Urteil des LG Duisburg vom 16.06.2003

LG Duisburg: vergütung, meisterprüfung, ausbildung, qualifikation, auslagenersatz, zwangsvollstreckungsverfahren, zeugnis, schreiner, mittellosigkeit, datum

Landgericht Duisburg, 12 T 100/03
Datum:
16.06.2003
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 T 100/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 13 XVII K 1062 Verg.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluß
des Amtsgerichts Duisburg vom 10.04.2003 - 13 XVII K 1062 - teilweise
abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Dem ehemaligen Betreuer wird für seine Mühewaltung in der Zeit vom
31.01. bis 18.02.2003 eine Vergütung einschließlich Mehrwertsteuer in
Höhe von 687,90 € für 25 Stunden und 47 Minuten nach einem
Stundensatz von 23,-- € sowie Auslagenersatz einschließlich
Mehrwertsteuer in Höhe von 109,41 € sowie weiterer Auslagensatz in
Höhe von 20,40 € festgesetzt.
Wegen Mittellosigkeit des Betreuten ist der sich ergebende
Gesamtbetrag in Höhe von 817,71 € aus der Staatskasse zu erstatten.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Beschwerdeführer, ein Berufsbetreuer, beantragte mit Schreiben vom 24.03.2003
für die Zeit vom 31.01.2003 bis 18.02.2003 Aufwendungsersatz und eine Vergütung bei
einem Stundensatz von 23,-- € für seine Tätigkeiten bezüglich des mittellosen
Betroffenen gegen die Staatskasse festzusetzen.
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Mit Beschluß vom 10. April 2003 hat das Amtsgericht - Rechtspfleger - für den
beantragten Zeitraum eine Vergütung mit einem Stundensatz von 18,-- € und
Auslagenersatz in Höhe von 109,41 € gegen die Staatskasse festgesetzt. Zur
Begründung des Stundensatzes hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die begonnene,
aber nicht beendete Meisterausbildung nicht als vergütungssteigernd angesehen
werden könne. Die Frage der Nutzbarkeit der in Teilbereichen erworbenen weiteren
Kenntnisse stelle sich bei einer nicht beendeten Zusatzausbildung nicht. Das
Vormundschaftsgericht wäre in solchen Fällen gezwungen, sich mit konkreten
Ausbildungs- bzw. Fortbildungsinhalten zu befassen, was nicht im Sinne des
Gesetzgebers sein dürfte, der mit der Stufenregelung sicherlich eine klare Strukturierung
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des Vergütungsrechts beabsichtigt haben dürfte.
Gegen den ihm am 17. April 2003 zugestellten Beschluß hat der Beteiligte zu 2. am
27.04.2003 sofortige Beschwerde eingelegt und sich dagegen gewendet, dass lediglich
ein Stundensatz vom 18,-- € festgesetzt worden sei sowie die Telefonkosten in Höhe
von 20,40 € nicht berechnet worden seien.
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Der Beteiligte zu 3. ist der sofortigen Beschwerde hinsichtlich der angegriffenen
Stundensatzhöhe entgegengetreten.
6
II.
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Die statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
8
1.
9
Die Telefonauslagen sind lediglich versehentlich durch das Amtsgericht nicht
berücksichtigt worden.
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2.
11
Es ist ein Stundensatz von 23,-- € und nicht von lediglich 18,-- € zugrundezulegen.
Maßgebendes Kriterium für die Vergütung eines Berufsbetreuers aus der Staatskasse
sind dessen für die Führung der Betreuung nutzbaren besonderen Kenntnisse bzw.
Fachkenntnisse, §§ 1836 Abs. 2, 1836 a BGB. Sind die Fachkenntnisse des Betreuers
für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar, wird grundsätzlich vermutet, dass
sie auch für das konkrete Betreuungsverfahren nutzbar sind, § 1 Abs. 2 S. 1 des
Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern. Gemäß § 1836 a BGB kann der
Betreuer die nach § 1836 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB zu bewilligende Vergütung nach
Maßgabe des § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern aus der
Staatskasse verlangen. Zur Bestimmung des Stundensatzes hat der Gesetzgeber die
Qualifikation des Betreuers verbindlich nach der Art seiner Ausbildung in einer
dreistufigen Skala typisiert, wobei es allein auf den formalen Berufsabschluß ankommt.
