Urteil des LG Duisburg vom 06.08.2010
LG Duisburg (sinn und zweck der norm, netz, treu und glauben, stand der technik, erneuerbare energien, auslegung, zpo, anschluss, leistung, anlage)
Landgericht Duisburg, 2 O 310/09
Datum:
06.08.2010
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 310/09
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die 14 noch zu
errichtenden Windenergieanlagen (WEA) der Klägerin des Typs mit
einer installierten elektrischen Leistung von je 2,3 MW in der
Windvorrangzone im Bereich auf den Gemarkungen der Gemeinde und
an ihr 20 kV Mittelspannungsnetz am Netzverknüpfungspunkt
anzuschließen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstre-ckenden
Betrages.
Tatbestand
1
Die Klägerin betreibt Windkraftanlagen und die Beklagte ist Netzbetreiberin. Die
Parteien streiten über die Frage, ob die geplanten 14 Windenergieanlagen der Klägerin
am Netzverknüpfungspunkt der Beklagten oder an ihr Umspannwerk in einer Entfernung
von ca. 6,7 km nördlich der Windenergieanlagen angeschlossen werden müssen.
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Auf den Gemarkungen der Gemeinden und befindet sich derzeit ein Windpark mit
insgesamt 18 Windenergieanlagen, die in den Jahren 1999 bis 2001 in Betrieb gingen.
16 dieser Windenergieanlagen speisen derzeit über eine Übergabestation und das
Windnetz der in das Umspannwerk der Beklagten ein, das 6,7 km nördlich des
Windparks liegt. Zwei weitere Windenergieanlagen speisen den Strom direkt am vor Ort
gelegenen Netzverknüpfungspunkt in das Netz der Beklagten.
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Die Klägerin beabsichtigt nun im Rahmen eines sogenannten die 18 vorhandenen
Windenergieanlagen durch 14 leistungsstärkere Windenergieanlagen mit einer höheren
Einzelleistung zu ersetzen. Der Flächennutzungs- und Bebauungsplan wurde schon
entsprechend geändert. Ebenso wurden die notwendigen vorbereitenden Gutachten in
Auftrag gegeben und sind teilweise fertig. Die Anlagen sollen voraussichtlich im Jahr
2011 in Betrieb genommen werden.
4
Das Netz der Beklagten hat im Bereich des Umspannwerkes und auch des
Netzverknüpfungspunktes eine Spannungsebene von 20 kV. Der
Netzverknüpfungspunkt ist jedoch im derzeitigen Zustand technisch noch nicht
geeignet, eine Energiemenge von 32,2 MVA aufzunehmen, wie sie bei Betrieb der von
der Klägerin geplanten Anlage entstehen würde. Die Anlage könnte jedoch für den
Anschluss der geplanten Windanlagen ausgebaut werden. Das Umspannwerk
hingegen könnte die Energiemenge auch schon jetzt aufnehmen.
5
Die Beklagte bot mit einem an die adressierten Schreiben vom 22.01.2009 (Anlage K 2)
einen Anschluss für die Windenergieanlagen am Umspannwerk an. Die Klägerin
reagierte darauf mit Schreiben vom 14.05.2010 und hielt dem Vorschlag der Beklagten
entgegen, dass sie den Netzverknüpfungspunkt als geeigneten Anschlusspunkt ansieht
und eine Einspeisung an dieser Stelle nach Ausbau des Netzes fordert. Daraufhin
antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 08.07.2009, in dem sie darstellte, dass im
Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise gerade der Anschlusspunkt
des Umspannwerkes der allein geeignete Punkt sei.
6
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei gem. § 5 EEG zum Anschluss der neuen
Anlagen an den nächstgelegenen Netzverknüpfungspunkt verpflichtet. Dies ergebe sich
sowohl aus § 5 Abs. 1 als auch § 5 Abs. 2 EEG.
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Nach der neuen Rechtslage (seit 2009) sei eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung zur
Ermittlung des "geeigneten" Verknüpfungspunktes nicht mehr grundsätzlich anzustellen.
