Urteil des LG Duisburg vom 17.12.2008

LG Duisburg: zweigstelle, irreführende werbung, grobe fahrlässigkeit, begriff, berufsausübung, verkehr, zusammenarbeit, irrtum, eingriff, familienrecht

Landgericht Duisburg, 25 O 17/08
Datum:
17.12.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
5. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 O 17/08
Tenor:
hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg auf die
mündliche Verhandlung vom 19.11.2008 durch den Vorsitzenden
Richter am Landgericht , den Handelsrichter und den Handelsrichter
für Recht erkannt:
1. Den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6
Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang
mit dem Betreiben einer Zweigstelle auf Kanzleischildern / Folien /
Werbung / Briefbögen / Internetauftritten / Flyern / Visitenkarten /
Rundschreiben / Anschreiben etc.
a) mit der Bezeichnung „Fachanwaltszentrum , Kooperation
selbständiger Rechtsanwälte“ zu werben,
b) den Anschein der gemeinsamen Berufsausübung mit anderen
Zweigstellenbetreibern zu erwecken.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3, die Beklagten
zu 2/3.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Kläger betreibt in Mülheim , eine Rechtsanwaltskanzlei. Die Beklagten betreiben in
Oberhausen (Beklagte zu 1.), in Duisburg (Beklagte zu 2.) und Wuppertal (Beklagte zu
3.) jeweils unabhängig voneinander Rechtsanwaltskanzleien. In Mülheim im Hause
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haben die Beklagten seit dem 1.6.2007 jeweils eine Zweigstelle zu ihren vorbenannten
Hauptstelle eröffnet. Sie nutzen die Räume in einer Bürogemeinschaft. Sie üben dort
ihren Beruf nicht gemeinschaftlich aus, sondern jeweils als selbständige Rechtsanwälte
in gemeinsam genutzten Kanzleiräumen. Im Eingangsbereich haben sie ein Schild
angebracht, auf dem es heißt:
Fachanwaltszentrum Kooperation selbständiger Rechtsanwälte
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Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Rechtsanwältin Fachanwältin für Familienrecht Rechtsanwalt Fachanwalt für
Familienrecht
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Weiter finden sich auf dem Schild u.a. eine Telefonnummer und die Anschriften der
Hauptstellen in Oberhausen, Duisburg und Wuppertal (Anlage K 5, Bl. 16 GA).
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Der Kläger trägt vor, er sei Wettbewerber der Beklagten. Diese verhielten sich
wettbewerbswidrig. Die Bezeichnung "Fachanwaltszentrum " und "Kooperation
selbständiger Rechtsanwälte" sei für die angesprochenen Verkehrskreise irreführend.
Ein Fachanwaltzentrum sei nicht gegeben. Von den derzeit 19 Fachanwaltschaften
deckten die Beklagten nur zwei ab. Hinzu komme, dass der Begriff "Zentrum" eine hier
nicht vorhandene Größe voraussetze und ein "Zentrum" auch deshalb ausscheide, weil
es sich nur um jeweilige Zweigstellen handele, die zudem unregelmäßig und
unzureichend besetzt und ausgestattet seien. Eine Irreführung liege weiter in der
Vorspiegelung einer gemeinsamen Berufsausübung, insbesondere eines
Zusammenschlusses mit einem jeweils zentralen Wirkungskreis. Die Bezeichnung
"Fachanwaltszentrum" sei schließlich eine unzulässige Berufsbezeichnung. Die geltend
gemachten Unterlassungsansprüche seien nicht verjährt, weil er von dem gerügten
Verhalten erst seit dem 10.9.2007 Kenntnis habe. Außerdem handele es sich um ein
Dauerdelikt, bezüglich dessen die Verjährung nicht beginne, solange der Eingriff noch
andauert.
