Urteil des LG Duisburg vom 22.11.2000

LG Duisburg: operation, stationäre behandlung, vertreter, unterzeichnung, verhinderung, unterrichtung, beratung, bezifferung, patient, abend

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 11 (21) S 92/00
22.11.2000
Landgericht Duisburg
21. Zivilkammer
Urteil
11 (21) S 92/00
Amtsgericht Duisburg-Ruhrort, 16 C 121/99
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04.04.2000 ver-kündete
Urteil des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort (16 C 121/99) wie folgt abge-
ändert:Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits in
beiden Instan-zen trägt die Klä-gerin.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Rechtsmittel der Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg, denn der Klägerin steht der
geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die - über die bereits gezahlten Pflegesätze für die
stationäre Behandlung der Beklagten im Herzzentrum in (totaler
Krankenhausaufnahmevertrag) hinausgehenden - als Privatliquidation geltend gemachten
Arzthonorare für die von ihrem ständigen ärztlichen Vertreter Dr. durchgeführten Leistungen
im Rahmen der Narkose der Beklagten. Denn die Klägerin hat eine wirksame
Wahlleistungsvereinbarung mit der Beklagten hinsichtlich der mit den Rechnungen Nr.
30/9704/0315 bzw. 30/9704/0350 vom 21.04.1997 in Rechnung gestellten Leistungen nicht
getroffen.
Die Kammer kann hierbei - wie das Amtsgericht - die Frage unentschieden lassen, ob die
in dem von der Beklagten am 08.04.1997 unterschriebenen Formular mit der
Wahlleistungsvereinbarung enthaltene Stellvertreterklausel dazu führte, daß diese
Wahlleistungsvereinbarung generell unwirksam gewesen ist und ob diese möglicherweise
dadurch wirksam geworden bzw. der Beklagten die Berufung auf die Unwirksamkeit
dadurch verwehrt wäre, daß die Beklagte am Abend vor der Operation die
Zustimmungserklärung mit folgendem Inhalt unterschrieben hat:
" Am 09.04.97 wurde mir ... mitgeteilt, daß Frau Dr. med. am 10.04.97 wegen Urlaub
verhindert ist und deswegen die bei mir vorgesehene Operation nicht durchführen kann.
Ich wünsche nicht, daß wegen der Abwesenheit ... die für den 10.04.97 vorgesehene
Operation verschoben wird. Dies vorausgeschickt, erkläre ich mich damit einverstanden,
daß die Narkose durch Oberarzt Herr Dr. als Vertreter von ... zu den Konditionen des
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Krankenhausaufnahmevertrages/ Behandlungsvertrages vom 08.04.97 durchgeführt
wird."
Die Annahme einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung entweder durch die
Vereinbarungen im Krankenhausaufnahmevertrag bzw. die am nächsten Tag von der
Beklagten unterschriebene "Zustimmungserklärung" scheitert jedenfalls daran, daß die
zwingend einzuhaltende Vorschrift des § 22 Absatz 1 Satz 1 Halbs. 2 BPflV nicht beachtet
worden ist. Diese ist sowohl gegenüber den Vorschriften des AGBG als auch gegenüber
vertraglichen pauschalen Regelungen vorrangig (Vgl. Miebach/Patt Persönliche
Leistungserbringung und Vertretung des Chefarztes bei Wahlärztlichen Leistungen in: NJW
2000, 3377 ff., 3379 m.w.N.).
Nach dieser Regelung ist der Patient vor dem Abschluß der Wahlleistungsvereinbarung
über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt "im Einzelnen" zu unterrichten. Sinn
und Zweck dieser Regelung ist es, dem Patienten eine - soweit möglich - vollständige
Entscheidungsgrundlage dafür zu geben, ob er über die eigentlich schon in dem totalen
Krankenhausaufnahmevertrag enthaltenen und über die allgemeinen Pflegesätze
abgegoltenen äzrtlichen Behandlungen hinaus weitere, oftmals nicht unerhebliche Kosten
tragen will. Um diese Entscheidung auf zutreffender Grundlage treffen zu können, muß der
Patient vor Abschluß der Vereinbarung möglichst genau wissen, welche in seinem
konkreten Fall (Art der Krankheit und der geplanten Behandlung bzw. Operation, Anlaß der
Aufnahme in das Krankenhaus) regelmäßig anfallenden besonderen Leistungen er
erwarten kann und in welcher regelmäßigen Höhe Kosten hierdurch verursacht werden.