Doch auch wenn man der Ansicht sei, eine solche Betrachtungsweise sei noch
notwendig, stelle der Anschluss an den Netzverknüpfungspunkt die günstigere Lösung
dar. Die Berechnung der Beklagten sei insofern unzutreffend. Wegen der Einzelheiten
der Berechnung wird insbesondere auf den Schriftsatz der Klägerin vom 11.11.2009 (Bl.
37-39) und auf den Schriftsatz vom 06.01.2010 (Bl. 75-78) Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die 14 noch zu
errichtenden Windenergieanlagen (WEA) der Klägerin des Typs mit einer
installierten elektrischen Leistung von je 2,3 MW in der Windvorrangzone
im Bereich auf den Gemarkungen der Gemeinde und an ihr 20 kV
Mittelspannungsnetz am Netzverknüpfungspunkt anzuschließen.
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Die Klägerin beantragt hilfsweise,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die im Antrag zu 1) der
Klage vom 30.07.2009 genannten Windenergieanlagen an ihr 20 kv
Mittelspannungsnetz am Netzverknüpfungspunkt "Gemarkung
anzuschließen.
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Die Klägerin beantragt äußerst hilfsweise,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die daraus resultierenden
Mehrkosten zu tragen, die sich für die Klägerin ergeben, dass die im
Antrag zu 1) der Klage vom 30.07.2009 genannten Windenergieanlagen
nicht am Netzverknüpfungspunkt weise nicht am Netzverknüpfungspunkt
14
angeschlossen werden, sondern im Umspannwerk der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
15
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, bei der Bestimmung der geeigneten Verknüpfungspunkte
sowohl gem. § 5 Abs. 1 als auch gem. § 5 Abs. 2 EEG 2009 sei nach wie vor die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den entsprechenden vorangehenden
Vorschriften über erneuerbare Energien (EEG 2000 und EEG 2004) zu berücksichtigen,
so dass letztlich auch nach neuem Recht eine gesamtwirtschaftliche Kostenanalyse
erfolgen müsse. Dies führe zu einem erforderlichen Anschluss der neuen Anlagen an
das weiter entfernte Umspannwerk da es sich dabei unabhängig von der
Kostentragungspflicht um die günstigste Anschlussvariante handele. Wegen der
Einzelheiten der streitigen Berechnung wird auf die Klageerwiderung (Blatt 23 25), den
Schriftsatz vom 17.12.2009 (Bl. 63 – 67) und den Schriftsatz vom 08.04.2010 (Bl 84-87)
Bezug genommen.
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Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Wahl eines Verknüpfungspunktes gem. § 5 Abs.
2 EEG, der sich nicht als gesamtwirtschaftlich günstigster im Sinne dieser
Rechtsprechung darstelle, sei rechtsmissbräuchlich. Ein Ausbau der Anschlussstellen
sei zwar möglich, aber in Ansehung der höheren gesamtwirtschaftlichen Kosten nicht
zumutbar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19
Entscheidungsgründe
20
Die Klage ist zulässig und im Hauptantrag begründet.
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I.
22
Die Klägerin hat ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO. Es besteht eine
Unsicherheit im Hinblick auf das Recht der Klägerin ihre Windkraftanlagen an den am
nächsten gelegenen Netzverknüpfungspunkt anschließen zu können, denn die Beklagte
bestreitet dieses Recht der Klägerin bzw. ihre dahingehende Anschlusspflicht. Die
Klägerin hat auch keine anderen geeigneteren Rechtsschutzmöglichkeiten. Eine Klage
auf Leistung ist nicht möglich. Die Anlagen sind noch nicht gebaut, sondern das
Vorhaben befindet sich noch in der Planung. Die Klägerin könnte somit nicht den
Anschluss an den konkreten Netzverknüpfungspunkt als Leistung geltend machen.
Diese Leistung ist lediglich für die Zukunft begehrt. Die Einschlägigkeit des § 259 ZPO
ist nicht eindeutig, außerdem beseitigt die Möglichkeit, eine Klage auf zukünftige
Leistung gem. § 259 ZPO zu erheben, das Feststellungsinteresse nicht (Zöller-Greger,
ZPO 2007, § 265, Rn. 8).
