Urteil des LG Duisburg vom 24.09.2009

LG Duisburg (kläger, minderung, bauarbeiten, zpo, ausstattung, quote, höhe, umfang, transport, beweisaufnahme)

Landgericht Duisburg, 12 S 154/08
Datum:
24.09.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 S 154/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 3 C 116/08
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Duisburg
vom 23.10.2008 - 3 C 116/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 258,41 € nebst Zin-sen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2007
sowie weitere 46,41 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger 86 % und
der Beklagten 14 % auferlegt. Die Kosten der zweiten Instanz haben der
Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
I.
2
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das
angefochtene Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 23.10.2008 (Bl. 144 – 156 d. A.).
3
Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme der auf Minderung und Schadenersatz in
Höhe von 1.845,00 € gerichteten Klage – unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen
Zahlung von 150,00 € - nur in geringem Umfang (20,17 €) wegen des mangelhaften
Bustransfers am Ankunftstag sowie wegen der Strandentfernung stattgegeben und die
Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das
4
angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er Zahlung von
Minderung sowie Schadenersatz von insgesamt 1.619,57 € begehrt.
5
II.
6
Die zulässige Berufung ist nach dem Ergebnis der gesamten Verhandlungen in
geringem Umfang begründet.
7
Dem Kläger steht gegen die Beklagte über die vorgerichtlich gezahlten 150.- € und die
vom Amtsgericht ausgeurteilten 20,17 € ein weiterer Anspruch auf Minderung in Höhe
von 238,24 €, mithin insgesamt 258,41 € nebst Zinsen gegen die Beklagte zu (1.) Im
Übrigen hat es aber bei der Klageabweisung zu verbleiben (2.).
8
1.a. Abweichend von dem Amtsgericht sieht es die Kammer als erwiesen an, dass es in
dem Appartement zu Geruchsbelästigungen gekommen ist. Einer erneuten
Beweisaufnahme bedarf es nicht, da die Kammer allein aufgrund des Inhalts der
Zeugenaussagen zu einer anderen Wertung kommt, eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung
mit dem Amtsgericht aber nicht vornimmt. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass die
widersprechenden Aussagen der Zeugin einerseits und der Zeugen und andererseits für
sich gesehen jeweils nachvollziehbar und wahrscheinlich seien und sich der
Sachverhalt nicht eindeutig aufklären lasse. Die Kammer sieht auf Grund ihrer
Kenntnisse aus vergleichbaren Fällen trotz der auf den ersten Blick widersprüchlich
erscheinenden Aussagen der Zeugen den Nachweis der Geruchsbelästigung geführt.
Es ist nämlich kammerbekannt, dass Siphons in Inselhotels unter bestimmten
Wetterbedingungen zum sogenannten "Trockenfallen" neigen und dann ihre Funktion
als Geruchssperre zeitweise nicht mehr erfüllen können. Vor diesem Hintergrund lösen
sich die Widersprüche zwischen den Zeugenaussagen auf. Es kann daher nach der
Aussage der Zeugin festgestellt werden, dass die Arbeiten des Hoteltechnikers am
05.06., 06.06. und 07.06. nur vorübergehend zu einem Erfolg führten, nämlich solange
der Siphon noch mit Wasser gefüllt war. Davon, dass – wie die Zeugen und bekundet
haben – alle Abflüsse mit einem Siphon ausgestattet sind, geht die Kammer ungeachtet
der entgegenstehenden Aussage der Zeugin , die dies für den Ablauf am Waschbecken
verneint hat, aus. Die Kammer unterstellt, dass die Zeugin einen vorhandenen Siphon
nicht als solchen erkannt hat. Die Aussage der Zeugin , sie habe bei der
Inaugenscheinnahme des Badezimmers am 05.06. keine Geruchsbelästigung
wahrgenommen, steht dem Beweisergebnis der Kammer nicht entgegen. Denn auch
nach der Aussage der Zeugin hatte am 05.06. die Arbeit des Technikers vorübergehend
Wirkung gehabt. Darauf, dass der Kläger einen Umzug im Hotel abgelehnt hat, kommt
es bei dieser Sachlage nicht an. Denn mit einem "Trockenfallen" eines Siphons musste
nach Einschätzung der Kammer in jedem Appartement gerechnet werden.
