Urteil des LG Duisburg vom 01.04.2008

LG Duisburg: stationäre behandlung, vertragsarzt, versorgung, ambulante behandlung, patientenakte, ärztliche behandlung, wirtschaftliches interesse, freie arztwahl, vergütung, unterlassen

Landgericht Duisburg, 4 O 300/07
Datum:
01.04.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 300/07
Tenor:
1.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes
von bis zu 250.000,- €, ersatzweise, wenn dieses nicht beigetrieben
werden kann, Ordnungshaft, zu unterlassen, Verträge abzuschließen,
die eine oder mehrere der nachfolgend abgedruckten oder diesen
inhaltlich gleich-kommende Vereinbarungen enthalten:
§ 2
Leistungen
1. Das Krankenhaus beauftragt Vertragsärzte mit der Durchführung von
prä- und poststatio-nären Leistungen, die im Zusammenhang mit einer
stationären Behandlung im Kranken-haus notwendig sind. In Anlage A
sind die stationären Behandlungen nach Satz 1 aufge-führt, bei denen
eine Beauftragung der Vertragsärzte im Rahmen der sektorenübergrei-
fenden Versorgung in Betracht kommt. Die von Vertragsärzten im Auftrag
des Kranken-hauses durchführbaren Leistungen sind in der Anlage B
dieses Vertrages abschließend aufgeführt.
2. Das Krankenhaus entscheidet über den Umfang der im konkreten
Behandlungsfall durch den Vertragsarzt zu erbringenden Leistungen
und koordiniert diese. Das nähere regelt § 3.
§ 3
Ablaufkonzept der sektorenübergreifenden Versorgung
1. Der Vertragsarzt empfiehlt dem Patienten, für den er die Indikation für
eine stationäre Behandlung nach Anlage A gestellt hat, die Vorstellung
im Krankenhaus.
2. Das Krankenhaus nimmt den Patienten als Behandlungsfall i.S.
dieser Vereinbarung an, wenn es die Indikation zur stationären
Behandlung bestätigt und der Patient sein schriftli-ches Einverständnis
nach § 8 gegeben hat.
3. Nach Annahme des Behandlungsfalles entscheidet das Krankenhaus
über die weiteren Behandlungsschritte und dokumentiert diese in einer
Patientenakte.
4. Das Krankenhaus beauftragt den Vertragsarzt, der die Indikation
gestellt hat, mit den im konkreten Behandlungsfall notwendigen
prästationären Leistungen durch Übersendung der Patientenakte und
informiert den Patienten.
5. Der beauftragte Vertragsarzt erbringt die prästationären Leistungen
und gibt anschließend die Patientenakte nach entsprechender
Dokumentation an das Krankenhaus zurück.
6. [bleibt frei]
7. [bleibt frei]
8. (…) Soweit diese [scil.: poststationäre Leistungen] erforderlich sind,
beauftragt das Krankenhaus hiermit den Vertragsarzt, der die Indikation
gestellt hat, durch Übersendung der Patientenakte. Der beauftragte
Vertragsarzt reicht die Patientenakte, nachdem er die poststationären
Leistungen erbracht und dokumentiert hat, an das Krankenhaus zurück.
9. (…) Es kann sich – je nach Behandlungsnotwendigkeit – eine erneute
stationäre Behand-lung (ggf. mit weiterer poststationärer Behandlung)
(…) anschließen.
§ 5
Vergütung
1. Das Krankenhaus zahlt den Vertragsärzten für die von ihnen
erbrachten prä- und poststa-tionären Leistungen die Vergütung nach
Anlage B. Mit der Vergütung sind alle beim Vertragsarzt mit der
Leistungserbringung verbundenen Kosten, einschließlich derjenigen für
Verbrauchsmaterialien, abgegolten.
2. Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen erfolgt über mit dem
Vertragsarzt gem. Anla-ge E.
Ferner wird die Beklagte zu 1) verurteilt, es bei Meidung eines
Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- €, ersatzweise, wenn dieses nicht
beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, zu unterlassen, den Pati-enten
an das Krankenhaus überweisenden Ärzten pauschale
Rechnungsbeträge für „prä- und poststa-tionäre Leistungen“ nach dem
Laufzettel „Honorar MVG O.“ zu zahlen.
2.
Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes
bis zu 250.000,- €, ersatz-weise Ordnungshaft, zu unterlassen, bei der
Anbahnung und dem Abschluß von Verträgen, die eine oder mehrere
der unter 1. genannten Vereinbarungen enthalten, mitzuwirken und /
oder die an das Krankenhaus überweisenden Ärzte hierzu aufzufordern.
3.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten je zur Hälfte.
5.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,- €
vorläufig vollstreckbar. vorläufig vollstreckbar.
6.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist ein im Vereinsregister eingetragener ärztlicher Berufsverband. Zu seinem
satzungsgemäßen Vereinszweck gehören u. a. die Pflege der Berufsethik unter den
Mitgliedern und die Wahrnehmung der vertraglichen, wirtschaftlichen und sozialen
Belange. Mitglieder des Vereins sind über 1.000 sogenannte Knappschaftsärzte, d.h.
niedergelassene (KV-)Vertragsärzte und -ärztinnen, die zugleich über eine mit der in
geschlossenen Vertrag über die Zulassung zur knappschaftsärztlichen Versorgung
2
verfügen. Die Tätigkeit des Klägers erstreckt sich traditionellerweise auf das nördliche
Gebiet von . Dort betreibt die Beklagte zu 1) das . Chefarzt in dessen chirurgischer
Abteilung ist der Beklagte zu 2).
Im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit bietet die Beklagte zu 1)
niedergelassenen Ärzten den Abschluß eines Vertrages über "sektorenübergreifende
Versorgung" entsprechend dem als Bl. 40 ff. bei der Akte befindlichen Muster an. Auf die
genannte Aktenstelle wird wegen des Inhalts des Musters Bezug genommen. Dieses
Vorgehen beanstandet der Kläger als wettbewerbswidrig.
3
Der Kläger trägt vor:
4
Er sei gemäß § 8 Abs. 3 UWG für die vorliegende Klage aktivlegitimiert. Die Beklagten
seien gemäß § 3 UWG passivlegitimiert. Insbesondere sei mit einer Fortsetzung bzw.
Wiederholung ihres rechtswidrigen Verhaltens zu rechnen. Abmahnungen gegenüber
ihrem Verhalten seien sie nicht nachgekommen.
5
Seinem Inhalt nach sei der beanstandete Vertrag darauf angelegt, den teilnehmenden
Ärzten ein "Kopfgeld" für die Überweisung von Patienten zur stationären Behandlung im
Rahmen der Viszeralchirurgie, insbesondere Schilddrüse, Cholezystektomie, inguinalen
und femoralen Hernioplastik, Nabelhernie, Hiatushernie, kolorektalen Tumore,
Divertikulose, Hämorrhoiden, perianalen Fisteln und Magenkarzinom, zu zahlen.
6
In der Zielsetzungen der MVGO komme dies trefflich wie folgt zum Ausdruck:
7
"Für die Hausärzte resultiert eine Honorierung der bisher oft intrabudgetär
erbrachten Leistungen. Durch den Marketingeffekt gewinnen alle Beteiligten eine
stärkere Bindung der Patienten an den einweisenden Arzt und die Klinik."
8
Auch die Art der vereinbarten Zusammenarbeit widerspreche §§ 140a ff. SGB V. Denn
mit der Überweisung des Patienten an das Krankenhaus sei die
Behandlungszuständigkeit des Hausarztes beendet.
9
Für die prä- und poststationäre Behandlung, insbesondere präoperative Diagnostik, sei
die Klinik selbst und nicht der Hausarzt zuständig, soweit dieser sie nicht im
erforderlichen Umfang durchführen könne. Gleiches gelte insbesondere auch für die
poststationären Untersuchungen. Der Hausarzt, der diese Dinge nicht durchführen
könne, dürfe sie auch nicht durchführen. Dies sei vielmehr Pflicht der Klinik, die diese
Leistungen auch dementsprechend im Bereich des Krankenhauses durchzuführen
habe. Besonders entlarvend sei insoweit, daß gemäß § 7 des Vertrages jeder Arzt den
Vertrag abschließen könne, wenn er nur zur Erbringung der im Anhang aufgeführten
Leistungen berufsrechtlich berechtigt sei und den erforderlichen fachlichen Standard
gewährleiste. Niedergelassene Hausärzte hätten in der Regel nicht einmal die
Möglichkeit, die jeweils geforderte Lungenübersicht (Röntgenthorax in zwei Ebenen)
durchzuführen.
