgezeit eine Auszahlung durch den Angeklagten
nicht vorgenommen wurde, so dass sie Rechtsanwalt HE mit der Durchsetzung
ihres Anspruchs gegen den Angeklagten beauftragen musste.
107 Diese Aussage deckt sich mit der glaubhaften Aussage des Zeugen
Rechtsanwalt HE, der bestätigt hat, von der Zeugin NR beauftragt worden zu
sein, deren Anspruch gegen den Angeklagten durchzusetzen. Nach Vorhalt der
entsprechenden Schreiben vom 17. Januar 2012 und 31. Januar 2012, die
zudem in der Hauptverhandlung verlesen wurden, hat der Zeuge HE auch
angegeben, den Angeklagten dringend zur Auszahlung des Geldes aufgefordert
zu haben. Gleichwohl sei erst mit Schreiben vom 8. Februar 2012 durch den
Angeklagten mitgeteilt worden, dass 6.244,39 EUR bezahlt worden seien.
Tatsächlich seien aber nur 2.244,39 EUR auf dem Konto der Geschädigten
eingegangen.
108 Diese Angaben decken sich mit den in der Hauptverhandlung verlesenen
Kontoauszügen bzw. Buchungsbelegen.
109 Der in der Hauptverhandlung verlesene Beleg der G Bank vom 8. Februar 2012,
15:46 Uhr weist aus, dass an den Empfänger AR auf das Konto 4321 bei der H
Bank ein Betrag von 2.244,39 EUR überwiesen werden soll. Es handelt sich um
eine Bestätigung eines Überweisungsauftrags. Des Weiteren folgt aus der
ebenfalls in der Hauptverhandlung verlesenen weiteren Bestätigung der G Bank
vom 8. Februar 2012, 15:49 Uhr, dass ein weiterer Überweisungsauftrag über
1.000,00 EUR eingegangen ist, der eine Überweisung auf das Konto des AR,
Kontonummer wie eben, bei der H Bank beinhaltet hat. Aus der
Überweisungsquittung der C Bank vom 9. Februar 2012, 10:55 Uhr, die ebenfalls
in der Hauptverhandlung verlesen wurde, ergibt sich, dass ein
Überweisungsauftrag des Angeklagten vorlag, nachdem an Herrn AR ein Betrag
von 3.000,00 EUR auf dessen Konto bei der H Bank mit der Kontonummer 5432
vorgenommen werden sollte.
110 Aus den glaubhaften Angaben der Zeugen NR und Rechtsanwalt HE folgt
jedoch, dass die Überweisung über 1.000,00 EUR, deren Eingang am 8. Februar
2012 um 15:49 Uhr bestätigt wurde, tatsächlich nicht ausgeführt wurde. Auf dem
Konto des Ehemanns der Geschädigten ging nur der Betrag von 2.244,39 EUR
ein. Dass der Betrag in Höhe von 3.000,00 EUR, der vom Konto der C Bank hätte
überwiesen werden sollen, auf dem Konto des Herrn AR nicht eingegangen ist,
folgt schon aus dem Kontoauszug. Denn die dort verwendete Kontonummer
entspricht nicht der auf den Bestätigungen der G Bank. Es handelt sich insoweit
auch nach den Angaben der Zeugen NR nicht um ein Konto des AR.
111 Dass am 20. Februar 2012 eine weitere Zahlung in Höhe von 1.500,00 EUR
erfolgt ist, folgt sowohl aus der Angabe der Zeugin NR als auch der Angabe des
Zeugen HE.
112 Die Feststellungen zum Ablauf des Zivilprozesses vor dem Amtsgericht SG unter
dem Aktenzeichen 4 C 237/12 folgen aus den Angaben des Zeugen HE. Ebenso
ergibt sich aus dessen Aussage, dass die Zahlung des titulierten Betrags erst
nach Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, nämlich einem
kompletten Zahlungsverbot für sämtliche Konten des Angeklagten, erfolgt ist.
113 Aus diesem tatsächlichen Ablauf folgt, dass der Angeklagte nicht in der Lage war,
den der Geschädigten NR zustehenden Betrag aus freien und verfügbaren
Mitteln dieser jederzeit auszuzahlen. Hätte dem Angeklagten diese Möglichkeit
offengestanden, ist kein Grund ersichtlich, warum er weder auf die persönliche
Anfrage der Zeugin NR am 4. Januar 2012 noch auf die schriftliche Aufforderung
von Rechtsanwalt HE am 17. Januar 2012 und 31. Januar 2012 reagiert hat. Für
die nicht vorhandene wirtschaftliche Fähigkeit des Angeklagten, den Betrag auf
einmal auszugleichen, spricht auch der Umstand, dass die Überweisung über
1.000,00 EUR, die ausweislich der verlesenen Urkunde bezüglich der Daten
ordnungsgemäß bei der Bank eingereicht worden ist, von dieser nicht ausgeführt
wurde. Das Gericht hat hierbei berücksichtigt, dass theoretisch andere Umstände
hierfür verantwortlich sein können, die im Bereich der Bank liegen. Dies ist jedoch
wenig wahrscheinlich.
114 Soweit der Angeklagte zu seiner Verteidigung im Wege der Befragung der Zeugin
NR als Vorhalt eingeführt hat, eine Auszahlung sei deshalb nicht erfolgt, weil er
beauftragt gewesen sei, auch Schmerzensgeld gegenüber der L AG
Versicherung geltend zu machen, vermag dieses an der getroffenen Würdigung
nichts zu ändern.
115 So hat die Zeugin NR glaubhaft angegeben, vom Angeklagten nie verlangt zu
haben, den erhaltenen materiellen Schadensersatz an sie erst auszukehren,
wenn auch Schmerzensgeld bezahlt worden ist.
116 Ein solches Verhalten einer Geschädigten wäre auch überraschend. Es ist kein
vernünftiger Grund ersichtlich, warum ein Geschädigter die von der Versicherung
des Schädigers geleistete Teilzahlung als solche nicht entgegennehmen möchte
und nur eine einheitliche Auszahlung des Gesamtschadensersatzes akzeptiert.
Dies gilt im vorliegenden Fall besonders deswegen, weil die Zeugin NR glaubhaft
angegeben hat, als Ersatz für den beim Unfall beschädigten Pkw einen neuen
anschaffen zu müssen. In dieser Situation wäre ein Verhalten abwegig, auf die
Auszahlung eines ihr sicher zustehenden Teilbetrages bis zu einem nicht näher
bekannten Termin zu verzichten, in dem die Versicherung gegebenenfalls den
geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch erfüllt.
117 Dass die Zeugin tatsächlich einen neuen Pkw anschaffen wollte und hierzu auf
die Auszahlung des Geldbetrags angewiesen war, folgt auch aus dem Ablauf
eines weiteren Zivilprozesses, den der Zeuge Rechtsanwalt HE glaubhaft und
detailliert geschildert hat. Denn nach Eingang der titulierten Forderung aus dem
ersten Rechtsstreit vor dem Amtsgericht SG hat der Zeuge Rechtsanwalt HE für
die Zeugin NR im Verfahren 7 C 740/12 des Amtsgerichts SG den Ersatz des
Schadens gefordert, der der Zeugin NR dadurch entstanden ist, dass sie weder
den verunfallten Pkw nutzen noch einen neuen beschaffen konnte. Die
Feststellungen, dass auch der Nutzungsausfallschaden nach Erlass eines
Berufungsurteils im Verfahren 1 S 14/13 durch den Angeklagten voll umfänglich
beglichen wurde, folgt ebenfalls aus den glaubhaften Angaben des Zeugen HE.
118 Die Aussage der Zeugin NR ist voll umfänglich glaubhaft. Belastungstendenzen
waren nicht festzustellen. Die Zeugin NR hat sich bemüht, die an sie gestellten
Fragen so detailliert als möglich zu beantworten. Ihre Angaben stimmten zudem
mit den schriftlichen Unterlagen überein, soweit solche vorhanden waren. Zudem
deckten sich ihre Angaben mit denen des Zeugen Rechtsanwalt HE, wobei
keinerlei Anhaltspunkte für eine Absprache zwischen diesen Zeugen ersichtlich
waren. Die Aussagen waren jeweils aus der eigenen Sicht (die Zeugin NR als
Unfallgeschädigte und Person, die auf den ihr zustehenden Schadensersatz
wartet, Zeuge Rechtsanwalt HE aus der professionellen Sicht eines
Rechtsanwalts) individuell geprägt.