Hierzu ist zweierlei notwendig; im Hinblick auf den Leistungsinhalt ist eine Information
erforderlich, die klarstellt, worin die ärztlichen Leistungen des Chefarztes bestehen und
insbesondere wie sich der Unterschied zur allgemeinen Krankhausleistung darstellt (vgl.
Miebach/Patt a.a.O., S. 3378 m.w.N.). Diese Erforderlichkeit wird im vorliegenden Fall
augenscheinlich bestätigt: der Beklagten war die Klägerin bei Abschluß des
Krankenhausaufnahmevertrages, bei Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung an
sich, bei Unterzeichnung des konkreten, ebenfalls am Aufnahmetag unterschriebenen, von
einem Vertreter der Klägerin angenommenen Wahlformulares ebensowenig bekannt wie
bei Unterzeichnung der "Einverständniserklärung" am Tag vor der Operation. Die Beklagte
legte erkennbar keinen Wert auf die persönliche Behandlung durch die Klägerin, die sie
nicht kannte und auf deren persönliche Arztleistung im Rahmen der geplanten Operation
sie keinen Wert legte. Entscheidend für alle vier vorgenannten Unterchriften der Beklagten
war, daß die Operation von dem von der Beklagten gewünschten ihr bekannten Operateur
durchgeführt werden würde und daß bei einer Verschiebung des Operationstermins unklar
war, in welchem zeitlichen Abstand ein neuer Termin möglich sein würde.
Hinsichtlich der "im Einzelnen" erforderlichen Unterrichtung über die Entgelte der
wahlärztlichen Leistungen bedurfte es zunächst der Vorlage bzw. Übergabe der GOÄ; der
Wahlleistungsantrag der Beklagten vom 08.04.1997 enthielt lediglich den folgenden
kleingedruckten Hinweis:
"Die Berechnung erfolgt nach der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) in der je- weils
gültigen Fassung. Gemäß § 6 a GOÄ erfolgt eine Minderung der Gebühren um 25 %, bei
Belegärzten 15 %. (Die GOÄ ist in der Aufnahme-Abteilung einsehbar)." Eine
Kenntnisnahme der für den Fall der Beklagten einzuklägigen Regelung der GOÄ in Ruhe
war daher vor Abschluß des Aufnahmever- trages und der Wahlleistungsvereinbarungen
nicht möglich. Weiter ist es zum Ausgleich des Informationsdefizits des
Wahlleistungspatienten und zur Erreichung des o.a. Zwecks der Regelung erforderlich,
daß das Krankenhaus eine weitergehende Unterrichtung vorzunehmen hat und dem
Patienten insbesondere Hinweise darauf geben muß, welche Gebührenziffern
mutmaßlich in Ansatz gebracht werden, ob die Regelhöchstsätze der GOÄ überschritten
werden und welche Höhe der Arztrechnung sich hieraus für den Patienten voraussichtlich
ergibt; zwar ist eine genaue Angabe der zu erwartenden Kosten hierbei nicht erforderlich,
zumal diese je nach Behandlungs- und Operationsverlauf variieren werden. Wie im
Rahmen eines Kostenanschlags nach § 650 BGB reicht es aus, wenn eine im
Wesentlichen zutreffende Angabe erfolgt (vgl. Miesbach/Patt a.a.O. S. 3378 m.w.N.). Auch
diese Voraussetzungen erfüllen weder der Krankenhausaufnahmevertrag an sich, noch
die Wahlleistungsvereinbarung mit der Klägerin und ebenfalls nicht die - eine wikrsame
Wahlleistungsvereinbarung bereits voraussetzende - "Zustimmungserklärung" vom
09.04.1997. Die Klägerin kann mit dem nur pauschal erhobenen Einwand, die Bezifferung
dieser Kosten sei nicht möglich, nicht gehört werden. Zum einen ist der Gesetzgeber
erkennbar davon ausgegangen, daß eine solche Bezifferung ohne weiteres möglich ist.