23
II.
24
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die
Beklagte verpflichtet ist, die neuen Windraftanlagen der Klägerin über den
Netzverknüpfungspunkt an das Netz der Beklagten anzuschließen. Der Anspruch ergibt
25
sich bereits aus § 5 Abs. 1 EEG. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 EEG sind bei dem
Netzverknüpfungspunkt erfüllt.
1.
26
Der Netzverknüpfungspunkt ist ein hinsichtlich der Spannungsebene geeigneter
Verknüpfungspunkt, wie ihn § 5 Abs. 1 EEG fordert, denn das 20 kV Stromnetz der
Beklagten ist grundsätzlich unstreitig geeignet, die von den neuen Anlagen der Klägerin
produzierten Strommengen aufzunehmen. Der Verknüpfungspunkt ist unstreitig zwar
zurzeit technisch noch nicht geeignet, die Strommengen in das Netz zu speisen. Die
konkrete technische Eignung zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch nicht Voraussetzung für
die Geeignetheit im Sinne des § 5 Abs. 1 EEG, denn gemäß § 5 Abs. 4 EEG besteht die
Pflicht des Netzbetreibers zum Netzanschluss auch dann, wenn die Abnahme des
Stroms erst durch die Optimierung, die Verstärkung oder den Ausbau des Netzes nach §
9 EEG möglich wird. Nach § 9 Abs. 1 EEG sind Netzbetreiber auf Verlangen der
Einspeisewilligen verpflichtet, unverzüglich ihre Netze entsprechend dem Stand der
Technik zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, um die Abnahme, Übertragung
und Verteilung des Stroms aus erneuerbaren Energien sicherzustellen.
27
2.
28
Der Netzverknüpfungspunkt ist unstreitig der in der Luftlinie am kürzesten entfernte
mögliche Verknüpfungspunkt zum Standort der geplanten Anlagen der Klägerin, so
dass auch dieses Kriterium des § 5 Abs. 1 EEG erfüllt ist.
29
3.
30
§ 5 Abs. 1 EEG macht eine Ausnahme von der Verpflichtung der Netzbetreiber auch bei
Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen, wenn ein anderes Netz einen
technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist. Die
Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht
erfüllt.
31
Die Beklagte verweist auf das Umspannwerk als geeigneten Netzanknüpfungspunkt
nach einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung. Dieser Verknüpfungspunkt liegt jedoch
nicht in einem anderen Netz als der Verknüpfungspunkt wie es § 5 Abs. 1 EEG für diese
Ausnahme dem Wortlaut nach fordert, denn beide Anschlusspunkte werden von der
Beklagten betrieben und es ist weder von der Beklagten ausdrücklich dargelegt noch
sonst aus dem Vortrag der Beklagten ersichtlich, dass die beiden Anschlusspunkte nicht
derselben technischen Gesamtheit angehören (vgl. zum Begriff des Netzes, Reshöft,
EEG Kommentar, § 5 Rn. 24).
32
4.
33
Die Parteien streiten jedoch darüber, ob der eindeutige Wortlaut des neuen § 5 Abs. 1
EEG erweiternd auszulegen ist und eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung auch bei
einem anderen möglichen Anschlusspunkt innerhalb desselben
Der BGH vertrat zur Vorgängerregelung des EEG 2004 und 2000 die Rechtsansicht,
dass der Wortlaut des Gesetzes erweiternd auszulegen sei und es somit ausreiche,
wenn nicht nur ein Verknüpfungspunkt eines anderen Netzes wirtschaftlich in Betracht
käme, sondern auch ein Verknüpfungspunkt desselben Netzes (zuletzt BGH, Urt. v.
34
01.10.2008, Az.: VIII ZR 21/07, Rn. 12). Die Auslegung des BGH stützte sich auf Sinn
und Zweck der Norm, nämlich der Vermeidung volkswirtschaftlich unsinniger Kosten.