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Der Kläger beantragt, wie folgt zu erkennen:
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Den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu
6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall
Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt, a) im geschäftlichen Verkehr zu
Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Betreiben einer Zweigstelle auf
Kanzleischildern / Folien / Werbung / Briefbögen / Internetauftritten / Flyern /
Visitenkarten / Rundschreiben / Anschreiben etc. mit der Bezeichnung
"Fachanwaltszentrum , Kooperation selbständiger Rechtsanwälte" zu werben,
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b) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem
Betreiben einer Zweigstelle auf Kanzleischildern / Folien / Werbung / Briefbögen /
Internetauftritten / Flyern / Visitenkarten / Rundschreiben / Anschreiben etc. den
Anschein der gemeinsamen Berufsausübung mit anderen Zweigstellenbetreibern
zu erwecken,
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c) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken jeweils eine eigene
Zweigstelle zu betreiben, ohne dies auf Kanzleischildern / Folien / Werbung /
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Briefbögen / Internetauftritten / Flyern / Visitenkarten / Rundschreiben / Anschreiben
etc. hinreichend kenntlich zu machen.
Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten tragen vor, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe schon
deshalb nicht, weil kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis des Klägers als
Nichtfachanwalt zu ihnen als Fachanwälten bestehe. Ihr Schild sei auch nicht
irreführend. Für den Begriff "Fachanwaltszentrum" genüge das Vorhandensein von 2
Fachanwälten, eine bestimmte Größe sei nicht erforderlich und auch nicht die
Haupttätigkeit in dem Zentrum. Der Anschein einer gemeinsamen Berufsausübung
werde nicht erweckt. Es bestehe auch keine Pflicht, ausdrücklich darauf hinzuweisen,
dass es sich in um Zweigstellen handele. Eine unzulässige Berufsbezeichnung liege
nicht vor, denn die sie "firmierten" lediglich unter ihren Fachanwaltsbezeichnungen. Auf
Briefbögen, Rundschreiben und Anschreiben sei mit monierten Bezeichnung zudem
nichtgeworben worden, sondern lediglich auf der Türfolie, im Internet, einer Broschüre
und zeitweise auf Visitenkarten (Beklagter zu 1.) Derartiges sei auch nicht geplant.
Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zu den Anträge zu a) und b) zulässig und begründet, zu dem Antrag zu c)
als unbegründet abzuweisen.
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I. Die Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist gegeben. Denn die Parteien sind
Mitbewerber. Unerheblich ist, dass die Beklagten Fachanwälte sind, der Kläger nicht.
Denn zum einen haben die Beklagten nicht vorgetragen, ausschließlich auf ihren
Fachanwaltsgebieten tätig zu sein. Zum anderen kann auch der Kläger auf den
Gebieten tätig sein, für die die Beklagten die Qualifikation als Fachanwalt erworben
haben. Die räumliche Nähe der Kanzleien weist schließlich deutlich auf die
Mitbewerbereigenschaft hin.
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II. Die geltend gemachten Ansprüche sind nicht gemäß verjährt. Nach § 11 UWG beträgt
die Verjährungsfrist 6 Monate ab Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen
oder ab dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger von diesen Umständen ohne grobe
Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen. Vorliegend kann die Streitfrage dahin
stehen, wann genau der Kläger von den gerügten Umständen erfahren hat oder ohne
Fahrlässigkeit davon hätte erfahren müssen. Denn bei einer Dauerhandlung – wie hier –
beginnt die Verjährungsfrist nicht, solange der Eingriff noch andauert (vgl Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 26. Auflage, § 1 UWG, Randnummer 1.21).
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III. Der Antrag zu a) ist begründet, weil es sich bei der gerügten Bezeichnung auf dem
Schild "Fachanwaltszentrum Kooperation selbständiger Rechtsanwälte" um eine
irreführende Werbung gemäß §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG handelt.
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Bei der Frage, ob die Bezeichnung "Fachanwaltszentrum Kooperation selbständiger
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Rechtsanwälte" irreführend ist, oder ob bei möglichen Kunden kein Irrtum über das
Vorhandene erregt wird, ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen
Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit
entgegenbringt, abzustellen (Hefermehl, § 5 UWG, Randnummer 2.87) Dabei kann die
Kammer diese Frage beurteilen, weil auch ihre Mitglieder zu den potentiell
Angesprochenen zählen. Die danach vorzunehmende Beurteilung führt zu dem
genannten Ergebnis.
Eindruck besonderer Kompetenz aufgrund einer wie immer gearteten Zusammenarbeit
von Rechtsanwälten vermittelt wird, zugleich verbunden mit dem vermittelten Eindruck
einer besonderen Größe der Kanzlei mit einer Vielzahl von zur Verfügung stehenden
Fachanwälten.