10
Soweit der Hausarzt diese Diagnose- und Behandlungsmaßnahmen im medizinisch
erforderlichen Umfang vornehmen könne, dürfe hingegen das Krankenhaus nicht tätig
werden kann, § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V, so daß es sich in diesem Fall bei diesen
Leistungen in Wahrheit schlicht um ambulante Leistungen handele, die nur virtuell und
zu Unrecht der Krankenhaussphäre zugerechnet würden.
11
Daß es unbestrittenerweise Ausnahmefälle geben könne, so etwa denjenigen, daß,
wenn ein Krankenhaus eine einzelne Maßnahme im Verlaufe der prä- und
poststationären Behandlung durchführen könne, etwa eine Kernspintomographie, ein
niedergelassener Arzt, der über die entsprechende Ausrüstung verfüge, für diese
Maßnahme hinzugezogen werden könne, ändere am vorstehenden nichts.
12
Soweit demnach der Hausarzt zulässigerweise tätig werde, habe er selbstverständlich
über die Krankenkasse abzurechnen und nicht über das Krankenhaus, das wiederum
seine prä- und poststationären Leistungen (gesondert) gegenüber den Krankenkassen
abrechnen könne. Im übrigen seien die in dem Honoraranhang genannten Honorare –
die aus den mit dem vorstehenden unlauteren Vorgehen erzielten weiteren
Honorargeldern der Krankenhäuser natürlich finanziert werden könnten – überhöht
(hierzu im einzelnen Seiten 13 ff. der Klageschrift, Bl. 13 ff. d.A.). Es liege daher ein
Verstoß gegen § 1 Abs. 1 GOÄ vor. Ferner werde durch das beanstandete Vorgehen die
Budgetlimitierung im Bereich der Honorare für ambulante Behandlungen in
unzulässiger Weise umgangen. Der Tatbestand des § 299 StGB und sogar des § 331
StGB werde durch das Vorgehen der Beklagten erfüllt. Beide Vorschriften hätten auch
wettbewerbsschützenden Charakter.
13
Zu beanstanden sei auch, daß der Vertragsarzt nach § 2 des Vertrages dem Patienten
die Vorstellung im Krankenhaus der Beklagten zu 1) zu empfehlen habe. Der Arzt habe
nämlich seinen gesetzlichen Verpflichtungen entsprechend, die auch in entsprechenden
Richtlinien niedergelegt seien, unter Berücksichtigung der ihm zugänglichen
Informationen ein geeignetes Krankenhaus und dabei insbesondere die beiden
nächsterreichbaren geeigneten Krankenhäuser anzugeben. In dem beanstandeten
Vorgehen liege ein Verstoß gegen die freie Arztwahl.
14
Zu beanstanden sei auch, daß gemäß § 3 Abs. 10 des Vertrages das Krankenhaus die
medikamentöse Versorgung während der poststationären Behandlungszeit bis maximal
drei Tage sicherstelle, obwohl bei der Entlassung von Patienten nach § 14 Abs. 7 Satz 3
Apothekengesetz die zur Überbrückung benötigte Menge an Arzneimitteln nur dann
abgegeben werden dürften, wenn im unmittelbaren Anschluß an die Entlassung ein
Wochenende oder ein freier Tag folge.
15
Bezeichnend sei, daß nur Vertragsärzte – also solche, die über die gesetzliche
Krankenversicherung ihre Leistungen abrechneten – Vertragspartner werden könnten.
Dies habe seinen Grund darin, daß der Beklagte zu 2) als Chefarzt die Privatpatienten
für sich behalten wolle.
16
Nach allem erfülle das Verhalten der Beklagten somit die Tatbestände unlauteren
Wettbewerbsverhaltens nach § 4 Nrn. 1, 3, 4, 11 UWG und § 5 UWG.
17
Der Kläger hat zunächst den Antrag angekündigt,
18
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-
€, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, Verträge nach dem Muster des
"Vertrags über sektorenübergreifende Versorgung" zu schließen und den an das
Krankenhaus überweisenden Ärzten pauschale Rechnungsbeträge für "prä- und
poststationäre Leistungen" nach dem Laufzettel "Honorar MVG O." zu zahlen.
