Urteil des LG Duisburg vom 07.10.2009

LG Duisburg (zahnarzt, zpo, behandlung, ausdrücklich, material, rechnung, materialien, eingliederung, begründung, hinweispflicht)

Landgericht Duisburg, 11 S 53/09
Datum:
07.10.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
11. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 S 53/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Mülheim an der Ruhr, 27 C 2253/08
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Mülheim
an der Ruhr vom 26.03.2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert der Berufung: 1.267,26 €
Gründe:
1
I.
2
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO
abgesehen.
3
II.
4
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage
im Ergebnis zu Recht in Höhe des mit der Berufung noch verfolgten Anspruchs
abgewiesen.
5
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer 1.267,26 €
gem. §§ 611, 398 BGB i.V.m. § 9 GOZ.
6
Gem. § 9 GOZ können neben den für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen
vorgesehenen Gebühren als Auslagen die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen
angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnet werden, soweit diese
Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren
abgegolten sind.
7
Die von der Klägerin geltend gemachten Rechnungspositionen "Zahn vermessen",
8
"Übertragungsmaske für Brackets", "Metallfläche vorbereiten", "Metallfläche
konditionieren", "Positionieren" und "Individuelle Vergütung/thermo. Behandlung" sind
grundsätzlich nicht gesondert berechnungsfähig und bereits durch die erhobenen
Gebühren abgegolten.
Denn es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass diese Rechnungspositionen
Leistungen nach Nr. 610 (Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme
orthodontischer Hilfsmittel) und nach Nr. 615 (Eingliederung eines ungeteilten Bogens)
des Gebührenverzeichnisses betreffen. Gem. Nr. 617 des Gebührenverzeichnisses sind
in den Leistungen nach Nr. 610 bis 615 die Material- und Laborkosten enthalten.
9
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die gesonderte Berechnungsfähigkeit der
Rechnungspositionen nicht damit begründet werden, dass die nach dem
Gebührenverzeichnis zulässigen Gebühren durch die Labor- und Materialkosten
aufgezehrt werden.
10
Der Vortrag der Klägerin ist hinsichtlich sämtlicher Rechnungspositionen hinreichend
substantiiert. Es kann daher dahin stehen, ob das Amtsgericht die Hinweispflicht aus §
139 ZPO hinsichtlich der Substantiierung des Vortrags der Klägerin verletzt hat.
11
Zwar reicht die Vorlage eines allgemeinen Preisauszuges aus einem Katalog und eine
Materialsammelrechnung an den behandelnden Zahnarzt nicht als ausreichende
Substantiierung einer Behandlungsrechnung aus (OLG Köln, Urt. v. 30.06.1994, 5 U
99/94; Urt. v. 19.01.2000, 5 u 163/99I). Der behandelnde Zahnarzt muss Belege
vorlegen, aus denen die für die individuelle Behandlung des Patienten erwachsenden
Kosten ersichtlich und nachvollziehbar sind.
12
Die von der Klägerin vorgelegte Rechnung wird diesen Anforderungen jedoch gerecht.
Die Rechnung enthält weder einen allgemeinen Preisauszug, noch handelt es sich um
eine Materialsammelrechnung, die an den behandelnden Zahnarzt gerichtet ist. Sie
wurde für die Behandlung des Sohnes der Beklagten individuell erstellt und beinhaltet
die Nummern und die Bezeichnungen der einzelnen berechneten Leistungen, die
Anzahl der behandelten Zähne, die jeweiligen Beträge und die Steigerungssätze (§ 10
Abs. 2 GOZ). Darüber hinaus enthält die Rechnung die Beträge und Bezeichnungen der
Leistungen, die gesondert abgerechnet wurden.
13
Weiterhin kann dahin stehen, ob das Amtsgericht die gerichtliche Hinweispflicht aus §
139 ZPO hinsichtlich des fehlenden Beweisantritts zur Rechnungsposition "Individuelle
Vergütung/thermo Behandlung" verletzt hat.