119 Ebensolches gilt für die Angabe des Zeugen Rechtsanwalt HE. Dieser hat seine
eigene Situation plastisch dargestellt. Er hat hierbei ausgeführt, dass es durchaus
unangenehm gewesen sei, gegen einen Kollegen vorzugehen. Die an ihn
gestellten Fragen hat er präzise und ohne auszuweichen beantwortet.
120 Dass der Angeklagte insoweit auch vorsätzlich gehandelt hat, folgt aus dem
zeitlichen Ablauf. Es kann ausgeschlossen werden, dass der ganze, zeitlich lang
gestreckte Vorgang, nur auf einem Versehen beruht. Hiergegen spricht auch der
deutliche Inhalt der an den Angeklagten gerichteten Schreiben des Zeugen
Rechtsanwalt HE.
121 Tat Ziffer 5:
122 Der Angeklagte hat den äußeren Ablauf (bestehendes Arbeitsverhältnis der
Zeugin ES, Kündigung durch die S GmbH, Erhebung der
Kündigungsschutzklage, Verhandlungen mit der S GmbH, Abschluss des
Vergleichs, Korrespondenz mit dem Zeugen Rechtsanwalt SC und die tatsächlich
geleisteten Auszahlungen) eingeräumt.
123 Der Angeklagte gibt aber an, zur Auszahlung der von der S GmbH erhaltenen
73.119,70 EUR nicht verpflichtet gewesen zu sein. Vielmehr habe eine
Vereinbarung zwischen ihm und der Zeugin
ES
bestanden, nach der die
Abfindung in monatlichen Raten zu je 2.000,00 EUR ab dem 30. November 2012
hätte erfolgen sollen. Die Abfindung hätte nach der Vorstellung der Zeugin nicht
auf deren Konto auftauchen sollen. Diese Vereinbarung hätte er gegenüber
seiner Mandantin auch schriftlich bestätigt. Der in seinem Schreiben vom 4. April
2012 enthaltene Schlusssatz „Auf die mit Ihnen abgesprochene Vereinbarung
möchte ich ausdrücklich verweisen“ stelle die schriftliche Fixierung dar. Eine
weitere schriftliche Fixierung der Abrede sei nicht vorgenommen worden.
124 Diese Einlassung ist zur Überzeugung der Berufungskammer widerlegt.
125 Diese Einlassung ist bereits für sich genommen nicht glaubhaft. So ist schon kein
Grund für das Verhalten der Zeugin
ES
erkennbar, die Zahlung erst ein halbes
Jahr später und dann in monatlichen Raten zu je 2.000,00 EUR zu erhalten.
Denn der ausbezahlte Betrag von 73.119,70 EUR war bereits die versteuerte
Nettoauszahlungssumme. Ein „Verstecken“ vor dem Finanzamt war deshalb
vollständig entbehrlich. Welche sonstigen Motive für die Zeugin
ES
eine Rolle
gespielt haben sollten, konnte auch der Angeklagte nicht darlegen.
126 Gegen die Annahme einer solchen Vereinbarung spricht auch, dass nach den
Angaben des Angeklagten über wesentliche Absicherungen der Zeugin ES nicht
gesprochen worden sei. So sei die Bestellung von Sicherheiten zugunsten der
Zeugin ES weder besprochen noch vereinbart worden. Man habe weder bedacht,
besprochen noch geregelt, dass der Angeklagte in Vermögensverfall geraten
könne, weshalb eine Absicherung notwendig sein könnte. Man habe auch nicht
den Fall bedacht, dass entweder die Zeugin
ES
versterben könnte und deshalb
deren Erben die Existenz der Forderung gegen ihn nicht kennen würden, noch
sei bedacht worden, dass der Angeklagte versterben könnte und die
Durchsetzung des Anspruchs gegen seinen Nachlass dann erschwert sein
könnte.
127 Ebenfalls gegen die Annahme einer solchen Vereinbarung spricht, dass diese im
üblichen Verhältnis eines Rechtsanwalts zu seinem Mandanten gänzlich unüblich
wäre.
128 Ganz entscheidend gegen die Annahme dieser Vereinbarung spricht zudem,
dass der Angeklagte in der Korrespondenz mit dem Zeugen Rechtsanwalt Prof.
SC nach seinen eigenen Angaben auf diese nie Bezug genommen hat. Vielmehr
hat es der Angeklagte nach seinen eigenen Angaben darauf ankommen lassen,
dass der Zeuge
SC
gegen ihn Strafanzeige erstattet und sein Verhalten bei der
Rechtsanwaltskammer Stuttgart meldet. Ein solches Verhalten des Angeklagten
wäre kaum erklärbar, wenn er tatsächlich einen guten Grund gehabt hätte, das
erhaltene Fremdgeld nicht auszahlen zu müssen. Soweit sich der Angeklagte als
Erklärungsversuch darauf berufen hat, ihm sei dieses Eingeständnis im Zeitpunkt
der außergerichtlichen Korrespondenz mit dem Zeugen Rechtsanwalt SC
unangenehm gewesen, vermag auch dies nicht zu überzeugen. Denn es
erschließt sich schon nicht, warum diese Vereinbarung für ihn unangenehm sein
sollte. Noch weniger erschließt sich, warum das Einräumen dieser Vereinbarung
unangenehmer sein sollte, als der Verdacht, er könne aus finanziellen Gründen
nicht bezahlen. Völlig unglaubwürdig wird dieser Erklärungsversuch dadurch,
dass diese ihm angeblich unangenehme Begründung im Rahmen des
Verfahrens vor der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen sodann doch
vorgebracht wurde. Der Angeklagte konnte keine Erklärung dafür geben, warum
das Offenlegen der angeblichen Vereinbarung in diesem Zeitpunkt nicht mehr
bzw. weniger unangenehm sein sollte.
129 Ebenfalls nicht erklärlich ist, dass der Angeklagte - den Abschluss der
Vereinbarung unterstellt - in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen am 11. Mai
2012 13.119,70 EUR, am 14. Mai 2012 20.000,00 EUR, am 31. Mai 2012 weitere
10.000,00 EUR und am 15. Juni 2012 weitere 5.000,00 an die Geschädigte
ausgezahlt hat, auf die diese keinen Anspruch gehabt hätte.
130 Zudem sind die Angaben des Angeklagten widerlegt durch die glaubhafte
Aussage der Zeugin ES. Diese hat angegeben, mit dem Angeklagten eine
Stundungsvereinbarung nie getroffen zu haben. Sie habe den Angeklagten vor
Abschluss des Anwaltsvertrags nicht gekannt. Sie habe dessen Kanzlei gewählt,
weil man in deren Nähe gut parken könne. Ein besonderes Näheverhältnis habe
weder zuvor existiert noch habe sich ein solches entwickelt. Nach Vorhalt der
Angaben des Angeklagten erklärte die Zeugin, diese Einlassung sei „verstunken
und verlogen“. Glaubhaft schilderte die Zeugin, dass sie sich nach Abschluss des
Vergleichs mit der S GmbH gewundert habe, dass eine Auszahlung des Betrags
nicht erfolgt sei. Deshalb habe sie bei der S GmbH angerufen und nach dem
Verbleib des Geldes gefragt. Von dort sei ihr mitgeteilt worden, eine Auszahlung
an den Angeklagten sei bereits erfolgt. Im Nachhinein sei ihr auch komisch
vorgekommen, dass der Angeklagte sie gefragt habe, ob sie frei verfügbares
Geld habe. Dies könne er für sie verwahren. Glücklicherweise habe sie diesen
Vorschlag abgelehnt.
131 Die Angaben der Zeugin
ES
sind glaubhaft. Sie bemühte sich ohne jeden
Belastungseifer, die ihr gestellten Fragen konkret und detailliert zu beantworten.
