Urteil des LG Düsseldorf vom 18.06.2003

LG Düsseldorf: treu und glauben, abmahnung, zwangsvollstreckung, wiederholungsgefahr, abgabe, buchführung, akte, aufklärungspflicht, internet, aufrechnung

Landgericht Düsseldorf, 12 O 478/02
Datum:
18.06.2003
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 478/02
Tenor:
1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Düsseldorf vom 23.05.2002 (Az. 12 0 343/01) wird für
unzulässig erklärt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger geht im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen die
Zwangsvollstreckung der Beklagten aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vor.
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Der Kläger ist Steuerfachwirt und Buchhalter. Die Beklagte bietet einen sogenannten
Buchhaltungsservice an.
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Der Kläger mahnte die Beklagte am 05.04.2001 wegen Wettbewerbsverstößen ab. Er
verlangte von ihr die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, in der sich
die Beklagte verpflichten sollte, nicht mehr zu Werbezwecken uneingeschränkt eine
Hilfeleistung in Steuersachen anzubieten. Die Unterlassungsverpflichtung wurde weiter
spezifiziert durch Bezugnahme auf die Begriffe "Buchhaltungsservice", "Buchhaltung"
und "DATEV" sowie das uneingeschränkte Anbieten von "Löhne" und "Gehälter" sowie
auf Anzeigen in den Gelben Seiten und im Internet. Wegen der Einzelheiten wird auf die
als Anlage K1 zur Akte gereichte Abmahnung nebst vorbereiteter
Unterlassungserklärung Bezug genommen.
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Die Beklagte antwortete dem vorprozessual für den Kläger tätigen Rechtsanwalt mit
Schreiben vom 08.04.2001, sein Mandant sei falsch informiert. Sie mache keine
Steuerberatung und biete auch keine an. Sie gehe zu Steuerberatern und Firmen und
mache dort die Buchhaltung, wie sie dies auch in ihren Insertionen angegeben habe.
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Die Steuerberatung werde durch die jeweiligen Steuerberater erbracht. Da die
aufgeführten Anschuldigungen in keiner Weise zuträfen, sehe sie einer Klage mit
ruhigem Gewissen entgegen.
Am 11.08.2001 erhob der Kläger beim Landgericht Düsseldorf Klage gegen die
Beklagte mit dem Antrag, dieser aufzugeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit den Angaben "Buchhaltungsservice",
"Buchführung", "Gehälter", "Löhne" oder "DATEV" aufzutreten.
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In der Klageerwiderung vom 16.11.2001 teilte die Beklagte mit, dass sie am 15.05.2001
gegenüber der Steuerberaterkammer Düsseldorf eine Unterlassungserklärung mit dem
Inhalt abgegeben hatte, nicht mehr zu Wettbewerbszwecken uneingeschränkt eine
Hilfeleistung in Steuersachen anzubieten. Die Unterlassungserklärung umfasste nach
ihrem Inhalt ausdrücklich "den Buchführungsbereich" und dabei die Bezeichnung
"Buchhaltungsservice" in den Gelben Seiten sowie die Bezeichnungen
"Buchhaltungsservice", "Buchführung" und die uneingeschränkte Verwendung der
Begriffe "Löhne, DATEV" im Internet und den Gewerbegegenstand
"Buchführungsarbeiten". Auf die als Anlage K4 zur Akte gereichte
Unterlassungserklärung wird Bezug genommen.
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Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers hatte sich die. Beklagte selbst um eine
Abmahnung durch die Steuerberaterkammer bemüht.
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Der Kläger ließ aufgrund der Erledigung der Hauptsache vor Rechtshängigkeit in der
mündlichen Verhandlung vom 06.03.2002 ein klageabweisendes Versäumnisurteil
gegen sich ergehen.
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Am 23.05.2002 setzte die Kammer durch Beschluss (Az. 12 0 343/01) die vom Kläger zu
tragenden Kosten auf 1.123,54 € fest.
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Die Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss.
Mit Schreiben vom 02.09.2002 forderte der Gerichtsvollzieher den Kläger auf, am
17.09.2002 ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und eine eidesstattliche
Versicherung abzugeben.
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Die Beklagte lehnte es vorprozessual ab, zu erklären, dass sie aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss nicht weiter vollstrecken werde und die ihr erteilte
vollstreckbare Ausfertigung entwertet zurückzusenden.
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Der Kläger erklärt die Aufrechnung gegen die zu vollstreckende Forderung mit einem
Schadenersatzanspruch in derselben Höhe.
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Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte zu, da
diese ihre Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden gesetzlichen
Schuldverhältnis aus der Abmahnung verletzt habe, indem sie ihn nicht über die
Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung informiert habe.
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Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgericht Düsseldorf vom 23.05.2002 (Az. 12 O
343/01) unzulässig ist.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe den Kläger nicht zur Klageerhebung veranlasst.
Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger darüber zu informieren, dass sie nach der
Abmahnung durch den Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber
der Steuerberaterkammer abgegeben habe.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist als Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO statthaft und auch im
übrigen zulässig. Der in der wörtlichen Fassung auf Feststellung zielende klägerische
Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger begehrt, die Vollstreckung aus
dem Kostenfestsetzungsbeschluss für unzulässig zu erklären. Bei der Klage gem. § 767
ZPO, die der Kläger ausweislich der Bezeichnung der Klage in der Klageschrift erhebt,
handelt es sich um eine Gestaltungsklage, die über die bloße Feststellung der
Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung hinausgeht. Aus der vom Kläger gewählten
Bezeichnung der Klage ergibt sich, dass der Klageantrag in dem soeben dargestellten
Sinne zu verstehen ist.
