Urteil des LG Duisburg vom 30.07.1982

LG Duisburg: verdienstausfall, behandlung, zukunft, minderung, erwerbsfähigkeit, schmerzensgeld, geschwindigkeit, verpflegung, komplikationen, ersparnis

Landgericht Duisburg, 10 O 70/81
Datum:
30.07.1982
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
10 O 70/81
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
275,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22. April 1981 zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner ver-
pflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm
aus der Minderung einer Erwerbsfähigkeit entstanden ist und künftig
entstehen wird, soweit diese Ansprüche nicht auf öffent- lich-rechtliche
Versicherungsträger übergegangen sind. Der Beklagte zu 1) wird
verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,-- DM
zu zahlen. nebst 4 % Zinsen seit dem 17.4.1981 abzüglich am 15.7.1980
gezahlter 2.000,-- DM, ab- züglich am 15.7.1980 gezahlter 2.000,-- DM,
abzüglich am 3.10.1980 gezahlter 5.000,-- DM und abzüglich weiterer
am 5.11.1980 gezahlter 3.000 DM. Wegen des weitergehenden
Schmerzensgeldantrages wird die Klage abgewiesen, ebenso
hinsichtlich der unfallbedingten Mehrauf- wendungen. Die
Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar, gegenüber dem Beklagten zu 1) jedoch nur
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000,-- DM.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger befuhr am 23.4.1980 mit dem Motorrad seines Freundes gegen 22.30 Uhr
die Straße in in östlicher Richtung. Ihm entgegen kam der Beklagte zu 1) mit seinem
PKW, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.
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Der Beklagte zu 1) wollte nach links in die Straße "" abbiegen. Hierbei kam es zum
Zusammenstoß mit dem ihm entgegenkommenden Motorrad.
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Durch den Zusammenprall wurde der Kläger durch die Luft geschleudert. Er hat
folgende Verletzungen davongetragen:
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1) Bruch des rechten Unterschenkels,
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2) Bruch des linken Fußgelenks,
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3) Abriß Außenknöchel/Fuß links
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4) Trümmerbruch Kniescheibe links
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5) Sternbruch Kniescheibe rechts
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6) Schock und Polytrauma
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7) Handgelenksfraktur.
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Der Kläger befand sich vom 23.4.80 - 25.6.1980, vom 2.12.1980 - 18.12.1980 und vom
27.2.1981 - 10.3.1981 in stationärer Krankenhausbehandlung. Bis zum 31.1.1981 war
der Kläger zu 100 % arbeitsunfähig. Die dem Beklagten zu 1) entnommene Blutprobe
ergab für den Unfallzeitpunkt eine mittlere Blutalkoholkon-zentration von 2,35 ‰.
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Unstreitig ist zwischen den Parteien der Unfallhergang sowie der Umstand, daß der
Kläger die Straße mit überhöhter Geschwindigkeit befahren hat.
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Der Kläger beziffert seinen Schaden wie folgt:
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Motorradhelm 75,-- DM
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Unkostenpauschale 200,-- DM
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unfallbedingte Mehraufwendungen 200,-- DM
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Verdienstausfall 14.688,42 DM
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a. 15.163,42 DM
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Der Kläger behauptet: ohne den Unfall hätte er im April 1980 sein Fachabitur bestanden
und sofort den von ihm erwählten Beruf eines Elektroingenieurs ergreifen können. Durch
den Unfall habe er das Abitur erst später machen können, so daß der geltend gemachte
Dienstausfall entstanden sei. Durch Fahrten zum Anwalt, Tele-fonate etc. seien
Unkosten entstanden, die mit 200 DM zu veranschlagen seien.
