Urteil des LG Duisburg vom 17.03.1988

LG Duisburg (ärztliche behandlung, kläger, innere medizin, vereinbarung, vertrag, krankenhaus, ausdrücklich, aufnahme, bezahlung, behandlung)

Landgericht Duisburg, 5 S 300/87
Datum:
17.03.1988
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 300/87
Vorinstanz:
Amtsgericht Oberhausen, 39 C 492/87
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
Oberhausen
vom 20. November 1987 (39 C 492/87) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin des -Krankenhauses
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in , in dem die damals 73 jährige Beklagte am 20. November 1986 mit einem
Herzhinterwandinfarkt aufgenommen wurde. Nach einem Tag auf der Intensivstation
wurde die Beklagte am 21. November 1986 auf die Privatstation des Klägers, der nach
seinem mit dem Krankenhausträger am 25. April 1972 geschlossenen
Anstellungsvertrag für die von ihm oder unter seiner Verantwortung erbrachten
ärztlichen Leistungen gegenüber Patienten der ersten und zweiten Pflegekasse
liquidationsberechtigt ist, verlegt und auf dieser Station bis zum 16. Dezember 1986
behandelt.
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Am Tag der Aufnahme auf die Intensivstation schloß die Beklagte mit dem Krankenhaus
eine als "Aufnahmevertrag" bezeichnete Vereinbarung, in der es in dem unter der
Überschrift folgenden Vertragstext nach dem ersten Absatz zunächst heißt:
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"...
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Im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses werden die medi-
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zinisch zweckmäßigen Leistungen angeboten, die mit dem allgemeinen
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Pflegesatz (Regelleistungen gemäß § 3 BPflv.) abgegolten sind.
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Darüber hinaus können, sofern die allgemeinen Krankenhausleistungen
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nicht beeinträchtigt werden, Wahlleistungen gegen zusätzliches Entgelt
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gewährt werden."
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In der folgenden Rubrik II. der Vereinbarung heißt es weiter:
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"Wir vereinbaren die Inanspruchnahme folgender Leistungen zu den in
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der Anlage 1 aufgeführten Sätzen:
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..."
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Von den beiden folgenden Rubriken "I) Regelleistungen" und "II) Wahlleistungen" ist in
den dafür vorgesehenen Feldern keine angekreuzt worden. Von den unter der Rubrik
"Wahleistungen" stehenden weiteren fünf durchgehend nummerierten Alternativen sind
die folgenden beiden angekreuzt:
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"2. Unterbringung in einem 2-Bettzimmer nur in Verbindung mit gesondert
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berechenbaren Arztleistungen der liquidationsberechtigten Ärzte des
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Krankenhauses
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a) mit Naßzelle
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5. gesondert berechenbare ärztliche Leistungen der liquidationsberechtigen
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Ärzte des Krankenhauses (gilt nur für Selbstzahler, soweit sie nur die
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allgemeinen Krankenhausleistungen in Anspruch nehmen ...".
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In der Alternative 2. a) ist handschriftlich neben zwei unleserlichen Worten vermerkt
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"ab 21.11.86".
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Die Beklagte lag in einem Zweibettzimmer. Die Krankenhausrechnung einschließlich
des Zweibettzimmeraufschlags hat sie beglichen. Der Kläger erstellte am 5. Februar
1987 seine Rechnung über wahlärztliche Leistungen, wegen deren Inhalt auf die Kopie
Blatt 11 und 12 der Akten Bezug genommen wird, über insgesamt 2.824,65 DM nach
Abzug von 15 % für Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen gemäß § 6 a GOÄ.
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Die Beklagte weigert sich, die Arztrechnung zu bezahlen.
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Sie behauptet, sie habe die Vereinbarung vom 20. November 1986 so verstanden, daß
sie nur die Leistungen chefärztlich in Anspruch nehmen und privat gesondert bezahlen
werde, die über die im Regelsatz der Klinik bereits enthaltenen ärztlichen (Normal-
)leistungen hinausgingen. Es ist unstreitig daß der Kläger keine ärztlichen Leistungen
erbracht hat, die über die grundsätzlich mit dem Regelsatz abgegoltenen ärztlichen
Leistungen hinausgingen.
