Urteil des LG Duisburg vom 16.02.2009

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Landgericht Duisburg, 3 O 278/08
Datum:
16.02.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 278/08
Tenor:
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg
durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2009
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 78.194,14 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
08.10.2007 zu zahlen.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger weitere 1.580,00 €
außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
Auf Insolvenzantrag des Finanzamts vom 11.06.2007 hat das
Amtsgericht mit Beschluss vom 08.10.2007 – Az. 2 IN 220/07 – das
Insolvenzverfahren über das Vermögen eröffnet und Herrn Rechtsanwalt
zum Insolvenzverwalter ernannt. In der ersten Gläubigerver-sammlung
vom 28.11.2007 wurde der Kläger zum neuen Verwalter bestellt und mit
Be-schluss des Amtsgerichts vom 28.11.2007 auch zum neuen
Verwalter bestellt.
Nach Darlegung der Klägerseite wurden hinsichtlich der
Gemeinschuldnerin folgende Insolvenzanträge gestellt:
1. Am 19.07.2005 von der wegen rückständiger
Sozialversicherungsbeiträge von 7.371,84 €. Dieser Antrag wurde am
18.08.2005 wegen Begleichung der Rückstände für erledigt erklärt.
2. Am 27.09.2005 von der wegen rückständiger
Sozialversicherungsbeiträge von 2.421,24 €. Wegen Zahlung erklärte
die Krankenkasse den Antrag am 04.11.2005 für erledigt.
3. Am 29.09.2005 von der wegen rückständiger
Sozialversicherungsbeiträge. Nach Teil-zahlungen der Schuldnerin –
teils über den Gerichtsvollzieher – wurde dieser Antrag für erledigt
erklärt.
4. Am 17.10.2005 von der wegen einer rechtskräftig titulierten Forderung
von 84.381,11 €. Dieser Antrag wurde mit Schreiben vom 21.12.2005
zurückgenommen.
5. Am 18.10.2005 von der wegen rückständiger
Sozialversicherungsbeiträgen von 17.096,93 €. Dieser Antrag wurde
wegen Bezahlung am 10.01.2006 für erledigt erklärt.
6. Am 14.06.2006 von der wegen rückständiger
Sozialversicherungsbeiträge von 11.543,90 €. Dieser Antrag führte mit
Beschluss des AG vom 09.08.2006 zur Anordnung eines vorläufigen
Insolvenzverfahrens und der Bestellung von RA. zum vorläufigen Ver-
walter. Nach Begleichung der Rückstände in mehreren Teilzahlungen
erklärte die ihren Antrag noch vor Eröffnung des Verfahrens für erledigt.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 23.08.2006 wurde die
vorläufige Insolvenzverwaltung aufgehoben.
7. Am 31.01.2007 vom Beklagten, vertreten durch seine jetzigen
Prozessbevollmächtig-ten, wegen einer titulierten Forderung von
22.000,00 € zuzüglich Zinsen gemäß Urteil des LG vom30.01.2007, 12
O 463/06. Auf diesen Antrag wurde mit Beschluss des AG vom
26.03.2007 erneut ein vorläufiges Insolvenzverfahren angeordnet.
Der Beklagte hat diesen Antrag aufgrund eines vor dem OLG (1 U 21/07,
Berufungsver-fahren zum vorgenannten Urteil des LG )
abgeschlossenen Vergleichs, in welchem noch weitere Ansprüche des
Beklagten geregelt wurden, und nachdem die im vorliegenden
Rechtsstreit streitgegenständlichen Zahlungen erfolgt sind, unter dem
31.05.2007 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Daraufhin hob das
Insolvenzgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung durch Beschluss
vom 04.06.2007 auf.
8. Am 09.02.2007 von der wegen rückständiger
Sozialversicherungsbeiträge von 3.122,21 €. Auch dieser Antrag führte
zunächst zur Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, die nach
Zahlung der Beitragsrückstände und Erledigungserklärung der
Antragstellerin wieder aufgehoben wurde.
9. Am
- 11.06.2007 vom Finanzamt wegen Abgabenrückstände von
1.119,045,52 €,
- 05.07.2007 von der Arbeitnehmerin wegen rückständigen
Arbeitslohns,
- 24.09.2007 erneut vom Beklagten wegen 2.120,00 € festgesetzten
Kosten.
Diese Anträge führten zur Eröffnung des jetzigen Insolvenzverfahrens.
Der Beklagte erwirkte mit Urteil des Landgerichts (12 O 463/06) gegen
die Schuldnerin einen Titel in Höhe von 22.000,00 € zuzüglich Zinsen.
Noch während der Berufungsver-handlung zahlte der Gesellschafter-
Geschäftsführer am 30.03.2007 28.194,14 €. Vor dem Oberlandesgericht
wurde dann am 22.05.2007 ein Vergleich geschlossen. Insoweit wird auf
Anlage K 5 Bezug genommen.
Unstreitig ist ein weiterer Betrag von 50.000,00 € entsprechend dem
Vergleich durch den Geschäftsführer bezahlt worden.
Der Kläger begehrt demnach Rückzahlung der erhaltenen Beträge von
28.194,14 € und 50.000,00 € insgesamt also 78.194,14 € gemäß §§ 129,
130, 131, 139 Abs. 2, 143 InsO.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 78.194,14 € nebst Zinsen in Höhe
von
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
08.10.2007
zu zahlen.