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Der Kläger meint: ein Schmerzensgeldbetrag von 60.000 DM sei unter Berücksich-
tigung aller Umstände angemessen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner
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15.163,42 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22.4.1981 zu zahlen
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sowie festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner ver-
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pflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, der
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aus der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit, soweit noch nicht be-
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ziffert, entstanden ist und künftig entstehen wird,
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sowie den Beklagten zu 1) zu verurteilten, an ihn ein Schmerzensgeld
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von 60.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen abzüglich
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am 15.7.80 gezahlter 2.000 DM, abzüglich am 3.10.1980 gezahlter
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5.000 DM und weiterer am 5.11.1980 gezahlter 3.000 DM.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behaupten: ein Verdienstausfall sei beim Kläger nicht eingetreten. Aufgrund seiner
Noten wäre er nicht in der Lage gewesen, einen Arbeitsplatz zu finden, möglicherweise
hätte er das Abitur im April 1980 nicht bestanden. Dauerschäden seien nicht
zurückgeblieben.
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Sie meinen: die geltend gemachte Unkostenpauschale sei überhöht, unfallbedingte
Mehraufwendungen nicht gegeben, da sich der Kläger ersparte Aufwendungen
anrechnen lassen müsse. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes entfalle, da
der Beklagte zu 1) wegen des Unfalls strafrechtlich verurteilt worden sei.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
vorbereitend gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 27.5.81
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(Bl. 67 d. A.) und 24.11.1981 (Bl. 86 - 87 d A.). Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.4.1982 (Bl. 120 - 126
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d. A.) sowie auf das Sachverständigengutachten vom 15.1.1982 (Bl. 100 - 106 d. A.)
verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist im zuerkannten Umfang entscheidungsreif und begründet.
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Die grundsätzliche Eintrittspflicht der Beklagten ergibt sich aus den §§ 823, 847 BGB, 7
Abs. 1 StGV und 3 Pflichtversicherungsgesetz.
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Nach Abschluß des Verfahren 5 C 374/80 AG Duisburg ist der Grund der Haftung der
Beklagten unstreitig. Das Gericht hat sich in einer weiteren Anhörung des
Sachverständigen davon überzeugt, daß in Ergänzung zu dem Gutachten des
Sachverständigen in dem Verfahren 5 C 374/80 AG Duisburg der Unfall nicht auf die
vom Sachverständigen festgestellte überhöhte Geschwindigkeit des Klägers
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zurückzuführen ist. Der Unfall hätte sich nach den Feststellungen des Sachverstän-
digen, denen das Gericht folgt, auch bei einem verkehrsgerechten Verhalten des
Klägers ereignet. Die Beklagten haben dann auch ihre Angriffe gegen den Sachver-
ständigen fallengelassen, so daß die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht
erforderlich war.
War danach der Unfall für den Kläger unvermeidbar, so entfällt eine Haftungsvertei-lung
nach § 17 StVG.
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Die Beklagten haben danach zunächst den materiellen Schaden des Klägers zu
ersetzen. Den Zeitwert des Helms schätzt das Gericht auf 75,-- DM, Einwendungen
gegen diesen schon vom Kläger angegebenen Wert haben die Beklagten nicht
vorgebracht. Des weiteren kann der Kläger eine Unkostenpauschale geltend machen,
deren Höhe das Gericht gem. § 287 ZPO auf 200 DM schätzt. Zwar hat der Kläger
konkrete Nachweise zur Höhe insofern nicht erbracht. Der Kläger befand sich jedoch
über einen langen Zeitraum in ärztlicher Behandlung, so daß zahlreiche Fahrten zur
Heilgymnastik und zu den Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich waren.
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Hinsichtlich der geltend gemachten Mehraufwendungen war die Klage abzuweisen. Es
kann zwar als richtig unterstellt werden, daß der Kläger Mehraufwendungen in Höhe
von 200 DM gehabt hat. Der Kläger hat aber während seiner stationären
Krankenhausaufenthalte die üblichen Aufwendungen für die Verpflegung zu Hause
erspart und muß sich diese Ersparnis anrechnen lassen.
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Hinsichtlich des Schmerzensgeldes hält das Gericht unter Berücksichtigung aller
Faktoren ein solches von 40.000 DM für angemessen.
