Urteil des LG Duisburg vom 10.02.1999

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Landgericht Duisburg, 10 O 408/98
Datum:
10.02.1999
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 O 408/98
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 25.460,75 nebst 4 %
Zinsen seit dem 8. November 1998 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar in Höhe
von 110 % des beizutreibenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin macht Ansprüche aus übergegangenem Recht (§ 116 I SGB X) gegen die
Beklagte geltend.
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Ein Mitglied der Klägerin, Frau , erlitt im Dezember 1996 gegen 09.00 Uhr morgens
einen Unfall auf dem Kundenparkplatz des Einkaufszentrums " ", das die Beklagte
betreibt. Frau war an diesem Morgen auf den Weg zur Arbeit und hielt am
Einkaufszentrum, um für ihren Arbeitgeber Putzmittel und Toilettenpapier zu kaufen.
Beim Aussteigen aus ihrem PKW rutschte Frau auf einer ca. 1 qm großen Eisfläche auf
dem Kundenparkplatz aus und verletzte sich. Die Eisfläche war unbehandelt. Auf dem
Kundenparkplatz befinden sich mehrere leichte Vertiefungen, in denen sich Wasser
sammeln kann. Die Beklagte hatte auf dem Parkplatz nicht mit Salz oder Granulat
gestreut. Am Morgen des Unfalltages hatte es keinen Niederschlag gegeben. Am
Vormittag des Vortages hatte es etwas geregnet. In der Nacht vor dem Unfall hatte es
gefroren.
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Wegen der Kosten, die der Klägerin im Zusammenhang mit der Behandlung der
Unfallfolgen entstanden sind, wird auf die Klageschrift vom 26. Oktober 1998 (Bl. 4 ff.
d.A.) verwiesen.
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Mit Schreiben vom 26. Januar 1998 hat die hinter der Beklagten stehende
Haftpflichtversicherung die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche endgültig
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zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 25.460,75 nebst 4 % Zinsen seit
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dem 26. Januar 1998 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe ihre Verkehrssicherungspflicht, insbesondere ihre
Streupflicht nicht verletzt.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht. Die
Beklagte haftet gegenüber der Verletzten aus § 823 Abs. 1 BGB, weil sie ihre
Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Der Anspruch ist auf die Klägerin übergegangen
(§ 116 Abs. 1 SGB X).
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Die Beklagte ist verantwortlich für die Verkehrssicherheit der Flächen, die ihren Kunden
zugänglich sind. Diese Verpflichtung hat die Beklagte verletzt, indem sie die
Verkehrssicherheit auf ihrem Kundenparkplatz nicht gewährleistet hat. Frau ist auf einer
vereisten Fläche des Kundenparkplatzes ausgerutscht, während die Beklagte keine
Vorkehrungen getroffen hat, Unfälle dieser Art zu verhindern.
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Die Beklagte hat zunächst bestritten, daß keine für "Glatteisbildung gefährliche
Witterung" vorgelegen habe und u.a. Beweis angeboten durch Einholung einer Auskunft
beim Wetteramt. Die Klägerin hat daraufhin ein amtliches Gutachten des Deutschen
Wetterdienstes vorgelegt, aus dem sich ergibt, daß es am Vormittag des Vortages etwas
geregnet hatte. Da die Beklagte dem nicht weiter entgegengetreten ist, ist dieser
Umstand als unstreitig anzusehen. Die Beklagte war bei der geschilderten Wetterlage
(leichter Regen am Vormittag des Vortages und Frost in der Nacht) zumindest
verpflichtet, auf ihrem Parkplatz vorbeugende Kontrollen durchzuführen. Diese
Verpflichtung hat die Beklagte verletzt, indem sie auf dem Parkplatz überhaupt keine
Kontrollen durchgeführt hat, um die Sicherheit ihrer Kunden zu gewährleisten. Zu
solchen Kontrollen bestand aber zumindest bei dieser Wetterlage Veranlassung.
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Aus den von der Klägerin zu den Akten gereichten Fotos des Kundenparkplatzes ergibt
sich, daß dieser an einigen Stellen nicht völlig eben ist und sich dort Wasser sammeln
kann. Den Umstand, daß auf dem Parkplatz unebene Stellen vorhanden waren, in
denen sich Wasser sammeln konnte, hat die Beklagte zumindest nach Vorlage der
Farbfotos von dem Parkplatz (Bl. 47 ff. d.A.) nicht mehr in erheblicher Weise bestritten.