Der Wortlaut der neuen Regelung des § 5 Abs. 1 EEG ist nicht mehr entsprechend der
BGH-Rechtsprechung zu den Vorgängernormen auszulegen.
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Zunächst muss vom Wortlaut der Norm ausgegangen werden. Der Wortlaut beschränkt
die gesamtwirtschaftliche Betrachtung eindeutig auf einen Anschlusspunkt in einem
anderen Netz. Gegen eine erweiternde Auslegung des Wortlauts spricht, dass in dem
ebenfalls neuen § 5 Abs. 2 EEG ausdrücklich eine Differenzierung zwischen "diesem"
und einem "anderen" Netz vom Gesetzgeber vorgenommen wurde. Man kann daraus
eigentlich nur den Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 EGG bewusst
ausschließlich den Begriff "anderes Netz" gewählt hat und damit eine
gesamtwirtschaftliche Betrachtung bei einem anderen Anschlusspunkt in demselben
Netz gerade ausschließen wollte. Wenn identische Begriffe in einem Gesetz verwendet
werden, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihnen auch die gleiche
Bedeutung zuschreibt. Die Annahme, der Gesetzgeber hätte dies übersehen und in § 5
Abs. 1 EEG die Nennung auch des gleichen Netzes vergessen, liegt fern. Letzteres gilt
vor allem vor dem Hintergrund, dass der BGH diese erweiternde Auslegung in ständiger
Rechtsprechung seit 2003 vorgenommen hat und sie dem Gesetzgeber bei
Formulierung des neuen § 5 EEG bekannt gewesen sein muss. Die Nichtumsetzung
dieser Rechtsprechung muss daher als bewusstes Weglassen interpretiert werden.
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Ferner wird diese Sichtweise durch die Begründungen des Gesetzgebers zum neuen
EEG gestützt. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zu § 5 EGG nicht ausgeführt,
dass sich die Rechtslage gegenüber der Vorgängerregelung nicht verändern soll, so
wie er es aber in der Begründung zu §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 2, Abs. 4, 18, 22 EEG getan hat
(BT-Drucksache 16/8148). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber noch zum alten EEG
2004 ausdrücklich in der Begründung ausgeführt, dass die wirtschaftliche
Gesamtbetrachtung bei "demselben oder einem anderen Netz" eine Rolle spielt (BT-
Drucksache 15, 2864, S.33), wohingegen sich in der neuen Gesetzesbegründung
keinerlei Hinweis auf eine solche erweiterte Auslegung des Gesetzes ergeben (BT-
Drucksache 16/8148, S. 41). Der Einwand der Beklagten, in der Gesetzesbegründung
des neuen § 5 Abs. 1 EEG sei doch ausdrücklich das Erfordernis der
gesamtwirtschaftlichen Betrachtung vom Gesetzgeber ausgeführt, greift nicht durch. Der
Gesetzgeber legt in der Begründung lediglich dar, wie der wirtschaftlich günstigste
Verknüpfungspunkt zu bestimmen ist, aber nicht, dass diese Vorgabe über den in § 5
Abs. 1 EEG genannten Fall hinaus vorzunehmen ist (vgl. BT-Drucksache 16/8148, S.
41). Es steht aufgrund des Wortlauts des § 5 Abs. 1 (am Ende) EEG außer Frage, dass
in dem dort genannten Fall eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung anzustellen ist, so
dass verständlich ist, dass der Gesetzgeber in seiner Begründung dafür die Kriterien
erneut erwähnt.
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Auch Sinn und Zweck der Normen des neuen EEG 2009 erfordern nicht mehr eine
erweiterte Auslegung. Der in Bezug auf die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung
wortgleiche § 4 Abs. 2 S. 1 EEG a.F. (2004) hat als Vorgängerregelung den
verpflichteten Netzbetreiber definiert, während § 5 Abs. 1 EEG erstmalig unmittelbar die
Kriterien zur Ermittlung des konkreten Verknüpfungspunktes bestimmt. Es besteht also
kein Bedürfnis mehr für eine Übertragung der Kriterien der Kostentragungspflicht (der
alte § 13 Abs. 2 EEG 2004) auf den verpflichteten Netzbetreiber (der alte § 4 Abs. 1 EEG
2004). Die Einheitlichkeit entsteht heute dadurch, dass der Anschlusspunkt konkret in §
38
5 Abs. 1 EEG definiert wird (vgl. ausführlich dazu Reshöft aaO, Rn. 26). Zudem stützte
der BGH seine erweiterte Auslegung der Norm auf den Sinn und Zweck der in § 4 Abs.
