Urteil des LG Duisburg vom 27.03.2007

LG Duisburg: verordnung, fluggast, vollstreckung, pauschalreise, reiseveranstalter, passivlegitimation, vollstreckbarkeit, flugverkehr, minderung, erfüllungsgehilfe

Landgericht Duisburg, 12 S 67/06
Datum:
27.03.2007
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 S 67/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 35 C 5083/05
Schlagworte:
Ausgleichsanspruch, Reiseveranstalter, Passivlegitimation
Normen:
Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004
Leitsätze:
Ausgleichsansprüche gemäß Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 sind
ausschließlich gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen und nicht
(auch) gegen den Reiseveranstalter (einer Pauschalreise) gerichtet.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.Die Kosten des Berufungsverfahrens
trägt der Kläger.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.Die Revision wird
zugelassen.
G r ü n d e :
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I.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene
Urteil des Amtsgerichts Duisburg (Bl. 35 ff. d. A.).
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des am 03. Mai 2006 verkündeten Urteils des Amtsgerichts
Duisburg, AZ: 35 C 5083/05, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 676,75 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus
gemäß § 247 BGB seit 22.09.2005 sowie weitere 73,01 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus gemäß § 247 BGB
seit 22.09.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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II.
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Die Berufung ist unbegründet.
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Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch
rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere
Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht
entschieden, dass dem Kläger kein Ausgleichsanspruch gemäß Art. 7 der VO (EG) Nr.
261/2004 zusteht. Es kann dahinstehen, ob die Verweisung auf einen anderen Flug mit
abweichender Destination infolge Überbuchung einen Fall der Nichtbeförderung oder
Annullierung im Sinne von Art. 4, 5 der Verordnung darstellt oder ob es sich hierbei, wie
das Amtsgericht angenommen hat, lediglich um eine "Störung im Flugverkehr" handelt.
Jedenfalls sind die hieraus ggf. folgenden Ansprüche gemäß Art. 7, 8 der Verordnung
nicht gegen die Beklagte, sondern ausschließlich gegen das ausführende
Luftfahrtunternehmen gerichtet.
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"Ausführendes Luftfahrtunternehmen" ist nach der Legaldefinition des Art. 2 b) der
Verordnung ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem
Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit
dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder
durchzuführen beabsichtigt. Vorliegend oblag die Durchführung des Fluges nicht der
Beklagten, sondern der von dieser beauftragten Fluggesellschaft. Die Beklagte selbst –
als Veranstalterin der vom Kläger gebuchten Pauschalreise – ist demgegenüber als
"Reiseunternehmen" im Sinne von Art. 2 d) der Verordnung anzusehen. Unmittelbare
Ansprüche gegen Reiseunternehmen sieht die VO (EG) 261/2004 indessen nicht vor.
Der Umstand, dass die Verordnung ausdrücklich zwischen "ausführenden
Luftfahrtunternehmen" und "Reiseunternehmen" differenziert, macht deutlich, dass eine
Zurechnung des Verhaltens des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu dem
Reiseunternehmen, in dessen Namen das erstere seine Leistungen erbringt, im Hinblick
auf die Ansprüche aus den Art. 7 ff. der Verordnung nicht stattfindet.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 5 S. 2 der Verordnung, wo es heißt:
"Erfüllt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit
dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon
ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung
mit dem betreffenden Fluggast steht." Mit "Verpflichtungen im Rahmen dieser
Verordnung" können nach dem Sprachgebrauch und der Systematik der VO (EG)
261/2004 nur die von dem Luftfahrtunternehmen nach den Art. 7 ff. der Verordnung zu
erbringenden Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemeint sein. Diese
Leistungen sind dem Reiseunternehmen im Verhältnis zum Fluggast danach ebenso
zuzurechnen wie die von dem Luftfahrtunternehmen gegenüber dem Reiseunternehmen
und von diesem gegenüber dem Fluggast vertraglich geschuldete Beförderungsleistung.
Die Tatsache, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen somit bei allen von ihm
erbrachten – primären und sekundären – Leistungen als Erfüllungsgehilfe des
Reiseunternehmens im Sinne von § 278 S. 1 BGB anzusehen ist, eröffnet im Verhältnis
der Parteien lediglich vertragliche Ansprüche auf Minderung und Schadensersatz nach
nationalem Reisevertragsrecht, dem "Ausgleichszahlungen" der in Art. 7 der VO (EG)
261/2004 bezeichneten Art indessen fremd sind. Sie führt jedoch nicht zu einer
Erweiterung des Kreises der Personen, die gemäß den Art. 7 ff. der Verordnung
gesetzlich zur Erbringung von Ausgleichs- (und Unterstützungs-) Leistungen verpflichtet
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sind. Insoweit stellt Art. 3 Abs. 5 S. 1 unmissverständlich klar, dass die Verordnung
(ausschließlich) für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen gilt. Wollte man in Art. 3
Abs. 5 S. 2 nichtsdestoweniger eine Regelung der Passivlegitimation erblicken, wäre
diese in einer Weise versteckt und verklausuliert, die mit dem – auf einem klaren Aufbau
und sprachlicher Präzision beruhenden – Regelungskonzept der Verordnung nicht zu
vereinbaren wäre.
Schließlich lässt sich eine Haftung der Beklagten aus der VO (EG) 261/2004 auch nicht
aus Ziffer 5 der Erwägungsgründe des Europäischen Parlaments und des Rates
herleiten, wonach sich der Schutz nicht auf Fluggäste im Linienflugverkehr
beschränken, sondern sich auch auf Fluggäste im Bedarfsflugverkehr, einschließlich
Flügen im Rahmen von Pauschalreisen, erstrecken sollte. Diese Erwägung hebt nur die
Differenzierung zwischen Linien- und Bedarfsflugverkehr auf, trifft aber ebenfalls keine
Regelung zum Anspruchsverpflichteten.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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IV.
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Der Streitwert für die Berufung wird auf 676,75 € festgesetzt.
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