Urteil des LG Duisburg vom 19.11.2003

LG Duisburg: rücknahme der klage, schlüssiges verhalten, zahlungsunfähigkeit, hauptsache, schweigen, zustellung, druck, glaubhaftmachung, antragsrecht, form

Landgericht Duisburg, 7 T 125/03
Datum:
19.11.2003
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 125/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 62 IN 85/03
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichtes Duisburg vom 22.05.2003 - Aktenzeichen 62 IN 85/03 -
wird zurückgewiesen.Die Gläubigerin trägt die Kosten des
Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
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I.
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Mit Schriftsatz vom 28.02.2003 beantragte die Gläubigerin die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Zur Begründung verwies sie
auf offenstehende Forderungen aus Sozialversicherungsbeträgen für den Zeitraum Juni
2002 bis September 2002 über insgesamt 4.477,21 EUR sowie auf einen erfolglosen
Pfändungsversuch vom 4.12.2002. Zur Glaubhaftmachung fügte sie eine Aufstellung
ihrer Forderungen mit Vollstreckbarkeitsbescheinigung sowie das Protokoll über den
Pfändungsversuch vom 4.12.2002 bei.
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Unter dem 15.3.2003 bestellte das Amtsgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter
und ordnete an, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens
nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.
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Mit Schriftsatz vom 21.03.2003 hat die Gläubigerin den Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens in der Hauptsache für erledigt erklärt. Zur Begründung hat sie
darauf hingewiesen, dass die Schuldnerin die dem Antrag zugrundeliegende Forderung
vollständig beglichen habe. Die zu der Erledigungserklärung angehörte Schuldnerin hat
hierzu keine Stellung genommen.
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Mit Beschluß vom 22.5.2003 hat das Amtsgericht der Gläubigerin die Kosten des
Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass von einer
übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien auszugehen sei, da die
Schuldnerin zur der Erledigungserklärung der Gläubigerin keine Stellung genommen
habe und mithin anzunehmen sei, dass sie sich der Erledigungserklärung anschließe.
Nach § 91 a ZPO aber seien der Gläubigerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
da dies dem Verfahrensstand und der Billigkeit entspreche. Die Gläubigerin habe
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nämlich nicht dargelegt, dass die angenommene Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin
beseitigt sei. Damit aber diene die Erledigungserklärung nur dazu, die erhaltene
Zahlung zu sichern. Die Zahlung der Schuldnerin allein führe nicht zur Annahme einer
Beendigung der Zahlungsunfähigkeit. Aber auch durch die Zahlung sei kein
erledigendes Ereignis eingetreten, da die Leistung keine Erfüllungswirkung habe
sondern anfechtbar sei und gegen die Verfügungsbeschränkung verstieße.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Sie vertritt die Ansicht,
dass ihr Antrag ursprünglich zulässig und begründet gewesen sei und erst durch die
Zahlung das Recht der Gläubigerin auf Beantragung der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens erloschen sei. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
sei auch nicht zur Druckausübung, nämlich zur Erzwingung der
Forderungsbegleichung, gestellt worden. Vielmehr hätte die Schuldnerin selbst durch
ihre Nichtzahlung der Beiträge den Antrag der Gläubigerin veranlaßt.
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II.
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Die nach § 91 a Abs. 2 ZPO i.V.m. § 4 InsO zulässige sofortige Beschwerde der
Gläubigerin hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis hat das Amtsgericht zu Recht
der Gläubigerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.
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Entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes kann jedoch nur von dem Vorliegen einer
einseitigen Erledigungserklärung der Gläubigerin ausgegangen werden. In Abkehr von
der bisherigen Praxis vertritt die Kammer die Auffassung, daß in dem Schweigen des
Schuldners auf die Erledigungserklärung des Gläubigers keine Zustimmung in diese
gesehen werden kann.
