Urteil des LG Düsseldorf vom 20.06.2001

LG Düsseldorf: kündigung, wichtiger grund, zusammenarbeit, gesellschafterwechsel, wettbewerbsbeschränkung, delkredere, geschäftsleitung, personalunion, kartellrecht, leistungsfähigkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Düsseldorf, 34 O (Kart.) 80/00
20.06.2001
Landgericht Düsseldorf
4. Kammer für Handelssachen
Urteil
34 O (Kart.) 80/00
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf auf
die mündliche Verhandlung vom 14. März 2001 durch den Vorsitzenden
Richter am Landgericht X sowie die Handelsrichter X und X
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
12.000,--DM, welche auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden kann, vorläufig
vollstreckbar.
Streitwert: 351.900,-- DM.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin ist eine Einkaufsgesellschaft für Sportfachgeschäfte, der eine Vielzahl von
kleinen und mittleren Einzelhändlern vertraglich angeschlossen ist. Im Jahre 1998
vermittelte die Klägerin an die ca. 350 angeschlossenen Einzelhändler Umsätze von rund
340.000.000,-- DM. Neben der Klägerin existieren drei weitere große
Einkaufsgemeinschaften im Bereich des Wareneinkaufs von Sportartikeln, nämlich die x,
die x und die x (und jetzige x), die ebenfalls als Hauptleistung einen Warenbezug bei
vertraglicher Bindung ermöglichen.
Die Beklagten zu 1. und 2. sind Sportfachgeschäfte unter einheitlicher Leitung mit einem
Umsatz von ca. 9.000.000,-- DM pro Jahr. Hauptsächlich vertreiben sie Sportartikel von
Markenherstellern. Die Beklagten sind überwiegend im x tätig und stehen in Konkurrenz zu
den dort ansässigen 17 x-Häusern.
Am 27. Februar 1993 schlossen die Beklagten zu 1. und 2. mit der Klägerin einen Vertrag
über die Zusammenarbeit, den sie durch Zusatzvereinbarung vom 15. Dezember 1998
modifizierten. Sie vereinbarten dabei die Möglichkeit eines Warenbezugs über Lieferanten
der Klägerin oder direkt über ein von der Klägerin direkt oder indirekt vorgehaltenes
Warenlager. Der Einkauf über das Lager lag bei den Beklagten bei rund 3 % ihres
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Umsatzes. Weiterhin vereinbarten sie die Berechtigung, Dienstleistungen der Klägerin im,
Bereich des Marketings, der Zentralregulierung und der Buchhaltung in Anspruch zu
nehmen. Als Gegenleistung erklärten sich die Beklagten bereit, einen jährlichen
Grundbetrag und eine nach dem Lieferumfang zu bemessene Vergütung über die
Abwicklung der Zentralregulierung und die Übernahme der Delkredere-Haftung zu zahlen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Vertragsurkunde vom 27.
Februar 1993 in der Fassung vom 15. Dezember 1998 Bezug genommen.
Im Oktober 1998 beschloss die Geschäftsleitung der Klägerin eine Änderung ihrer
bisherigen Strategie. Die neue Marketingstrategie sah eine Forcierung der
Herstellermarken mit entsprechenden Bezugsmöglichkeiten für die in der klägerischen
Einkaufsorganisation zusammengeschlossenen Anschlusshäuser vor.
Ursprünglich war die x Alleingesellschafterin der Klägerin. Am 20. August 1999 erwarb
sodann die x von der x durch Kaufvertrag den 100%igen Gesellschaftsanteil an der
Klägerin rückwirkend zum 1. Januar 1999. Der x waren 1998 ca. 1.500 Einzelhändler
angeschlossen. Sie vermittelte in dieser Zeit Umsätze in Höhe von ca. 1,15 Mrd. DM.
