Urteil des LG Düsseldorf vom 20.06.2008

LG Düsseldorf: rechtshängigkeit, abtretung, inhaber, anleger, geschäftsführer, verwaltung, finanzen, verurteilter, verfügung, kauf

Landgericht Düsseldorf, 15 O 312/07
Datum:
20.06.2008
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Maurer, Vorsitzender Richter am LG, Rühl-Wenzel, Richter am LG,
Roese, Richter am LG
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 O 312/07
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
1. an den Kläger zu 1) 13.000,- € nebst 5 % Zinsen über dem Ba-
siszinssatz seit dem 09.11.2007 zu zahlen, Zug um Zug gegen
Abtretung der Forderung gegen den Insolvenzverwalter aus der
Anmeldung zur Insolvenztabelle,
2. an den Kläger zu 2) 21.000,- € nebst 5 % Zinsen über dem Ba-
siszinssatz seit dem 09.11.2007, Zug um Zug gegen Abtretung der
Forderung gegen den Insolvenzverwalter aus der Anmel-dung zur
Insolvenztabelle zu zahlen,
3. an den Kläger zu 3) 33.000,- € nebst 5 % Zinsen über dem Ba-
siszinssatz seit dem 09.11.2007, Zug um Zug gegen Abtretung der
Forderung gegen den Insolvenzverwalter aus der Anmel-dung zur
Insolvenztabelle zu zahlen,
4. an den Kläger zu 4) 12.000,- € nebst 5 % Zinsen über dem Ba-
siszinssatz seit dem 09.11.2007, Zug um Zug gegen Abtretung der
Forderung gegen den Insolvenzverwalter aus der Anmel-dung zur
Insolvenztabelle zu zahlen,
5. an den Kläger zu 5) 25.000,- € nebst 5 % Zinsen über dem Ba-
siszinssatz seit dem 09.11.2007, Zug um Zug gegen Abtretung der
Forderung gegen den Insolvenzverwalter aus der Anmel-dung zur
Insolvenztabelle zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamt-
schuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des je-weils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Kläger erwarben im Zeitraum Juli 2004 bis Januar 2006 jeweils von der X
ausgegebene Inhaber-Teilschuldverschreibungen in Höhe von insgesamt 104.000,- €.
Die GmbH stellte am 2.2.2007 bei dem Amtsgericht Düsseldorf Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens. Die Beklagte war Geschäftsführerin der X, der Beklagte – ihr
Lebensgefährte – war ebenfalls für die Gesellschaft tätig. Dieser war im Jahr 2001 durch
einen Strafbefehl wegen Betreibens illegaler Bankgeschäfte zu einer Freiheitsstrafe von
einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden.
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Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters waren die von der X erworbenen Immobilien
selbst bei vollständiger Zahlung der Hausgelder nicht kostendeckend zu betreiben, da
es sich im Wesentlichen um kleine Eigentumswohnungen in schlechter Lage gehandelt
habe.
3
Die Kläger behaupten: Die Beklagte sei als Strohfrau für den Beklagten aufgetreten, der
eigentlich die Geschicke der X bestimmt habe. Sie beziehen sich insbesondere auf den
Bericht des Insolvenzverwalters und werfen den Beklagten vor, sie betrogen zu haben.
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Die Kläger beantragen mit der am 08.11.2007 zugestellten Klage,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
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1. an den Kläger zu 1) 13.000,- € nebst 9,25 % Zinsen seit dem 01.02.2006 bis
Rechtshängigkeit sowie nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit, Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung gegen den
Insolvenzverwalter aus der Anmeldung zur Insolvenztabelle zu zahlen,
2. an den Kläger zu 2) 21.000,- € nebst 8,25 % Zinsen seit dem 01.05.2006 bis
Rechtshängigkeit sowie nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit, Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung gegen den
Insolvenzverwalter aus der Anmeldung zur Insolvenztabelle zu zahlen,
3. an den Kläger zu 3) 33.000,- € nebst 8,25 % Zinsen seit dem 01.06.2006 bis
Rechtshängigkeit swie nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit, Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung gegen den
Insolvenzverwalter aus der Anmeldung zur Insolvenztabelle zu zahlen,
4. an den Kläger zu 4) 12.000,- € nebst 8,25 % Zinsen seit dem 17.12.2006 bis
Rechtshängigkeit sowie nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit, Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung gegen den
Insolvenzverwalter aus der Anmeldung zur Insolvenztabelle zu zahlen,
5. an den Kläger zu 5) 25.000,- € nebst 9,25 % Zinsen seit dem 02.01.2006 bis
Rechtshängigkeit sowie nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit, Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung gegen den
Insolvenzverwalter aus der Anmeldung zur Insolvenztabelle zu zahlen.