19
Nunmehr beantragt der Kläger,
20
die Beklagte zu 1) zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu
250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, Verträge nach dem Muster
des "Vertrags über sektorenübergreifende Versorgung" zu schließen und den an
das Krankenhaus überweisenden Ärzten pauschale Rechnungsbeträge für prä-
und poststationäre Leistungen nach dem "Laufzettel Honorar MVG O." zu zahlen,
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den Beklagten zu 2) zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu
250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, bei der Anbahnung und
dem Abschluß von Verträgen nach dem Muster des "Vertrags über
sektorenübergreifende Versorgung" mitzuwirken und die an das Krankenhaus
überweisenden Ärzte hierzu aufzufordern.
22
Die Beklagten rügen die Zuständigkeit des Landgerichts Duisburg und beantragen,
23
die Klage abzuweisen.
24
Aufgrund der Zuständigkeitsrüge der Beklagten beantragt der Kläger hilfsweise die
Verweisung an ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit.
25
Die Beklagten tragen vor:
26
Der beanstandete Vertrag habe allein den Zweck, eine optimale Behandlung der
Patienten sicherzustellen und den Patienten gleichzeitig zu ermöglichen, möglichst
lange im häuslichen Umfeld zu verbleiben.
27
Soweit der Vertragsarzt die durchzuführenden Untersuchungen nicht durchführen
könne, würden sie auch nicht in seiner Praxis durchgeführt.
28
Die Honorare, die den Vertragsärzten gezahlt würden, entsprechen geringfügig
gerundetes den Sätzen der GOÄ.
29
Soweit der Kläger sich daran störe, daß derjenige Vertragsarzt mit den poststationären
Behandlungen beauftragt werde, der den Patienten in das Krankenhaus eingewiesen
habe, so könne nach dem klaren Vertragswortlaut auf Patientenwunsch davon
abgewichen werden.
30
Ein wettbewerbswidriges Verhalten liege nicht vor. § 4 Nrn. 1, 3 und 11 UWG seien
nicht erfüllt.
31
Die Normen, gegen die angeblich verstoßen worden sei, hätten sämtlich keinen
wettbewerbsbezogene Schutzfunktion, so daß § 4 Nr. 11 UWG schon deshalb nicht
eingreifen könne. Es fehle deshalb schon an einer sachlichen Zuständigkeit des
Landgerichts Duisburg gemäß § 13 Abs. 1 UWG. Der Rechtsstreit falle in das Gebiet der
Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 SGG.
32
Im übrigen sei gegen keine der von dem Kläger genannten Normen verstoßen worden.
33
Insbesondere treffe es auch nicht zu, daß der an dem System teilnehmende Arzt
verpflichtet sei, den Patienten dem Krankenhaus der Beklagten zu 1) zuzuweisen. Er sei
34
frei darin, den Patienten auch einem anderen Krankenhaus zuzuweisen. Die
Zuweisungen erfolgten stets nach medizinischen Gesichtspunkten, nicht aus
pekuniären Interessen.
Völlig unklar bleibe im übrigen, weshalb der Beklagte zu 2), weisungsabhängiger
Chefarzt in Diensten der Beklagten zu 1), passiv legitimiert sein sollte.
35
Im übrigen sei Herr von der kassenärztlichen Vereinigung, Bezirksstelle, zur
Zulässigkeit des Vertrags und seiner Umsetzung befragt worden, die er nach
Abänderung in einem Punkt bejaht habe.
36
Auch die Ärztekammer habe ihre anfänglich erhobenen Bedenken nach
entsprechenden Erörterungen nicht weiter verfolgt.
37
Dasselbe gelte für die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. in.
38
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze und die dazu überreichten Anlagen verwiesen.
39
Entscheidungsgründe:
40
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten
für den vorliegenden Rechtsstreit gegeben. Bei dem geltendgemachten Anspruch
handelt es sich um einen solchen aus dem UWG und damit einen privatrechtlichen, über
den die ordentlichen Gerichte zu befinden haben. Für die Frage der
Rechtswegzuständigkeit der Zivilgerichte kommt es nicht darauf an, ob inzident mit der
Überprüfung eines Anspruchs auch Normen zu überprüfen sind, die nicht dem
Privatrecht angehören. Einzig entscheidend ist, ob der Streitgegenstand dem privaten
Recht angehört. Streitgegenstand ist der geltendgemachte Anspruch. Dieser kann
vorliegend von vornherein nur auf einer Anspruchsgrundlage aus dem privaten
Wettbewerbsrecht, welches hauptsächlich im UWG und ergänzend in den allgemeinen
Generalklauseln des BGB (§§ 823 Abs. 2, 824, 826, 1004 analog BGB) niedergelegt ist,
beruhen. Somit ist er privatrechtlich.