Die x bietet ihren Mitgliedern einen Warenbezug nach dem gleichen Muster wie die
Klägerin an. Neben der Vermittlung von günstigen Wareneinkaufsbedingungen können die
Mitglieder Waren auch über ein von der x bereitgehaltenes Warenlager mit vornehmlich
Eigenmarken beziehen. Seit der Zugehörigkeit der Klägerin zum x-Verbund können die
Vertragspartner der Klägerin auf alle Möglichkeiten zugreifen, die auch den x Mitgliedern
gewährt werden. Mit der Übernahme der Gesellschafteranteile der Klägerin durch die x kam
es zu einigen vertraglichen und tatsächlichen Änderungen im Abwicklungsprozess
zwischen der Klägerin und ihren Mitgliedern. So gab die Klägerin ihre Bereitschaft zu
Preisverhandlungen auf. Weiterhin wurde das Zentralregulierungs- und Delkredere-
Geschäft, welches zuvor die xbank ausgeführt hatte, von der Klägerin übernommen.
Weiterhin erklärte die Klägerin am 27. September 1999 die Geltung ihrer Lieferungs- und
Zahlungsbedingungen Nr. 1 auf alle, auch künftige Lieferung, für anwendbar. Wegen der
Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen
vom 27. September 1999 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 30. August 1999 erklärten die Beklagten zu 1. und 2. die Kündigung des
zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages aus wichtigem Grund mit sofortiger
Wirkung. Als Grund für ihre Kündigung gaben sie den Gesellschafterwechsel bei der
Klägerin an. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1999 sprachen sie erneut die Kündigung des
Vertrages mit sofortiger Wirkung der Klägerin gegenüber aus und konkretisierten ihre
Kündigungsgründe.
Die Klägerin trat der Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 5. November 1999
entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten beider Schreiben wird auf das zu den Akten
gereichte Kündigungsschreiben der Beklagten vom 5. Oktober 1999 und das zu den Akten
gereichte Schreiben der Klägerin vom 5. November 1999 Bezug genommen.
Die Beklagten schlossen sich nach ihrer Kündigung einer konkurrierenden
Einkaufsorganisation an und kaufen nunmehr ausschließlich über diese ein.
Die Klägerin behauptet, dass ein Kündigungsrecht der Beklagten zwischen den Parteien
nicht vereinbart worden sei. Sie ist der Ansicht, ein Recht zur außerordentlichen Kündigung
stehe den Beklagten nicht zu. In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin, dass die
im Oktober 1998 von der Geschäftsleitung geschlossene Marketingstrategie beibehalten
und fortgeführt worden sei, zu einer Änderung sei es nicht gekommen.
Die Beteiligung der x als Gesellschafterin habe zu keiner Verschlechterung der
Leistungsfähigkeit der Klägerin geführt, vielmehr sei die Verhandlungsposition der Klägerin
im Aushandeln von Preisen und Bezugskonditionen mit den Lieferanten sogar gestärkt
worden.
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Die Klägerin beantragt,
I.
festzustellen, dass der zwischen ihr und den Beklagten zu 1. und 2. am 27.
Februar 1993 abgeschlossene Vertrag in der Fassung der Änderung vom 15. Dezember
1998 nicht durch die von den Beklagten zu 1. und 2. am 30. August 1999 und am 5.
Oktober 1999 ausgesprochenen Kündigungen mit sofortiger Wirkung beendet wurde,
sondern darüber hinaus fortbesteht,
II.
festzustellen, dass die Beklagten zu 1. und 2. der Klägerin zum Ersatz sämtlicher
materieller Schäden verpflichtet sind, die ihr aus der von den Beklagten am 30. August
1999 und am 5. Oktober 1999 erklärten außerordentlichen Kündigungen und des
darauffolgenden Abbruches der Vertragsbeziehungen entstanden sind und/oder künftig
entstehen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen,
Die Beklagten behaupten, dass die im Oktober 1998 beschlossene Marketingstrategie der
Klägerin wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Vertragsmodifizierung vom 15.