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Der Kläger meint, sein Anspruch folge zwingend aus dem Vertrag vom 20. November
1986, da dieser regele, daß die Inanspruchnahme eines Zweibettzimmer automatisch
auch eine Chefarztbehandlung mit besonders berechenbaren ärztlichen Leistungen
nach sich ziehe. Er behauptet, darauf hätten die mit der Aufnahme und dem
Vertragsschluß befaßten Krankenhausangestellten die Beklagte auch ausdrücklich
hingewiesen.
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Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. November 1987 abgewiesen, da sich
aus dem Vertrag lediglich eine Verpflichtung der Beklagten zur privaten Zahlung von
solchen Leistungen ergebe, die über die grundsätzlich im Regelsatz des
Krankenhauses enthaltenen ärztlichen Leistungen hinausgingen; eine solche
Vertragsauslegung ergebe sich insbesondere daraus, daß in der Präambel des
Vertrages auf diese Regelleistungen ausdrücklich hingewiesen werde.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten
und begründeten Berufung. Er verfolgt seine Forderung auf Zahlung des
Rechnungsbetrages weiter und hält die Vertragsauslegung des Amtsgerichts für
unzutreffend. Er tritt zudem Beweis dafür an, daß die Beklagte bei ihrer Aufnahme die
Wahlleistungen mit Arztliquidation ausdrücklich gewünscht habe, nachdem "man sie
über den Inhalt und die Bedeutung" ausdrücklich aufgeklärt habe.
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Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen,
denn der Kläger hat gegen die Beklagte aus deren stationären Aufenthalt im
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Krankenhaus in vom 20. November 1986 bis 16. Dezember 1986 keinen Anspruch auf
Bezahlung wahlärztlicher Leistungen.
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Einen Vertrag über eine privatärztliche Behandlung haben der Kläger und die Beklagte
unmittelbar nicht miteinander geschlossen. Ein Anspruch auf Bezahlung ärztlicher
Leistungen ergibt sich für den Kläger auch nicht aus der Vereinbarung des
Krankenhauses mit der Beklagten vom 20. November 1986, auch wenn diese
Vereinbarung als Vertrag des Krankenhausträgers mit der Beklagten zu seinen Gunsten
mit unmittelbaren Forderungsrechten für ihn - den Kläger angesehen wird.
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Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben das Krankenhaus und die
Beklagte nicht vereinbart, daß die Beklagte jede ärztliche Behandlung durch den Kläger
oder unter Verantwortung des Klägers zu bezahlen hätte. Die Vereinbarung vom 20.
November 1986 ist ein Formularvertrag, auf den die Regelungen des AGBG anwendbar
sind. Das folgt bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild der Vereinbarung, die aus
einem vorformulierten Text besteht, auf den lediglich der Stempel des Krankenhauses
gedrückt, Name und Adresse der Beklagten handschriftlich eingetragen und zwei von
fünf aufgezählten Wahlleistungen angekreuzt sind. Jede Unklarheit bei der Auslegung
des Vertragstextes geht damit nach § 5 AGBG zu Lasten des Krankenhauses als
Verwender des Formulars und des Klägers, für den es als Nutznießer verwandt wurde.
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Der vorformulierte Vertragstext der Vereinbarung vom 20. November 1986 ist sprachlich
so unklar abgefaßt, daß er zwanglos die Auslegung der Beklagten zuläßt, sie habe nur
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die private Bezahlung solcher ärztlichen Leistungen zusichern wollen, die über die im
allgemeinen Krankenhaussatz enthaltenen Leistungen hinausgingen. Im zweiten Satz
des ersten Abschnitts des Aufnahmevertrags wird klar angegeben, daß die medizinisch
zweckmäßigen Leistungen mit dem allgemeinen Pflegesatz abgegolten sind. Im
unmittelbar anschließenden Satz wird ausgeführt, daß "... darüber hinaus ...