14
Denn entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 23.05.2004, 3 ZR 364/03), die ausnahmsweise eine
gesonderte Berechnung von Materialkosten zugelassen hat, nicht auf den vorliegenden
Fall übertragen.
15
Danach kann der Regelung in § 9 GOZ, die auf einzelne im Gebührenverzeichnis
aufgeführte zahnärztliche Leistungen bezogen ist, im Grundsatz entnommen werden,
dass andere in der Praxis des Zahnarztes verwendete Materialien, die im
Gebührenverzeichnis nicht genannt sind, mit den Gebühren abgegolten sind. Wären die
im Gebührenverzeichnis nicht bezeichneten Materialien gesondert berechenbar, wäre in
der Abrechnung und Anwendung der Gebührenordnung eine Unsicherheit
16
hineingetragen, die in der Begründung des Verordnungsentwurfs keine Stütze findet
(vgl. BR-Drucks. 276/87, S. 66).
In diese Systematik fügt sich auch § 10 Abs. 2 Nr. 6 GOZ ein, nach dem die gesondert
berechnungsfähigen Kosten nur solche nach dem Gebührenverzeichnis sind.
17
Eine gesonderte Berechnungsfähigkeit ist daher nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen
anzunehmen, wenn angesichts des Wertes der bei der Behandlung verbrauchten
Gegenstände dem Zahnarzt nicht zugemutet werden kann, die Kosten aus den
allgemeinen Gebühren zu decken. Der Sachverhalt, der dieser Ausnahme zugrunde
liegt, ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.
18
Die Entscheidung des BGH beschäftigt sich mit Vergütungsansprüchen für
implantologische Leistungen und der gesonderten Berechnungsfähigkeit für Einmal-
Bohrersätze (Implantatfräsen, ossäre Aufbereitungsinstrumente und
Knochenkernbohrer). Nach dem Vortrag der Klägerin handelt es sich bei den geltend
gemachten Positionen nicht um Materialkosten für Einmalwerkzeuge, sondern
vornehmlich um zahntechnische Laborkosten.
19
Die gesonderte Berechnungsfähigkeit der Leistungen kann auch nicht mit einem
unbeabsichtigten Regelungsdefizit des Verordnungsgebers begründet werden. Denn es
handelt sich hier nicht um implantologische Leistungen, die erstmals in die
Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22.10.1987 aufgenommen wurden. Auch das
Argument, dass die Begründung des Verordnungsentwurfs im Hinblick auf die
Implantologie zurückhaltend ist, greift hier nicht.
20
Darüber hinaus beruht die Entscheidung des BGH – entsprechend den Ausführungen
der Beklagten – auf einer erweiternden Auslegung der allgemeinen Bestimmungen des
Abschnitts K (Implantologische Leistungen) des Gebührenverzeichnisses. Eine
vergleichbare Regelung sieht das Gebührenverzeichnis im Bereich der
kieferorthopädischen Leistungen nicht vor. Das Gebührenverzeichnis bestimmt insoweit
ausdrücklich, dass die Material- und Laborkosten in den Leistungen nach den Nummern
610 bis 615 enthalten sind. Zwar sehen auch die allgemeinen Bestimmungen für
implantologische Leistungen nur eine gesonderte Berechnungsfähigkeit für Implantate
und Implantatteile vor. Sie regeln aber auch nicht ausdrücklich, dass Material- und
Laborkosten von den Gebühren umfasst sind.
21
Schließlich bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die
Anwendung von § 9 GOZ. Diese wurden ausdrücklich für den Fall angenommen, dass
ein Zahnarzt betroffen ist, dessen Tätigkeitsschwerpunkt auf dem Gebiet der
Implantologie liegt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
22
Der Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 136,50 € gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 3 BGB. Der
materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass der Geschädigte die
Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes zur Rechtsverfolgung für erforderlich halten
durfte. Dies ist aus den bereits genannten Gründen hinsichtlich der unberechtigten
Rechnungspositionen nicht der Fall.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
24
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine
Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
25