Urteil des LG Duisburg vom 11.05.2009

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Landgericht Duisburg, 1 O 343/08
Datum:
11.05.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 O 343/08
Tenor:
I.
Das Verfahren wird auf Vorlage des originären Einzelrichters gemäß §
348 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 Satz 2 ZPO von der Kammer übernommen, weil
besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art vorliegen.
II.
Der Antrag des Antragstellers vom 15.09.2008 auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe:
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Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte
Schmerzensgeldklage unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung gegen
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. Er sei in der Zeit vom 19.06.2006 bis zum 17.10.2006 in der Justizvollzugsanstalt
in menschenunwürdiger Weise in Gemeinschaftszellen untergebracht worden.
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Die beantragte Prozesskostenhilfe ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht zu
versagen. Zwischen den Parteien sind hinsichtlich der Unterbringung des
Antragstellers folgende Tatsachen unstrittig: Er war in der Zeit vom 19.06. bis zum
23.08.2006 und vom 23.08. bis zum 28.08.2006 jeweils mit drei weiteren
Mitgefangenen in Gemeinschaftszellen untergebracht. Die im Raum befindliche
Toilette verfügte über eine Sichtschutzwand, aber nicht über einen Abschluss und
eine separate Lüftung oder Geruchsschutz. Vom 28.08. bis 31.08.2006 befand sich
der Antragsteller in der JVA . Vom 31.08. bis 01.09.2006 sowie vom 05.09. bis
06.09.2006 war er in seinem Haftraum alleine. Vom 07.09. bis 17.10.2006 war er
mit einem weiteren Häftling zusammen untergebracht. Der Antragsteller trägt vor, er
sei mit dieser letzten Unterbringung zwar einverstanden gewesen, jedoch nur
deshalb, weil ihm seitens der Bediensteten der JVA
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klar gemacht worden sei, dass eine Einzelzelle für ihn nicht in Frage komme.
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macht geltend, dass der Antragsteller sich zu keiner Zeit gegen die jetzt
beanstandete Unterbringung gewehrt habe. Er habe weder einen
verwaltungsinternen Verlegungsantrag gestellt noch Anträge nach § 109 StVollzG
oder § 114 Abs. 2 StVollzG. Bei einem Antrag auf Einzelunterbringung wäre
diesem entsprochen worden. Während des gesamten streitgegenständlichen
Zeitraums sei die Belegung der Zweiganstalt
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immer unterhalb der Gesamtbelegungsfähigkeit gewesen. Der Antragsteller selber
spricht nur von mündlichen Beschwerden, die ohne Dokumentation mündlich
abschlägig beschieden worden seien.
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Ein Anspruch des Antragstellers scheidet gemäß § 839 Abs. 3 BGB aus. Der
Antragsteller hat sich nicht durch Ergreifen der nach dem StVollzG gegebenen
Rechtsbehelfe gegen die gemeinsame Unterbringung zur Wehr gesetzt und damit
nicht zu erkennen gegeben, dass er auf eine Einzelunterbringung besonderen Wert
legte, weil ihn die gemeinsame Unterbringung in besonderem Maße erheblich
belaste. Zwar macht er geltend, mündlich eine Einzelunterbringung gegenüber
Bediensteten der Justizvollzugsanstalt begehrt zu haben, dieses reicht jedoch nicht
aus. Der Antragsteller hätte durch den Gebrauch eines Rechtsmittels den von ihm
jetzt geltend gemachten Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht durch
menschenunwürdige Haftbedingungen abwenden können. Als Rechtsmittel im
Sinne von § 839 Abs. 3 BGB gelten alle Rechtsbehelfe, die sich gegen eine
pflichtwidrige Amtshandlung richten und die Beseitigung oder Berichtigung der
Anordnung und zugleich die Abwendung des Schadens bezwecken und
ermöglichen. Sinn der gesetzlichen Regelung ist, dass ein Geschädigter zunächst
selbst Maßnahmen ergreifen muss, die geeignet sind, die Schadensentstehung zu
verhindern. Die schuldhafte Nichteinlegung eines zumutbaren Rechtsbehelfs führt
deshalb zum Ausschluss einer Haftung, weil der Geschädigte kein Wahlrecht
zwischen Primärrechtssschutz und Schadensersatz aus Amtshaftung hat (vgl.