2 S. 1 EEG erwähnten gesamtwirtschaftlichen Betrachtung, nämlich die Vermeidung
von unsinnigen volkswirtschaftlichen Kosten. Dies wird im EEG 2009 durch die §§ 5
Abs. 3, 13 Abs. 2 erreicht. Nach § 5 Abs. 3 EEG wird der Netzbetreiber von der Pflicht
eines eventuellen wirtschaftlich unsinnigen Netzausbaus aufgrund der §§ 5 Abs. 1, Abs.
4 EEG befreit, wenn er dem Anlagenbetreiber einen anderen Verknüpfungspunkt
zuweist. Zwar muss der Netzbetreiber dann die Mehrkosten des Anlagenbetreibers
übernehmen, doch wird der Netzbetreiber aufgrund dieser
Kostenübernahmeverpflichtung aus eigenem Antrieb die gesamtwirtschaftlich günstigste
Lösung auswählen und so unsinnige Kosten vermeiden. Sinn und Zweck muss folglich
nicht mehr durch eine erweiterte Auslegung zur Geltung gebracht werden, sondern ist
seit der Neuregelung dem Gesetz immanent.
Auf die Vergleichsberechnungen der Parteien im Hinblick auf die Kosten der
verschiedenen Anschlussalternativen und die unterschiedlichen Ergebnisse, zu denen
sie kommen, kommt es zur Ermittlung des Anschlusspunktes nicht an.
39
5.
40
Die Beklagte müsste der Klägerin nur dann nicht die Einspeisung des Stroms am
Verknüpfungspunkt gestatten und ermöglichen, wenn sie von ihrem Zuweisungsrecht
gem. § 5 Abs. 3 EEG Gebrauch gemacht hätte und der Klägerin den Anschlusspunkt
des Umspannungswerkes zugewiesen hätte. Dann müsste sie jedoch gem. § 13 Abs. 2
EEG die Mehrkosten der Klägerin übernehmen, die aus dem von § 5 Abs. 1 EEG
abweichenden Anschlusspunkt resultieren. Darauf zielt der 2. Hilfsantrag der Klägerin
ab.
41
Die Beklagte hat dieses Zuweisungsrecht gem. § 5 Abs. 3 EEG noch nicht ausgeübt.
Dabei kommt es nicht auf die von der Klägerin herausgestellte Tatsache an, dass das
erste Schreiben der Beklagten, in dem das Umspannwerk genannt wird, an die gerichtet
war (Anlage K 2), denn die weitere Korrespondenz (Anlage K4) fand jedenfalls mit den
Klägervertretern statt. Vielmehr argumentiert die Beklagte in diesen Schreiben, wie auch
in allen Schriftsätzen im Laufe des Rechtsstreits, dass sich das Umspannwerk als
relevanter Anschlusspunkt nach den Kriterien des § 5 Abs. 1 EEG ergeben würde, denn
es sei nach wie vor nach den Kriterien der BGH-Rechtsprechung eine
gesamtwirtschaftliche Betrachtung auch bei dem Vergleich mit Anschlusspunkten in
demselben Netz vorzunehmen. Die Beklagte versucht also das Umspannwerk als einzig
möglichen Anschlusspunkt im Rahmen des § 5 Abs. 1 EEG darzustellen, denn so würde
sie auch die Tragung der Mehrkosten gem. § 13 Abs. 2 EEG umgehen. Die Beklagte hat
ihr Zuweisungsrecht auch nicht hilfsweise ausgeübt.
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III.