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Berücksichtigt worden sind dabei die erheblichen Verletzungen, die der Kläger erlitten
hat, sowie der Umstand, daß es sich bei dem Kläger um einen jungen Mann handelt, für
den die erlittenen Verletzungen mit den noch heute verbliebenen und auch in Zukunft
verbleibenden Einschränkungen besonders bedeutsam sind. Bei der
Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldanspruches war weiter zu berücksichtigen, daß
beim Kläger ein Dauerschaden zurückgeblieben ist. Schon im Gutachten des Prof. Dr.
vom 25.8.1980 ist davon die Rede, daß anzunehmen ist, daß ein Dauer-schaden
zurückbleiben werde. In dem vom Gericht eingeholten Gutachten der Universitätsklinik
kommt der Sachverständige zu dem Schluß, daß an Unfallfolgen
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u. a. zu erkennen sind: Bewegungseinschränkung der rechten Hand, erhebliche
Beugebehinderung am linken Knie mit Gelenkreiben und erheblicher Verformung der
linken Kniescheibe, Formveränderungen an der rechten Kniescheibe und Beugebe-
hinderung am rechten Knie sowie Gangbehinderung. Bei den dargestellten Beein-
trächtigungen handelt es sich um Dauerschäden, ohne daß es dazu der Einholung
eines weiteren Gutachtens bedurfte. Die Angriffe der Beklagten gegen das Gutach-ten
der Universitätsklinik gehen fehl, der Dauerschaden ist eindeutig und zweifelsfrei
festgestellt.
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Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war weiter zu berücksichtigen, daß der
Kläger sich insgesamt ungefähr 3 Monate in stationärer Behandlung befunden hat.
Allerdings haben sich größere Komplikationen nicht ergeben, nach dem eigenen
Vortrag des Kläger ist vielmehr davon auszugehen, daß der Heilungsprozeß rei-
bungslos verlaufen ist.
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Bei einem besonderen Verschuldensgrad ist eine Erhöhung des Schmerzensgeldes
vorzunehmen (vgl. BGHZ 18, 249). Hier fuhr der Beklagte zu 1) mit 2,35 ‰ im öffent-
lichen Straßenverkehr. Damit ist ein erhebliches Verschulden gegeben. Demgegen-
über können sich die Beklagten in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, daß bei
einer Bestrafung des Täters die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes entfalle.
Das ist zwar grundsätzlich richtig (vgl. OLG Düsseldorf NJW 74, 1289). Nach der
Auffassung des Gerichts kann dies aber bei einem Verhalten wie dem des Beklagten zu
1) angesichts der Schwere des Verkehrsverstoßes nicht gelten.
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Eine Erhöhung des Schmerzensgeldes war auch unter dem Gesichtspunkt der
verzögerlichen Behandlung der Angelegenheit durch die Beklagten vorzunehmen. Die
Beklagten haben unzureichende Vorschußzahlungen erbracht, obwohl die Schwere der
Verletzungen und auch der Unfallhergang schnell abgeklärt waren. Natürlich konnten
die Beklagten eine gerichtliche Klärung des Vorfalls und der damit verbundenen
Ansprüche abwarten. Dies kann sich jedoch lediglich auf die endgültige Abrechnung mit
dem Kläger beziehen, nicht auf angemessene Vorschußzahlungen.
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Dem Kläger kann nicht darin beigepflichtet werden, daß seine Verletzungen mit denen
vergleichbar sind, die sich aus den von ihm zitierten Beispielen aus der
Schmerzensgeldtabelle von Hacks-Ring-Böhm ergeben. In den aufgeführten Beispielen
handelt es sich um wesentlich schwerwiegendere Verletzungen, die zu höheren
Schmerzensgeldbeträgen geführt haben.
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Der Feststellungsantrag des Klägers ist ebenfalls begründet. Ein Dauerschaden ist
eingetreten, bei dem noch nicht abzusehen ist, ob er auch noch in der Zukunft
Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit haben wird.
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Soweit der Kläger Ersatz von Verdienstausfall begehrt, ist die Sache noch nicht
entscheidungsreif. Es bedarf noch weiterer Beweiserhebung.
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Der Zinsanspruch ist aus § 291 BGB begründet.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
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