Für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage spricht auch, dass sie Details berichtet hat,
die für sie von realer Bedeutung waren. So hat sie angegeben, sich den
Angeklagten als Rechtsanwalt danach ausgesucht zu haben, wo sie geschickt
parken könne. Die Aussage „verstunken und verlogen“ zeigt eine individuelle
Prägung, die ebenfalls für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht. Ebensolches
gilt für die Angabe, zum Glück sei sie nicht auf den Vorschlag des Angeklagten
eingegangen, diesem weiteres Geld zur Verfügung zu stellen. Die Erleichterung,
dies nicht getan zu haben, war der Zeugin noch bei ihrer Aussage vor der
Berufungskammer anzumerken.
132 Zudem spricht auch die wirtschaftliche Situation des Angeklagten gegen die
Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung. Aus seiner wirtschaftlichen
Situation ist zu schließen, dass es ihm um einen schnellen Abschluss des
Vergleichs mit der S GmbH ging, um Geld auf seine Konten zu bekommen. Denn
auf diesen befand sich vor Eingang der 73.119,70 EUR kaum verfügbares
Vermögen.
133 Dies folgt aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Kontoauszügen der
C
Bank
zum Konto mit der Kontonummer 1234 für den Zeitraum 23. März bis 2. Mai
2012, den Darlehenskonten bei der
A Bank
unter den Nummern 7890, 8901,
9012, und 0123 für den Zeitraum 5. April bis 2. Juli 2012, bei der
D Bank
unter
den Kontonummern 2345 sowie 3456 für den Zeitraum 5. April bis 2. Juli 2012,
der
E Bank
mit der Kontonummer 4567 für den Zeitraum 5. April bis 2. Juli 2012,
der
B Bank
unter der Kontonummer 5678 für den Zeitraum 5. April bis 2. Juli
2012, der
F Bank
mit der Kontonummer 9876 für den Zeitraum 5. April bis 2. Juli
2012 sowie der
G Bank
unter den Kontonummern 6789 sowie 8765 für den
Zeitraum 5. April bis 2. Juli 2012. Dass es sich hierbei um sämtliche Konten des
Angeklagten handelte, folgt aus der ebenfalls in der Hauptverhandlung
verlesenen Auskunft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 6.
August 2012. Auch nach den eigenen Angaben des Angeklagten bestanden
keine weiteren Konten bei Kreditinstituten.
134 Aus den verlesenen Kontoauszügen zum Konto mit der Nummer 1234 bei der
C
Bank
ergibt sich Folgendes: Vor dem Eingang der 73.119,70 EUR am 5. April
2012 wies das Konto ein Sollsaldo von 4.924,81 EUR auf; der vereinbarte
Kontokorrentkredit belief sich auf 5.000,00 EUR. Aus den verlesenen
Kontoauszügen ergibt sich weiter, dass eine am 30. März 2012 eingereichte
Lastschrift der Mercedes Benz AG über 777,30 EUR mit Wertstellung zum 2. April
2012 wieder storniert wurde. Auf diesem Konto hätte der Angeklagte keine
weiteren Belastungen vornehmen können. Nach Eingang der 73.119,70 EUR
erfolgten am 10. April 2012 Überweisungen an verschiedene Empfänger im
Gesamtumfang von 37.717,98 EUR, so dass das Konto am 11. April ein
Habensaldo von nur von 30.476,91 EUR aufwies. Vom 11. April bis zum 16. April
erfolgten Zahlungsausgänge in Höhe von 4.263,19 EUR, denen
Zahlungseingänge in Höhe von 746,17 EUR gegenüberstanden, so dass der
neue Kontostand zum 18. April 2012 noch 25.611,08 EUR betrug. Vom 18. April
2012 bis zum 2. Mai 2012 erfolgten Zahlungsausgänge in Höhe von 18.299,92
EUR, denen Zahlungseingänge in Höhe von 1.364,07 EUR gegenüberstanden,
so dass das Konto am 4. Mai 2012 nur noch einen Kontostand von 8.375,23 EUR
aufwies. Es war eine Kreditlinie von 5.000,00 EUR eingeräumt.
135 Bei der
A Bank
bestanden zwischen dem 5. April und dem 2. Juli 2012 nur
Darlehenskonten, die auf den Immobilienerwerb des Angeklagten zurückgingen.
Das Darlehenskonto mit der Nummer 7890 wies zum 5. April 2012 einen
Sollstand von 28.092,83 EUR, zum 11. April 2012 einen Sollstand von 28.092,83
EUR, zum 18. April 2012 einen Sollstand von 28.092,83 EUR, zum 4. Mai 2012
einen Sollstand von 27.757,51 EUR, zum 11. Mai 2012 einen Sollstand von
27.757,51 EUR, zum 31. Mai 2012 einen Sollstand von 27.643,08 EUR, zum 15.
Juni 2012 einen Sollstand in Höhe von 27.643,08 EUR und zum 2. Juli 2012
einen Sollstand von 27.532,88 EUR aus. Das Darlehenskonto mit der Nummer
8901 wies zum 5. April 2012 einen Sollstand von 175.408,96 EUR, zum 11. April
2012 einen Sollstand von 175.408,96 EUR, zum 18. April 2012 einen Sollstand
von 175.408,96 EUR, zum 4. Mai 2012 einen Sollstand von 173.718,93 EUR,
zum 11. Mai 2012 einen Sollstand von 173.718,93 EUR, zum 31. Mai 2012 einen
Sollstand von 171.843,50 EUR, zum 15. Juni 2012 einen Sollstand von
171.843,50 EUR und zum 2. Juli 2012 einen Sollstand von 171.960,62 EUR auf.
Das Darlehenskonto mit der Nummer 9012 wies zum 5. April 2012 einen
Sollstand in Höhe von 14.353,01 EUR, zum 11. April 2012 einen Sollstand von
14.353,01 EUR, zum 18. April 2012 einen Sollstand in Höhe von 14.353,01 EUR,
zum 4. Mai 2012 einen Sollstand in Höhe von 14.179,87 EUR, zum 11. Mai 2012
einen Sollstand in Höhe von 14.179,87 EUR, zum 31. Mai 2012 einen Sollstand
in Höhe von 14.005,94 EUR, zum 15. Juni 2012 einen Sollstand in Höhe von
14.005,94 EUR und zum 2. Juli 2012 einen Sollstand in Höhe von 13.831,22
EUR auf. Das Darlehenskonto mit der Nummer 0123 wies zum 5. April 2012
einen Sollstand in Höhe von 361.922,60 EUR, zum 11. und 18. April in gleicher
Höhe, zum 4. Mai 2012 einen Sollstand in Höhe von 361.327,27 EUR, zum 11.
Mai 2012 in gleicher Höhe, zum 31. Mai und 15. Juni 2012 einen Sollstand in
Höhe von 362.527,26 EUR und zum 2. Juli 2012 einen Sollstand in Höhe von
362.327,30 EUR auf. Eine darüber hinausgehende Kreditlinie war nicht
eingeräumt. Daraus folgt, dass im Zeitraum 5. April bis 2. Juli 2012 der höchste
Gesamtsollstand bei der
A Bank
sich auf 579.777,40 EUR und der geringste
Sollstand auf 575.652,02 EUR belaufen hat.
136 Die Konten bei der
D Bank
wiesen folgende Stände auf. Das Konto mit der
Nummer 2345 wies zum 5. April, zum 11. April und zum 8. April 2012 einen
Sollstand von 1.092,20 EUR auf; zum 4. Mai, 11. Mai und 31. Mai 2012 belief sich
der Sollstand auf 892,20 EUR, zum 15. Juni 2012 auf 692,20 EUR und zum 2.
Juli 2012 auf einen Sollstand von 892,20 EUR. Eine Kreditlinie war nicht
eingeräumt. Das Konto mit der Nummer 3456 belief sich durchgehend umsatzlos
auf 0,00 EUR. Auch hier war eine Kreditlinie nicht eingeräumt.
137 Das Konto des Angeklagten bei der
E Bank
mit der Nummer 4567 wies zum 5.