Dezember 1998 gewesen sei. Erst unter diesem Blickwinkel hätten die Beklagten sich zu
einer Modifizierung des Vertrages mit einem erstmaligen Kündigungsrecht zum Jahresende
2003 entschieden.
Die Übernahme der Gesellschafteranteile durch die x habe eine wesentliche Sortiments-
und Dienstleistungsbeschränkung im für die Beklagten strategischen und wesentlichen
Segment der 1. b Herstellermarken mit sich gebracht. Weiterhin hätten die Beklagten im
Bereich des Lagereinkaufes nicht mehr die Möglichkeit, im Segment der Nichtmarkenartikel
ihre Differenzierungsstrategie fortzuführen, da ein Einkauf von Alternativprodukten bei dem
vornehmlich mit Eigenmarken bestückten Zentrallager der Klägerin nicht mehr möglich sei.
Die Leistungsfähigkeit der Klägerin habe sich insgesamt mit dem Gesellschafterwechsel
entscheidend verschlechtert. Unstreitig sei die Order für den Wareneinkauf für die Saison
Frühjahr/Sommer 2000 nicht ausgeliefert worden. Es sei jedoch auch in den folgenden
Monaten zu Lieferschwierigkeiten gekommen. Die Beklagten verfügten über bessere
Einkaufsquellen, insbesondere beim Einkauf von Sonderverkaufswaren als die Klägerin.
Die Beklagten sind weiterhin der Auffassung, die Klägerin habe sich durch verschiedene
Maßnahmen tatsächlicher und rechtlicher Art vertragswidrig verhalten, so dass die
Kündigungen gerechtfertigt gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug
genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage der Klägerin ist zulässig, sie hat in der Sache allerdings keinen Erfolg.
Gegen die Zulässigkeit der Klage ergeben sich keine Bedenken, insbesondere ist auch
das für die Feststellungsklagen gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse
gegeben. Die Klägerin begehrt mit ihrem Klageantrag zu Ziffer I. die Feststellung, dass ein
schuldrechtliches Vertragsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigungen vom 30.
August 1999 und vom 5. Oktober 1999 beendet worden ist. Damit ist Gegenstand der Klage
ein konkretes, rechtliches und zur Zeit, bestehendes Verhältnis der Parteien zueinander, so
dass ein entsprechendes Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ohne weiteres zu
bejahen ist.
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Mit dem Klageantrag zu II. begehrt die Klägerin festzustellen, dass die Beklagten zu 1. und
2. zu einer Schadensersatzleistung verpflichtet sind. Die Feststellung der
Schadensersatzleistung der Beklagten soll sich zum einen auf die entstandenen
materiellen Schäden beziehen und zum anderen auf künftig entstehende Schäden. Dass
gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist bei
Schadensersatzansprüchen immer dann zu bejahen, wenn sich der Schaden noch nicht
genau beziffern lässt, sofern zumindest die für die Berechnung maßgeblichen
Bezugsgrößen genannt werden. Die von den Beklagten in der Zukunft eventuell bei den
Lieferanten der Klägerin, getätigten Umsätze, welche für die Höhe des der Klägerin nun
vermeintlich entgangenen Provisionsanspruches entscheidend sind, lassen sich nicht
genau vorhersagen, so dass ein konkreter Schaden zur Zeit noch nicht beziffert werden
kann. Der bereits entstandene Schaden, d. h. der Schaden, der durch die Kündigungen im
August bzw. Oktober 1999 und der damit verbundenen Beendigung der vertraglichen
Beziehungen der Parteien bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung entstanden ist, ist jedoch
bereits bezifferbar. Ein Feststellungsantrag ist aber auch dann statthaft, wenn bereits ein
bezifferbarer Teilbetrag entstanden ist, die Schadensentwicklung aber im Ganzen noch
nicht abgeschlossen ist (vgl. Münchener Kommentar, ZPO-Lüke, § 256 ZPO Rdnr. 31; BGH
NJW 1996, 397).
