Urteil des LG Ellwangen vom 13.12.2002

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LG Ellwangen Urteil vom 13.12.2002, 3 O 219/02
Neuwagenkauf: Nacherfüllung durch Ersatzlieferung bei Stückkauf; Beweislast für die Unzumutbarkeit einer Nachlieferung
Leitsätze
1. Auch bei einem "Stückkauf" (hier: eines konkreten Neuwagens) ist eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung grundsätzlich möglich, sofern es sich
um Sachen handelt, die einer vertretbaren Sache wirtschaftlich entsprechen und das Leistungsinteresse des Käufers zufrieden stellen.
2. Der Verkäufer hat den Nachweis zu führen, dass die Nachlieferung ihm im Verhältnis zur Nachbesserung unzumutbar ist. Bei der Bestimmung der
Unzumutbarkeit sind insbesondere der Wert der Sache im mangelfreien Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob
auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Im konkreten Fall ist die
Nachlieferung eines mangelfreien Neuwagens jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Kostenaufwand hierfür 30% über dem Kostenaufwand für
die Nachbesserung des gelieferten mangelhaften Neuwagens liegt (sog. "interner Kostenvergleich").
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte ? 3.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.05.2002 zu
bezahlen Zug um Zug gegen die Beseitigung nachfolgend aufgeführter Mängel am Fahrzeug des Klägers VW Golf 1,4 l, 55 kW, Typ 1J10AV,
Fahrzeugidentifizierungsnummer WVW ..., amtliches Kennzeichen ...,
a. defekter Fensterheber an der hinteren linken Tür,
b. Roststellen im Bereich beider Scharniere des Kofferraumdeckels auf einer Fläche von 3-5 cm zwischen den Scharnieren und dem Autodach auf
Kosten der Beklagten gegen Stellung eines Ersatzfahrzeugs, das dem Kläger gebracht und welches nach Gebrauch abgeholt wird, zu beseitigen,
wobei das Fahrzeug AA-S 2067 zum Zwecke der Mangelbeseitigung beim Kläger abgeholt und zu ihm nach erfolgter Reparatur verbracht wird.
3. Es wird festgestellt, dass sich der Kläger mit der Annahme des Reparaturangebots der Beklagten und Durchführung der Reparatur in
Annahmeverzug befindet.
4. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert:
1. Klage ? 16.395,00
2. Widerklage ? 3.000,00
Tatbestand
1
Der Kläger fordert die Nachlieferung eines Neuwagens VW-Golf ; widerklagend verlangt die Beklagte Zahlung des restlichen Kaufpreises.
2
Am 3.4.2002 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über einen Neuwagen VW-Golf 1,4 l, 55 Kilowatt, fünf Gänge, Ausstattung "Spezial" zum
Kaufpreis von Euro 16.395,01 (Anlage K1 zu Blatt 6 der Akten). Auf den Kaufpreis leistete der Kläger eine Anzahlung von 6.000 EUR, weitere
7.395,00 EUR wurden finanziert, so dass ein Restbetrag von 3.000 EUR noch zur Zahlung offen steht.
3
Der PKW wurde am 5.4.2002 vom Kläger abgeholt. Unter diesem Datum wurde seitens der Beklagten auch die Rechnung (Anlage K 2 zu Blatt 6
der Akten) erstellt und dem Kläger übergeben. Kurz darauf stellte der Kläger fest, dass der Fensterheber an der hinteren linken Tür defekt ist und
sich im Bereich der Scharniere des Kofferraumdeckels Roststellen befinden. Die Beseitigung dieser Mängel erfordert einen Kostenaufwand von
Euro 512,67.Darüber hinaus stellte der Kläger fest, dass das Fahrzeug in Südafrika produziert wurde.