April und zum 11. April 2012 ein Habensaldo von 546,72 EUR, zum 18. April
2012 ein Habensaldo in Höhe von 715,99 EUR, zum 4. Mai 2012 ein Habensaldo
in Höhe von 205,14 EUR, zum 11. Mai 2012 ein Habensaldo in Höhe von 285,14
EUR, zum 31. Mai 2012 ein Habensaldo in Höhe von 1.949,61 EUR, zum 15.
Juni 2012 ein Habensaldo in Höhe von 24,90 EUR und zum 2. Juli 2012 ein
Habensaldo in Höhe von 243,63 EUR auf. Eine Kreditlinie war nicht eingeräumt.
138 Das Konto des Angeklagten bei der
B Bank
unter der Kontonummer 5678 hatte
folgenden Verlauf. Zum 4. April belief sich der Kontostand auf 1.599,53 EUR, zum
5. April 2012 betrug der Habensaldo 1.979,03 EUR, zum 10. April 2012 belief sich
der Habensaldo auf 1.882,51 EUR, zum 11. April 2012 auf 2.220,03 EUR, zum
12. April 2012 auf 2.165,25 EUR, zum 13. April 2012 auf 2.095,04 EUR, zum 17.
April 2012 auf ein Sollsaldo von 72,58 EUR, zum 20. April 2012 auf ein Sollsaldo
von 73,13 EUR, zum 25. April 2012 auf ein Habensaldo von 1.619,41 EUR, zum
30. April auf ein Habensaldo 515,28 EUR, zum 8. Mai 2012 auf ein Habensaldo
von 6.033,76 EUR, zum 9. Mai 2012 auf ein Habensaldo von 3.241,61 EUR, zum
10. Mai 2012 auf ein Habensaldo von 2.069,61 EUR, zum 11. Mai 2012 auf ein
Habensaldo von 1.558,75 EUR, zum 14. Mai 2012 auf ein Habensaldo von
3.739,65 EUR, zum 15. Mai 2012 auf ein Habensaldo von 2.147,90 EUR, zum
16. Mai 2012 auf ein Habensaldo von 5.628,43 EUR, zum 18. Mai 2012 auf ein
Habensaldo von 5.074,50 EUR, zum 23. Mai 2012 auf ein Habensaldo von
3.548,42 EUR, zum 24. Mai 2012 auf ein Habensaldo von 2.815,02 EUR, zum
30. Mai 2012 auf ein Habensaldo von 2.576,69 EUR, zum 31. Mai 2012 auf ein
Habensaldo in Höhe von 1.576,69 EUR, zum 4. Juni auf ein Habensaldo von
76,69 EUR, zum 5. Juni 2012 auf ein Habensaldo in Höhe von 408,98 EUR, zum
8. Juni 2012 auf ein Habensaldo von 210,96 EUR, zum 12. Juni 2012 auf ein
Habensaldo von 328,28 EUR, zum 14. Juni 2012 auf ein Habensaldo von
1.724,86 EUR, zum 15. Juni 2012 auf ein Habensaldo von 2.434,17 EUR, zum
18. Juni 2012 auf ein Habensaldo in Höhe von 884,28 EUR, zum 19. Juni 2012
auf ein Habensaldo von 655,47 EUR, zum 25. Juni 2012 auf ein Habensaldo von
105,47 EUR, zum 29. Juni 2012 auf ein Habensaldo von 252,19 EUR, zum 2. Juli
2012 auf ein Habensaldo von 203,82 EUR und 11. Juli 2012 auf ein Habensaldo
von 208,82 EUR. Eine Kreditlinie war nicht eingeräumt.
139 Bei der
F Bank
wurde unter dem Konto Nummer 68888133 lediglich ein
Darlehenskonto geführt. Dieses wies ausweislich des Tilgungsplans zum
30.03.2012 einen Sollstand von 27.894,40 EUR, zum 30. April 2012 einen
Sollstand in Höhe von 27.262,97 EUR, zum 30. Mai 2012 einen Sollstand in Höhe
von 26.677,77 EUR und zum 30. Juni 2012 einen Sollstand von 25.989,71 EUR
auf.
140 Die bei der
G Bank
geführten Konten wiesen folgende Stände auf. Das
Kontokorrentnummer mit der Nummer 174177 belief sich zum 5. April 2012 auf
ein Sollsaldo von 16.640,22 EUR, zum 11. April 2012 auf ein Sollsaldo von
17.754,57 EUR, zum 18. April 2012 auf ein Sollsaldo in Höhe von 17.659,70
EUR, zum 4. Mai 2012 auf ein Sollsaldo in Höhe von 18.371,76 EUR, zum 11.
Mai 2012 auf ein Habensaldo in Höhe von 2.681,06 EUR, zum 31. Mai 2012 auf
ein Sollsaldo in Höhe von 17.432,28 EUR, zum 15. Juni 2012 auf ein Sollsaldo in
Höhe von 14.596,47 EUR und zum 2. Juli 2012 auf ein Sollsaldo in Höhe von
17.473,66 EUR. Bezüglich dieses Kontos waren für den Zeitraum vom 5. April
2012 bis zum 29. April 2012 ein Dispositionskredit in Höhe von 18.500,00 EUR,
vom 30. April 2012 bis zum 31. Mai 2012 ein solcher in Höhe von 18.000,00 EUR
und danach ein solcher in Höhe von 17.500,00 EUR eingeräumt. Das Konto mit
der Nummer 17417760, bei dem es sich um ein Sparbuch handelt, wies vom 5.
April 2012 bis zum 02. Juli 2012 einen konstanten Habensaldo in Höhe von 10,22
EUR auf.
141 Des Weiteren bestand nach den Angaben des Angeklagten eine
Lebensversicherung bei der H AG. Diese weist zum 1. Januar 2014 ein
Vertragsguthaben in Höhe von 135.675,00 EUR auf; inklusive laufender
Überschussbeteiligung und weiterer Überschussbeteiligung beträgt das
Gesamtguthaben 143.636,00 EUR. Die garantierte Todesfallleistung zum 1.
Januar 2014 beträgt 156.358,00 EUR.
142 Des Weiteren ist nach den Angaben des Angeklagten noch eine weitere
Lebensversicherung bei der I AG in der Größenordnung Rückkaufswert von ca.
10.000,00 EUR aktuell vorhanden.
143 In der Gesamtschau all dieser finanziellen Unterlagen des Angeklagten ist zu
schließen, dass die finanzielle Situation vor Eingang der 71.119,70 EUR äußerst
angespannt war. Aus den Abbuchungen in unmittelbarer zeitlicher Nähe dazu
ergibt sich, dass der Angeklagte dringend darauf angewiesen war, zur
Begleichung von Schulden das für die Zeugin ES bestimmte Geld für eigene
Zwecke zu verwenden. Die angespannte Lage des Angeklagten zeigte sich auch
darin, dass kurz vor Eingang der 71.119,70 EUR eine Lastschrift in Höhe von
777,30 EUR zurückgegeben werden musste.
144 Hinzu kommen die glaubhaften Angaben des Zeugen Prof. SC. Dieser hat
plastisch geschildert, wie bei ihm nach Übernahme des Mandats der Zeugin ES
die Alarmglocken geläutet hätten. Ihm sei schon der zeitliche Ablauf komisch
vorgekommen. Denn Frau
ES
sei im Alter von 59 Jahren und bei einer
Betriebszugehörigkeit von über 20 Jahren bei der S GmbH faktisch unkündbar
gewesen. Dieser Umstand hätte sich für ihn noch dadurch bestätigt, dass die
Kündigungserklärung nur eine sehr knappe Begründung aufgewiesen habe, die
letztlich so nicht zu halten gewesen wäre. Auch das mit der Kündigung bereits
übermittelte gute Abfindungsangebot hätte darauf hingedeutet, dass deutlich
mehr zu erreichen gewesen wäre. Ebenfalls nicht nachvollziehbar gewesen sei
für ihn auch, dass man bereits nach kurzer Zeit zum Abschluss des Vergleiches
gekommen sei, der eigentlich keine Verbesserung zum Angebot der S GmbH
dargestellt habe. Nach seiner eigenen Einschätzung fahre die Zeugin
ES
mit
diesem Vergleich sogar schlechter. Er habe deshalb mit der Personalchefin der S
GmbH Kontakt aufgenommen, die er aus einem anderen
Kündigungsschutzverfahren gekannt habe. Diese habe ihm gegenüber auch
erklärt, ihr sei das Vergleichsangebot komisch vorgekommen; nachdem es für die
S GmbH aber positiv gewesen sei, habe sie es angenommen. Des Weiteren sei
nach Einschätzung des Zeugen Rechtsanwalt SC auffällig gewesen, dass sich
der Angeklagte eine Inkassovollmacht habe geben lassen und von dieser auch
Gebrauch gemacht habe. Dies sei zwar bei der Bearbeitung eines Zivilmandates
üblich; im arbeitsgerichtlichen Verfahren komme dies aber kaum vor. Ebenfalls
überrascht gewesen sei er, dass der Angeklagte, obwohl der Vergleichsbetrag
von S bereits bezahlt gewesen sei, noch auf der Beschlussfeststellung im
arbeitsgerichtlichen Verfahren bestanden habe. Diese Umstände hätten ihn
veranlasst, sehr schnell zu handeln. In der Gesamtschau der genannten
Umstände sei er davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte in
wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde.
