Urteil des LG Duisburg vom 05.08.2003

LG Duisburg (dachgeschoss, kläger, vermieter, galerie, widerklage, wand, mieter, wohnung, beseitigung, umstand)

Landgericht Duisburg, 13 S 345/01
Datum:
05.08.2003
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
13. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 S 345/01
Vorinstanz:
Amtsgericht Mülheim (Ruhr), 27 C 297/99
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. September 2001
verkündete Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr - 27 C 297/99 -
unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert
und wie folgt insgesamt neu gefaßt:I.Die Beklagte wird verurteilt, an den
Kläger 395,33 EUR (773,20 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 04.05.1999
zu zahlen.II.Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt,
1. in der von der Beklagten im Haus Mülheim/Ruhr im ersten
Obergeschoss und Dachgeschoss rechts bewohnten Wohnung die
Feuchtigkeitserscheinungen auf dem Erkerboden im Schlafzimmer zu
beseitigen,
2. in der von der Beklagten im Haus Mülheim an der Ruhr, im ersten
Obergeschoss und Dachgeschoss rechts bewohnten Wohnung
nachfolgende Mängel zu beseitigen:
- Schlafzimmer (Dachgeschoss): Wand- und Deckenflächen,
Verfärbungen im Anschluss von Giebelwand und Dachschrägen,
Giebelwand und Drempel;
- Schlafzimmer (Dachgeschoss): Fußboden, Verfärbungen des
Teppichbodens am Spalt zwischen Bodenbelag und Fußleiste;
- Schlafzimmer (Dachgeschoss): Fußboden, schlierenförmige
Verfärbungen des Teppichbodens unterhalb der Vorhänge im Bereich
des Erkers;
- Galerie (Dachgeschoss): Wand- und Deckenflächen, Verfärbungen im
Anschluss von Giebelwand und Dachschräge, Giebelwand und
Drempel; Verfärbungen der Tapete im Bereich der Fugen des
Mauerwerks an der gesamten Giebelwandfläche;
- Galerie (Dachgeschoss): Wand- und Deckenflächen über Zugangstür
zum Schlafzimmer;
- Galerie (Dachgeschoss): Wand- und Deckenflächen über Wohnungstür
(Notausgang);
- Galerie (Dachgeschoss): Fußboden, Verfärbungen des Teppichbodens
am Spalt zwischen Bodenbelag und Fußleiste (Südostecke) unter
Dachschrägen;
- Galerie (Dachgeschoss): schlierenförmige Verfärbungen des
Teppichbodens unter dem Sofa;
- Galerie (Dachgeschoss): Verfärbungen des Teppichbodens am Spalt
zwischen Türrahmen Wohnungstür (Notausgang) und Fußleiste;
- Wohnzimmer (1. Obergeschoss): Wand- und Deckenfläche in der
Südostecke (unter der Galerie);
- Wohnzimmer (1. Obergeschoss): Kantenbereich (Ost/ Nordost)
zwischen Wand und Dachschräge.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.Die Kosten des
Rechtsstreits I. und II. Instanz tragen zu 80 % der Kläger und zu 20 % die
Beklagte.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
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I.
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Gegenüber der Klage hat das Rechtsmittel der Beklagten keinen Erfolg. Das
Amtsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 773,20 DM (395,33 EUR)
zuzüglich Zinsen verurteilt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß
§ 543 II ZPO, welcher vorliegend gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO noch Anwendung findet, auf
die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Wie das Amtsgericht richtig ausführt, kann aus dem Umstand, dass der Kläger die
Mietzinsrückstände während des laufenden Rechtsstreits nicht geltend gemacht hat,
eine Stundung nicht hergeleitet werden. Für eine konkludente Stundungsvereinbarung
liegen keine Anhaltspunkte vor. Wenn der Kläger aus eigenem Kosteninteresse die
einbehaltenen Mietzinsanteile der Monate März 1998 bis April 1999 nicht gerichtlich
geltend gemacht hat, folgt daraus kein schlüssiges Angebot auf Abschluss einer
Stundungsabrede. Denn zur Wahrung des eigenen Kosteninteresses des Klägers
bedurfte es einer Stundungsvereinbarung nicht. Vielmehr reichte es aus, die
Mietrückstände nicht gerichtlich geltend zu machen. Ein konkludent geäußerter Wille,
eine Stundungsvereinbarung abzuschließen, kann der Nichtgeltendmachung der
Mietzinsrückstände nicht entnommen werden. Durch die Stundung soll dem Schuldner
ein Zahlungsaufschub gewährt werden. Wenn der Gläubiger im eigenen Interesse eine
Forderung (noch) nicht geltend macht, kann der Schuldner dies nicht als Angebot auf
Abschluss einer Stundungsvereinbarung zu seinen Gunsten auffassen.