Die beiden Feststellungsanträge nach § 256 ZPO können gemäß § 260 ZPO wie
geschehen in einer Klage verbunden werden.
Die Klage ist in der Sache allerdings unbegründet. Beide Feststellungsanträge sind
zurückzuweisen, da die von den Beklagten am 30. August 1999 und am 5. Oktober 1999
ausgesprochenen Kündigungen den zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag vom
27. Februar 1993 in der Fassung vom 15. Dezember 1998 mit sofortiger Wirkung beendet
haben.
Zwar war dieser Vertrag zunächst wirksam, insbesondere ist eine Nichtigkeit nach § 1
GWB in Verbindung mit § 134 BGB nicht gegeben. Entgegen der Ansicht der Beklagten
liegt ein Verstoß gegen § 1 GWB bzw. § 14 GWB nicht deswegen vor, weil es sich bei dem
von der Klägerin mit einer Vielzahl von Sporthäusern geschlossenen Vertrag über die
Zusammenarbeit um einen sogenannten Sternvertrag handeln könnte, der gegen §§ 1, 14
GWB verstoßen könnte. Ein solcher Sternvertrag liegt dann vor, wenn die an einer
Wettbewerbsbeschränkung interessierten Beteiligten einen inhaltlich gleich gestalteten
Vertrag jedenfalls einzeln mit einem für alle identischen Partner schließen (vgl. Bunte in:
Langen/Bunte, Kommentar zum Deutschen und Europäischen Kartellrecht, 8. Auflage, § 1
Rdnr. 55) und auf diesem Wege eine horizontale Bindung untereinander erzielen. Ein
solcher Vertrag ist vorliegend allerdings nicht gegeben, denn der von einer Vielzahl von
Sporthäusern mit der Klägerin geschlossene Vertrag über die Zusammenarbeit ist inhaltlich
nicht darauf ausgerichtet, den Wettbewerb zwischen diesen Vertragspartnern der Klägerin
irgendwie zu beschränken. Dies zeigt sich schon daran, das kein Vertragspartner gehindert
ist, außerhalb des Systems Waren zu beziehen und eventuell bessere Einkaufskonditionen
zu erzielen. Es besteht also keine wirtschaftliche Bindung mittels dieser mit der Klägerin
abgeschlossenen Verträge.
Der Vertrag über die Zusammenarbeit ist auch nicht aus anderen Gründen nach §§ 1 GWB,
134 BGB unwirksam. Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass Einkaufskooperationen von §
1 GWB erfasst werden können (vgl. KG WuW-E OLG 3737, 3741). Auch der Beitritt zu einer
bereits bestehenden Einkaufskooperation kann eine Wettbewerbsbeschränkung sein (vgl.
KG WuW-E OLG 2961, 2962). Eine solche Einkaufskooperation liegt hier jedoch nicht vor.
Von einem "gemeinsamen Einkauf" im Sinne des § 4 Abs. 2 GWB und somit von einem
Verhalten, das grundsätzlich § 1 GWB unterfällt, kann nämlich nicht ausgegangen werden,
wenn die Kooperation als selbständige Rechtspersönlichkeit im eigenen wirtschaftlichen
Interesse und auf eigenes Risiko tätig wird (vgl. Kiecker, in: Langen/Bunte, a.a.O., § 5 c
Rdnr. 8). Die Klägerin ist nicht aus einer Vereinbarung von Sportartikelhändlern wie den
Beklagten hervorgegangen, sondern bietet ihre Leistungen nur in einem vertikalen
Verhältnis zu ihren Vertragspartnern an. Ihr direktes wirtschaftliches Ziel ist dabei nicht die
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Erzielung möglichst günstiger Einkaufskonditionen für ihre Vertragspartner, sondern dies ist
vielmehr mittelbare Voraussetzung für den eigenen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin. Es
fehlt mithin an einem für § 1 GWB tatbestandlichen Handeln, da es sich eben gerade nicht
um ein sternförmig aufgebautes Vertragssystem zwischen Sportfachgeschäften, sondern
um eine tatsächliche vertikale Vertragsstruktur handelt.