4
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10.4.2002 (Anlage K 4 zu Blatt 6 der Akten) forderte dieser die Beklagte zur
Neulieferung eines mangelfreien Pkws auf. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 29.4.2002 (Anlage B 4 zu Blatt 20 der
Akten) lehnte die Beklagte die Neulieferung ab, bot jedoch Nachbesserung an. Durch Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom
6.5.2002 wurde erneut zur Nachlieferung aufgefordert, eine Nachbesserung wurde abgelehnt. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22.5.2002
die Nachlieferung endgültig ab.
5
Der Kläger behauptet, im Rahmen der Kaufverhandlungen sei ihm erklärt worden, das Fahrzeug sei in Deutschland bzw. einem EU-Land
produziert worden. Der Kläger ist der Meinung, die Nachlieferung sei im vorliegenden Fall nicht unzumutbar. Des Weiteren sei ß 439 Abs. 3 BGB
auch auf Fälle der Stückschuld anwendbar, so weit es sich um den Kauf einer vertretbaren Sache handele.
6
Die Klägerin beantragt:
7
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Neuwagen auszuliefern und zu übereignen, der folgende Merkmale aufweist:
8
Golf 1,4 l, 55 kW, 5 Gänge, Ausstattung "Spezial" (intern E 79, W 52), Farbe reflexsilbermetallic, Technikpaket PT 1, Teppich-Bodenbelag (3 MH),
4 Türen, Radio "Alpha"
9
Zug um Zug gegen
10 a. Rückgabe des Fahrzeugs VW Golf 1,4 l, 55 kW, AA-S 2067, Fahrzeugident-Nr. WVW ZZZ 1 JZ 2U 394504,
11 b. Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von ? 3.000.00.
12 c. Zahlung einer Nutzungsentschädigung von ? 245,91.
13 2. Es wird festgestellt, dass sich die Klägerin mit der Rückgabe des im Klageantrag Ziff. 1 a. bezeichneten Fahrzeugs im Annahmeverzug
befindet.
14 Die Beklagte beantragt,
15 die Klage abzuweisen.
16 Widerklagend beantragt die Beklagte:
17 1. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte ? 3.000,00 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2002 zu bezahlen Zug um Zug
gegen die Beseitigung nachfolgend aufgeführter Mängel am Fahrzeug des Klägers Golf 1,4 l, 55 kW, Typ 1J10AV, Fahrzeugidentitätsnummer ...,
amtliches Kennzeichen ...,
18 a. defekte Fensterheber an der hinteren linken Tür,
19 b. Roststellen im Bereich beider Scharniere des Kofferraumdeckels auf einer Fläche von ca. 3-5 cm zwischen den Scharnieren und dem
Autodach auf Kosten der Beklagten gegen Stellung eines Ersatzfahrzeugs, das dem Kläger gebracht und welches nach Gebrauch abgeholt wird,
zu beseitigen, wobei das Fahrzeug ... zum Zwecke der Mangelbeseitigung beim Kläger abgeholt und zu ihm nach erfolgter Reparatur verbracht
wird.
20 2. Es wird festgestellt, dass sich der Kläger mit der Annahme des Reparaturangebots der Beklagten nach Maßgabe Ziffer 1 des
Widerklageantrags und Durchführung der Reparatur in Annahmeverzug befindet.
21 Der Kläger anerkennt den Widerklageantrag Ziffer 1 mit der Maßgabe, dass die Zahlung von ? 3.000,00 Zug um Zug gegen Nachlieferung des
Pkws wie im Klageantrag Ziffer 1 erwähnt, geleistet werde.
22 Im übrigen beantragt er,
23 die Widerklage abzuweisen.
24 Die Beklagte meint, die Nachlieferung eines Pkws sei im Hinblick auf den ihr entstehenden Kostenaufwand unzumutbar gem. ß 439 Abs. 3 BGB.
Des Weiteren ist die Beklagte der Ansicht, bei dem Stückkauf ergebe sich aus der Natur der Sache die Reduzierung der
Nacherfüllungsmöglichkeiten im Sinne des ßß 439 BGB auf die Nachbesserung.
