Urteil des LG Duisburg vom 22.07.2002

LG Duisburg: mindestbetrag, unterhalt, sozialhilfe, verordnung, wohnkosten, burg, selbstbehalt, datum, zwangsvollstreckung, einziehung

Landgericht Duisburg, 7 T 144/02
Datum:
22.07.2002
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 144/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 24 M 1715/02
Tenor:
Auf die als sofortige Beschwerde auszulegende Erinnerung der
Gläubigerin vom 27.05.2002 wird der Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Duis-burg, Aktenzeichen: 24
M 1715/02, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechts-mittels
wie folgt abgeändert:
Der dem Schuldner zu verbleibende pfandfreie Betrag wird auf
monatlich 776,27 EUR festgesetzt.
Der weitergehende Antrag der Gläubigerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens trägt der Schuldner.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner zu 9/10, die
Gläubigerin zu 1/10.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 840,-- EUR.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner wegen rückständigen Unterhalts für die
Zeit vom 01.10.1998 bis 30.09.1999 die Zwangsvollstreckung. Mit Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss vom 17.04.2002 hat das Amtsgericht die Ansprüche des
Schuldners gegen die Drittschuldnerin gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung
überwiesen. Zugleich hat das Amtsgericht angeordnet, dass dem Schuldner monatlich
ein pfandfreier Betrag von 840,-- EUR zu belassen sei.
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Hiergegen richtet sich die "Erinnerung" der Gläubigerin vom 27.05.2002. Sie rügt die
Heraufsetzung des Pfändungsfreibetrages auf 840,-- EUR. Sie ist der Ansicht, der
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Pfändungsfreibetrag sei nach Sozialhilfe rechtlichen Regelungen festzusetzen.
Hiernach sei aber für Erwerbstätige ein Betrag von höchstens 770,- EUR anzunehmen.
Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.
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II.
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Das als sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO auszulegende Rechtsmittel der
Gläubigerin vom 27.05.2002 hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Nach § 850 d
Abs. 1 S. 2 ZPO ist dem Schuldner monatlich ein pfandfreier Betrag von 776,27 EUR zu
belassen.
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Gemäß § 850 d Abs. 1 S. 2 ZPO ist dem Schuldner so viel zu belassen, als er für seinen
notwendigen Unterhalt bedarf. Wonach dieser notwendige Unterhalt zu bemessen ist,
wird in der Rechtsprechung jedoch nicht einheitlich entschieden. Zum Teil wird der
notwendige Unterhalt des Schuldners anhand der Düsseldorfer Tabelle errechnet, eine
andere Ansicht orientiert sich an den Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes. Der
letztgenannten Ansicht ist der Vorzug zu geben. In der Regel liegt der Selbstbehalt,
errechnet nach der Düsseldorfer Tabelle, über dem Sozialhilfebedarf nach
Bundessozialhilfegesetz. Anhand der Düsseldorfer Tabelle aber wird die Höhe des
Unterhaltsanspruches des Unterhaltsberechtigten errechnet, wobei dem Schuldner stets
ein Mindestbetrag verbleibt. Um diesem, den Mindestbetrag erhaltenen Schuldner,
anzuhalten, freiwillig die von ihm geschuldeten Unterhaltszahlungen zu erbringen, ist es
sinnvoll, den Pfändungsfreibetrag nach § 850 d ZPO auf der Grundlage des
Bundessozialhilfegesetzes, also unterhalb des nach Düsseldorfer Tabelle
verbleibenden Betrages, anzusetzen. Insoweit wird der Schuldner zur Vermeidung
weitergehender finanzieller Einbußen gewillt sein, seinen Unterhaltszahlungen freiwillig
nachzukommen.
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Im einzelnen:
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Der monatliche Bedarf des Schuldners nach § 850 d ZPO ist mit 776,27 EUR
anzusetzen. Dem Schuldner steht zunächst der Regelsatz nach § 22
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zu (286,83 EUR). Dieser Betrag erhöht sich um einen
Zuschlag für größere Anschaffungen, die nicht aus der laufenden Hilfe zum
Lebensunterhalt zu bestreiten sind (§ 21 BSHG). Der Zuschlag kann mit 25 % des
Regelsatzes angesetzt werden (71,71 EUR). Bei Erwerbstätigen ist ferner ein
Mehrbedarf wegen der mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen
Ausgaben anzuerkennen (§ 76 Abs. 1 S. 4 BSHG i.V.m. § 3 der Verordnung zur
Durchführung des § 76 BSHG). Dieser Mehrbedarf kann in Anlehnung an die
Düsseldorfer Tabelle zu berufsbedingten Aufwendungen mit dem darin ausgewiesenen
Mindestbetrag von 46,02 EUR angesetzt werden. Darüber hinaus ist dem Schuldner
gem. § 76 Abs. 2 a Nr. 1 BSHG als Arbeitsanreiz ein angemessener Betrag seines
Einkommens zu belassen. Angemessen erscheint insoweit ein Betrag in Höhe von 25 %
des Sozialhilfe rechtlichen Regelsatzes (71,71 EUR, Bundesverfassungsgericht NJW
1992, S 3153). Zu Gunsten des Schuldners sind ferner Wohnkosten in Höhe von 300,--
EUR zu berücksichtigen. Dieser Betrag ergibt sich aus § 8 Wohngeldgesetz, wobei
Duisburg den Gemeinden der Stufe 3 angehört.
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Zusammenfassend ergibt sich ein monatlicher Pfändungsfreibetrag von 776,27 EUR.
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III.
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Die Kostenentscheidung zum amtsgerichtlichen Verfahren beruht auf § 788 ZPO, die
Kostenentscheidung zur Beschwerde folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
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Die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 57 BRAGO.
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