145 Der Zeuge
SC
bestätigte darüber hinaus, dass der Angeklagte vor seiner
schriftlichen Entgegnung im Zivilverfahren sich nie auf den Abschluss einer
Stundungsvereinbarung mit Frau
ES
berufen habe. Frau
ES
habe auch ihm
gegenüber auf Nachfrage bestätigt, dass eine solche Stundungsvereinbarung
nicht abgeschlossen worden sei.
146 Die weiteren Feststellungen zu den vom Angeklagten geleisteten Zahlungen
beruhen neben der Einlassung des Angeklagten auf den diese bestätigenden
Angaben des Zeugen
SC
. Gleiches gilt für den Ablauf des Zivilverfahrens, in
welchem die Zeugin
ES
die letzten noch ausstehenden 20.000,00 EUR
gegenüber dem Angeklagten geltend machen musste. Letztlich gilt dies auch für
die Durchführung der Zwangsvollstreckung, durch welche die Zeugin
ES
die noch
ausstehenden 20.000,00 EUR nebst Gerichtskosten erlangt hat.
V.
147 Der Angeklagte hat sich des versuchten Betrugs nach den §§ 263 Abs. 1, Abs. 2,
22, 23 StGB (Tat Ziffer 1), der Untreue gemäß § 266 StGB in drei Fällen (Taten
Ziffer 2, 4 und 5), davon in einem Fall im besonders schweren Fall gemäß § 266
Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB (Tat Ziffer 5) und des Parteiverrats gemäß §
356 Abs. 1 StGB (Tat Ziffer 5) schuldig gemacht.
148 Tat Ziffer 1:
149 Der Angeklagte versuchte, den Betreuer Rechtsanwalt WI des Herrn SI darüber
zu täuschen, dass er Anspruch auf ein Pauschalhonorar von 97.090,00 EUR
netto habe, obwohl der Angeklagte wusste, allenfalls Anspruch auf 20 Prozent
des von der S AG ausgezahlten Betrages zu haben. Dadurch wollte er erreichen,
dass ihm über 90.000,00 EUR ausbezahlt werden, auf die er keinen Anspruch
hatte. Rechtsanwalt WI ließ sich darauf aber nicht ein.
150 Taten Ziffer 2, 4 und 5:
151 Im Rahmen des Untreuetatbestands ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte
als Rechtsanwalt gemäß § 43a Abs. 5 BRAO zur unverzüglichen Weiterleitung
von angenommenen Fremdgeldern an den Empfangsberechtigten oder zur
Einzahlung auf ein Anderkonto verpflichtet ist. Der Untreue schuldig macht sich
ein Rechtsanwalt dann, soweit er Gelder für einen Mandanten vereinnahmt und
diese nicht einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet. Dieses
Verhalten stellt nur dann keinen Verstoß gegen die Treuepflicht dar und führt nur
dann nicht zu einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB, wenn der Rechtsanwalt
uneingeschränkt bereit und jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus
eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren (ständige Rechtsprechung, vgl.
nur BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2003 - 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54).
152 Tat Ziffer 3:
153 Ein Parteiverrat im Sinne des § 356 StGB liegt vor. Denn der Angeklagte hat die
Eheleute V in derselben Rechtssache vertreten. Für die Frage, ob dieselbe
Rechtssache vorliegt, ist nicht erforderlich, dass ein unmittelbarer zeitlicher oder
durch dieselbe Beauftragung hergestellter Zusammenhang zwischen dem
Anvertrauen der Angelegenheit und der auf neuem Auftrag beruhenden Tätigkeit
besteht. Maßgebend dafür, ob die Rechtssache dieselbe ist, ist der sachlich
rechtliche Inhalt der anvertrauten Angelegenheit, auch wenn dasselbe materielle
Interesse Gegenstand verschiedener Verfahren ist. Die Rechtsprechung geht
davon aus, dass die Scheidung von Ehegatten dieselbe Rechtssache darstellt.
Im Fall der Eheleute V lag auch ein Interessengegensatz vor. Hierfür genügt im
Scheidungsverfahren bereits, dass die Scheidungsfolgen nicht geklärt sind. So ist
auch anerkannt, dass alleine der von Amts wegen durchzuführende
Versorgungsausgleich bereits den erforderlichen Interessengrundsatz begründet
(vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1984 - 5 StR 430/84, NStZ 1985, 74 Rn. 9). Im
vorliegenden Fall tritt hinzu, dass der Angeklagte den Scheidungsauftrag für
seinen neuen Mandanten AV aufrechterhalten hat, nachdem seine frühere
Mandantin LV ihren Scheidungsantrag zurückgenommen hatte.
VI.
154 Der Angeklagte war zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zu
verurteilen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird; gesondert war
er zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30,00 EUR zu
verurteilen.
155 1. Einzelstrafen.
156 Im Rahmen der Strafzumessung war bezüglich aller Einzelstrafen zugunsten des
Angeklagten zu berücksichtigen, dass er strafrechtlich noch nicht in Erscheinung
getreten ist. Des Weiteren ist bei den Taten Ziffer 1., 2., 4. und 5. zugunsten des
Angeklagten zu berücksichtigen, dass sämtliche Schäden wieder gutgemacht
worden sind. Zugunsten des Angeklagten ist weiter bei der Strafzumessung zu
berücksichtigen, dass dem Angeklagten aus den Taten 1. bis 5. erhebliche
standesrechtliche Folgen drohen. Insbesondere das Veruntreuen von
Mandantengeldern unter Verstoß gegen § 43a BRAO (Taten Ziffer 2, 4 und 5)
führt im Regelfall zum Ausschluss aus der Anwaltschaft, § 114 BRAO (vgl.
Anwaltsgerichtshof Celle, Urteil vom 21. Januar 2008 - AGH 1/07, OLGR Celle
2008, 842; Anwaltsgerichtshof München, Urteil vom 25. Juni 2013 - BayAGH II 3-
3/13, zitiert nach Juris).
157 a) Tat Ziffer 1
158 Für die Tat Ziffer 1. ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und
zwei Monaten tat- und schuldangemessen.
aa)
159 Die Strafe ist dem gemäß § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen
des § 263 StGB zu entnehmen. Dieser weist somit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahre und neun Monate oder Geldstrafe aus.
bb)
160 Zum Nachteil des Angeklagten war die angestrebte hohe Schadenssumme von
etwas mehr als 90.000,00 EUR zu sehen. Des Weiteren war zu berücksichtigen,
dass der Angeklagte die Situation ausnützen wollte, die sich aus dem
besonderen Vertrauensverhältnis ergeben hat, welches er zur Zeugin SM hatte.
Diese hatte sich nicht zuletzt an ihn gewandt, weil ihre Mutter und die Mutter des
Angeklagten Cousinen sind und sie ihm deshalb besonders vertraute. Dieses
vorhandene Vertrauen nutzte er aus um zu erreichen, dass die Zeugin SM -
selbst vorsatzlos handelnd - bei seinem versuchten Betrug zum Nachteil des
zwischenzeitlich verstorbenen SI mithelfen sollte. In diesem zielgerichteten
Vorgehen zum Zwecke der Erlangung eines eigenen Vermögensvorteils ist eine
besondere kriminelle Energie des Angeklagten zu sehen, die hier zum Ausdruck
kam. Zugunsten des Angeklagten ist, neben den unter 1. vorerwähnten
Umständen zu berücksichtigen, dass die Tat zwischenzeitlich mehr als fünf Jahre
zurückliegt.