25 Die Beklagte behauptete, für den streitgegenständlichen Pkw gegenüber VW 15.622,22 EUR entrichtet zu haben. Dieser sei als Spezialmodell in
einer kontingentierten Versionen für Vertragshändler zu erwerben gewesen. Das streitgegenständliche Modell sei an die Beklagte am 26.2.2002
ausgeliefert worden. Zum Zeitpunkt des Eingangs des Nacherfüllungsverlangens am 10.4.2002 hätte der an VW zu zahlende Preis Euro
18.880,00 ausgemacht. Die Beklagte behauptet darüber hinaus, alleine durch die erfolgte Zulassung habe der streitgegenständliche PKW einen
Wertverlust von 20% des Neupreises erlitten. Letztlich trägt die Beklagte vor, der Verkaufsaufwand für den streitgegenständlichen Golf würde 400
EUR betragen, wovon ein Teilbetrag für Werbungskosten und der andere Teilbetrag für die Provision des Verkäufers zu verwenden wäre.
26 Bezüglich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlungen gemacht wurden.
27 Hinsichtlich des Ablaufs der mündlichen Verhandlungen wird auf die Protokolle vom 6.8.2002 (Blatt 29 bis 31 der Akten) und 12.11.2002 (Blatt 59
bis 64 der Akten) Bezug genommen.
28 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A sowie B. Hinsichtlich des Inhalts der Aussagen der Zeugen wird auf das
Protokoll der Beweisaufnahme (Blatt 60 bis 64 der Akten) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
29 I. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
30 Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist das Feststellungsinteresse bezüglich des Antrags Ziffer 2 gegeben
(BGH, WM 1987, 1496)
31 1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache nach ßß 439 Abs. 1, 437 Nr. 1, 434, 433 BGB zu.
32 a. Der streitgegenständliche Pkw weist - zumindest - zwei Sachmängel im Sinne des ß 434 Abs. 1 BGB auf, wobei nach neuem Schuldrecht auf
die vereinbarten subjektiven Beschaffenheitsvereinbarungen abzustellen ist (vgl. Palandt-Putzo, 62. Auflage, ß 434, Rdnr. 1). Eine ausdrückliche
Beschaffenheitsvereinbarung ist nicht vorgetragen, so dass auf ß 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BGB abzustellen ist. Zwischen den Parteien ist
unstreitig, dass am Pkw VW Golf der linke hintere Fensterheber nicht funktioniert und an den Kofferraumscharnieren Roststellen vorhanden sind.
Ein Käufer kann selbstverständlich erwarten, dass solche negativen Eigenschaften an einem neu angeschafften Pkw nicht vorhanden sind.
33 b. Der Kläger hat als weitere Anspruchsvoraussetzung (ß 437 Nr. 1 BGB) auch Nacherfüllung in Form der Lieferung einer mangelfreien Sache
verlangt. Unter Nachlieferung ist die vom Verkäufer veranlasste oder vorgenommene unentgeltliche Lieferung einer anderen Sache, die der
verkauften Sache gleich, aber mangelfrei ist (Palandt-Putzo, aaO, ß 437, Rdnr. 7).
34 c. Dem Anspruch stünde auch nicht die - bestrittene - Behauptung der Beklagten entgegen, es habe sich beim Kauf um einen "Stückkauf"
gehandelt, da ein konkretes Fahrzeug ausgewählt worden sei, das bereits auf dem Hof der Beklagten gestanden habe. Das Gericht ist der
Ansicht, dass auch im Falle des Stückkaufs die Nacherfüllung durch Ersatzlieferung grundsätzlich möglich ist, sofern es sich um Sachen handelt,
die einer vertretbaren Sache wirtschaftlich entsprechen und das Leistungsinteresse des Käufers zufrieden stellen (Bitter/Meidt,
"Nacherfüllungsrecht und Nacherfüllungspflicht der Verkäufers im neuen Schuldrecht", ZIP 2001, S. 2114 (2116) / Palandt-Putzo, aaO, ß 439,
Rdnr. 15 / Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland-Haas, Das neue Schuldrecht, S. 184). Eine Unterscheidung ist deshalb nicht mehr
erforderlich, da das neue Schuldrecht bzgl. der Rechte des Käufers bei mangelhafter Lieferung nicht zwischen Stück- und Gattungsschuld
differenziert (a.A. Huber, "Der Nacherfüllungsanspruch im neuen Kaufrecht, NJW 2002, S. 1004 (1006)). Teilweise wird sogar die Möglichkeit der
Nachlieferung eines gebrauchten Vorführwagens bejaht (Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, zitiert nach Palandt-Putzo, aaO).
