Urteil des LG Duisburg vom 24.08.2004
LG Duisburg: vollkaskoversicherung, mietvertrag, fahrzeug, diesel, leitbild, agb, auflage, haftungsbeschränkung, vermieter, form
Landgericht Duisburg, 7 S 83/04
Datum:
24.08.2004
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 S 83/04
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Grundurteil des Amtsgerichts
Duisburg-Ruhrort vom 16. März 2004 teilweise abgeändert und
insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 363,14 € nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 26. März 2002 zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 10 %, die Klägerin
zu 90 %.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
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I.
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Die Klägerin, die eine Autovermietung betreibt, begehrt von dem Beklagten Ersatz für
eine durch den Beklagten verursachte Beschädigung eines an ihn vermieteten Daimler-
Benz Vito 108 durch falsches Betanken des Dieselmotors mit Benzin. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, GA 117 f.
verwiesen.
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Mit dem angefochtenen Grundurteil vom 16. März 2004 (GA 115 f.) hat das Amtsgericht
den Beklagten dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin den aus dem Vorfall vom 09.
November 2001 entstandenen Schaden zu ersetzen. Zur Begründung hat das
Amtsgericht darauf abgestellt, dass der Beklagte trotz der in dem Mietvertrag
vereinbarten Haftungsfreistellung auf 650,- DM für den vollen Schaden hafte. Im
Rahmen der Auslegung dieser Haftungsfreistellung seien nach ständiger
Rechtsprechung die Grundsätze des Vollkaskoversicherung entsprechend
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heranzuziehen. Danach greife aber ein Versicherungsschutz nicht ein, wenn der
Schadenseintritt auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhe. Letzteres sei hier aber
der Fall gewesen, da der Beklagte beim Betanken des KFZ die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt in ungewöhnlich starkem Maße verletzt habe. So habe er weder auf das in der
Tankklappe angebrachte Schild noch auf die Fahrzeugpapiere geachtet, aus denen sich
die Notwendigkeit der Betankung des Fahrzeugs mit Diesel eindeutig ergebe. Auch
habe der Beklagten den Nachweis nicht erbracht, dass ihm von einem Mitarbeiter der
Klägerin bei Abholung des Fahrzeuges mitgeteilt worden sei, dass dieses mit
Superbenzin zu betanken sei.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten
Berufung. Er verweist darauf, dass das Amtsgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei,
dass der Beklagte grob fahrlässig gehandelt habe. So habe der Vermieter den Mieter
über alle wesentlichen Umstände beim Umgang mit der Mietsache aufzuklären, was
jedoch von der Klägerin nicht nachgewiesen worden sei. Insoweit streite aber
zugunsten des Beklagten eine Vermutung dahingehend, dass er sich bei
entsprechender Aufklärung auch richtig verhalten hätte.
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Zudem sei im Zeitpunkt der Betankung durch den Beklagten das im Tankdeckel
angebrachte Hinweisschild nicht vorhanden gewesen. Selbst wenn dies der Fall
gewesen sei, habe der Beklagte dieses wegen der ungünstigen Position beim Betanken
nicht erkennen können.
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Zu berücksichtigten sei auch, dass der Beklagte keinerlei Zweifel an der Art der
Betankung hätte haben müssen, weil ihm das Fahrzeug als Benzinfahrzeug übergeben
worden sei, was er jedoch nicht habe beweisen können.
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Schließlich habe das Amtsgericht auch den Sinn der Haftungsbegrenzung im
Mietvertrag verkannt. Die Bezeichnung als Haftungsfreistellung im Mietvertrag sei
eindeutig und nicht auslegungsbedürftig. Entsprechend komme auch eine
Haftungserweiterung zu Lasten des Beklagten nach dem Grad des Verschuldnes nicht
in Betracht. Sinn der Klausel sei es aus Sicht des Beklagten gewesen, durch die
Bestimmung der Haftungsobergrenze von 650,- DM im Hinblick auf die Unsicherheiten
bei der Auslegung des Fahrlässigkeitsbegriffs klare Verhältnisse zu schaffen.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Grundurteils vom 16. März 2004 die
Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist darauf, dass im Rahmen der
Auslegung der Haftungsbestimmungen jedenfalls das Leitbild der
Vollkaskoversicherung anzuwenden sei.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe auch fest, dass der Beklagte grob
fahrlässig gehandelt habe. Neben dem von dem Sachverständigen festgestellten
Aufkleber habe die Klägerin auch den am Armaturenbrett befindlichen Diesel-Aufkleber
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unmittelbar nach Anlieferung des KFZ angebracht, was die Klägerin auch bereits
erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt habe.
Nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme sei auch davon auszugehen, dass der
Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass es sich um ein Diesel-
Fahrzeug gehandelt habe. Entsprechendes ergebe sich nämlich aus den Bekundungen
des Zeugen .
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II.