41
Die Klage ist im aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang und somit letztlich
in allen wesentlichen Punkten begründet.
42
1.
43
Die Beklagte zu 1) verhält sich durch Abschluß des von dem Kläger beanstandeten
Vertrages im Sinne des § 3 UWG wettbewerbswidrig, was ihr der Kläger gemäß § 8
Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG verbieten lassen kann.
44
Die in der Entscheidungsformel genannten Klauseln des Vertragswerks sind letztlich im
Sinne des
45
§ 4 Nr. 1 UWG dazu geeignet, auf unangemessene und unsachliche Weise auf die
Entscheidungsfreiheit der Verbraucher, hier Patienten, Einfluß zu nehmen. Allein die
Eignung einer Handlung hierzu genügt bereits für einen Wettbewerbsverstoß im Sinne
des § 4 Nr. 1 UWG, und zwar selbst dann, wenn zum Erreichen dieser Einflußnahme
weiterer Handlungen erforderlich sind. So liegt es hier.
46
Es liegt ohne weiteres auf der Hand, daß diejenigen Ärzte, die sich an dem
beanstandeten System beteiligen, geneigt sein werden, Patienten möglichst an das
Krankenhaus der Beklagten zu 1) "weiterzureichen", indem sie eine entsprechende
Empfehlung aussprechen.
47
Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob § 3 des Vertrages den jeweils an
dem System teilnehmenden Arzt sogar verpflichtet, in jedem Fall dem Patienten für die
in dem Vertrag näher bezeichneten Behandlungen das Krankenhaus der Beklagten zu
1) zu empfehlen, wofür einiges spricht.
48
Denn eine entsprechende Motivation der an dem System teilnehmenden Ärzte folgt
allein schon daraus, daß es den an dem System teilnehmenden Ärzten hierdurch
ermöglicht wird, später in ihrer Praxis erbrachte Leistungen zu Sätzen, die mindestens
der GOÄ entsprechen und somit über den Honoraren der gesetzlichen Krankenkassen,
die überdies durch Budgetlimitierungen begrenzt sind, abzurechnen.
49
Wenn die an dem System teilnehmenden Ärzte hingegen Patienten an andere
Krankenhäuser "weiterreichen", indem sie ihnen diese empfehlen, erhalten sie solche
Sätze für später erbrachte sogenannte prä- oder poststationäre
Behandlungsmaßnahmen nicht. Denn soweit sie solche Leistungen, weil sie nicht aus
medizinischen Gründen im Krankenhaus erbracht werden müssen, zulässigerweise
erbringen, können sie sie selbstverständlich auch nur als ambulante Leistungen
gegenüber den Krankenkassen zu den dort geltenden Sätzen abrechnen (Ausnahmen
hiervon für punktuelle Auslagerungen von Untersuchungen, etwa der von dem Kläger
angezogenen Kernspintomographie, mag es geben). Erbringen die an dem System
teilnehmenden Ärzte solche Leistungen hingegen unzulässigerweise in ihrer Praxis,
weil sie aus medizinischen Gründen richtigerweise im Krankenhaus vorzunehmen
wären, können sie sie, weil gesetzwidrig (§ 70 SGB V), überhaupt nicht abrechnen. In
beiden Fällen erhalten sie nicht das ihnen von der Beklagten zu 1) versprochene
Honorar. Der Kammer ist auch nur allzugut bekannt, daß Ärzte aufgrund der
gesetzgeberischen Maßnahmen im Sozialversicherungsrecht durchaus ein
wirtschaftliches Interesse daran haben, Patienten nicht zu den Sätzen der gesetzlichen
Krankenkasse, sondern zu den Sätzen der GOÄ zu behandeln, was ihnen insbesondere
bei Privatpatienten möglich ist.
50
Daß somit das beanstandete System geeignet ist, daran teilnehmende Ärzte dazu zu
verleiten, Patienten entgegen medizinischen Erforderlichkeiten eine Behandlung im
Krankenhaus der Beklagten zu 1) anstatt in einem bessergeeigneten Krankenhaus zu
empfehlen, liegt auf der Hand. Daß hierin gegebenenfalls eine unangemessene und
unsachliche Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit der Patienten (Verbraucher)
liegt, weil den Patienten wesentliche Informationen, zu denen der Arzt verpflichtet ist,
vorenthalten werden und die Patienten daher keine rationale informierte Entscheidung
treffen können (Vgl. Hefermehl-Köhler, § 4 UWG, Rn. 1.39), bedarf keiner näheren
Darlegung. Es sei nur angemerkt, daß ein Arzt, wenn er schon eine Empfehlung
ausspricht und nicht nur Krankenhäuser benennt, die für eine Weiterbehandlung des
Patienten infrage kommen, diese Empfehlung selbstverständlich allein an
medizinischen Gesichtspunkten und nicht an pekuniären Interessen seiner Person
auszurichten hat.