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Nach heute ganz überwiegender Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der
Antragsteller (Gläubiger) im Insolvenzeröffnungsverfahren jederzeit berechtigt, die
Hauptsache einseitig oder auch übereinstimmend mit dem Schuldner für erledigt zu
erklären (BGH, NZI 2002, S. 91;
138; OLG Celle, NZI 2001, S. 150; LG Bonn, NZI 2001, S. 488; Uhlenbrock,
Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 14 Rdnr. 84 m.w.N.). Für diese Ansicht spricht, dass das
Insolvenzverfahren, ungeachtet des Amtsermittlungsgrundsatzes einem streitigen
Verfahren ähnelt, in dem für die Erledigungerklärung Raum ist. Dies ergibt aus dem
Verweis in § 4 InsO auf die ZPO. Für diese Ansicht sprechen aber auch
verfahrensökonomische Gesichtspunkte, da dem Gläubiger andernfalls nur die
Möglichkeit der Antragsrücknahme bliebe. Die hierdurch entstehenden Kosten müßte
der Gläubiger dann in einem weiteren Verfahren als Verzugsschaden geltend machen.
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Die heute in Rechtsprechung und Literatur herrschende Ansicht geht auch davon aus,
dass die einseitige Erledigungerklärung durch den Gläubiger ausreicht, der
Antragsgegner der Erledigungserklärung mithin nicht zustimmen muß (BGH, NZI 2002,
S. 91;
1483; LG Frankfurt, ZIP 1995, S. 1211; LG Koblenz, MDR 1988, S. 419). Dem ist zu
folgen. Die gegenteilige Auffassung, die eine übereinstimmende Erledigungserklärung
verlangt, übersieht, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 13 Abs. 2 InsO es in
die Hand des Gläubigers gelegt hat, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens oder der rechtskräftigen Abweisung des Antrages über seinen
Antrag frei zu verfügen.
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Vorliegend kann auch nur eine einseitige Erledigungserklärung der Gläubigerin
festgestellt werden. Eine Zustimmung der Schuldnerin ist nicht ersichtlich. Zwar braucht
eine solche Zustimmung regelmäßig nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sondern kann
auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (BGH NJW - RR 1991, S. 1211; BayObLG
NJW - RR 99, S. 1687; Zöller, 23. Aufl., § 91 a Rdnr. 10). Ein bloßes Schweigen des
Schuldners kann jedoch in der Regel nicht als eine rechtsgeschäftliche Handlung
gewertet werden. Eine entsprechende Wertung findet nur in den gesetzlich
vorgesehenen Fällen, wie § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO statt. Insoweit hat der Gesetzgeber
normiert, dass die Einwilligung des Beklagten, dem ein Schriftsatz über eine
Klagerücknahme zugestellt wird, als erteilt gilt, wenn dieser der Rücknahme der Klage
nicht innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen seit Zustellung des Schriftsatzes
widerspricht und er zuvor auf diese Folge hingewiesen wurde. Eine entsprechende
Vorschrift hat der Gesetzgeber im Rahmen der Erledigung der Hauptsache jedoch nicht
gewählt. Vielmehr hat er die in § 91 a Abs. 1 ZPO gewählte Formulierung
aufrechterhalten, wonach die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt
erklären müssen.
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Da ein als Zustimmung zu wertendes Verhalten der Schuldnerin nicht erkennbar ist, ist
festzustellen, dass eine Zustimmung der Schuldnerin nicht vorliegt.
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Entsprechend den Grundsätzen der einseitigen Erledigungserklärung aber sind der
Schuldnerin die Kosten des Insolvenzantragsverfahrens nur aufzuerlegen, wenn der
Antrag des Gläubigers ursprünglich zulässig und begründet war und erst durch die
erledigende Zahlung oder ein sonstiges Ereignis unbegründet geworden ist. Der
Gläubiger hingegen hat die Kosten zu tragen, wenn diese Voraussetzungen nicht
festgestellt werden können (OLG Köln, NZI 2001, S. 318, OLG Köln NZI 2002 S. 157; LG
Göttingen ZIP 1992, S. 272). Im Rahmen der Kostenentscheidung ist jedoch in die
Prüfung der Begründetheit des Antrages nicht vollständig einzutreten ist. Die Prüfung
der ursprünglichen Begründetheit ist vielmehr ohne Durchführung einer weiteren
Beweisaufnahme festzustellen, wobei auf den bisherigen Verfahrensstand abzustellen
ist. Ein Parteienstreit allein über die Frage der Kostentragungspflicht ist mit § 5 Abs. 1
S.1 InsO nicht vereinbar (OLG Köln, NZI 2002, S. 157; im Ergebnis auch Uhlenbrock,
Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 14 Rdnr. 88). Der Eintritt eines erledigenden Ereignisses
kann jedoch vorliegend nicht festgestellt werden. Durch die Annahme der Zahlung der
Schuldnerin ist die Forderung der Gläubigerin und damit ihr Antragsrecht nach § 14 Abs.