161 Unter Abwägung all dieser Umstände hält das Gericht insoweit eine
Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten für tat- und schuldangemessen.
162 b) Tat Ziffer 2
163 Für die Tat Ziffer 2 ist die Verhängung einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen tat-
und schuldangemessen.
aa)
164 Die Strafe ist dem Regelstrafrahmen des § 266 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der
Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe aufweist.
bb)
165 Zum Nachteil des Angeklagten war der eingetretene Vermögensnachteil in Höhe
von circa 7.500,00 EUR zu berücksichtigen (ausgekehrte 8.842,00 EUR
abzüglich des dem Angeklagten zustehenden Rechtsanwaltshonorars). Weiter
war zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen, dass der Geschädigte V
H. als Folge der Tat des Angeklagten unnötige Kosten aus dem Rechtsstreit mit
seiner Leasinggesellschaft erlitten hat. Denn das von der Kaskoversicherung
ausbezahlte Geld hätte letztlich zur Begleichung der Verbindlichkeiten bei der
Leasinggesellschaft verwendet werden können. Zugunsten des Angeklagten ist,
neben den unter 1. vorerwähnten Umständen zu berücksichtigen, dass die Tat
nunmehr circa fünf Jahre zurückliegt.
166 Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden
Umstände und unter Berücksichtigung des § 47 Abs. 1 StGB war gegen den
Angeklagten eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen festzusetzen.
167 c) Tat Ziffer 3
168 Für die Tat Ziffer 3 war die Verhängung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen tat-
und schuldangemessen.
aa)
169 Der Strafrahmen entspricht dem Regelstrafrahmen des § 356 Abs. 1 StGB und
beläuft sich danach auf Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren. Unter
Berücksichtigung des § 47 Abs. 2 StGB war gegen den Angeklagten eine
Geldstrafe zu verhängen.
bb)
170 Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nach
der erfolgten Strafanzeige das Mandat niedergelegt hat. Weiter war zu
berücksichtigen, dass die gegenläufigen Interessen überschaubar waren. Zum
einen wollte die Zeugin LV nur für einen kurzen Zeitraum nicht mehr geschieden
werden; später hat sie einer Scheidung erneut zugestimmt. Zum anderen war im
Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens zu berücksichtigen, dass dieses
von Amts wegen durchzuführen ist, weswegen der Einfluss auf die gegenläufigen
Interessen gering ist. Im Wesentlichen beschränkt sich die Einflussnahme auf die
Möglichkeit, den Ausschluss des Versorgungsausgleiches zu beantragen. Weiter
war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die Tat
zwischenzeitlich circa drei Jahre zurückliegt.
171 Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden
Umstände und unter Berücksichtigung des § 47 Abs. 2 StGB war gegen den
Angeklagten eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu verhängen.
172 d) Tat Ziffer 4
173 Für die Tat Ziffer 4 war die Verhängung einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen
tat- und schuldangemessen.
aa)
174 Die Tat war dem Regelstrafrahmen des § 266 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der
Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe ausweist.
bb)
175 Zusätzlich zu den allgemein zugunsten des Angeklagten sprechenden
Umständen unter 1. war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
diese Tat zwischenzeitlich etwas mehr als zwei Jahre zurückliegt. Zu Lasten des
Angeklagten war der eingetretene Vermögensnachteil in Höhe von ca. 6.000,00
EUR (ausgezahlt 7.062,81 EUR abzüglich des Vergütungsanspruchs des
Angeklagten) in die Abwägung einzustellen.
176 Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden
Umstände und unter Berücksichtigung des § 47 Abs. 1 StGB war gegen den
Angeklagten eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu verhängen.
177 e) Tat Ziffer 5
178 Hinsichtlich der Tat zum Nachteil der Geschädigten ES war die Verhängung einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten tat- und schuldangemessen.
aa)
179 Die Strafe war dem Strafrahmen des § 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 StGB zu
entnehmen, der Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht.
180 Die Tat zum Nachteil der Geschädigten ES stellt einen besonders schweren Fall
der Untreue gemäß § 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB dar. Denn der
eingetretene Vermögensnachteil liegt bei über 60.000,00 EUR (erhaltene
73.117,90 EUR abzüglich der dem Angeklagten zustehenden
Rechtsanwaltsvergütung).
bb)
181 Zum Nachteil des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass dem Angeklagten
bewusst war, dass die erhaltene Abfindung einen Teil der Alterssicherung der
Geschädigten darstellen wird. Zugunsten des Angeklagten waren die unter 1.
aufgeführten Umstände zu berücksichtigen.
182 Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ist hier eine Freiheitsstrafe von
einem Jahr und sechs Monaten tat- und schuldangemessen.
183 2. Tagessatzhöhe
184 Die Höhe der einzelnen Tagessätze wird gemäß § 40 Abs. 2 StGB auf 30,00
EUR festgesetzt. Bei der Bemessung der Höhe des Tagessatzes hat sich das
Gericht an den Einkommensverhältnissen des Angeklagten zu orientieren. Im
Grundsatz orientiert sich die Höhe des Tagessatzes am aktuellen
Durchschnittsverdienst. Dies wäre im vorliegenden Fall aber nicht angemessen.
Denn es ist allgemein anerkannt, dass mit Sicherheit zu erwartende
Einkommensänderungen zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. April
1976 - 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325 Rn. 8 und 10). Aufgrund des angeordneten
Berufsverbots (vgl. hierzu unten VII.) wird der Angeklagte mit Rechtskraft des
Urteils die Möglichkeit verlieren, Einkünfte aus seiner bisherigen selbständigen
Tätigkeit als Rechtsanwalt zu verdienen. Seine bisherige berufliche Existenz wird
beendet sein. Welche konkrete Tätigkeit er dann ausüben wird, steht nicht fest.
185 Das Gericht hat deshalb von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die
Tagessatzhöhe zu schätzen, § 40 Abs. 3 StGB. Hierbei geht das Gericht davon
aus, dass dem Angeklagten möglich sein müsste, ein Einkommen von
mindestens 1.200,00 EUR netto zu erzielen. Im Rahmen der Schätzung hat das
Gericht die Qualifikation des Angeklagten berücksichtigt. Ihm stehen als
Volljuristen verschiedene Möglichkeiten offen, sich nach Rechtskraft des Urteils in
eine abhängige Beschäftigung zu begeben. An sich wäre mit dieser Qualifikation
aber ein deutlich höheres Einkommen zu erzielen. Dieses war für die Schätzung
aber deutlich herabzusetzen. Denn das Gericht hat der Tatsache Rechnung
getragen, dass der dann vorbestrafte Angeklagte trotz seiner Qualifikation als
Volljurist nicht ohne weiteres eine Stelle in abhängiger Beschäftigung finden
dürfte.
186 3. Gesamtstrafe
187 Aus den verhängten Einzelstrafen war eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren zu verhängen; gesondert war eine Gesamtgeldstrafe von 180
Tagessätzen auszuwerfen, § 53 Abs. 2 StGB.
a)
188 Im konkreten Fall war von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 53
Abs. 2 Satz 1 StGB aus allen verhängten Einzelstrafen abzusehen. Vielmehr war
neben der aus den Freiheitsstrafen bezüglich der Taten Ziffer 1 und Ziffer 5 zu
bildenden Gesamtfreiheitsstrafe eine Gesamtgeldstrafe aus den Geldstrafen
bezüglich der Taten Ziffer 2 bis Ziffer 4 zu bilden, § 53 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 StGB.