BGHZ 113, 17). Es ist daher grundsätzlich zu verlangen, dass ein Häftling, der sich
durch die Haftbedingungen in seiner Menschenwürde verletzt sieht, die gesetzlich
vorgesehenen Abhilfemaßnahmen ergreift, die geeignet sind, die Haftbedingungen
zu vermeiden. Nur so ist der Staat überhaupt in der Lage, die erforderlichen
Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Dabei gilt § 839 Abs. 3 BGB auch, soweit der
verschuldensunabhängige Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK in Rede steht (OLG
Naumburg NJW 2005, 514). Der Strafgefangene hat als zulässigen Rechtsbehelf
zunächst einen Antrag an die Gefängnisleitung auf Einzelunterbringung zu stellen.
Kommt die Anstaltsleitung einem solchen Antrag nicht nach, hat der
Strafgefangene innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Zurückweisung
des Antrags nach § 109 StVollzG einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu
stellen. Der Vortrag des Antragstellers, eine Einzelzelle hätte aufgrund der
Überbelegung ohnehin nicht zur Verfügung gestanden, rechtfertigt nicht, den
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gar nicht erst zu stellen. Es ist nicht dargelegt,
dass ein solcher Antrag von vorneherein aussichtslos gewesen wäre. Im Rahmen
des § 839 Abs. 3 BGB ist darauf abzustellen, wie die Behörde auf einen
entsprechenden Antrag rechtmäßigerweise reagiert hätte. Dass in der JVA
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keine Möglichkeiten für eine Einzelunterbringung oder eine Unterbringung des
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Antragstellers in einem Mehrpersonenhaftraum mit baulich getrennter Toilette
gegeben waren, ist insbesondere aufgrund der gegenteiligen Behauptungen des in
Anspruch genommenen nicht ersichtlich.
Dem Anspruch auf Zuerkennung einer Geldentschädigung steht zudem entgegen,
dass der Antragsteller nicht behauptet, durch die Unterbringung in einem
Gemeinschaftshaftraum körperliche oder seelische Einbußen erlitten zu haben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 161, 33) besteht
nur bei solchen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ein Anspruch des
Geschädigten auf billige Entschädigung in Geld, die so schwer wiegen, dass die
Beeinträchtigung der Menschenwürde nicht in anderer Weise – etwa durch
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung durch die hierfür zuständige
Strafvollstreckungskammer – befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob und
inwieweit dem von einem solchen Grundrechtseingriff betroffenen Strafgefangenen
ein Entschädigungsanspruch zusteht, hängt insbesondere von der Bedeutung und
Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie
vom Grad seines Verschuldens ab. Dementsprechend kommt es auch im
Anwendungsbereich der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (EMRK) darauf an, dass die unmenschliche und erniedrigende
Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK nur und erst vorliegt, wenn sie ein
Mindestmaß an Schwere erreicht hat. Auch insoweit sind die Umstände des
Einzelfalles wie die Dauer der Behandlung, ihre physischen und psychischen
Folgen für das Opfer maßgebend (vgl. BGHZ 161, 33 m. w. N.). Ergänzend zu
diesen Grundsätzen hat der BGH in seiner Entscheidung vom 28.09.2006 (NJW
2006, 3572) entschieden, dass ein gemeinsames Unterbringen von
Strafgefangenen entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, der grundsätzlich eine
Einzelunterbringung vorsieht, ohne das Hinzutreten erschwerender, den
Gefangenen benachteiligender Umstände keine Verletzung der Menschenwürde
darstellt. Das wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber in §
201 Nr. 3 StVollzG eine Ausnahme für Justizvollzugsanstalten zugelassen hat, die
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bereits vor Inkrafttreten des StVollzG am 01.01.1977 errichtet worden ist. Demnach
ist die Unterbringung des Antragstellers mit anderen Gefangenen nicht als
menschenunwürdig zu werten. Selbst wenn man zu Gunsten des Antragstellers
eine zu geringe Größe des Haftraumes und die unzureichende Abtrennung der
Toilette unterstellen würde, hinge die Gewährung einer Entschädigung nicht nur
von besonders bedrückenden räumlichen Verhältnissen ab, sondern es müsste
hinzutreten, dass dieser beengte Zustand der Haftzelle den Antragsteller seelisch
oder körperlich nachhaltig und dauerhaft belastet hat. Das ist nicht ersichtlich.
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