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§767 ZPO ist gemäß §§795 Satz 1, 794 Absatz 1 Nr. 2 ZPO auf die
Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend anwendbar.
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Die Klage ist begründet.
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Die Zwangsvollstreckung ist unzulässig, da die zu vollstreckende Forderung durch die
Aufrechnung des Klägers erloschen ist. Dem Kläger steht ein aufrechenbarer
Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe der Forderung, deren
Zwangsvollstreckung die Beklagte betreibt, zu.
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Durch eine berechtigte Abmahnung wird das gesetzliche Schuldverhältnis aus
unerlaubter Handlung dahingehend konkretisiert, dass der Abgemahnte zur Antwort und
Aufklärung verpflichtet ist. Dies beruht auf der Überlegung, dass die Abmahnung zur
Vermeidung eines Prozesses und daraus drohenden Kostennachteilen erfolgt, dadurch
jedoch die sofortige Rechtsverfolgung zugunsten des Abgemahnten erschwert wird
(Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl. 1992, Kap. 41, Rn. 52). Dies
rechtfertigt es, dem Abgemahnten ein gewisses Maß an Mitverantwortung für leicht
vermeidbare Risiken des Abmahners aufzubürden. Daher hat der Abgemahnte den
Abmahner redlicherweise über Maßnahmen aufzuklären, die die Wiederholungsgefahr
entfallen lassen.
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Die Aufklärungspflicht besteht auch dann fort, wenn der Abgemahnte nach der
Abmahnung durch den späteren Kläger und deren Beantwortung eine die
Wiederholungsgefahr ausräumende strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber
einem Dritten abgibt. Das gesetzliche Schuldverhältnis besteht, wie bereits ausgeführt,
regelmäßig nur bei einer berechtigten Abmahnung. Die Antwort des Abgemahnten ist
dann eine aus Treu und Glauben begründete Pflicht; durch die erfolgte Beantwortung
endet das Schuldverhältnis jedoch nicht. Auch nach der Antwort ist der Abgemahnte aus
Treu und Glauben verpflichtet, dem Abmahner, der eine Klage in Aussicht gestellt hat,
jedenfalls in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Abmahnung anzuzeigen, dass
die Wiederholungsgefahr entfallen ist.
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Dieser Zeitraum ist jedenfalls dann noch nicht verstrichen, wenn - wie hier - die Abgabe
der strafbewehrten Unterlassungserklärung etwa fünf Wochen nach dem
Antwortschreiben auf die Abmahnung abgegeben wird, Es ist schlechterdings
treuwidrig, dem Abmahner zu antworten, er sei falsch informiert, es bestünden keine
Ansprüche und man sehe daher einer Klage gelassen entgegen, und danach ob des
abgemahnten Sachverhalts einem Dritten eine Unterlassungserklärung abzugeben,
ohne den ersten Abmahner darüber zu informieren. Denn aus einem solchen Verhalten
ergibt sich, dass der Abgemahnte entgegen seiner Antwort an den ursprünglichen
Abmahner auch einen Wettbewerbsverstoß annimmt, sei es weil er zwischen-zeitlich zu
einer besseren Einsicht gelangt ist, sei es weil er in seiner Antwort bewusst eine
unzutreffende Ansicht vertreten hat.
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Erst recht kann kein Zweifel an einer fortdauernden Aufklärungspflicht bestehen, wenn
der Abgemahnte keine Unterlassungserklärung gegenüber dem Abmahner abgibt, die
Abmahnung aber zum Anlass nimmt, sich von einem Dritten abmahnen zu lassen und
diesem gegenüber dann eine Unterlassungserklärung abgibt, die auch in Bezug auf die
erste Abmahnung die Wiederholungsgefahr entfallen lässt.
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Eine Verletzung dieser Pflichten begründet einen Schadenersatzanspruch des
Abmahners. Dieser umfasst die Kosten, die dadurch entstehen, dass der Kläger eine
Klage erhebt, die deshalb unbegründet ist, weil es durch die Unterlassungserklärung
gegenüber dem Dritten nunmehr an der Wiederholungsgefahr fehlt.
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Dies sind hier die Kosten, die nach der Beendigung des Rechtsstreits durch ein
Versäumnisurteil gegen ihn entstanden sind und im Kostenfestsetzungsbeschluss vom
23.05.2002 festgesetzt wurden. Diese Kosten hätte der Kläger ohne das treuwidrige
Verhalten der Beklagten nicht zu tragen. Die Klage war von Anfang an unbegründet,
weil die Wiederholungsgefahr durch die Abgabe der Unterlassungserklärung gegenüber
der Steuerberaterkammer entfallen ist. Diese Unterlassungserklärung stimmt inhaltlich
mit dem vom Kläger in der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruch in
einem so weitgehenden Maße überein, dass die wörtlichen Abweichungen unerheblich
sind.
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Die Beklagte hat die Vollstreckung ihres mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten
Anspruches gegen den Kläger eingeleitet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert (§§ 25 Abs. 2, 12 GKG, 3 ZPO): 1.123,54 €
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