Dahinstehen kann es an dieser Stelle, ob Ziffer 11.2 des Vertrages der Parteien über die
Zusammenarbeit aufgrund eines kartellrechtlichen Verstoßes unwirksam ist. Grundsätzlich
beschränkt sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach §§ 1 GWB, 134 BGB auf die gegen §
1 GWB verstoßenden Vertragsklauseln (vgl. Emmerich, Kartellrecht, 8. Auflage, Seite 60).
Ob der übrige Vertrag von dieser Rechtsfolge erfasst wird, bestimmt sich nach § 139 BGB
(vgl. BGH WuW E BGH 1733, 1735). Danach kann von der Gesamtnichtigkeit grundsätzlich
nur dann ausgegangen werden, wenn die Wettbewerbsbeschränkung, die in Ziffer 11.2 des
Vertrages liegen könnte, den Hauptzweck der Beteiligten darstellte (vgl. dazu Emmerich,
a.a.O., Seite 60), was vorliegend jedoch nicht der Fall ist. Ziffer 11.2 ist nur eine
untergeordnete Vertragsbestimmung, welche den eigentlichen Gegenstand des Vertrages
nicht im Kern berührt. Folglich führte eine mögliche Unwirksamkeit von Ziffer 11.2 des in
Rede stehenden Vertrages nicht zur Gesamtnichtigkeit.
Der nach alledem zunächst wirksame Vertrag der Parteien ist jedoch durch die
Kündigungsschreiben der Beklagten vom 30. August 1999 sowie vom 5. Oktober 1999
(Anlagen K 3 und K 4) durch Kündigungen aus wichtigem Grund beendet worden.
Sowohl beim befristeten als auch bei einem auf unbestimmte Zeit eingegangenen
Dauerschuldverhältnis ist anerkannt, dass den Vertragspartnern eines derartigen
Dauerschuldverhältnisses - auch wenn dies das Gesetz oder der Vertrag nicht ausdrücklich
vorsieht - ein außerordentliches Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund zusteht, sofern
die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen (vgl. BGH NJW 1989, 1482/1483; BGH
NJW 1990, 1989; BGH NJW-RR 1991, 1266/1267; Palandt, Einleitung vor § 241 BGB
Rdnr. 18; Münchener Kommentar-Kramer, Einleitung § 241 Rdnr. 88). Bei dem hier in Rede
stehenden Vertrag der Parteien liegt eine Vereinbarung auf unbestimmte Zeit vor, bei der
eine erstmalige fristgemäße Kündigung erst zum Jahresende 2003 vorgesehen ist. Bei dem
Vertrag ist der Geschäftsumfang der Leistung von der Dauer der Rechtsbeziehung
abhängig, er begründet während seiner Laufzeit ständige neue Leistungs-, Neben- und
Schutzpflichten, so dass es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, bei dem eine
Kündigung aus wichtigem Grund nach den vorgenannten Grundsätzen möglich ist.
Die Voraussetzungen für eine derartige Kündigung aus wichtigem Grund sind in
Anlehnung an § 626 BGB festzustellen (vgl. BGH NJW 1972, 1128). Danach ist ein
wichtiger Grund gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller
Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen bei objektiver Beurteilung die
Fortsetzung bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt für den Kündigenden unzumutbar
machen (vgl. BGH NJW 97, 1703). Vorliegend ist eine Kündigung aus wichtigem Grund
seitens der Beklagten gerechtfertigt gewesen, da den Beklagten unter Berücksichtigung
aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein Festhalten an dem
Vertrag der Parteien nicht zumutbar war, nachdem der Gesellschafterwechsel bei der
Klägerin mit Vertrag, vom 20. August 1999 rückwirkend zum 1. Januar 1999 in der Weise
erfolgt ist, dass die x anstelle der x Alleingesellschafterin der Klägerin geworden ist.