51
Aus den vorstehend aufgezeigten Gründen ist der Vertrag überdies geeignet, die an
52
dem beanstandeten System teilnehmenden Ärzte zu einer weiteren unsachlichen und
unangemessenen Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit der Patienten in Gestalt
einer Empfehlung der Teilnahme an der sogenannten "sektorenübergreifenden
Versorgung" zu verleiten. Eine solche "sektorenübergreifende Versorgung" nach dem
beanstandeten System bietet keinerlei Vorteile und ist schlicht rechtswidrig.
Denn nach dem System wird zunächst einmal trotz Notwendigkeit einer prä- oder
poststationären Behandlung, die wegen der tendenziell gegenüber niedergelassenen
Ärzten besseren Ausrüstung der Krankenhäuser zugelassen wurde und demnach
selbstverständlich im Krankenhaus erfolgen muß, de facto eine Behandlung in
niedergelassenen Praxen und somit eine ambulante Behandlung durchgeführt. Dies ist
schon deshalb nicht angängig, weil zum einen der Patient einen Anspruch auf die
bestmögliche (zugelassene) Versorgung hat und zum anderen auch die die ärztliche
Behandlung finanzierenden Stellen (letztlich die Krankenkassen) ein ganz erhebliches
Interesse an der bestmöglichen (zugelassenen) Versorgung ihrer Mitglieder haben.
Denn es ist in aller Regel kostengünstiger, einmal optimal als diverse Male suboptimal
zu behandeln. Unabhängig von Vorstehendem ist das, was die Vertragsärzte, die eine
"prä- oder poststationäre" Leistung erbringen, durchführen, wie gesagt in Wahrheit eine
ambulante Behandlung, die nur falsch bezeichnet ist. Sie ist daher auch allein als
solche abzurechnen, was für die durch Budgetlimitierungen eingeschränkten Ärzte
freilich häufig nachteilhaft sein wird. De facto wird bei der gewählten Abrechnung also
häufig seitens der beteiligten Vertragsärzte mehr als zulässig abgerechnet. Gegenüber
den Krankenversicherungen wird bei dem beanstandeten Vorgehen in vielen Fällen
durch die vorgenommene Abrechnung ein Betrug im Sinne des § 263 StGB verübt.
53
Die Empfehlung einer Teilnahme an dem hier erörterten System der
"sektorenübergreifenden Versorgung" kann daher nur als unangemessene und
unsachliche Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit des in der Regel über all die
vorstehenden Dinge allenfalls unzureichend informierten Patienten angesehen werden.
54
Es liegt auf der Hand, daß die vorstehend erörterten Handlungen geeignet sind, den
Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher (Patienten) im Sinne
des § 3 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Für die Patienten stehen
insoweit ihre gesundheitlichen Interessen auf dem Spiel, für die Mitbewerber,
insbesondere auch die Mitglieder des Klägers, nicht nur unerhebliche wirtschaftliche
Interessen.
55
Auch die Voraussetzungen der Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG
sind gegeben.
56
Der Kläger hat mit mehr als 1.000 Mitgliedern eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern,
die in Bezug auf die sogenannten prä- und poststationären Behandlungen, deren
Durchführung wie gesagt zu beanstanden ist, Dienstleistungen gleicher Art anbieten.
Denn auch sie bieten ambulante ärztliche Leistungen an, als die auch die hier in Rede
stehenden prä- und poststationären Behandlungen zu qualifizieren sind.
57
Durch das zu beanstandende Vorgehen der Beklagten werden ihre Interessen berührt.
58
An der hinreichenden Ausstattung des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bestehen
keine Zweifel.