Zum anderen ist es allgemein bekannt, daß im Rahmen der jährlich wiederkehrenden
Verhandlungen der Krankenkassenvertreter einerseits und der entsprechenden Verbände
auf Behandlerseite andererseits die im Regelfall für die einzelnen Behandlungen,
Operationen und Krankenhausverweilzeiten anfallenden Kosten statistisch für jedes
Krankenhaus seit vielen Jahren ermittelt werden und diesen Fachkreisen allgemein
bekannt sind. Dies ergibt sich augenscheinlich auch aus den Anschreiben, die von dem -
Krankenhaus in Duisburg jedenfalls im Jahre 2000 an Patienten gerichtet worden sind
und mit denen - eine Kopie eines solchen Schreibens vom 01.09.2000 wurde zur Akte
gereicht - von Patienten, bei denen eine Herzoperation vorgesehen ist, die Leistung eines
Vorschusses differenziert für Einbett- und Zweibett-Zimmer in Höhe von 27.100,00 bzw.
26.600,00 DM, alternativ einen Kostenübernahmeschein der Krankenkasse - angefordert
wird. Daß die Beklagte ein solches Schreiben vor Abschluß der o.a. Verträge erhalten hat,
hat die Klägerin nicht dargelegt und nicht unter Beweis gestellt. Die Kammer weist die
Klägerin ergänzend zu den von der Beklagten umfangreich vorgetragenen Argumenten,
die gegen eine Wirksamkeit der Vertreterklausel an sich und der konkret getroffenen
Wahhleistungsvereinbarung vom 08.04.1997 sprechen, noch auf folgenden
Gesichtspunkt hin: Die Beklagte hat in dem von der Klägerin gestellten Formular
zusammen mit dem Krankenhausaufnahmevertrag an diesem Tag die ausdrückliche
Erklärung unterzeichnet, daß sie für sich die private persönliche Beratung und
Behandlung durch die Klägerin ab dem 08.04.1997 wünschte. Die vorgesehene
Kategorie "für den Fall ihrer unvorhersehbaren Verhinderung bin ich mit der Vertretung
durch ihren ständigen Vertreter - hier hätte der Name eingesetzt werden müssen -
einverstanden", ist nicht ausgefüllt worden. Im übrigen lag am Tag der Operation nicht
eine unvorhersehbare Verhinderung der Klägerin, sondern eine bereits bei Aufnahme der
Beklagten in die Klinik feststehende Verhinderung der Klägerin an der Erbringung der von
der Beklagten ausdrücklich gewünschten privaten und persönlichen Beratung und
Behandlung durch die Klägerin wegen deren Urlaubsabwesenheit vor. Wenn vor diesem
Hintergrund am Abend vor der Operation durch einen Operateur, der der Beklagten als
einziger namentlich bekannt gewesen ist und auf dessen ärztliche Leistung die Beklagte
erkennbar besonderen Wert legte, der Beklagten mitgeteilt worden ist, daß die Klägerin
die Narkoseleistungen nicht erbringen konnte und der Beklagten lediglich die Alternative
offenstand, die für den Folgetag geplante Operation zu verschieben mit den damit
üblicherweise verbundenen erheblichen Belastungen für einen Patienten, erscheint es
jedenfalls in erheblichem Maße treuwidrig, wenn die Klägerin sich zur Geltendmachung
der von ihr gerade nicht persönlich erbrachten Narkoseleistungen auf eine allgemeine
Geschäftsbedingung, deren Tragweite der Beklagten - wie vorstehend dargelegt - nicht
bekannt gemacht worden war, beruht. Die Klägerin kann den Geltend gemachten Betrag
auch nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1 BGB beanspruchen, weil damit die Schutzfunktion des § 22 BPfLV
umgangen würde (vgl. BGH NJW 1998, 1778 ff., 1780; OLG Hamm NJW 2000, 3437 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.