Wahlleistungen gegen zusätzliches Entgelt gewährt werden können". Bei richtigem
Verständnis der deutschen Sprache kann dieser dritte Satz wegen seiner unmittelbaren
Anbindung an die im zweiten Satz des ersten Abschnittes enthaltene Erklärung
jedenfalls auch (wenn nicht sogar eher) so verstanden werden, daß nur Leistungen, die
über die im Regelsatz enthaltenen Leistungen hinausgehen, als Wahlleistungen
gewährt werden. Wenn die Beklagte dann im folgenden die Alternativen "...
Unterbringung in einem Zwei-Bettzimmer nur in Verbindung mit gesondert
berechenbaren Arztleistungen ..." und "... gesonderte berechenbare ärztliche Leistungen
der liquidationsberechtigten Ärzte ... (gilt nur für Selbstzahler, soweit sie nur die
allgemeinen Krankenhausleistungen in Anspruch nehmen) ..." wählte, dann konnte sie
das so verstehen, daß sie damit versprach, für den Fall, daß ärztliche Leistungen über
das medizinisch lediglich zweckmäßige hinausgingen und damit einen besonderen
zusätzlichen Dienst darstellten, selbst privat zu bezahlen.
Die Regelungen des Aufnahmevertrags sind derart verklausuliert, daß nur ein Patient
mit einiger Erfahrung in der Handhabung privater Liquidation von leitenden
Krankenhausärzten erkennt, daß das Krankenhaus zu Gunsten seiner Chefärzte jede
ärztliche Behandlung als privat abrechenbar vereinbaren will. Wenn ein
Krankenhausträger aber derartige Regelungen so treffen will, daß sie der Vorschrift des
§ 5 AGBG standhalten, dann muß er sie so allgemeinverständlich fassen, daß auch die
eingelieferten Normalpatienten als durchschnittlich begabte Bürger, die teilweise zudem
nicht unerheblich leiden, sie verstehen können. Es wäre auch nicht schwer, mit einfach
verständlichen Worten im Aufnahmevertrag klarzumachen, daß ein Zwei- oder
Einbettzimmer als Sonderwunsch nur belegt werden kann, wenn der Patient gleichzeitig
zusagt, daß er alle erbrachten ärztlichen Leistungen privat bezahlen werde.
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Dem Beweisantritt des Klägers auf Vernehmung der Krankenhausangestellten
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ist nicht nachzugehen. Der Kläger hat nicht ausreichend dargetan, wann und wie die
Zeugin die Beklagte aufgeklärt haben soll. Unstreitig ist die 73 Jahre alte Beklagte am
20. November 1986 mit einem Infarkt der Herzhinterwand auf die Intensivstation
eingeliefert worden. Dem Gericht ist unklar, wie denn einem mit Vertragsschluß und
Aufnahmeabwicklung betraute Krankenhausangestellte die Beklagte am Aufnahmetag
dann auf der Intensivstation über die Einzelheiten des in seinem Wortlaut komplizierten
Vertragstext hat aufklären und unterrichten können. Es wäre ganz ungewöhnlich, wenn
eine Verwaltungsangestellte eines Krankenhauses zum Zweck von Vertragsgesprächen
Zutritt zur Intensivstation hätte. Mit den Grundsätzen ärztlicher Ethik ließe es sich nur
schwer vereinbaren, das auf diese Art erhöhte Infektionsrisiko und die erhöhte
Belastung eines Patienten hinzunehmen, um mit ihm einen privatärztlichen Vertrag zu
schließen, obwohl sein Gesundheitszustand so bedrohlich ist, daß er auf die
Intensivstation genommen werden muß. Aus diesen Gründen hätte der Kläger schon
näher darlegen müssen, wann und wie das Vertragsgespräch mit der Beklagten geführt
worden sein soll und ob die Beklagte überhaupt so ansprechbar war, daß sie
Erklärungen richtig verstehen konnte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.824,65 DM.
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