Urteil des LG Duisburg vom 02.09.2008

LG Duisburg: presse, brief, rundfunk, ehrverletzung, veröffentlichung, ehre, medien, auflage, schlichtungsverfahren, anwendungsbereich

Landgericht Duisburg, 13 S 140/08
Datum:
02.09.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
13. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 S 140/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Wesel, 30 C 45/08
Schlagworte:
Schlichtungsverfahren Ehrverletzung
Normen:
EGZPO § 15a Abs. 1 Nr. 3; GüSchlG NRW § 10 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:
Ein Schlichtungsverfahren ist wegen eines Anspruchs wegen
Verletzung der persönlichen Ehre nur dann entbehrlich, wenn sich der
Schuldner mit seiner Verletzungshandlung ein Forum gesucht hat, dass
zu einer Veröffentlichung seiner Ehrverletzung in den Medien führt.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.04.2008 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Wesel – 30 C 45/08 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für beide Instanzen: bis 4.000 Euro
Gründe:
1
Die Berufung ist unbegründet.
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I.
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Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2
des Gütestellen- und Schlichtungsgesetzes NRW nicht zuvor von einer Gütestelle
versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Diese Vorschrift sieht
vor, dass eine Klage in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzungen der
persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, erst
zulässig ist, wenn ein Schlichtungsversuch vor einer Gütestelle stattgefunden hat.
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Dies ist hier nicht geschehen, obwohl es bei dem geltend gemachten Anspruch auf
Widerruf von Behauptungen in einem an die neben dem Beklagten übrigen sieben
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Mitglieder der gerichteten "offenen Brief" um einen solchen Anspruch wegen Verletzung
der persönlichen Ehre geht.
Der Kläger kann auch nicht erfolgreich geltend machen, die Verletzungen seien in
Presse und Rundfunk begangen worden, weil über den Brief in Zeitungen und im
Internet vor dem Hintergrund berichtet worden ist, dass die im Rat der Stadt über 2 Sitze
verfügt.
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Es ist zwar richtig, dass der Begriff der Begehung in Presse und Rundfunk untechnisch
zu verstehen ist (vgl. auch Zöller-Gummer, 24. Auflage, § 15a EGZPO Rdnr. 6). Dies
folgt aber bereits daraus, dass Presse und Rundfunk keine gegenständlichen Orte sind,
"in" denen faktisch etwas begangen werden könnte. Die Folgerung, dass es deshalb
allein darauf ankäme, ob die Ehrverletzung durch die Medien einer weiteren
Öffentlichkeit bekannt geworden ist (Zöller-Gummer a.a.O) oder durch die Medien
verbreitet worden sind (Baumbach/Lauterbach-Albers, 61. Auflage, § 15a EGZPO Rdnr.
8), ist indessen nicht tragfähig. Denn Anknüpfungspunkt für die Ausnahme vom
Schlichtungserfordernis kann nur sein, dass die Verletzungshandlung selber einen
Bezug zu Presse oder Rundfunk aufweist. Denn es ist nicht zu verkennen, dass es sonst
auch im Belieben des Verletzten stünde, das Schlichtungserfordernis zu umgehen,
indem er seinerseits die Ehrverletzung öffentlich macht oder die Öffentlichmachung
veranlasst. Auch der Begründung für den Gesetzentwurf (BT Drucks. 14/980 Seite 6) ist
insoweit zu entnehmen, dass es auf einen presserechtlichen Bezug ankommen soll.
Soweit der Kläger argumentiert, diese Auslegung führe dazu, dass der Vorschrift kein
Anwendungsbereich mehr bleibe, weil in ihn fallende Ehrverletzungen dann nur noch
von Pressemitarbeitern oder im Rahmen von Interviews begangen werden könnten,
vermag dies nicht zu überzeugen. Denn das vom Kläger angeführte Argument ist
unrichtig. Eine vom Schlichtungsversuch ausgenommene Ehrverletzung liegt nämlich
vielmehr bereits dann vor, wenn die Tathandlung so begangen wird, dass eine
Berichterstattung ohne weiteres erfolgen kann, sich der Ehrverletzende also ein Forum
gesucht hat, dass zu einer entsprechenden Veröffentlichung führt.
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Kommt es dagegen ohne nachweisbares Hinzutun des Ehrverletzers zu einer
Veröffentlichung, so ist es sachgerecht, auch in diesem Fall auf den
Schlichtungsversuch zu verweisen, wenn es um die Lösung der Frage geht, inwieweit
und wodurch dem Rehabilitationsinteresse des Ehrverletzten genügt werden kann, weil
dann die Streitigkeit ihren privaten Charakter noch nicht verloren hat.
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Auch der Umstand, dass es hier um einen "offenen Brief" handelt, vermag daran nichts
zu ändern. Denn die Überschrift lautet: "Offener Brief an alle Mitglieder". Dies führt zu
der Bewertung, dass der Beklagte gerade kein öffentliches Forum gesucht hat. Denn die
hat lediglich insgesamt 8 Mitglieder, so dass schon vor diesem Hintergrund bei einem
Brief an die übrigen Mitglieder nicht davon gesprochen werden kann, der Beklagte habe
schon durch die Wahl der Form des offenen Briefes eine Art und Weise der
Tatbegehung an den Tag gelegt, die dazu führen musste, dass eine Veröffentlichung
der Behauptungen in Presse und Rundfunk erfolgt. Eine Regel, dass innerparteiliche
Konflikte in jedem Fall öffentlichkeitswirksam werden, gibt es nämlich nicht. Dies gilt
auch für solche Kleinstparteien wie die , die gar keine Partei im parteienrechtlichen
Sinne ist (vgl. § 2 Abs. 1 PartG).
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Dass der Beklagte den Brief an die Presse weitergeleitet habe, also insofern eine
Ehrverletzung in Presse oder Rundfunk begangen habe, ist nicht ersichtlich. Allein der
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Umstand, dass in dem Zeitungsartikel im Lokalteil der vom 01.09.2007 Auszüge aus
dem Brief zitiert werden, lässt nicht zwangsläufig darauf schließen, der Beklagte sei für
die Veröffentlichung des Briefes verantwortlich.
II.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3 ZPO, 48 GKG. Beide Parteien sind
erstinstanzlich von einem Streitwert von bis 4.000 Euro ausgegangen, womit auch die
Bedeutung der Sache hinreichend abgebildet erscheint. Die Kammer sieht deshalb
keinen Anlass von diesem Streitwertansatz abzuweichen.
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Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Von einer grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache ist nicht auszugehen. Da die Rechtslage klar ist, erfordern auch die
Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine
Entscheidung des Revisionsgerichts.
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