189 Dies beruht auf dem Umstand, dass im konkreten Fall eine Gesamtfreiheitsstrafe
aus allen Taten den Angeklagten besonders hart treffen und das schwerere
Strafübel darstellen würde, als zwei gesondert zu verhängende Strafen als
Gesamtfreiheitsstrafe und Gesamtgeldstrafe. Dies begründet sich im
vorliegenden Fall daraus, dass bei Bemessung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus
sämtlichen fünf Einzelstrafen die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe tat- und
schuldangemessen wäre, die über zwei Jahre liegen und deshalb eine
Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr möglich machen würde. Denn bei
einem Vorgehen nach § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB wäre gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2
und 3 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, wobei Einsatzstrafe die für die
Tat Ziffer 5 verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wäre.
Bei Würdigung der einzelnen Straftaten und der Person des Täters, insbesondere
unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Tatbegehungen (versuchter Betrug,
Parteiverrat, Untreue) und des langen Zeitraums, über den sich die Taten
erstrecken, wäre ein enger Zusammenzug nicht angemessen. Es wäre dann auf
eine Gesamtfreiheitsstrafe von über zwei Jahren zu erkennen.
190 Für die Verhängung einer Gesamtgeldstrafe neben einer Gesamtfreiheitsstrafe
spricht auch, dass auf der einen Seite die Schwere der Tat durch die
ausgesprochen Freiheitsstrafe sanktioniert wird, auf der anderen Seite den
Straftaten - teilweise gegen das Vermögen - auch eine unmittelbar spürbare
Sanktion als Geldstrafe tritt.
191 Deshalb hat das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf gesonderte
Gesamtfreiheits- und Gesamtgeldstrafe zu erkennen.
b)
192 Bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe aus den Einzelstrafen für die Taten
Ziffer 1 und 5 war die Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für die
Tat Ziffer 5 als Einsatzstrafe zu bestimmen, § 54 Abs. 2 Satz 2 StGB. Unter
nochmaliger Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten
sprechenden Umstände, insbesondere auch unter Berücksichtigung der
unterschiedlichen Tatbegehungsweise und des deutlichen Zeitabstandes
zwischen den beiden begangenen Taten war die Gesamtfreiheitsstrafe auf zwei
Jahre festzusetzen, § 54 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 StGB.
c)
193 Die aus den Taten Ziffer 2, 3 und 4 zu bildende Gesamtgeldstrafe war auf 180
Tagessätze festzusetzen.
194 Einsatzstrafe waren die Geldstrafe von 120 Tagessätzen aus der Tat Ziffer 2.
Unter Berücksichtigung der Ähnlichkeit der Tatbegehung bei den Taten Ziffer 2
und 4, aber auch unter Berücksichtigung des gänzlich anderen Unrechtsgehalts
der Tat Ziffer 3 war unter nochmaliger Berücksichtigung sämtlicher vorerwähnter
für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, insbesondere auch die
sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Delinquenz die Verhängung
einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen tat- und schuldangemessen.
4.
195 Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt
werden. Die Sozialprognose ist günstig, § 56 Abs. 1 StGB. Die Voraussetzungen
des § 56 Abs. 2 StGB liegen vor und die Verteidigung der Rechtsordnung
gebietet die Vollstreckung nicht, § 56 Abs. 3 StGB.
a)
196 Es steht zu erwarten, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur
Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht
mehr straffällig werden wird. Diese prognostische Zukunftsbeurteilung ist auf der
Grundlage einer Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit getroffen
worden, unter Berücksichtigung aller oben im Einzelnen geschilderten Umstände,
die zugunsten sowie zulasten des Angeklagten ins Gewicht fallen und auf die
ausdrücklich Bezug genommen wird.
197 Das Gericht hat nicht übersehen, dass die Strafaussetzung zur Bewährung und
die Verhängung eines Berufsverbotes (vgl. unten VII.) auf den ersten Blick einen
Widerspruch darstellen. Das Gericht ist jedoch der festen Überzeugung, dass der
Angeklagte im Falle der Rechtskraft des Berufsverbotes sich alleine die
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur Warnung dienen lassen und keine neuen
Straftaten mehr begehen wird. Bei der Prüfung der günstigen Sozialprognose ist
jeder Umstand zu berücksichtigen, der eine positive Wirkung erst erwarten lässt.
Es ist deshalb anerkannt, dass auch der künftige Wegfall dieser Gefahr infolge
des Berufsverbots die günstige Sozialprognose begründen kann (vgl. hierzu
BGH, Urteil vom 6. Mai 1980 - 4 StR 175/80, nicht veröffentlicht, dem Urteil
beigefügt; Leipziger Kommentar/Hubrach, 12. Aufl., § 56 Rn. 27; ähnlich BGH,
Urteil vom 4. Oktober 1955 - 5 StR 268/55, BGHZ 8, 182, 185).
198 Nachdem sämtliche verfahrensgegenständlichen Straftaten vom Angeklagten im
Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt begangen worden sind,
steht zu erwarten, dass der Angeklagte keine Straftaten mehr begehen wird,
soweit er nicht mehr als Rechtsanwalt tätig sein darf. Der Tatbestand des
Parteiverrats ist schon davon abhängig, dass der Täter Rechtsanwalt ist. Eine
weitere Straftat nach § 356 StGB scheidet deshalb bei rechtskräftigem
Berufsverbot aus. Die Taten Ziffer 2, Ziffer 4 und Ziffer 5 konnten vom
Angeklagten nur begangen werden, weil er als Rechtsanwalt Zugriff auf
Fremdgelder hatte. Nach Rechtskraft des Berufsverbotes wird er nur unter
wesentlich eingeschränkteren Voraussetzungen - falls überhaupt - die
Möglichkeit haben, Fremdgelder zu verwalten. Tathandlung bei der Tat Ziffer 1 ist
die betrügerisch überhöhte Abrechnung einer Rechtsanwaltsvergütung. Eine
weitere gleichgelagerte Straftat kann deshalb nach Rechtskraft des
Berufsverbotes auch nicht erwartet werden. Aus diesen Gründen ist dem
Angeklagten deshalb eine positive Sozialprognose zu stellen (vgl. zum
Berufsverbot unter VII.).
b)
199 Nach der Gesamtbetrachtung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten liegen
unter Berücksichtigung der Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe auch
besondere Umstände vor, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen
Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht
ungebracht und den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen
zuwiderlaufend erscheinen lassen.
200 Nicht außer Betracht bleiben kann nämlich insbesondere, dass der Angeklagte
erstmals im Alter von nunmehr 54 Jahren strafrechtlich in Erscheinung getreten ist
und er zuvor ein unbescholtenes Leben geführt hat. Weiter ist als besonderer
Umstand zu berücksichtigen, dass gegen den Angeklagten wegen der
begangenen Taten und der hieraus zu stellenden Gefahrprognose als Maßregel
der Besserung und Sicherung ein Berufsverbot gemäß § 70 StGB zu verhängen
ist (vgl. unten VII.).
c)
201 Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet die Vollstreckung der Strafe nicht.
In Kenntnis der dargelegten Umstände hätte die wohl unterrichtete, rechtstreue
Bevölkerung Verständnis für eine Strafaussetzung zur Bewährung. Sie würde
dadurch nicht in ihrem Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert.
Sie würde das Urteil auch nicht als ungerechtfertigte Nachgiebigkeit und
unsicheres Zurückweichen vor dem Unrecht empfinden. Gegen den Angeklagten
ist neben der Gesamtfreiheitsstrafe auch eine Gesamtgeldstrafe ausgesprochen
worden; zudem wurde gegen ihn als Bewährungsauflage eine Geldauflage
verhängt.
VII.
202 Gegen den Angeklagten ist als Maßregel der Besserung und Sicherung gemäß §
70 StGB ein Berufsverbot von drei Jahren zu verhängen.
1.
203 Der Angeklagte hat durch die begangenen Untreuehandlungen zum Nachteil der
Geschädigten WA, NR und ES sowie durch den versuchten Betrug zum Nachteil
des zwischenzeitlich verstorbenen SI jeweils seinen Beruf missbraucht. Denn der
Angeklagte hat die ihm durch seinen Beruf als Rechtsanwalt gegebenen
Möglichkeiten bewusst zur Begehung von Straftaten ausgenutzt. Die
begangenen Straftaten stehen auch in einem inneren Zusammenhang zu seinem
Beruf. Sie sind symptomatisch für dessen Unzuverlässigkeit im Beruf. Der
Angeklagte hat in den drei ihm zur Last liegenden Vergehen der Untreue die ihm
in § 43a Abs. 5 BRAO auferlegte Berufspflicht gröblich verletzt.