1 Insolvenzordnung nicht erloschen. Mit Beschluß vom 15.03.2003 hat das Amtsgericht
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und angeordnet, dass Verfügungen der
Schuldnerin nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam
werden (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Die von der Schuldnerin geleistete Zahlung aber ist
ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erbracht worden, so dass die
Zahlung nach § 81 Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 InsO als absolut unwirksam anzusehen ist
(Uhlenbroch, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 24, Rn 2). Eine Erfüllungswirkung lag damit
zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung nicht vor. Soweit die Anordnung eines
Zustimmungsvorbehaltes aufgrund der Erledigungserklärung entsprechend § 269 Abs. 3
ZPO wirkungslos wurde, (OLG Köln, ZIP 1993, S. 1483) ist dies irrelevant. Für die Frage
der Kostentragungspflicht ist entscheidend, ob zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung
ein erledigendes Ereignis vorlag und nicht erst durch die Erledigungserklärung
eingetreten ist.
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Auch kann nicht festgestellt werden, dass ein erledigendes Ereignis in Form des
Wegfalls der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorliegt. Zu Recht weist das
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Amtsgericht darauf hin, dass aus einer einmaligen Zahlung der Schuldnerin keine
Rückschlüsse auf den Wegfall der Zahlungsunfähigkeit gezogen werden können.
Aufgrund der von der Gläubigerin dargelegten Umstände, dass für die Zeit von Juni
2002 bis September 2002 keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge geleistet wurden
und durchgeführte Vollstreckungsversuche erfolglos blieben, war von einer
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin auszugehen. Allein die Tatsache, dass die
Schuldnerin kurz nach dem Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens die infrage stehende Forderung beglichen hatte, läßt jedoch nicht
darauf schließen, dass die nicht nur vorübergehende Zahlungsstockung der
Schuldnerin geendet ist. Eine einmal nach außen hin in Erscheinung getretene
Zahlungseinstellung wirkt grundsätzlich fort. Sie kann nur dadurch wieder beseitigt
werden, dass die Zahlungen im allgemeinen wieder aufgenommen werden. Die
allgemeine Aufnahme der Zahlungen hat derjenige zu beweisen, der sich auf den
nachträglichen Wegfall einer zuvor eingetretenen Zahlungseinstellungen beruft. Der
Gläubiger, der nach einem Insolvenzantrag eine Zahlungsvereinbarung mit dem
Schuldner schließt, darf grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass die Forderungen der
anderen, zurückhaltenden Gläubiger in vergleichbarer Weise bedient werden, wie seine
eigenen. Vielmehr entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Schuldner -
um sein wirtschaftliches Überleben zu sichern - unter dem Druck eines
Insolvenzantrages Zahlungen bevorzugt an den antragstellenden Gläubiger leistet, um
ihn zum Stillhalten zu bewegen. Bei einem Schuldner, der nicht alle seine Gläubiger voll
zu befriedigen vermag, gehen solche Zahlungen an den am meisten drängenden
Gläubiger typischerweise zu Lasten der anderen Abwartenden (BGH, NJW 2002, S.
512; BGH ZIP 1999, Seite 1977; OLG Hamm, ZIP 1996, S. 469).
Letztlich ist festzustellen, dass sich die Gläubigerin auch nicht auf einen Wegfall der
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruft. Sie vertritt vielmehr die Ansicht, dass das
erledigende Ereignis in der Zahlung der Schuldnerin auf die rückständigen
Sozialversicherungsbeiträge zu sehen ist. Dies kann aus oben genannten Gründen
jedoch nicht angenommen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Beschwerdewert: bis 600,-- EUR.
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