35 d. Die Beklagte konnte jedoch den ihr obliegenden Nachweis führen, die Nachlieferung sei ihr im Verhältnis zur Nachbesserung unzumutbar. ß
439 Abs. 3 BGB ist als Einrede ausgestaltet (BT-Drucksache 14/6040, S. 232 / Huber, aaO, S. 1007 / Henssler/Graf von Westphalen, Praxis der
Schuldrechtsreform, ß 439, Rdnr. 17). Nach allgemeinen Regeln der Beweislast hat somit die Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen
darzutun.
36 aa. Bei der Bestimmung der Unzumutbarkeit sind insbesondere der Wert der Sache im mangelfreien Zustand, die Bedeutung des Mangels und
die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte
(ß 439 Abs. 3 S. 2 BGB).
37 bb. Das Gericht ist der Ansicht, dass im konkreten Fall die Nachlieferung jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn der Kostenaufwand hierfür
30% über dem Kostenaufwand für die Nachbesserung liegt (sogenannter "interner Kostenvergleich, vgl. hierzu Bitter/Meidt, aaO, S. 2120, 2122f. /
Schubel, JZ 2001, S. 1113 (1116)), wenn man die - bestrittene - Behauptung unterstellt, dem Kläger sei bei Vertragsschluss erklärt worden, der
Pkw sei in Deutschland bzw. einem anderen EU-Land hergestellt worden.
38 Ausgangspunkt der Überlegungen zur Unzumutbarkeit muss ß 251 BGB n.F. sein, der unverändert ß 251 BGB a.F. übernommen hat. ß 251 Abs.
2 BGB spricht von "unverhältnismäßigen Aufwendungen", ß 439 Abs. 3 BGB von "unverhältnismäßigen Kosten", weshalb schon nach dem
Wortlaut davon auszugehen ist, dass der grundsätzliche Maßstab der Gleiche sein dürfte. Für ß 251 Abs. 2 BGB a.F. hatte sich in der
Rechtsprechung grundsätzlich - vorbehaltlich der Besonderheiten des Einzelfalls - eine "Faustformel" von 30% entwickelt (Palandt-Heinrichs,
aaO, ß 251, Rdnr. 7). Im Hinblick darauf, dass insoweit eine Änderung des Schuldrechts nicht erfolgt ist, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass
von der "Faustformel" Abstriche zu machen sind. Es ist jedoch bei allgemeiner Betrachtung zu sehen, dass bei der Bestimmung dieser
Faustformel es regelmäßig um unfallbedingt beschädigte Kraftfahrzeuge ging und man deshalb das "Affektions-Interesse" des Eigentümers der
verunfallten Pkws berücksichtigt hat. Im vorliegenden Fall ist ein solches Affektionsinteresse gerade nicht gegeben, da eine gegenteilige
Interessenlage vorliegt. Der Kläger möchte gerade nicht seinen Pkw behalten, zu dem er im Lauf der Zeit eine "Beziehung" aufgebaut hat,
sondern vielmehr einen Neuwagen im Austausch gegen sein Fahrzeug erhalten. Das Gericht übersieht hierbei nicht, dass der Gesetzgeber im
Rahmen der amtlichen Begründung (BT-Drucksache 14/6040, S. 232) ein Extrembeispiel der Unzumutbarkeit gegeben hat
("Waschmaschinenbeispiel").
