Urteil des LG Duisburg vom 20.11.2006

LG Duisburg: vergleich, kündigung, bedingung, rechtshängigkeit, verschulden, vollstreckbarkeit, rechtsberatung, anhörung, unterlassen, obsiegen

Landgericht Duisburg, 3 O 167/06
Datum:
20.11.2006
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 167/06
Tenor:
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg
durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2006
für R e c h t erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.572,98 Euro zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
21.06.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch aus einem
Anwaltsvertrag.
Die Klägerin und ihr Ehemann, der vor der Klageerhebung seiner aus
dem Rechtsberatungsvertrag gegebenen Ansprüche an seine Ehefrau
abgetreten hat, beauftragten den Beklagten im Jahre 2001 mit der
Wahrnehmung aller Interessen. Der Beklagte sollte die Klägerin und
ihren Ehemann vor allem wegen eines Streites mit einer im Jahre 2000
beauftragten Baufirma vertreten. Die Baufirma hatte die Kündigung des
Bauvertrages erklärt, nachdem die Eheleute einzelne von ihr gestellte
Rechnungen nicht ausgeglichen haben.
Die Baufirma erhob gegenüber der Klägerin vor dem Landgericht
Duisburg und ihrem Ehemann Klage wegen Zahlung von
Restwerklohnforderung, wobei die Baufirma in beiden Instanzen, also
auch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, obsiegte und die Klägerin
und ihr Ehemann im Rahmen der Widerklage ihre geltend gemachten
Gegenforderungen in beiden Instanzen nicht durchsetzen konnten.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab in einer
Terminsvorbereitungsverfügung zu erkennen, von welchem Umfang es
hinsichtlich seiner Entscheidungskompetenz in der Berufung ausging
und dass es sich deshalb hinsichtlich der erstinstanzlichen
angenommenen Urteile Höchstpreisvereinbarung nicht gebunden sah.
Weiter teilte es in einem Hinweis- und Beweisbeschluss mit, dass die
Voraussetzungen der Gegenansprüche nur dann geprüft würden, wenn
den Eheleuten der Beweis gelänge, dass die Kündigung des
Bauvertrages durch die Baufirma treuwidrig und damit unwirksam
gewesen sei. Treuwidrigkeit hätte nach der im Hinweis- und
Beweisbeschluss erkennbaren Auffassung des Oberlandesgerichts
Düsseldorf vorgelegen, wenn die Baufirma in vertragswidriger Weise
vorzeitigen Baubeginn erwirkt hätte und die Baufirma in der Weise die
Unterlagen nicht vorgelegt hätte, so dass deshalb die Bank nicht bereit
gewesen wäre, weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen und
damit die Bezahlung der Abstandsrechnung gescheitert sei. Wegen des
weiteren Inhalts des Vorprozesses wird auf die beigezogenen Akten des
Landgerichts Duisburg, sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf
verwiesen.
Vor Durchführung der Beweisaufnahme unterbreitete das
Oberlandesgericht den Parteien des Berufungsprozesses Anfang 2004
einen Vergleichsvorschlag, dass die Eheleute an die Baufirma
40.000,00 Euro zahlen sollten. Mit Fax vom Januar 2004 haben die
Klägerin und ihr Ehemann gegenüber dem Beklagten erklärt, dass sie
den Vergleich gerne annehmen würden.
Dennoch ist es in einem weiteren Gespräche zwischen den Parteien
nicht zu einer Annahme des Vergleiches gekommen. Der Beklagte hat
sich vielmehr noch den Sohn der Klägerin, der als Zeuge vor dem
Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf benannt war, angehört,
um einen möglichen Beweisausgang abschätzen zu können.
Die Kläger meinen, der Beklagte habe ihn zu Unrecht vom
Vergleichsabschluss abgeraten. Deshalb habe er sich
schadensersatzpflichtig gemacht. Zudem habe sowohl das Landgericht
Duisburg in der ersten Instanz als auch das Oberlandesgericht
Düsseldorf in der zweiten Instanz die Gegenrechte der Klägerin und
ihres Ehemannes deswegen abgelehnt, weil der Beklagte es
unterlassen habe, die Drittfirma ordnungsgemäß unter Fristsetzung mit
Ablehnungsandrohung aufzufordern, noch offen stehenden
Mängelbeseitigungsarbeiten durchzuführen. Auch dies stelle ein
anwaltliches Verschulden dar, welches den Beklagten
schadensersatzpflichtig machen würde.
Die Klägerin berechnet ihren Schaden in Höhe von 21.572,98 Euro wie
folgt:
1. Differenz zwischen der vorgeschlagenen Vergleichssumme 40.000,00
Euro und der nachträglich mit der Drittfirma nach Urteilsfindung
abgeschlossenen Vergleichssumme von 56.000,00 Euro = 16.000,00
Euro;
2. Die Klägerin und ihr Ehemann mußten 100 % der Gerichtskosten in
Höhe von 5.652,00 Euro übernehmen. Bei Vergleichsabschluß wäre der
Klägerin 20 % dieser Kosten erspart geblieben, was ein Betrag in Höhe
von 1.130,40 Euro ausmache.
3. Die Klägerin und ihr Ehemann mußten weitere 100 % der
außergerichtlichen Kosten des Verfahrens übernehmen, diese betrugen
6.536,90 Euro. Bei Vergleichsschluß hätte die Klägerin und ihr
Ehemann 1.307,38 Euro erspart. Zudem mußten sie die Kosten in Höhe
der Vergleichsgebühr der Anwälte des Gegners in Höhe von 1.704,50
Euro übernehmen sowie desweiteren hätten sie 20 % der
außergerichtlichen Kosten des eigenen Anwaltes erspart, was einen
Betrag in Höhe von 1.429,99 Euro ausmache.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 21.572,98 Euro zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die vom Oberlandesgericht Düsseldorf getroffene
Entscheidung für falsch und meint, fehlerhaft wäre es vielmehr gewesen,
wenn er den Klägern die Annahme des Vergleichs empfohlen hätte.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz
nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat gegen den
Beklagten einen Anspruch aus §§ 675 Abs. 1, 280, 241 BGB. Dem
Beklagten ist eine fehlerhafte Beratung im Rahmen des
Rechtsberatungsvertrages vorzuwerfen, welche ihn
schadensersatzpflichtig macht.