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Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Amtsgerichts
Duisburg-Ruhrort hat in der Sache teilweise Erfolg und ist im Übrigen zurückzuweisen.
Der Beklagte haftet der Klägerin aus der Falschbetankung des Fahrzeuges am
09.11.2001 für den eingetretenen Schaden aus einer positiven Vertragsverletzung der
ihm aus dem Mietvertrag obliegenden Sorgfaltspflichte in Höhe eines Betrages von
363,14 €. Weitergehende Schadensersatzforderungen der Klägerin sind durch die im
Vertrag vereinbarte Haftungsbeschränkung auf 650,- DM auch für den Fall einer groben
Fahrlässigekeit des Beklagten ausgeschlossen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
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1. Auf das Vertragsverhältnis findet gemäß Art. 229 § 3 und § 5 EGBGB das Bürgerliche
Gesetzbuch in seiner vom 01. September 2001 bis zum 31. Dezember 2002 gültigen
Fassung Anwendung.
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Der Beklagte als Mieter haftet danach grundsätzlich dafür, dass das Fahrzeug bei
Rückgabe (§ 546 BGB) keine Schäden aufweist, die auf vertragswirdigem Gebrauch
beruhen, d.h. über die normale Abnutzung hinausgehen ( § 538 BGB).
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Die durch die Betankung eingetretenen Schäden stellen keine Schäden dar, die im
Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs der Sache im Sinne des § 538 BGB lagen,
was auch von dem Beklagten selbst nicht in Abrede gestellt wird.
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2. Eine Haftung des Beklagten für die eingetretenen Schäden ist jedoch im Hinblick auf
die im Mietvertrag vereinbarte "Haftungsreduzierung" auf einen Betrag von 650,- DM für
den Fahrzeugschaden begrenzt, auch wenn der Beklagten den Schaden am PKW grob
fahrlässig verursacht hat.
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Der Mietvertrag vom 31.Oktober 2001 ist dahin auszulegen, dass darin unabhängig von
den Grundsätzen der Vollkaskoversicherung eine Haftungsbeschränkung zugunsten
des Beklagten auch für grob fahrlässig verursachte Schäden vereinbart war.
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Dem Amtsgericht ist darin zuzustimmen, dass sich nach ständiger obergerichtlicher
Rechtsprechung eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Autovermieters
gegen zusätzliches Entgelt nach Art einer Versicherungsprämie gewährte
Haftungsbefreiung am Leitbild einer Vollkaskoversicherung orientieren muss. Dieses
Leitbild ist regelmäßig an den AKB auszurichten (vgl. BGH NJW 1978,945; NJW
1981,1211; NJW 1982,167; NJW 1986, 1608; OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 1252/1253;
Wolf/Eckert/Ball: Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8.
Auflage Rn. 625 f.).
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Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass sich die einschlägigen Entscheidungen des
BGH jeweils mit der Frage beschäftigt haben, ob durch die allgemeinen
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Geschäftsbedingungen die bereits nach den Versicherungsbedingungen gegebenen
Haftungsausschlüsse zugunsten des Versicherers/Vermieters (noch) weiter ausgedehnt
werden konnten, was regelmäßig im Hinblick auf die Leitbildfunktion des
Haftungsumfangs bei der Vollkaskoversicherung verneint wurde.
Im Umkehrschluss lässt sich dieser Rechtsprechung aber nicht entnehmen, dass die im
Mietvertrag ohne Beschränkungen vereinbarte Haftungsfreistellung im Hinblick auf die
Grundsätze der Vollkaskoversicherung als eingeschränkt angesehen werden können,
ohne dass sich dafür in den AGB des Vermieters entsprechende Anhaltspunkte
herleiten lassen (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.).
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Das hat zur Folge, dass dann, wenn eine Haftungsfreistellung ohne Bezugnahme auf
die Grundsätze der AKB oder sonstige vertragliche Haftungsfreistellung vereinbart wird,
der Vermieter bei Vertragsschluss ausdrücklich darauf hinweisen muss, dass er eine
Beschränkung der Haftung nach §§ 12 AKB, 61 VVG bei grob fahrlässigen oder
vorsätzlich herbeigeführten Schäden zugrunde legen will. Einem Durchschnittskunden,
auf den insbesondere bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
abzustellen ist, ist nicht ohne weiteres klar, dass bei einer Vollkaskoversicherung ohne
Selbstbeteiligung ein Versicherungsschutz nicht besteht, wenn ein Schaden grob
fahrlässig herbeigeführt wird, weil in der Bevölkerung die Regelung des § 61 VVG
weitgehend unbekannt ist (vgl. OLG Celle OLGR 2001, 236/237, zitiert nach Juris, dort
Rn.5 mit weiteren Nachweisen).