39 Es ist in diesem Zusammenhang nämlich auch zu sehen, dass der Gesetzgeber sich bei der Ausgestaltung des ß 439 Abs. 3 BGB an der
bisherigen werkvertraglichen Vorschrift des ß 633 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. orientiert hat (Huber, aaO, S. 1007), so dass - unter Berücksichtigung der
grundsätzlichen Unterschiede zwischen Werkvertrags- und Kaufrecht, die Rechtsprechung des BGH zu ß 633 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. in die
Überlegungen einbezogen werden kann (Huber, aaO, S. 1007 / Henssler/Graf von Westphalen, aaO, Rdnr. 18f.).
40 Das Gericht ist vor diesem Hintergrund der Ansicht, dass als Faustformel für den "internen Vergleich" in Fällen völliger Beseitigung der
Sachmängel durch Nachbesserung eine Grenze von 20% anzusetzen ist (Bitter/Meidt, aaO, S. 2122 schlagen sogar eine solche von nur 10%
vor).
41 Bei der konkreten, fallbezogenen Bestimmung der Unzumutbarkeit war also zu sehen, dass die - unstreitig - vorhandenen Mängel durch
Nachbesserungsarbeiten vollumfänglich beseitigt werden, dem Kläger allerdings im Verhältnis zur Neulieferung der Nachteil verbleibt, einen -
wenn auch fachgerecht - reparierten Wagen zu haben. Hierbei ist zu sehen, dass es sich um kleine Mängel handelt, so dass das Gericht einen
Wertverlust, der mit diesen Reparaturarbeiten einhergeht, nicht erkennen kann. Des Weiteren ist einzustellen, dass nach durchgeführter
Nachbesserung die Tatsache verbleibt, dass der Pkw entgegen der klägerseits behaupteten Zusage nicht in einem EU-Land, sondern in
Südafrika hergestellt wurde. Das Gericht geht davon aus, dass es sich hierbei um einen Mangel im Sinne des ß 434 BGB handelt, nachdem, wie
oben ausgeführt, der Sachmängelbegriff an die konkrete Beschaffenheitsvereinbarung anknüpft. Im Hinblick auf den nunmehr unstreitig
vorhandenen subjektiven Fehlerbegriff (vgl. u.a. BT-Drucksache 14/6040, S. 211) kann in dieser Konstellation nicht darauf zurückgegriffen
werden, dass beispielsweise eine Herkunft aus Lagerbestand beim Neuwagenkauf keinen Sachmangel im Sinne des ß 459 BGB a.F. darstellte
(BGH, NJW 2000, S. 2018). Zu einer erheblichen Änderung der Zumutbarkeitsgrenze führt dies jedoch nicht, da aus dem sonstigen Vortrag des
Klägers nicht ersichtlich wird, dass er auf diesen Umstand gesteigerten Wert gelegt hat. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass im Klageantrag
nicht die Neulieferung eines Pkws verlangt wird, der in der EU hergestellt wurde.