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Soweit die Beklagte hilfsweise geltend macht, der Anspruch des Klägers auf Zahlung
von Anwaltskosten und Zinsen einerseits und auf Zahlung der Restmiete von 336,- DM
andererseits sei unbegründet, weil sie diese Forderung mit ihrem Anspruch auf
Mietzinsminderung wegen der in ihrer Wohnung aufgetretenen Schmutzablagerungen
verrechnen könne, dringt sie nicht durch. Insoweit fehlt es bereits an einer wirksamen
Aufrechnungserklärung, da die Beklagte die ihr zustehende Gegenforderung nicht
beziffert hat. Eine Erklärung der Aufrechnung mit der "mindestens ab Oktober 1999 zu
viel gezahlten Miete" ist nicht zulässig.
6
II.
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Soweit die Beklagte mit der Berufung die Widerklage weiterverfolgt und hinsichtlich des
geltend gemachten Instandsetzungsanspruchs in zulässiger Weise erweitert, hat das
Rechtsmittel teilweise Erfolg. Der Beklagten steht gegen den Kläger gemäß § 535 I S. 2
BGB ein Anspruch auf Beseitigung der im Tenor einzeln bezeichneten Verfärbungen in
der Wohnung zu. Im übrigen ist die Widerklage nicht begründet.
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1.
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Vorbehaltlich einer wirksamen Abwälzung der Instandhaltungspflicht auf den Mieter ist
der Vermieter gemäß § 535 I S. 2 BGB verpflichtet, die Mietsache während der Mietzeit
in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten.
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Indes entfällt die Erhaltungspflicht des Vermieters, wenn der Mieter den Schaden
schuldhaft selbst herbeigeführt hat (Emmerich in Emmerich-Sonnenschein, 2. Aufl. §
535 Rn 47; Voelskow in Münchener Kommentar, 3. Aufl., §§ 535,536 Rn 67; a.A.
Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., II Rn 47), wobei der Mieter Veränderungen oder
Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch
herbeigeführt werden, gemäß § 538 BGB nicht zu vertreten hat. Die Beweislast verteilt
sich bei dem Phänomen der Wohnungsschwärzung in Anlehnung an die
Rechtsprechung zur Beweislast beim Auftreten von Feuchtigkeitsschäden nach
Gefahrbereichen (vgl. LG Berlin, ZMR 2003, 489; Eisenschmid in Schmidt-Futterer,
Mietrecht, 8. Aufl., § 536 Rn 205, m.w.N.).
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Will der Vermieter gegenüber einem Instandsetzungsanspruch des Mieters wegen des
Auftretens des Phänomens der Wohnungsschwärzung einwenden, der Schaden sei
durch den Mieter schuldhaft selbst herbeigeführt worden, reicht es aus, wenn der
Vermieter beweist, dass die Schadensursache dem Obhutsbereich des Mieters
entstammt, wozu gehört, dass der Vermieter Schadensursachen aus seinem eigenen
Verantwortungs- und Obhutsbereich ausräumt. Gelingt dem Vermieter dies, so trägt der
Mieter im Rahmen des § 538 BGB (§ 548 BGB a.F.) die Beweislast, dass er den
Schadenseintritt nicht zu vertreten hat (vgl. BGH, WuM 1998, 96-97).
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Nach dem Ergebnis des Beweisaufnahme ist dem Kläger der Beweis, dass die
Wohnungsschwärzungen ihre Ursache im Obhutsbereich des Mieters haben, nicht
gelungen, da er Schadensursachen aus seinem eigenen Verantwortungs- und
Obhutsbereich nicht ausräumen konnte. Nach den Feststellungen des
Sachverständigen ist das Risiko von Wohnungsschwärzungen in der Wohnung der
Beklagten aufgrund baulicher und bauphysikalischer Gegebenheiten signifikant erhöht.
Im Bereich der Giebelwand und der Drempel sowie Raumkanten und -ecken treten
Untertemperaturen von bis zu 8 °C auf, die Falluftströmungen verursachen. Die in der
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Luft enthaltenen Partikel werden aufgrund physikalischer Einflüsse an den
angeströmten Flächen abgeschieden, so dass es zu Schwarzfärbungen der Oberfläche
kommt. Die Schwarzfärbungen im Bereich der Boden-/Wandanschlüsse sind nach den
Feststellungen des Sachverständigen auf undichte Bauteilanschlüsse zurückzuführen.
Nicht erheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die durch den Sachverständigen
festgestellten Untertemperaturen sowie die undichten Bauteilanschlüsse Baumängel
darstellen bzw. auf solche zurückzuführen sind, was im Hinblick auf die Feststellungen
des Sachverständigen zu bezweifeln ist.
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Entscheidend ist, dass die Schwärzungen nach den Feststellungen des
Sachverständigen auf bauliche Ursachen zurückgehen und daher dem Verantwortungs-
und Obhutsbereich des Klägers entstammen.
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Der Umstand, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen die höchsten
Strömungsgeschwindigkeiten mit der Folge der verstärkten Partikelabscheidung bei
Abwesenheit der Mieterin auftreten, da dann die lüftungs- und nutzungsbedingten
Luftbewegungen, welche die Falluftströmungen stören, am geringsten sind, führt nicht
dazu, dass die Wohnungsschwärzungen (auch) von der Beklagten zu vertreten sind.