Bei Frostwetter ist es naheliegend, daß diese Wasseransammlungen zu Eisflächen
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gefrieren können. Von solchen Eisflächen gehen besondere Gefahren aus, weil bei
einer ansonsten trockenen und eisfreien Fläche erfahrungsgemäß die Aufmerksamkeit
sinkt. Daher treffen die Beklagte in diesen Fällen sogar besondere Sicherungspflichten.
Aus dem Umfang der Streupflicht ergibt sich nichts abweichendes. Die Verpflichtung,
den Kundenparkplatz durch regelmäßige Kontrollen bei Frostwetter abzusichern, trifft
die Beklagte unabhängig von einer etwaigen Streupflicht. Der Umfang der Verpflichtung
weicht von der allgemeinen Streupflicht ab. Es geht im vorliegenden Fall darum, die
Kunden auf dem Parkplatz durch eine regelmäßige Kontrolle vor besonderen
Gefahrenpunkten abzusichern. Zu berücksichtigen ist, daß sich die Gefahrenlage bei
einem Parkplatz, auf dem sich auf einer sehr glatten, eng begrenzten Fläche Eis
befindet, anders darstellt als bei einer großen Fläche, die insgesamt mit Schnee und Eis
überzogen ist. Ist eine größere Fläche mit Schnee und Eis überzogen, so ist der Umfang
der zu treffenden Maßnahmen eingeschränkt und die Anforderungen an die Benutzer
sind erhöht. Die Gefahrenlage und Sicherheungspflicht ist bei einer kleinen Eisfläche
eher vergleichbar mit derjenigen bei sonstigen Schäden im Untergrund (z.B. bei
Schlaglöchern), wobei die Eisfläche als Gefahrenquelle allerdings vorübergehender Art
ist.
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Dadurch werden die Anforderungen an die der Beklagten obliegenden
Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt. Der Umstand, daß es sich bei der vereisten
Fläche um eine vorübergehende Gefahrenquelle handelt, ist bei den Anforderungen an
die Sicherungspflicht zu berücksichtigen. Ausreichend wäre es gewesen, wenn die
Beklagte den Parkplatz bei Frostwetter morgens einmalig kontrolliert hätte. Die Beklagte
wäre damit ihrer Verkehrssicherungspflicht bereits nachgekommen, weil eine
lückenlose Kontrolle nicht gewährleistet werden kann. Eine einmalige Kontrolle am
Morgen bei Frostwetter stellt einen geringen Arbeitsaufwand dar und ist der Beklagten
ohne weiteres zumutbar, weil sie auch im übrigen für die gefahrlose
Benutzungsmöglichkeit des Parklplatzes durch ihre Kunden zu sorgen hat und diese
Kontrolle mit anderen ihr obliegenden Sicherungsmaßnahmen verbinden kann.
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Die Beklagte hat schuldhaft gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Sie hätte
erkennen können, daß sie nicht völlig aus ihrer Verkehrssicherungspflicht entlassen
war, sondern regelmäßige Konrollen durchzuführen hatte.
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Frau trifft an dem Unfall kein Mitverschulden, dass die Haftung der Beklagten mindert (§
254 BGB). Das Verschulden der Beklagten mangels jeglicher Kontrolle überwiegt so
stark, daß dem Mitverschulden von Frau keine haftungsmindernde Bedeutung zukommt.
Die Klägerin kann aus diesem Grunde vollen Schadensersatz von der Beklagten
verlangen. Frau mußte nicht mit einer kleinen, spiegelglatten Fläche beim Aussteigen
rechnen, sondern durfte davon ausgehen, daß Vorkehrungen zur Vermeidung von
Unfällen dieser Art getroffen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei einem
Parkplatz, der insgesamt einen trockenen Eindruck vermittelt, die Aufmerksamkeit
geringer ist, weil mit einer besonderen Gefahrenquelle dieser Art von Seiten der Kunden
grundsätzlich nicht zu rechnen ist. Besondere Umstände, die eine besondere
Sorgfaltspflichtverletzung von Frau begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
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Der Anspruch ist zudem in der geltend gemacht Höhe gegeben. Insoweit hat die
Beklagte keine Einwendungen erhoben (Bl. 31 d.A.).
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Der Verzugsbeginn ist nicht nachgewiesen durch das Schreiben der hinter der
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Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung. Die Klägerin macht Ansprüche gegen die
Beklagte geltend und muß daher die Verzugsvoraussetzungen im Hinblick auf diese
darlegen. Da die Klageschrift am 7. November 1998 zugestellt worden ist, ist als
Verzugsbeginn der 8. November 1998 anzuerkennen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
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