Den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn 1.580,00 € außergerichtliche
Anwaltskosten zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet, dass die Zahlungen des von diesem für die
Schuldnerin in Fremdtilgungswillen vorgenommen wurden. Vielmehr sei
Herr
ebenfalls verpflichtet gewesen, dem Kläger eine entsprechende
Forderung zu begleichen unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten
Handlung. Zudem ist er der Auffassung, dass unter Berücksichtigung
einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2008 – Az. IX
ZR 147/07 – ein Rückforderungsanspruch ohnehin ausscheide.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen
den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung von 78.194,14 € zu aus
§§ 129, 130, 131, 139 Abs. 2, 143 InsO. Vorliegend fielen die Zahlungen
noch in dem anfechtungsrechtlichen Dreimonatszeitraum der §§ 130,
131 InsO, da maßgeblich das Datum des Insolvenzantrages des
Finanzamtes war nämlich der 11.06.2007. Die Zahlung in Höhe von
28.194,14 € erfolgte am 30.03.2007, die weitere Zahlung in Höhe von
50.000,00 € am 22.05.2007, somit noch innerhalb der Dreimonatsfrist,
die am 12.03.2007 zu laufen begann. Die streitgegenständlichen
Zahlungen stellen auch eine inkongruente Deckung dar. Inkongruent
sind grundsätzlich Zahlungen, die direkt auf Anweisung des Schuldners
durch Dritte an seine Gläubiger erbracht werden sowie auch Leistung,
die der Schuldner zur Ausräumung eines bereits gegen ihn gestellten
Insolvenzantrages oder zur Abwendung eines solchen Antrages
erbringt, welche der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Forderung
angedroht hat. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin dem Beklagten bekannt war, wie
sich aus seiner eigenen Insolvenzantragstellung ergibt. Vorliegend
scheidet zur Überzeugung des Gerichts auch nicht ein entsprechender
Anspruch unter Berücksichtigung der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 16.10.2008 – Az. IX ZR 147/07 – aus. Zwar hat
der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine
Gläubigerbenachteiligung ausscheidet, wenn ein Gläubiger mit
Fremdmitteln, die nicht in das haftende Vermögen des Schuldners
gelangt sind, befriedigt wird. Bei einer Zahlung des Schuldners durch
Einschaltung eines Dritten ist zwischen der Anweisung auf Schuld und
der Anweisung auf Kredit zu unterscheiden. Im ersten Fall tilgt der
Angewiesene mit der Zahlung einen Empfänger eine eigene gegenüber
dem Anweisenden eine Verbindlichkeit. Demgegenüber nimmt der
Angewiesene im zweiten Fall die Zahlung an den Empfänger ohne eine
Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden vor, so dass er infolge der
Zahlung zum Gläubiger des Anweisenden wird. Handelt es sich um eine
Anweisung auf Schuld, führt die Zahlung durch den Angewiesenen zu
einer Gläubigerbenachteiligung, weil der Schuldner mit der Zahlung an
den Dritten seine Forderung gegen den Angewiesenen verliert. Liegt
dagegen eine Anweisung auf Kredit vor, scheidet eine
Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich aus, weil es durch die Zahlung
lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der Person des Angewiesenen
kommt. Dieser Gläubigerwechsel kann vorliegend jedoch gerade nicht
erkannt werden. Zwar ist aufgrund der eindeutigen Formulierung des
Vergleichs vor dem Oberlandesgericht von einer Zahlung eines Dritten,
nämlich hier des Geschäftsführers, auszugehen. Es kann jedoch nicht
erkannt werden, dass es lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der
Person des Angewiesenen kommt. Denn wie der Beklagte selbst
vorgetragen hat – die Klägerseite hat sich diesen Vortrag hilfsweise zu
eigen gemacht – bestand auch eine Forderung des Beklagten gegen
den Geschäfts-führer. Hafteten aber der Geschäftsführer sowie die
Schuldner als Gesamtschuldner liegt gerade kein Gläubigerwechsel in
der Person des Angewiesenen vor.
Darüber hinaus ist bereits fraglich, ob von einem solchem
Gläubigerwechsel ausgegan-gen werden kann, weil hier die Zahlung
durch den Geschäftsführer persönlich erfolgt und nicht etwa durch die
Gesellschafter. Denn vorliegend wäre der Geschäftsführer verpflichtet
gewesen, entweder rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen, wenn die
Schuldnerin überschuldet war, was hier offensichtlich der Fall war oder
aber die Schuldnerin mit eigenen Mitteln liquide zu halten. Zahlt er
nunmehr auf eine fremde Schuld bzw. auf eine Schuld der Schuldnerin
kann hierbei kein Gläubigerwechsel erkannt werden, da letztlich auf eine
Haftung des Geschäftsführers selbst in Betracht kommt aufgrund
Insolvenzverschleppung. Demnach kann es letztlich sogar dahingestellt
bleiben, ob der Geschäftsführer
die Zahlungen aus eigener „Tasche“ geleistet hat oder aber letztlich
doch
mit Geld, dass eigentlich der Schuldnerin zur Verfügung gestanden
haben. Denn letztlich hat der Beklagte die vom Geschäftsführer zur
Zahlungsverkürzung direkt an ihn geleisteten Beträge von 78.194,14 €
vereinnahmt, womit für den Beklagten ohne weiteres erkennbar und
zwangsläufig die übrigen Gläubiger benachteiligt wurden, zumal diese
Zahlung erkennbar für den Beklagen ausschließlich dazu dienten, dass
er sein Insolvenzantrag zurücknimmt, was letztlich dazu führt, dass die
Insolvenzverschleppung fortgesetzt werden kann.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO; die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.