Gemäß Ziffer 17.2 des Vertrages der Parteien über die Zusammenarbeit war die Klägerin
zwar berechtigt, ihre Rechte und Pflichten aus dem Vertrag an einen Dritten abzutreten. Der
hier erfolgte Gesellschafterwechsel im Hinblick auf die Alleingesellschafterin dahingehend,
dass nunmehr die x als bisher bedeutendste und schärfste Wettbewerberin
Alleingesellschafterin der Klägerin wurde, stellt jedoch als solches und insbesondere auch
bei Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Änderungen der Gesamtumstände eine
so durchgreifende Änderung dar, dass für die Beklagten eine Fortsetzung des
Dauerschuldverhältnisses der Parteien bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt zum
Jahresende 2003, d. h. über einen weiteren Zeitraum von rund 4 1/2 Jahren, unzumutbar
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war.
Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses seitens der Beklagten
mit der Klägerin ergibt sich insbesondere daraus, dass die Klägerin nun von der x als
einem Einkaufsverband geführt wurde, der die schärfsten örtlichen Wettbewerber der
Beklagten förderte. Die Wettbewerbssituation im x und vor allen in der direkten Umgebung
der Beklagten wird nämlich unstreitig maßgeblich durch die 17 an die x angeschlossenen
Einzelhandelshäuser geprägt. Mit dem Verkauf der Gesellschaftsanteile der Klägerin an die
x werden nunmehr aufgrund der bestehenden 100%igen Personalunion zwischen, der
Klägerin und der x die maßgeblichen Entscheidungen des Unternehmens durch
Vorstandsvorsitzende der x getroffen. Als 100%ige Tochter der x fließt der Ertrag bzw. der
Gewinn der Klägerin dem Geschäftsbetrieb der x zu, welcher dann als Beteiligungsertrag
an die Genossen der x im Rahmen der Verzinsung ihrer Genossenschaftsanteile
ausgeschüttet wird und damit wiederum den bedeutendsten Wettbewerbern der Beklagten
zugutekommt.
Weiterhin wird die Klägerin von einem Einkaufsverband geführt, dessen Geschäftsführung
aufgrund der bestehenden Personalunion der Geschäftsleitungen und der Verpflichtung der
Beklagten, für die Weiterführung der Zentralregulierung laufend Informationen über ihre
wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 18 KWG zu geben, Einblick in das gesamte
Zahlenmaterial der Beklagten hat, so dass der Vorstand der Klägerin jederzeit die
Möglichkeit hat, die Ergebnisse dieses Zahlenmaterials den schärfsten Wettbewerbern der
Beklagten im x zu offenbaren oder zumindest die Kenntnis über die wirtschaftliche Situation
der Beklagten bei ihren geschäftspolitischen Entscheidungen ausnutzen kann.
Ein weiterer wesentlicher Umstand ist die Tatsache, dass die Klägerin dann von einem
Einkaufsverband geführt wird, der die ausdrücklich vertraglich vereinbarte Trennung des
Zentralregulierungsgeschäfts vom Geschäft durch Übertragung auf ein
Finanzierungsinstitut nicht beachtet, sondern sämtliche Risiken aus Lager und
Zentralregulierungsgeschäft in eine Unternehmensgruppe integriert.
Als weiterer Umstand kommt hinzu, dass die vorher gegebene optimale Rationalisierung
des Wareneinkaufs für die Beklagten aufgegeben wird, so dass die wesentliche
Einkaufsarbeit wieder allein von den Beklagten zu leisten ist. Außerdem werden ab diesem
Zeitpunkt keine bestmöglichen Konditionen mehr für die von der Beklagten allein
relevanten Markenartikel für die Beklagten zu erzielen sein.
Diese Gesamtumstände führen dazu, dass für die Klägerin ein Festhalten an dem
Dauerschuldverhältnis unzumutbar ist, so dass die Kündigung aus wichtigem Grund
gerechtfertigt ist.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 709 ZPO.