43
Der Klage war schon aufgrund § 5 Abs. 1 EEG stattzugeben. Überdies ergäbe sich auch
aus § 5 Abs. 2 EEG und dem von der Klägerin ausdrücklich ausgeübten Wahlrecht der
Verknüpfungspunkt als der von der Klägerin geschuldete Anschlusspunkt.
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In § 5 Abs. 2 EEG ist anders als in § 5 Abs. 1 EEG kein Erfordernis einer
gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise statuiert. Es besteht grundsätzlich ein freies
Wahlrecht des Anlagenbetreibers. Die Pflicht zur Vornahme einer
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gesamtwirtschaftlichen Betrachtung und der sich dadurch ergebenden Beschränkung
des Wahlrechts des Anlagenbetreibers könnte sich somit ausschließlich daraus
ergeben, dass sich die Ausübung des Wahlrechts des Anlagenbetreibers ohne die
Anstellung einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung als rechtsmissbräuchlich, also den
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) außer Acht lassend, darstellt. Eine
rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des Wahlrechts liegt nicht schon dann vor, wenn der
Anlagenbetreiber die für ihn finanziell günstigste Lösung einer anderen
gesamtwirtschaftlich oder für den Netzbetreiber kostenintensiveren Variante vorzieht
(Reshöft, aaO, § 5 Rn. 35). Rechtsmissbräuchlich ist ein Verhalten vielmehr nur dann,
wenn kein schutzwürdiges Eigeninteresse vorliegt (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 BGB,
Rn. 50-52), was etwa der Fall sein kann, wenn der Anlagenbetreiber bei jeweils
gleichen von ihm zu tragenden Anschlusskosten eine Anschlussvariante wählt, ohne
dass er hierfür einen nachvollziehbaren und schützenswerten Grund darlegt (Salje,
EEG, §5 Rn. 49) (so insgesamt auch LG Arnsberg Urteil vom 6.5.2010, Az: 4 O 434/09).
Die genauen Kosten der Anschlussalternativen sind zwar zwischen den Parteien
streitig, doch ist unstreitig, dass im Falle eines Anschlusses an den Verknüpfungspunkt
erhebliche Netzausbaukosten entstehen, die die Beklagte als Netzbetreiberin zu tragen
hat, und aufgrund der geringen Distanz zu den geplanten Windkraftanlagen relativ
geringe Anschlusskosten, die die Klägerin als Anlagenbetreiberin zu zahlen hat. Im
Falle eines Anschlusses an das Umspannwerk würde sich die Kostenverteilung
hingegen genau umgekehrt darstellen, da die Klägerin aufgrund der großen Distanz zu
ihren geplanten Windkraftanlagen erheblich höhere Anschlusskosten haben und die
Beklagte sich die Netzausbaukosten sparen würde. Im Ergebnis ist die durch die
Klägerin gewählte Maßnahme jedenfalls für sie selbst günstiger, die Wahl also
nachvollziehbar und von schützenswerten Eigeninteressen geleitet und somit nicht
rechtsmissbräuchlich.
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Diesem Ergebnis steht auch nicht das Argument der Beklagten entgegen, dass bei einer
solchen Auslegung der Anlagenbetreiber immer den für ihn günstigsten Anschlusspunkt
nach § 5 Abs. 2 EEG wählen würde, egal wie hoch die Netzausbaukosten der
Netzbetreiber seien. Diese Prognose ist wohl richtig, doch steht dem Netzbetreiber mit
dem Zuweisungsrecht gem. § 5 Abs. 3 EEG quasi das Letztentscheidungsrecht zu, mit
dem er eine mit sehr hohen Netzausbaukosten verbundene Wahl des
Anlagenbetreibers verhindern kann. Zwar müsste er dann die Mehrkosten der
Anlagenbetreiberin tragen, doch wären im Ergebnis die Ziele der gesamten Regelung,
die Gesamtkosten gering zu halten, die schließlich die Allgemeinheit über die
Stromkosten zahlen würde, und keine Partei über Gebühr zu belasten, erreicht.
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IV.
48
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.
49
Der Streitwert wird auf 740.000,00 € festgesetzt.
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