Der Mindeststundensatz beträgt 18,-- €. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die
Vergütung von Berufungsvormündern beträgt die zu gewährende Vergütung pro Stunde
23,-- €, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der
Betreuung nutzbar sind und wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre
oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
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Mit dem Amtsgericht ist davon auszugehen, dass die abgeschlossene Handwerkslehre
(Schreiner) allein keine Einstufung in die Stufe 2 (23,-- €) rechtfertigt, weil sie keine für
die Betreuung relevanten Kenntnisse vermittelt (vgl. Palandt-Diederichsen, § 1836 a,
Rdnr. 6).
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Der Beteiligte zu 2. hat ausweislich des Zeugnisses der Handwerkskammer vom
2.07.1997 von den 4 Teilen der Meisterprüfung für das Tischlerhandwerk die Teile 2, 3
und 4 der Meisterprüfung bestanden. Es handelt sich dabei um die fachtheoretischen
Kenntnisse, die betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse
sowie die berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse. Insoweit hat der Beteiligte zu
2. eine Ausbildung absolviert, die zu einer deutlich weitergehenden Qualifikation als der
bloße Abschluß einer Lehre, etwa im Bereich des Handwerks einer Gesellenprüfung,
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führt. Zwar hat der Beteiligte zu 2. den Teil 1, die praktische Prüfung, gemäß Beschluß
vom 2.7.1997 nicht bestanden. Die übrigen drei Teile der Meisterprüfung sind jedoch
bestanden. Damit hat der Beteiligte zu 2. durch eine staatlich anerkannte Prüfung den
Erfolg des Erwerbs seiner nutzbaren Fachkenntnisse belegt. Im Gegensatz zu einer
bloßen Lehre, in der im wesentlichen nur fachspezifische Gesichtspunkte vermittelt
werden, hat der Beteiligte zu 2. bei seiner Ausbildung zum Meister in einem erheblichen
Umfang Kenntnisse im rechtlichen, kaufmännischen und pädagogischen Bereich
erlangt. Diese Fachkenntnisse sind zur sachgerechten Führung der Betreuung hilfreich.
Sie erleichtern die Arbeit des Betreuers. Insbesondere stellen die
betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse einen eigenen
Prüfungsteil, nämlich den Teil III., dar. Diesen Prüfungsteil hat der Beteiligte zu 2. mit gut
bestanden.
Dadurch, dass den betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen
Kenntnissen ein eigener Teil in der Meisterprüfung gewidmet ist, wird zum Ausdruck
gebracht, dass dort nicht nur fachspezifische betriebswirtschaftliche, kaufmännische und
rechtliche Kenntnisse vermittelt werden, sondern solche allgemeiner Art, die auch
betreuungsrelevant sind. Im Rahmen dieser Ausbildung werden buchhalterische und
vermögensrechtliche Kenntnisse vermittelt, Kenntnisse im Klage, Mahn- und
Zwangsvollstreckungsverfahren sowie desweiteren Kenntnisse in sozial- und
privatversicherungsrechtlichen Fragen. Auch werden in Teil 4 der Meisterprüfung
pädagogische Kenntnisse vermittelt, die auch im Umgang mit Betreuten als hilfreich
anzusehen sind (vgl. OLG Köln, FamRZ 2000, 1303, 1304). Es werden im Rahmen der
Meisterausbildung Kenntnisse vermittelt, die nicht nur rein fachspezifisch, vorliegend als
Tischler, einzusetzen sind.
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Die Kammer teilt nicht die Bedenken des Amtsgerichts, welche auf der wegen des
praktischen Teils nicht bestandenen Meisterprüfung beruhen. Denn der Erfolg in den
betreuungsrelevanten Teilen ist durch das Zeugnis der Handwerkskammer belegt. Das
Vormundschaftsgericht müßte sich insbesondere auch bei einer insgesamt bestanden
Meisterprüfung mit den konkreten Ausbildung- bzw. Fortbildungsinhalten befassen. Es
muß nämlich die Nutzbarkeit der Ausbildung für die Betreuung festgestellt werden. Aus
diesem Grunde ist vorliegend von einer vergleichbaren abgeschlossenen Ausbildung
auszugehen. Der Teilabschluß in den betreuungsrelevanten Teilen III und IV der
Meisterprüfung ist belegt.
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Eine Entscheidung über Kosten und Auslagen ist nicht veranlaßt, § 13 a FGG.
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