Die Kammer sieht die fehlerhafte Rechtsberatung des Beklagten nicht
unbedingt primär darin, dass er den Klägern bzw. der Klägerin und ihrem
Ehemann die Annahme des Vergleichs abgeraten hat. Vielmehr ist
seine Falsch- bzw. Fehlberatung darin zu sehen, dass er die Klägerin
und ihren Ehemann offensichtlich in keinster Weise hinreichend darüber
aufgeklärt hat, wie ihre Prozesssituation vor dem Oberlandesgericht
Düsseldorf gewesen ist, bzw. welche Prozessrisiken sie bei
Nichtannahme des Vergleiches eingingen. Hierzu wäre der Beklagte
jedoch verpflichtet gewesen. Ein Rechtsanwalt hat seine Partei in jedem
Verfahrensstand darüber zu unterrichten, wie die Verfahrenssituation ist
und welches Prozessrisiko eine Partei trägt. Dies gilt insbesondere
dann, wenn das Verfahren bereits bis zum Oberlandesgericht gelangt ist
und dort vom Oberlandesgericht ein Vergleichsvorschlag abgegeben
wurde. Desweiteren ist zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen,
dass die Klägerin und ihr Ehemann auch bereit waren, diesen
Vergleichsvorschlag anzunehmen. Soweit der Beklagte ausführt, dies
sei lediglich unter einer Bedingung geschehen, kann die Kammer dem
nicht folgen. In dem Annahmeschreiben ist lediglich der Wunsch
aufgeführt, möglichst das Zahlungsziel weiter noch herauszuzögern.
Eine Bedingung oder dergleichen ist hier jedoch nicht zu sehen.
Der Beklagte hat sich daher als Anwalt der Klägerin und ihres
Ehemannes nach dem Vergleichsvorschlag des Oberlandesgerichts und
dem Annahmeschreiben der Klägerin und ihres Ehemannes in der
Situation befunden, dass für ihn erkennbar war, dass die Klägerin und
ihr Ehemann das Verfahren offensichtlich beenden wollten. Unter
Berücksichtigung dieses Umstandes hätte er, wenn er nicht selbst zur
Annahme des Vergleiches raten möchte, die Klägerin und ihren
Ehemann ausdrücklich darauf hinweisen müssen, welches
Prozessrisiko sie eingehen, wenn sie das Verfahren weiter fortsetzen.
Dies gilt umso mehr, als die Klägerin und ihr Ehemann zunächst, wie
das Oberlandesgericht auch ausdrücklich dargelegt hat, hätten
beweisen müssen, dass die Kündigung des Kaufvertrages durch die
Baufirma treuwidrig gewesen sei. Das Oberlandesgericht hatte auch
gleichzeitig ausdrücklich dargelegt, wann es von einer Treuwidrigkeit
ausginge. Berücksichtigt man ferner, dass der Beklagte auch noch den
Zeugen der Klägerin und ihres Ehemannes angehört hat, nämlich den
Sohn der Klägerin und ihres Ehemannes, ist der Kammer nicht
nachvollziehbar, wie er nach dieser Anhörung zu dem Ergebnis
gelangen konnte, der Beweis der Treuwidrigkeit hätte geführt werden
können. Allein diese Annahme stellt schon eine Fehleinschätzung des
Beklagten dar, die ebenfalls schadensersatzpflichtig macht. Unter
Berücksichtigung dessen, dass aber auch die Baufirma einen Zeugen
benannt hatte und allgemein bekannt ist, dass eine Treuwidrigkeit nur
unter schwierigsten Voraussetzungen sich beweisen lässt, hätte es dem
Beklagten oblegen, die Klägerin und ihren Ehemann darauf
hinzuweisen, dass die Erfolgsaussichten, mit ihren Gegenforderungen
zu obsiegen, relativ gering sind bzw. dem erhebliche Hürden
entgegenstehen. Unterlässt ein Rechtsanwalt eine solche Aufklärung
und rät vielmehr zur Fortführung des Prozesses bei, macht er sich
schadensersatzpflichtig.
Der Schaden der Klägerin und ihres Ehemannes ist vorliegend bei
21.572,98 Euro anzusetzen. Zum einen sind 16.000,00 Euro zu
berücksichtigen zwischen als Differenz zwischen dem vorgeschlagenen
Vergleich und dem danach Urteil ergangenen Vergleich zwischen der
Klägerin und ihrem Ehemann mit der Baufirma in Höhe von 16.000,00
Euro, sowie ersparte Gerichtskosten in Höhe von 1.130,40 Euro, sowie
ersparte außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.307,38 Euro, die
Vergleichsgebühr der Gegenanwälte nach Vergleichsabschluss nach
Urteil in Höhe von 1.704,50 Euro, sowie die ersparten Aufwendungen für
ihren eigenen Anwalt in Höhe von 1.429,99 Euro.
Im Hinblick auf die oben festgestellte Schadensersatzpflicht des
Beklagten kann es dahingestellt bleiben, ob er sich auch im Hinblick auf
die fehlende Ablehnungsandrohung schadensersatzpflichtig gemacht
hat.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO.
Streitwert: 21.572,98 Euro.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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