Urteil des LG Duisburg vom 09.04.2009

LG Duisburg: abrechnung, wahlfreiheit, firma, beteiligter, betriebsgefahr, werkstatt, gleichwertigkeit, vollstreckbarkeit, marke, rechtsverletzung

Landgericht Duisburg, 12 S 85/08
Datum:
09.04.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 S 85/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Mülheim an der Ruhr, 12 C 1407/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 23.05.2008 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr – 12 C 1407/07 – wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil im Tenor und auch
hinsichtlich der Entscheidungsgründe wegen eines offensichtlichen
Rechenfehlers dahin berichtigt wird, dass die
(Rest-)Forderung des Klägers 96,56 € beträgt.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
I.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene
Urteil vom 23.06.2008. Im übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und
Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
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Allerdings ist das Urteil im Tenor und auch hinsichtlich der Entscheidungsgründe wegen
eines offensichtlichen Rechenfehlers (§ 319 I ZPO) von Amts wegen dahin zu
berichtigen, dass die (Rest-)Forderung des Klägers 96,56 € beträgt. Für diese
Berichtigung ist auch die Kammer zuständig, da der Rechtsstreit in der Berufung
schwebt (Reichold/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 319 Rn 5 mwN). Eine Änderung der
Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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II.
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Die Berufung ist unbegründet.
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Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch
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rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere
Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
1. Zum Grunde der Haftung:
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Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger jedenfalls keinen über die
Quote von 80 % hinausgehenden Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1
BGB gegen die Beklagten hat, weil er sich die Betriebsgefahr seines eigenen
Fahrzeugs im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG vorzunehmenden
Gesamtabwägung anrechnen lassen muss. Danach hängt im Verhältnis mehrerer
beteiligter Fahrzeughalter der Umfang der Haftung für einen einem der Halter
entstandenen Schaden von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der
Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
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Vorliegend führt die Bewertung der Betriebsgefahren beider beteiligter Fahrzeuge zu
einer Haftungsquote der Beklagten für die Schäden des Klägers von jedenfalls nicht
mehr als 80 %. Hinsichtlich der in die Abwägung gem. § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG
einzustellenden Gesichtspunkte und der Bewertung der Verursachungsanteile wird zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts
verwiesen.
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Zu Unrecht rügt die Berufung, dass das Amtsgericht zwar zu dem Ergebnis gekommen
sei, dass die Zeugin schon beim Anfahren den Motor abgewürgt hat und noch nicht
einmal 2 Meter gefahren ist, dabei aber verkannt habe, dass die Zeugin dann aber
keinen Verursachungsbeitrag gesetzt haben könne. Diese Schlussfolgerung der
Berufung trifft nicht zu. Es kommt nicht darauf an, wie weit das Fahrzeug des Klägers
vorwärts bewegt wurde, bevor es zum Stehen und dadurch zu einem unfreiwilligen Stop
kam. Entscheidend ist allein, aus welchem Grund es zu dem plötzlichen unfreiwilligen
Stop kam. Liegt dem ein technischer Defekt oder ein Fahrfehler zugrunde, so ist die
Betriebsgefahr erhöht und dann kommt nur eine Teilhaftung des Auffahrenden in Frage.
Dies ist hier der Fall, weil die Zeugin eingeräumt hat, dass sie sich verschaltet hat.
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2. Zur Schadenshöhe
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Die Kammer schließt sich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass bei der von dem
Kläger gewählten fiktiven Abrechnung der Reparaturkosten nicht der nach dem von dem
Kläger eingeholten Schadensgutachten sich ergebende Betrag von netto 1.816,97 € (Bl.
16 d.A.) für eine Reparatur bei der Firma in Mülheim an der Ruhr, sondern der von der
Beklagten ermittelte Betrag von netto 1.365,29 € zugrunde zu legen ist, der bei der mit
der Haftpflichtversicherung durch eine Sondervereinbarung verbundenen Firma in
Duisburg unter Berücksichtigung der selben Reparaturschritte anfallen würde.
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Das Amtsgericht hat hierbei die von dem BGH in der Grundsatzentscheidung vom
29.04.2003 (NJW 2003, 2086 ff) entwickelten Erwägungen zutreffend berücksichtigt.
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Danach ist bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbeseitigung in
vernünftigen Grenzen hält, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen,
das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf
seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise
gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Dies schließt ein, dass der
Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und
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gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss.
Die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür hat das Amtsgericht zutreffend festgestellt.
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Es handelt sich bei beiden Unternehmen um Fachwerkstätten der Marke und um
Kraftfahrzeugmeisterbetriebe. Die Reparaturschritte unterscheiden sich nicht. Damit
steht die Gleichwertigkeit in qualitativer Hinsicht außer Zweifel.
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Die Entfernungen zwischen den beiden Werkstätten zu dem Wohnort des Klägers
unterscheiden sich nur gering. Damit sind beide für den Kläger ohne weiteres
zugänglich.
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Diese Feststellungen, die nach der Rechtsprechung des BGH, bei fiktiver Abrechnung
die Verweisung auf die günstigere Werkstatt rechtfertigen, werden von der Berufung
nicht angegriffen.
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Die Berufung stellt vielmehr auf eine angebliche Einschränkung der Wahlfreiheit des
Klägers sowie auf Nebenaspekte ab, die bei vernünftiger Betrachtung als nicht
ausschlaggebend zu erachten sind.
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Der Kläger hat die fiktive Abrechnung gewählt. Seine aus § 249 II S. 1 BGB sich
ergebende Wahlfreiheit (vgl BGH aaO) geht nicht so weit, dass er ohne Rücksicht auf
wirtschaftliche Erwägungen die ihm angenehmste Reparatur als Richtschnur für die
anzusetzenden Kosten nehmen kann. Als immanente Schranke der Wahlfreiheit muss
vielmehr - wie ausgeführt - der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres
zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich hinsichtlich
der anzusetzenden Kosten auf diese verweisen lassen.
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Dass der Kläger die Sonderkonditionen bei der Firma nur erhält, wenn er offen legt,
dass die Beklagte zu 2. die regulierende Haftpflicht ist, ist Folge des von der
Versicherungswirtschaft zwecks Kostenminderung umgesetzten Geschäftsmodells.
Dass der Kläger durch die Offenlegung unzumutbar belastet würde, kann nicht
angenommen werden.
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Anhaltspunkte für die von dem Kläger ins Feld geführte Vermutung, eine "im Lager des
Schädigers" stehende Fachwerkstatt würde keine ordnungsgemäße Reparatur, sondern
eine davon abweichende Reparatur "in sparender Form" durchführen, gibt es nicht.
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Die von dem Kläger unter Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen angeschnittene
Frage des Vorgehens bei einer Reparaturerweiterung ist für das vorliegende Verfahren
ohne Belang, weil bei einer fiktiven Abrechnung für eine Reparaturerweiterung kein
Raum ist.
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Ohne Erfolg bleibt schließlich der Verweis darauf, dass die angegebenen Preise sich
auf Frühjahr 2007 beziehen, so lange der Kläger nicht konkret eine zwischenzeitlich
erfolgte Preisanhebung behauptet.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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IV.
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Der Streitwert für die Berufung wird auf 2.161,41 (1.861,41 + 300,00) EUR festgesetzt.
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