Gleiches gilt für den Umstand, dass bei Abwesenheit der Bewohner die Luftfeuchtigkeit
geringer ausfällt und dies nach Aussage des Sachverständigen aufgrund der geringeren
elektrischen Leitfähigkeit trockener Luft den Partikelniederschlag begünstigen kann.
Abgesehen davon, dass der Sachverständige im Verhalten der Beklagten keine
Faktoren feststellen konnte, die für die Schwarzfärbungen verantwortlich sind, ist der
Umstand, dass die Beklagte berufsbedingt häufig abwesend ist, vom vertragsgemäßen
Gebrauch gedeckt, weshalb diesbezügliche Schadensursachen nicht von ihr zu
vertreten wären.
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Der Kläger kann der Beklagten auch nicht entgegenhalten, sie sei im Rahmen ihrer
Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen für die Beseitigung der
Wohnungsschwärzungen verantwortlich. Schönheitsreparaturen umfassen die
Beseitigung der auf dem normalen Abwohnen beruhenden Dekorationsmängel. Bei
dem Phänomen der Wohnungsschwärzung liegt ein solcher Abnutzungsschaden nicht
vor (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 Rn 211). Dies zeigt sich
vorliegend auch daran, dass das Auftreten der Wohnungsschwärzung durch eine
häufige Abwesenheit des Mieters begünstigt wird, in diesem Fall die übliche Abnutzung
durch den Wohngebrauch aber regelmäßig geringer ist.
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Soweit der Kläger angeregt hat, beide Sachverständige zu der Frage anzuhören, ob die
Schwarzverfärbungen auf noch bestehende restliche Baufeuchtigkeit zurückzuführen
seien, war dem nicht nachzugehen. Wären die Wohnungsschwärzungen durch restliche
Bauwerksfeuchte verursacht, wofür weder nach dem Gutachten des Sachverständigen
noch nach dem Gutachten des Sachverständigen Anhaltspunkte vorliegen, läge die
Schadensursache ebenfalls im Verantwortungs- und Obhutsbereich des Klägers. Auch
in diesem Fall bestünde daher ein Instandsetzungsanspruch der Beklagten.
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2.
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Der Beklagten steht gegen den Kläger ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen
Sachverständigenkosten in Höhe von 762,13 EUR (1.490,60 DM) zuzüglich Zinsen
nicht zu. Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 536a I BGB noch aus einem anderen
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rechtlichen Gesichtspunkt.
Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 536a I BGB, in dessen Rahmen der Mieter auch
den Ersatz von Rechtsverfolgungskosten und damit der Kosten notwendiger Gutachten
ersetzt verlangen kann, setzt voraus, dass der Mangel entweder bereits bei
Vertragsschluss vorhanden war, vom Vermieter zu vertreten ist oder der Vermieter mit
der Beseitigung des Mangels in Verzug kommt. Da die Beklagte weder dargetan hat,
dass die Wohnungsschwärzungen bereits bei Vertragsschluss vorhanden waren, noch
dass sie den Kläger vor Einholung des Privatgutachtens mit der Beseitigung des
Mangels in Verzug gesetzt hat, käme eine Schadensersatzpflicht des Klägers nur in
Betracht, wenn er den Mangel zu vertreten hätte. Dies kann nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
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Zwar ist nach den Feststellungen des Sachverständigen das Risiko von
Schwarzfärbungen in der Wohnung der Beklagten aufgrund baulicher Gegebenheiten
signifikant erhöht. Ein verschuldeter Mangel läge indes nur dann vor, wenn diese
baulichen Gegebenheiten auf unsachgemäß geplanten oder unsachgemäß
durchgeführten Bauarbeiten beruhen würden (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 2000, §
538 Rn 14), wofür keine Anhaltspunkte vorliegen. Dass die Untertemperaturen im
Bereich der Giebelwand und der Drempel sowie Raumkanten und -ecken auf Mängel in
der Bauplanung oder -ausführung zurückgehen, hat der Sachverständige nicht
festgestellt. Hiergegen sprechen auch die Feststellungen des Bausachverständigen.
Hinsichtlich der durch den Sachverständigen festgestellten undichten
Bauteilanschlüsse ist ein Baumangel ebenfalls nicht ersichtlich, zumal der
Sachverständige festgestellt hat, dass die gemäß DIN 4108 Teil 7 erforderliche Dichtheit
der Gebäudehülle sichergestellt ist.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.
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Der Streitwert für die I. Instanz wird auf 5.967,30 EUR festgesetzt, wobei auf die Klage
395,33 EUR und auf die Widerklage 5.571,97 EUR (4.809,84 + 762,13 EUR) entfallen.
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Der Streitwert für die II. Instanz wird im Hinblick auf die Erweiterung der Widerklage
ebenfalls auf 5.967,30 EUR festgesetzt, wobei auf die Klage 395,33 EUR und auf die
Widerklage 5.571,97 EUR (4.809,84 + 762,13 EUR) entfallen.
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