59
Zu den einzelnen Klauseln gilt demnach:
60
a)
61
Unmittelbar aus dem Vorstehenden folgt, daß folgende Vertragsvereinbarungen
unwirksam sind:
62
§ 2
63
Leistungen
64
1. Das Krankenhaus beauftragt Vertragsärzte mit der Durchführung von prä- und
poststationären Leistungen, die im Zusammenhang mit einer stationären
Behandlung im Krankenhaus notwendig sind. In Anlage A sind die stationären
Behandlungen nach Satz 1 aufgeführt, bei denen eine Beauftragung der
Vertragsärzte im Rahmen der sektorenübergreifenden Versorgung in Betracht
kommt. Die von Vertragsärzten im Auftrag des Krankenhauses durchführbaren
Leistungen sind in der Anlage B dieses Vertrages abschließend aufgeführt.
65
66
2. Das Krankenhaus entscheidet über den Umfang der im konkreten Behandlungsfall
durch den Vertragsarzt zu erbringenden Leistungen und koordiniert diese. Das
nähere regelt § 3.
67
68
§ 3
69
Ablaufkonzept der sektorenübergreifenden Versorgung
70
1. Der Vertragsarzt empfiehlt dem Patienten, für den er die Indikation für eine
stationäre Behandlung nach Anlage A gestellt hat, die Vorstellung im
Krankenhaus.
71
72
2. Das Krankenhaus nimmt den Patienten als Behandlungsfall i.S. dieser
Vereinbarung an, wenn es die Indikation zur stationären Behandlung bestätigt und
der Patient sein schriftliches Einverständnis nach § 8 gegeben hat.
73
74
3. Nach Annahme des Behandlungsfalles entscheidet das Krankenhaus über die
weiteren Behandlungsschritte und dokumentiert diese in einer Patientenakte.
75
76
4. Das Krankenhaus beauftragt den Vertragsarzt, der die Indikation gestellt hat, mit
den im konkreten Behandlungsfall notwendigen prästationären Leistungen durch
Übersendung der Patientenakte und informiert den Patienten.
77
78
5. Der beauftragte Vertragsarzt erbringt die prästationären Leistungen und gibt
anschließend die Patientenakte nach entsprechender Dokumentation an das
Krankenhaus zurück.
79
80
6. [bleibt frei]
81
82
7. [bleibt frei]
83
84
8. (…) Soweit diese [scil.: poststationäre Leistungen] erforderlich sind, beauftragt das
Krankenhaus hiermit den Vertragsarzt, der die Indikation gestellt hat, durch
Übersendung der Patientenakte. Der beauftragte Vertragsarzt reicht die
Patientenakte, nachdem er die poststationären Leistungen erbracht und
dokumentiert hat, an das Krankenhaus zurück.
85
86
9. (…) Es kann sich – je nach Behandlungsnotwendigkeit – eine erneute stationäre
Behandlung (ggf. mit weiterer poststationärer Behandlung) (…) anschließen.
87
88
Als insbesondere anstößig erscheint es auch, daß die Beklagte zu 1) sich ausnahmslos
dazu verpflichtet, durch das Krankenhaus mit den poststationären Leistungen
denjenigen Vertragsarzt, der die Indikation gestellt hat, zu beauftragen, und zwar nach
dem Vertragswortlaut selbst in dem Fall, daß ein anderer Arzt zu einer besseren
Erbringung der sogenannten poststationären Behandlung in der Lage wäre, zum
Beispiel aufgrund besserer oder speziellerer Ausrüstung. Selbstverständlich wird auch
in einem solchen Fall in unangemessener und unsachlicher, ja verantwortungsloser
Weise auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers Einfluß genommen. Denn er
wird, weil er es nicht besser weiß, in der Regel diesen mit seinem Fall schon vertrauten
Arzt sodann wieder aufsuchen, auch wenn er rechtlich keineswegs gehindert ist, einen
anderen Arzt aufzusuchen.
89
b)
90
Die Klauseln § 3 Nrn. 6 und 7 des Vertrages sind für sich betrachtet nicht zu
beanstanden. Sie sind deshalb auch nicht zu verbieten. Sie sind deshalb oben mit den
Worten "[bleibt frei]" gekennzeichnet.
91
Soweit in der vorstehende Wiedergabe von § 3 Nrn. 8 und 9 des Vertrages sich die
Kennzeichnung "(…)" findet, sind die insoweit ausgelassenen Teile der Klauseln
ebenfalls für sich betrachtet nicht zu beanstanden und deshalb auch nicht zu verbieten.
92
c)
93
Nicht unter Gesichtspunkten des unlauteren Wettbewerbs zu beanstanden ist auch die
in § 3 des Vertrages enthaltene
94
10. Die medikamentöse Versorgung während der poststationären Behandlungsphase
stellt das Krankenhaus bis max. 3 Tage sicher.