42 cc. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Kosten der Nachlieferung 565% über den Kosten der Nachbesserung liegen. Als Kosten der
Nachlieferung ergeben sich folgende Posten:
43 - Listenpreis für einen neuen Golf der gleichen Baureihe ? 18.653,00
44 - Aufpreis für Extras, dass dieser bzgl. der Ausstattung einem Sondermodell "Spezial" gleichkommt ? 1.200,00
45 - Abzüglich 15,2% Händlerrabatt - ? 3.017,66
46 - Neupreis des streitgegenständlichen Golfs - ? 16.395,01
47 - 15% Wertverlust dieses Modells ? 2.459,25
48 - Gesamtkosten der Nachlieferung ? 2.899,58
49 Die festgestellten Werte ergeben sich aus der glaubhaften, in sich schlüssigen, nachvollziehbaren und von schriftlichen Unterlagen unterstützten
Angaben des Zeugen A, bei dessen Aussageverhalten auch zu sehen war, dass er keinerlei Belastungs- bzw. Entlastungstendenzen zeigte und
zudem tatsächlich nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt ist. Der Zeuge A führte zum einen nachvollziehbar aus, dass die Kosten einer
Neulieferung eines Golfs der fraglichen Baureihe den oben aufgezeigten Betrag ausmachen, der Händlerrabatt insbesondere nicht verhandelbar
sei und eine Ersatzbeschaffung aus dem Kontingent des Sondermodells zum fraglichen Zeitpunkt nicht mehr möglich war. Die Angaben des
Zeugen zur Höhe der Anschaffungskosten und des Händlerrabatts decken sich auch mit den vorgelegten Unterlagen (Anl. B6 zu Bl. 39 d.A.). Des
Weiteren führte er überzeugend aus, dass der Wertverlust durch die Zulassung bei einem VW Golf ca. 15% betrage. Dies deckt sich im übrigen
mit dem gerichtsbekannten Wertverlust von Pkws dieser Klasse durch die Zulassung. Des Weiteren ist insoweit zu sehen, dass es sich hierbei
auch um einen Betrag handelt, der sich in der juristischen Literatur in Beispielsfällen zum neuen Kaufrecht findet (vgl. Heinrich, "Die
Schuldrechtsreform", S. 57, aus www.schuldrechtsreform.com).
50 2. Nachdem ein Anspruch schon nicht besteht, liegt zwingend auch kein Annahmeverzug vor.
II.
51 Die Widerklage ist zulässig und begründet.
52 Gegen die Zulässigkeit bestehen keine Bedenken. Wie unter I. ausgeführt ist bzgl. der Feststellung des Annahmeverzugs ein
Feststellungsinteresse gegeben.
53 1. Die Beklagte hat gegen den Kläger Anspruch auf Zahlung restlichen Kaufpreises in Höhe von ? 3.000,00 aus ß 433 Abs. 2 BGB.
54 a. Zwischen den Parteien besteht unstreitig ein Restzahlungsanspruch in Höhe von ? 3.000,00 aufgrund Kaufvertrags vom 03.04.2002.
55 b. Wie oben ausgeführt sind am vorhandenen Kaufobjekt Mängel vorhanden, die dem Kläger aus ßß 439, 437 Nr. 1, 434 BGB ein Recht auf
Nachbesserung geben, welches dem Käufer die Möglichkeit der Erhebung der Einrede des nichterfüllten Vertrags (ßß 320, 433 BGB) ermöglicht.
In einem solchen Fall ist nur eine Zug-um-Zug-Verurteilung möglich. Nachdem eine solche beantragt wurde, steht dem Klaganspruch nichts
entgegen.
56 c. Der Zinsanspruch beruht auf den ß 286 Abs. 3 BGB, nachdem der Kläger eine Rechnung über den streitgegenständlichen Pkw am 05.04.2002
erhalten hat.
57 2. Der Kläger befindet sich mit der Annahme des Nachbesserungsanspruchs auch im Annahmeverzug (ß 293 BGB), da er die angebotene
Nachbesserung durch die Beklagte zumindest mit Schreiben vom 06.05.2002 endgültig ablehnte (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO, ß 293, Rdnr. 8ff.).
III.
58 Die Kostenentscheidung beruht auf ß 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf ß 709 ZPO. Das Gericht geht davon aus,
dass der Kläger in vollem Umfang unterlegen ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass der ursprünglich formulierte Antrag der Beklagten
dergestalt zu verstehen war, dass eine Verurteilung zur Zahlung des Kaufpreises ohne die Zug-um-Zug-Verpflichtung gewollt war. Die Beklagte
hat zunächst den klageweise geltendgemachten Anspruch dergestalt anerkannt, das nachgebessert werde. Widerklagend wurde von der
ausdrücklichen Formulierung die Zahlung des Kaufpreises verlangt. Hieraus ist zu sehen, dass die Beklagte von Anfang an eine Zug-um-Zug-
Verpflichtung erreichen wollte. Nach Hinweis durch das Gericht im Termin vom 12.11.2002 zu ß 308 ZPO wurde der Antrag klargestellt.