Denn auch nach heutigem Verständnis weist der Begriff "Zentrum" auf die Größe und
Bedeutung des Unternehmens hin. So wäre die Bezeichnung " Wettbewerbszentrale"
für einen Wettbewerbsverein, der nur über wenige Mitglieder aus einer Branche verfügt,
irreführend. Ein "Einkaufszentrum" muss aus einer Reihe von Geschäften bestehen, so
dass sich dem Käufer insgesamt ein breites Sortiment bietet (vgl Hefermehl, § 5 UWG,
Randnummer 5.46). Vorliegend fehlt es bei der kleinen Zweigstelle an der erforderlichen
Größe. Den Kunden erwartet auch nicht ein "breites Sortiment" von Fachanwälten,
sondern aus der Vielzahl möglicher Fachanwälte lediglich zwei.
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"Kooperation" bedeutet Zusammenarbeit, Mitwirkung (lat. cooperatio). Es wird darunter
das Zusammenwirken von Handlungen zweier oder mehrerer Lebewesen, Personen
oder Systemen verstanden (vgl. www.wikipedia.de). Auch diese bei dem Leser
geweckte Erwartung wird nicht erfüllt, wenn die Zusammenarbeit nur darin besteht, dass
sich die Rechtsanwälte die Miete teilen. Der hierdurch verursachte Irrtum wird nicht
dadurch behoben, dass dem Begriff "Kooperation" der Begriff "selbständiger
Rechtsanwälte" nachfolgt. Denn damit ist schon nicht klar gesagt, dass die
Rechtsanwälte untereinander selbständig sind. Dies kann auch dahin verstanden
werden, dass sich die Rechtsanwälte als Freiberufler bezeichnen. Zumindest ist die
Bezeichnung unklar und schon von daher irreführend.
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Dem Antrag zu a) war in vollem Umfang stattzugeben. Es war nicht dahin zu
unterscheiden, ob die Beklagten bereits in der gerügten Art auf bestimmten
Werbeträgern geworben haben oder nicht. Denn die Tatsache, dass die Werbung auf
einem Werbeträger (Kanzleischild, Internet) erfolgt ist, begründet die Besorgnis, dass
dies auch auf dem anderen (z.B. Flyern) erfolgen könnte.
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Dahin stehen kann nach alledem, ein zusätzlich ein wettbewerbswidriges Verhalten der
Beklagten wegen Verstoßes gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 43 b BRAO
(Bundesrechtsanwaltsordnung), 6 BORA (Berufsordnung für Rechtsanwälte)
anzunehmen ist.
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IV. Der Antrag zu b) ist ebenfalls begründet.
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Aus den Ausführungen zu dem Antrag zu a) ergibt sich, dass die Werbung der
Beklagten bei den angesprochenen Lesern zugleich den irrigen Eindruck erweckt, es
liege eine gemeinsame Berufsausübung der in dem Anwaltzentrum befindlichen
Rechtsanwälte vor.
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V. Der Antrag zu c) ist als unbegründet abzuweisen. Diesen Antrag hat der Kläger nicht
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begründet. Entsprechend dem Vortrag der Beklagten ist eine Anspruchsgrundlage für
die Pflicht eines ausdrücklichen Hinweises auf eine Zweigstelle nicht ersichtlich. Auf
dem verwandten Schild ist angegeben, dass die Beklagte jeweils eine "Hauptstelle"
betreiben und die jeweiligen Anschriften sind genannt. Es ist also erkennbar, dass es
sich um eine Zweigstelle handelt. Nicht erforderlich ist, dass der Begriff "Zweigstelle"
ausdrücklich auf dem Schild steht.
VI. Der festgestellte Wettbewerbsverstoß zu den Anträgen zu a) und b) ist auch
geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil des Klägers nicht nur unerheblich zu
beeinträchtigen (§ 3 UWG). Dies folgt bereits aus der unmittelbaren Nähe der Kanzleien
der Parteien und daraus, dass es sonstige Rechtsanwaltskanzleien in Mülheim nicht
gibt.
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VII. Die Androhung von Ordnungsmittel folgt aus § 890 ZPO.
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VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Kammer die Anträge zu a)
bis c) als gleichwertig an. Hieraus ergibt sich Quotelung von 1/3 zu 2/3. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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