9
Den Mangel der Geruchsbelästigung bewertet die Kammer mit 5 % des Reisepreises.
Diese vom Kläger in der Klage angesprochene Quote liegt im Rahmen; dies gilt nicht für
die in der Berufung vertretene Quote von 15 %.
10
b. Ebenfalls abweichend von dem Amtsgericht sieht es die Kammer als erwiesen an,
dass es während des Aufenthaltes zu Bauarbeiten in der Anlage gekommen ist. Einer
erneuten Beweisaufnahme bedarf es nicht, da die Kammer allein aufgrund des Inhalts
der Zeugenaussagen und der vorgelegten Lichtbilder zu einer anderen Wertung kommt,
11
eine Glaubwürdigkeitsbeurteilung mit dem Amtsgericht aber nicht vornimmt. Das
Amtsgericht hat ausgeführt, dass die widersprechenden Aussagen der Zeugin einerseits
und der Zeugen und andererseits für sich gesehen jeweils nachvollziehbar sind und die
von dem Kläger vorgelegten Lichtbilder zwar drei mit dem Transport von Dachmaterial
und Balkonarbeiten beschäftigte Arbeiter zeigen, lärmintensive Arbeiten mit Bohr- und
Flexmaschinen aber nicht erkennen lassen. Letzteres trifft zwar zu, steht jedoch der
Feststellung nicht entgegen, dass tatsächlich Bauarbeiten durchgeführt wurden. Es lässt
sich nämlich nicht erkennen, dass die vorgelegten Fotos mit den Schilderungen des
Zeugen über die Erneuerung eines Blumenkübels in Einklang stehen. Damit gewinnt
die Aussage der Zeugin hinsichtlich der Bauarbeiten in entscheidendem Maße an
Gewicht, wenn auch der von der Zeugin geschilderte Umfang der Bauarbeiten
insgesamt nicht festgestellt werden kann.
Mit einer Quote von 3 % sind die Belästigungen durch Bauarbeiten, soweit sie sicher
festgestellt werden können (Transport von Dachmaterial und Balkonarbeiten),
ausreichend abgegolten.
12
Insgesamt erhöht sich die Minderung um 8 %, mithin um 238,24 €.
13
c. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 I, 288 BGB.
14
2. Weitere Minderungsansprüche gemäß § 651 d BGB bestehen nicht, weil die Kammer
deren tatsächliche Voraussetzungen nicht feststellen kann (§ 529 I Nr. 1 ZPO) und die
vom Amtsgericht ausgeworfenen Minderungsquoten nicht auf einer Rechtsverletzung
(§§ 513, 546 ZPO) beruhen.
15
a. Ameisenbefall
16
Die Kammer schließt sich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass es sich bei dem
von der Zeugin geschilderten Ameisenbefall in südlichen Urlaubsländern nicht um
einen Reisemangel, sondern um eine ortsübliche Unannehmlichkeit handelt.
17
b. Sonnenschirme
18
An die Feststellungen des Amtsgerichts zu der Anzahl der vorhandenen
Sonnenschirmen sieht sich die Kammer gemäß § 529 ZPO gebunden. Im Gegensatz zu
den unter 1. dargelegten Erwägungen bieten sich in diesem Punkt keine außerhalb der
Zeugenaussagen liegende Umstände zu einer abweichenden Beweiswürdigung an.
19
c. Strandentfernung
20
21
Die Minderungsquote von 5 % auf den gesamten Reisepreis von 2.978,00 € ist
angemessen für die Strandentfernung, die über dem im Katalog angegebenen Wert
("nur wenige Meter") lag und 600 m betrug. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, es
sei unberücksichtigt geblieben, dass der Weg teilweise an einer Hauptstraße
entlangführte. Das Gegenteil ist ausweislich der Urteilsgründe der Fall. Mit 5 % liegt die
von dem Amtsgericht zuerkannte Quote in dem von der Kammer im Allgemeinen
22
gesetzten Rahmen. Eine deutliche Erhöhung - wie von dem Kläger auf 15 % begehrt -
kann allenfalls in Sonderfällen (Transport von Kleinkindern oder gehbehinderten
Mitreisenden) angenommen werden, wofür hier nichts ersichtlich ist.
d. Ausstattung des Appartements
23
Zu Recht hat das Amtsgericht weitere Minderungsansprüche wegen der Ausstattung
des Appartements verneint.
