Urteil des LG Duisburg vom 20.05.2010

LG Duisburg (vergütung, gesetzliche grundlage, zpo, festsetzung, beschwerde, höhe, nichteröffnung, ausdrücklich, falle, vorschrift)

Landgericht Duisburg, 7 T 105/10
Datum:
20.05.2010
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 105/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 62 IN 145/09
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss
des Amtsgerichts Duisburg vom 08.03.2010 aufgehoben.
Der Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters auf Festsetzung
seiner Vergütung und Auslagen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der vorläufige
Insolvenzverwalter zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
12.765,34 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
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I.
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Wegen des Sachverhalts wird auf die Gründe zu Ziffer I. des angefochtenen
Beschlusses vom 08.03.2010 (Bl. 250 f. d. A.) Bezug genommen. Mit Beschluss vom
08.03.2010 hat das Amtsgericht auf Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters dessen
Entgelt (Vergütung und Auslagen) auf 12.765,34 € festgesetzt.
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Gegen diesen Beschluss, der den Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am
24.03.2010 zugestellt worden ist, hat die Schuldnerin am 06.04.2010 sofortige
Beschwerde eingelegt. Sie vertritt unter Berufung auf die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 03.12.2009 – IX ZB 280/08 – die Ansicht, wegen der
Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens könne die Vergütung des vorläufigen
Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht nicht im Verfahren nach §§ 63, 64 InsO, §§ 8,
10, 11 InsVV festgesetzt werden. Außerdem beanstandet die Schuldnerin die Höhe der
festgesetzten Vergütung. Mit Beschluss vom 28.04.2010 hat das Amtsgericht der
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Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Das Amtsgericht hält die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs für
unzutreffend, da sie insbesondere nicht berücksichtige, dass § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO auf
das Festsetzungsverfahren nach § 64 Abs. 1 InsO verweise. Der vorläufige
Insolvenzverwalter ist zu der beabsichtigten Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses angehört worden und hat sich der Argumentation des Amtsgerichts
angeschlossen.
II.
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1. Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 64 Abs. 3 InsO, statthafte –
und auch im übrigen zulässige – sofortige Beschwerde ist begründet. Dies folgt schon
daraus, dass die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht – wie geschehen
– in dem Verfahren nach § 64 InsO, §§ 8, 10 InsVV festgesetzt werden kann, wenn das
Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden ist.
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Wie der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 03.12.2009 – IX ZB 280/08 (ZIP 2010,
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196/06, BGHZ 175, 48; Beschluss vom 23.07.2004 – IX ZB 256/03) in einer identischen
Fallkonstellation entschieden hat, kann der vorläufige Insolvenzverwalter die
Festsetzung seiner Vergütung nicht aus eigenem Recht betreiben, weil es an einer
entsprechenden Kostengrundentscheidung fehlt und der vorläufige Insolvenzverwalter
auch keine seine Kosten betreffende Grundentscheidung erwirken kann. Weil der
vorläufige Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren – anders als im eröffneten
Insolvenzverfahren – nicht Partei des Verfahrens ist (vgl. BGHZ 175, 48, 50), gibt es für
das Insolvenzgericht keine gesetzliche Grundlage, einen besonderen die Kosten des
vorläufigen Insolvenzverwalters regelnden Beschluss zu erlassen. Zwar hat der
vorläufige Insolvenzverwalter im Falle der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens einen
materiell-rechtlichen Vergütungsanspruch gegen den Schuldner analog §§ 1835, 1836,
1915, 1987, 2221 BGB, zu dessen Durchsetzung er jedoch auf den ordentlichen
Zivilrechtsweg zu verweisen ist (BGH, a. a. O.).
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Damit hat der Bundesgerichtshof unmissverständlich entschieden, dass dem
Insolvenzgericht nicht nur eine Entscheidung über die Kostenlast (so aber Frind, ZInsO
2010, 108, 109), sondern auch eine Entscheidung über die Höhe der Vergütung
verwehrt ist (vgl. Riewe, NZI 2010, 131, 134). Dieser höchstrichterlichen
Rechtsprechung hat die Kammer sich mit Beschluss vom 18.02.2010 – 7 T 293/09 –
unter Aufgabe ihrer früheren, anders lautenden Rechtsprechung angeschlossen und
hält hieran auch unter Berücksichtigung der in dem Nichtabhilfebeschluss des
Amtsgerichts und dem dort zitierten Schrifttum formulierten Einwände fest.
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Die Regelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO mit ihrer Verweisung auf § 64 InsO steht
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach Auffassung der Kammer nicht
zwingend entgegen, da die Festsetzung der Vergütung gemäß § 64 InsO voraussetzt,
dass es sich bei dem Vergütungsanspruch um eine Massekostenforderung gemäß § 54
Nr. 2 InsO handelt (vgl. Smid, jurisPR-InsR 3/2010 Anm. 3). Nach dieser Vorschrift sind
zwar auch die Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters "Kosten
des Insolvenzverfahrens". Doch betrifft sie – wie sich eindeutig aus der
Gesetzesgeschichte ergibt – nur den Fall, dass das Insolvenzverfahren eröffnet worden
ist (BGHZ 175, 48, 50). Mit dieser Einschränkung muss, wenngleich dies in dem
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 03.12.2009 nicht ausdrücklich angesprochen
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wird, wohl auch die Verweisung in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO auf § 64 InsO verstanden
werden. Über die Sachgerechtigkeit dieser, vom Gesetzgeber möglicherweise nicht
ausdrücklich beabsichtigten, aber mit dem gewählten Regelungskonzept de lege lata
einhergehenden unterschiedlichen Handhabung bei der Durchsetzung des
Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters im Falle der Eröffnung und
der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens hat die Kammer nicht zu befinden.
Da eine Festsetzung der Vergütung somit schon dem Grunde nach nicht ergehen durfte,
waren der angefochtene Beschluss ohne weiteres aufzuheben und der
Vergütungsantrag des vorläufigen Insolvenzverwalters zurückzuweisen, ohne dass über
die Höhe des Vergütungsanspruchs zu entscheiden war.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Festsetzung
des Gegenstandswertes beruht auf §§ 4 InsO, 3 ZPO.
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3. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde folgt nach Auffassung der Kammer bereits
aus § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 6 Abs. 1, 7 InsO, da das Amtsgericht die
angefochtene Entscheidung – wenn auch nach Auffassung der Kammer zu Unrecht –
auf eine Vorschrift innerhalb der InsO gestützt hat. Die Zulassung der
Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfolgt daher nur vorsorglich für den
Fall, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung betreffend Beschwerden gegen
Entscheidungen, die ihre Rechtsgrundlage außerhalb der InsO haben (vgl. BGH, NZI
2004, 4565; ZIP 2008, 382), auch auf Fälle der vorliegenden Art auszuweiten gedenkt,
in denen das Insolvenzgericht eine Rechtsgrundlage innerhalb der InsO überdehnt. Die
Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO liegen vor, da die
Rechtssache im Hinblick auf die heftige Kritik, die die von der Kammer zugrunde
gelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.12.2009 in Schrifttum und Praxis
ausgelöst hat, zweifellos grundsätzliche Bedeutung hat.
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