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Bei Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze kann der Vertrag vom 31. Oktober
2001 nur dahin verstanden werden, dass die Klägerin gegen ein besonderes Entgelt
eine Haftungsfreistellung in Form einer Vollkaskoversicherung mit einem Selbstbehalt
von 650,- DM anbieten wollte und dass darüber hinaus unabhängig hiervon jedenfalls
eine Haftungsreduzierung zugunsten des Beklagten auf einen Betrag von 650,- DM
vereinbart werden sollte. Dies ergibt sich bei einer Auslegung der
Geschäftsbedingungen gemäß §§ 133, 157 BGB vom Standpunkt eines objektiven
Erklärungsempfängers.
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Die vertragliche Unterscheidung zwischen Selbstbeteiligung zum einen und
Haftungsreduzierung zum anderen kann von einem Durchschnittskunden nur in diesem
Sinne verstanden werden. Die weiteren Hinweise der Klägerin unter der Überschrift "Zu
beachten" beziehen sich lediglich auf die Selbstbeteiligung und legen nahe, dass der
Kunde durch die Vereinbarung dieses Selbstbehaltes bei der Klägerin Leistungen
erwirbt, die denen einer Vollkaskoversicherung gleichstehen. Dies ergibt sich zunächst
aus dem Hinweis der Klägerin, dass für das Fahrzeug keine Vollkaskoversicherung bei
einem Versicherer besteht und dem Hinweis, dass der Mieter für etwaige Schäden auch
verschuldensunabhängig bis zur Höhe der Selbstbeteiligung haftet. Diese Regelung
entspricht der Risikoverteilung bei einer Vollkaskoversicherung, wonach der
Selbstbehalt in jedem Fall zunächst vom Versicherungsnehmer zu tragen ist.
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Wird daneben aber ausdrücklich eine "Haftungsreduzierung" vereinbart, für die ein
gesonderter Höchtbetrag eingesetzt wird, kann die Erklärung unter Berücksichtigung
des Verständnisses der Beschränkung auf die Selbstbeteiligung nur so verstanden
werden, dass damit auch die darüber hinaus für den Mieter bestehenden Risiken
abgedeckt werden sollten. Dies umfasst zum einen die nach den
Versicherungsgrundsätzen anzunehmenden Haftungsausschlüsse, zum anderen aber
auch die in dem Vertrag angesprochen Folgeschäden, die über den Fahrzeugschaden
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hinausgehen und für die der Mieter nach den Bedingungen der Klägerin durch die
Vereinbarung der Selbstbeteilungen nicht versichert sein sollte. Zwar lässt sich die
Klausel unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters auch dahin verstehen,
dass nur diese letztgenannten Schäden von der Haftungsreduzierung umfasst sein
sollten, so dass der Kunde anders als bei der bloßen Vereinbarung der
Selbstbeteiligung auch bei Folgeschäden maximal in dieser Höhe haften sollte. Dies
wiederspricht aber der Auffassung eines Durchschnittskunden, der die Klausel
jedenfalls so verstehen darf, dass davon sämtliche sonstigen, von dem
Selbstbeteiligungsschutz nicht gedecketen Schäden umfaßt sein sollten.
Unklarheiten bei der Auslegung gehen insoweit zu Lasten der Klägerin als Verwenderin
der AGB (§ 5 AGBG). Erweist sich nämlich die Klausel als wirksam, so gilt nach § 5
AGBG stets die kundenfreundlichste Auslegung (vgl. Palandt/Heinrichs 61. Auflage § 5
AGBG Rn. 9 mit weiteren Nachweisen). Die Vorschrift findet nach § 24 AGBG auch im
Verhältnis zum Beklagten als Unternehmer Anwendung.
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3. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen hat der Beklagte der Kläger
danach Schadensersatz in Höhe von 332, 34 € für den eingetretenen Motorschaden zu
leisten. Insoweit haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer
unstreitig gestellt, dass der am Fahrzeug eingetretene Schaden jedenfalls diesen Betrag
übersteigt.
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Darüber hinaus schuldet der Beklagte auch die von der Klägerin in Rechnung gestellten
Tankkosten in Höhe von 30,80 €. Nach dem Vertrag war die Klägerin berechtigt, bei
nicht erfolgter Betankung je Liter Diesel 2,- DM zu berechnen. Bei unstreitig
nachgetankten 40 l Diesel entspricht dies einem Betrag von 40,90 €, so dass die
Klägerin den geltend gemachten Betrag jedenfalls fordern kann.
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Die geltend gemachten Abschleppkosten sind als sonstige (Nicht-Fahrzeug-) Schäden
zwar nicht von der Selbstbeteiligung erfasst, sind aber unter dem Gesichtspunkt der
Haftungsreduzierung ebenfalls von der Klägerin zu tragen.
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Insgesamt ergibt sich ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 363,14 €.
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4. Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 284, 286 BGB. Die Kostenentscheidung beruht
auf § 92 ZPO.
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5. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Auslegung der
vorliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzliche Bedeutung hat.
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