24
Das Amtsgericht hat die von dem Kläger vorgetragenen – nach seiner Auffassung nicht
ausreichenden - Schlafmöglichkeiten mit der Katalogbeschreibung verglichen und ist
zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die von dem Kläger vorgefundenen
Schlafmöglichkeiten vertragsgerecht waren. Dem hat die Berufung nichts entgegen zu
setzen. Ohne Erfolg verweist der Kläger wiederholend auf die geringe Zahl von
Ablagefächern und den Umstand, dass Teile des Reisegepäcks im Koffer bleiben
mussten. Die Kammer schließt sich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass es
mangels konkreter Vereinbarungen nicht als Reisemangel einzustufen ist, wenn die am
Urlaubsort vorgefundenen Ablagemöglichkeiten das vollständige Reisegepäck nicht
aufnehmen können.
25
e. Abschattung der Terrasse, Öffnungszeiten und Ausstattung des Fitnessraums,
Nutzungszeiten des Pools
26
Weitere Minderungsansprüche im Hinblick auf Abschattung der Terrasse,
Öffnungszeiten und Ausstattung des Fitnessraums, Nutzungszeiten des Pools hat das
Amtsgericht ebenfalls zutreffend verneint. Diese Ausführungen, denen die Kammer
beitritt, werden von der Berufung im Einzelnen nicht angegriffen.
27
3. Dem Kläger steht ein Schadenersatzanspruch gemäß § 651 f BGB nicht zu.
28
a. Die Voraussetzungen des Nichterfüllungsschadens nach § 651 f I BGB, nämlich
eines Schadens, der nicht bereits durch die Minderung abgegolten ist, lassen sich - von
der vom Amtsgericht dargelegten Besonderheit der teilweisen Erstattung
vorgerichtlicher Anwaltskosten abgesehen - nicht feststellen.
29
b. Für einen Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit
nach § 651 f II BGB fehlt es an der Erheblichkeit der Beeinträchtigung.
30
Zwar kann die Kammer der bislang herrschenden Meinung nicht mehr folgen, dass
diese Beeinträchtigung erst bei einer begründeten Minderung des Reisepreises um 50
% anzunehmen ist. Nach dem Leitner-Urteil des EuGH vom 12.02.2002 (NJW 2002,
1255) ist § 651 f II BGB unter Beachtung von Art. 5 Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG
dahin richtlinienkonform auszulegen, dass bereits deutlich unter der 50% Grenze
liegende Minderungen für die Bejahung einer Urlaubsbeeinträchtigung ausreichen,
wobei die Kammer zu einer 25 % Grenze neigt.
31
Diese ist vorliegend nicht erreicht.
32
Nicht folgen kann die Kammer der Auffassung von Tonner/Lindner (NJW 2002, 1475), in
jedem Fall einer schuldhaften Urlaubsbeeinträchtigung – also auch bei
Urlaubsbeeinträchtigungen, die zu geringeren Minderungen als 25 % führen - sei
33
Schadenersatz zuzusprechen. Diese Auffassung verlässt den Bereich der
Gesetzesauslegung und führt mit der einer Streichung gleichkommenden
Nichtbeachtung des Tatbestandsmerkmals "erheblich" zu einer Gesetzesänderung.
4. Die anteiligen Anwaltskosten sind als Schadensersatz über § 651 f I BGB ersatzfähig.
Diese sind ersatzfähig entsprechend der Höhe des Gegenstandswertes des
berechtigten Minderungsbetrages, hier also für insgesamt (20,17 + 238,24 =) 258,41 €.
Es verbleibt damit bei dem vom Amtsgericht ausgeurteilten Betrag von 46,41 €, weil die
Erhöhung des Minderungsbetrages nicht zu einem Gebührensprung führt.
34
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
35
Berufungsstreitwert: 1.619,57 €
36