95
96
Allerdings sei darauf hingewiesen, daß das Krankenhaus selbstverständlich solange,
wie es, wozu es verpflichtet ist, selbst die poststationäre Behandlung im eigenen Haus
durchführt, auch die medikamentöse Versorgung des Patienten sicherzustellen hat,
selbst wenn diese Zeit über drei Tage hinausgeht.
97
Soweit der Kläger gegen diese Klausel einwendet, hierin werde in jedem Fall eine
medikamentöse Versorgung des Patienten über drei Tage vereinbart, selbst wenn dies
gesetzlich gar nicht zugelassen sei, trifft dieser Einwand nicht zu. Schon der Wortlaut
98
der Klausel besagt mit dem Wort "max." (= maximal) eindeutig ein anderes.
d)
99
Wiederum unmittelbar aus dem vorstehend vor a) Ausgeführten ergibt sich, daß
folgende Klausel gegen § 4 Nr. 1 UWG verstößt:
100
§ 5
101
Vergütung
102
1. Das Krankenhaus zahlt den Vertragsärzten für die von ihnen erbrachten prä- und
poststationären Leistungen die Vergütung nach Anlage B. Mit der Vergütung sind
alle beim Vertragsarzt mit der Leistungserbringung verbundenen Kosten,
einschließlich derjenigen für Verbrauchsmaterialien, abgegolten.
103
104
2. Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen erfolgt über mit dem Vertragsarzt gem.
Anlage E.
105
106
Gerade diese Klausel gibt den am System teilnehmenden Ärzten die Motivation zur
unangemessenen und unsachlichen Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit des
Patienten und schafft dadurch die Eignung zur unangemessenen und unsachlichen
Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit des Patienten im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG.
107
e)
108
Die übrigen Vertragsklauseln haben für sich betrachtet keinen zu beanstandenden
Inhalt. Sie sind deshalb auch nicht zu verbieten.
109
2.
110
Daß sich Beklagte auch durch die Zahlung der in dem beanstandeten Vertrag
vereinbarten Honorare an die an dem System teilnehmenden Ärzte im Sinne des § 4 Nr.
1 UWG wettbewerbswidrig verhält, bedarf keiner ausführlichen Erläuterung. Gerade
dieses Verhalten motiviert die Ärzte zu der unredlichen Einflußnahme auf die Patienten
und ist damit geeignet, in unsachlicher und unangemessener Weise auf die
Entscheidungsfreiheit der Patienten (Verbraucher) Einfluß zu nehmen. Dies liegt auf der
Hand.
111
Daß auch insoweit die Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bin ist,
ergibt sich unmittelbar aus dem oben zu 1. Ausgeführten. Darauf wird verwiesen.
112
3.
113
Der Beklagten zu 2) verhält sich wettbewerbswidrig, in dem er sich an dem vorstehend
unter 1. behandelten Verhalten beteiligt, indem er zum Beispiel, wie aus Bl. 38 d.A.
ersichtlich, gegenüber den als Vertragspartner des beanstandeten Systems in Betracht
kommenden Ärzten den Abschluß des wie gesagt zu beanstandenden Vertrages
bewirbt. Dementsprechend ist er zur Unterlassung solcher und ähnlicher
Verhaltensweise zu verurteilen.
114
Daß auch insoweit die Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bin ist,
ergibt sich unmittelbar aus dem oben zu 1. Ausgeführten. Darauf wird verwiesen.
115
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO.
116
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
117
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 511 ZPO.
118
Da die Beschwer der Beklagten mehr als 600,- € beträgt, kommt die Zulassung der
Berufung gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO nicht in Betracht.
119
Da die Beschwer des Klägers, der bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sein
Begehren voll durchsetzt, unter 600,- € liegt, ist über die Zulassung der Berufung zu
entscheiden. Die Voraussetzungen, unter denen die Berufung nach § 511 Abs. 4 Nr. 1
ZPO zuzulassen wäre, liegen nicht vor.
120
Es ist klarzustellen, daß die Berufung trotz Nichtzulassung kraft Gesetzes zulässig ist,
wenn der Beschwerdegegenstand der Berufung einen Wert von 600,- € übersteigt.
121
Der Streitwert wird auf 100.000,- € festgesetzt, §§ 39 ff. GKG, § 3 ZPO.
122