2.
204 Das Gericht ist der Überzeugung, dass die Gefahr besteht, dass der Angeklagte
bei weiterer Ausübung seines Berufs erhebliche rechtswidrige Taten der
bezeichneten Art begehen wird. Das Gericht hat bei dieser Abwägung
berücksichtigt, dass nach ständiger Rechtsprechung an die Annahme der
weiteren Gefährlichkeit im Sinne des § 70 StGB ganz besonders strenge
Anforderungen zu stellen sind, wenn ein Täter erstmalig wegen einer Anlasstat
straffällig wird (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 296/12, StV 2013,
699 Rn. 7).
205 Diese Voraussetzungen sind hier zu bejahen. Sollte der Angeklagte weiter als
Rechtsanwalt tätig sein, ist konkret zu besorgen, dass der Angeklagte erneut
Fremdgelder zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten verwendet.
a)
206 Hierbei ist zum einen die Begehungsweise des Angeklagten zu berücksichtigen.
Es handelte sich nicht um einmalige Taten in engem zeitlichem Zusammenhang.
Vielmehr wurde die Tat zum Nachteil des Zeugen WA bereits im Jahr 2009, die
Tat zum Nachteil der Zeugin NR um den Jahreswechsel 2011 auf 2012 und die
Tat zum Nachteil der Zeugin ES im Mai 2012 begangen. Es ist deshalb nicht
davon auszugehen, dass Grund für die Taten ein einmaliger finanzieller Engpass
des Angeklagten gewesen ist.
b)
207 Vielmehr folgt aus den Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, dass
seine finanzielle Situation sich keineswegs entspannt hat. Auch im Zeitpunkt der
Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht beliefen sich die Verbindlichkeiten
des Angeklagten bei der A Bank nach dessen eigenen Angaben auf über
550.000,00 EUR. Wesentliche Rücklagen sind weiterhin nicht vorhanden. Der
Angeklagte verfügt lediglich über zwei Lebensversicherungen, wobei die eine
einen Rückkaufswert von circa 10.000,00 EUR, die andere ein bisher erreichtes
Guthaben von 143.636,00 EUR ausweist. Mit diesen vorhandenen
Vermögensgegenständen sind die beim Angeklagten vorhandenen
Verbindlichkeiten nicht ansatzweise zu begleichen. Nach seinen eigenen
Angaben verfügt er - neben der nach eigenen Angaben wertausschöpfend
belasteten Immobilie - über keine wesentlichen Vermögenswerte. Es besteht
deshalb weiter die große Gefahr, dass Fremdgelder zur Begleichung eigener
Verbindlichkeiten verwendet werden.
208 Dass die wirtschaftliche Situation prekär ist, folgt auch aus den glaubhaften
Angaben des Zeugen PR, der angegeben hat, ein erster
Zwangsvollstreckungsversuch sei erfolglos geblieben, weil der Angeklagte
gerichtsbekannt unpfändbar ist. Für die Beengtheit der wirtschaftlichen Situation
spricht zudem, dass sowohl der Zeuge HE für die Zeugin NR im Jahr 2012 als
auch der Zeuge SC für die Zeugin ES im Jahr 2013 die Zwangsvollstreckung
gegen den Angeklagten betreiben musste. Letztlich sprechen hierfür auch die
verlesen Kontounterlagen des Angeklagten für den Zeitraum Februar bis Mai
bzw. Juli 2012.
209 Nach den eigenen Angaben des Angeklagten ist eine Verbesserung der
wirtschaftlichen Situation nicht eingetreten.
c)
210 Die Gefahrprognose gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte
weiterhin keinerlei Ander- bzw. Treuhandkonten führt. Diese Feststellung beruht
auf den eigenen, glaubhaften Angaben des Angeklagten in der
Hauptverhandlung. Auf Nachfrage des Gerichts, ob er denn nunmehr
Fremdgeldkonten bzw. Anderkonten eingerichtet habe und Fremdgelder auf
solchen Konten verwahre, hat der Angeklagte angegeben, dass er dies nicht tue.
Er verfüge weiterhin über genau die gleichen Konten, die er auch im Zeitpunkt der
Tat zum Nachteil der Zeugin ES gehabt habe.
211 Der Angeklagte hat damit klargemacht, dass er den Unrechtsgehalt seiner Taten
weiter nicht einsieht. Vielmehr wird er weiter seiner beruflichen Verpflichtung
zuwider handeln, Fremdgelder auf Fremdgeldkonten zu verwahren. Dieser
Verpflichtung aus § 43a Abs. 5 BRAO handelt er schon seit langem bewusst
zuwider. Dieses berufswidrige Verhalten hält er aufrecht, obwohl ihm spätestens
mit Zustellung der Anklageschrift in diesem Verfahren am 10. Juni 2013 bekannt
sein musste, unter welchen Voraussetzungen dieses berufswidrige Verhalten
zusätzlich den Tatbestand der Untreue erfüllt. Der Angeklagte wurde wegen
dieses Verhaltens am 12. September 2013 vom Amtsgericht SG wegen Untreue
verurteilt. Weder die Anklage noch das Urteil des Amtsgerichts SG hat der
Angeklagte zum Anlass genommen, sein Verhalten zu ändern und die dringend
und zwingend notwendigen Ander- bzw. Treuhandkonten zu eröffnen.
d)
212 Zudem hat er angegeben, weiter als Rechtsanwalt tätig zu sein. Eine freiwillige
Aufgabe des Berufs zieht der Angeklagte nach seinen Angaben nicht in Betracht.
e)
213 In der Gesamtschau dieser Umstände besteht deshalb die dringende Gefahr,
dass weiterhin Fremdgelder auf Konten des Angeklagten gelangen und von dort
nicht auf Anderkonten umgebucht werden können. Denn solche existieren nicht.
Dies geschieht in einer wirtschaftlich prekären Situation des Angeklagten, in der
es stets zu weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kommen kann.
Fremdgelder, die sodann auf den Geschäfts- oder Privatkonten eingehen, sind
vor dem Zugriff der Gläubiger des Angeklagten nicht geschützt.
214 Die wirtschaftlich schlechte Situation, die nicht vorhandenen Treuhandkonten und
das uneinsichtige Verhalten des Angeklagten begründen trotz der Tatsache,
dass er Ersttäter ist, die Gefahr, dass der Angeklagte bei weiterer Ausübung des
Rechtsanwaltsberufs erhebliche rechtswidrige Taten zum Nachteil des
Vermögens seiner Mandanten begehen wird.
f)
215 Unter Berücksichtigung sämtlicher im Rahmen der Strafzumessung für und
gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, insbesondere auch unter
Berücksichtigung seines Lebensalters von 54 Jahren und unter Berücksichtigung
der Tatsache, dass er bereits seit dem Jahr 1990 als Rechtsanwalt tätig ist,
machen die Verhängung eines Berufsverbots von insgesamt 3 Jahren zum
Schutz seiner Mandanten notwendig. Dieses ist in diesem Umfang nötig, aber
auch ausreichend.
VIII.
216 Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, soweit sie durch seine
Berufung verursacht worden sind, § 473 Abs. 4 Satz 1 StPO. Bei Durchführung
der Billigkeitsentscheidung war zu berücksichtigen, dass nach den Umständen
anzunehmen ist, dass der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel genauso
eingelegt hätte, wenn schon das erste Urteil so gelautet hätte, wie das der
Berufungskammer (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 473 Rn. 26).
217 Die Staatskasse trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die notwendigen
Auslagen des Angeklagten, soweit sie durch die Berufung der Staatsanwaltschaft
verursacht worden sind.
218 Die gesonderte Festsetzung der Kosten für die Berufung des Angeklagten und
der Berufung der Staatsanwaltschaft beruhen auf deren kostenrechtlich
getrennter Behandlung. Im Rahmen der Kostengrundentscheidung ist nicht zu
prüfen, ob durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gesonderte notwendige
Auslagen entstanden sind (Meyer-Goßner, aaO Rn. 18).