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8
Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behaupten: Der Beklagte sei nur als Projektleiter für das Geschäft in Dubai für die X
tätig geworden, was in etwa einem Abteilungsleiter entspreche. Er sei kein
Entscheidungsträger gewesen, was beispielhaft dadurch belegt werde, dass keine von
dem Beklagten unterschriebene Verträge, Bankdokumente pp. existierten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet. Die Kläger können von den Beklagten jedenfalls nach § 826
BGB Ersatz des ihnen entstandenen Schadens, Zug um Zug gegen Abtretung des im
Insolvenzverfahren der X noch zur Insolvenztabelle gegebenenfalls festzustellenden
Anspruchs, verlangen. Nach den Darlegungen der Parteien lässt sich zur Überzeugung
des Gerichts feststellen, dass die Beklagten das Vermögen der Kläger vorsätzlich in
sittenwidriger Weise geschädigt haben. Die Kläger haben unstreitig Inhaber-
Teilschuldverschreibungen der X für 104.000 € erworben; der gegen diese bestehende
Rückzahlungsanspruch ist im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretene Insolvenz
zumindest annähernd wertlos geworden. Steht damit ein Vermögensschaden der Kläger
fest, so kann weiter festgestellt werden, dass die Beklagten diesen zumindest bedingt
vorsätzlich in sittenwidriger Weise herbeigeführt haben.
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Der Beklagte war der Hintermann, der die Geschicke der X ohne offizielle Position
bestimmt hat. Die Kläger haben Auszüge aus der staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsakte und dem Bericht des Insolvenzverwalters vorgelegt, deren inhaltlicher
Richtigkeit die Beklagten nicht in ausreichender Weise entgegen getreten sind. Danach
war es der Beklagte selbst, der ausweislich der Anlage K 5 "nach Belehrung" mitteilte,
er sei "Verantwortlicher der X". Das stimmt überein mit der als Anlage K 4 vorliegenden
Kopie einer Aussage des Herrn X, Bl.1138 der Ermittlungsakte. Danach war der
Beklagte "eigentlich der Oberste der X", der "auch für die Finanzen zuständig" war und
"den Bereich Personal und Verwaltung nur an Frau X delegiert" hatte. Das zeigt, dass
der Beklagte derjenige war, der bei der X wie ein Geschäftsführer aufgetreten ist. Dem
sind die Beklagten nicht hinreichend entgegengetreten. Zu der inhaltlichen Richtigkeit
der vorliegenden Anlagen und den darin enthaltenen Bekundungen haben sie keine
Erklärungen abgegeben. In der pauschalen Behauptung der Beklagten, der Beklagte
habe nie erklärt, dass er der Verantwortliche der Insolvenzschuldnerin sei "und zwar
auch nicht gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft" ist nicht einmal der
Ansatz eines Erklärungsversuches zu erblicken, wie nach Auffassung der Beklagten
das aus der Anlage K 4 ersichtliche Protokoll entstanden sein soll.
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Dass der Beklagte darauf verweist, keine Verträge oder "Bankdokumente" unterzeichnet
zu haben, stellt insoweit kein Indiz dar, weil das für einen Hintermann oder faktischen
Geschäftsführer geradezu typisch ist. Mithin haben die Beklagten dadurch, dass die
Beklagte als Geschäftsführerin eingetragen war, tatsächlich aber der Beklagte die
Geschäfte der X führte, die Anleger und damit die Kläger darüber getäuscht, dass ein
wegen Betreibens illegaler Bankgeschäfte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr
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Verurteilter maßgeblich für das Gelingen oder Misslingen der Anlagegeschäfte
verantwortlich war. Bereits das stellt sich nach der Auffassung des Gerichts als
sittenwidrig dar. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des Insolvenzverwalters
die Gemeinschuldnerin realistisch keine Gewinne erzielen konnte, um damit die
Inhaber-Teilschuldverschreibungen zurückzahlen zu können. Die erworbenen
Immobilien waren danach selbst bei vollständiger Zahlung der Hausgelder nicht
kostendeckend zu betreiben (Anlage R 2, Bl. 141 GA). Angesichts monatlicher (!)
Personalkosten von 200.000 € und weiterer monatlicher Fixkosten von 180.000 € hätte
die Gemeinschuldnerin den Überschuss nach Kosten im Jahre 2006 mit einem nicht
erzielbaren Ergebnis von 265 % anlegen müssen, um das Renditeziel von
durchschnittlich 9 % erreichen zu können (Bl. 142 GA). Damti haben die Beklagten die
Schädigung des Vermögens der Anleger und damit der Kläger zumindest billigend in
Kauf genommen.
Das seitens der Beklagten vorgelegte Plausibilitätsgutachten vermag eine andere
Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Es beruht – im Unterschied zu den Feststellungen
des Insolvenzverwalters – auf den ungeprüften Angaben der Auftraggeber. Ausdrücklich
ist in der Einleitung, dort Ziffer 1.1, ausgeführt: "Eine Prüfung des Zahlenswerks des
Unternehmens war damit nicht verbunden. Dementsprechend ist dieser Bericht nicht für
andere Zwecke oder Personen anzuwenden. ... Als Auskunftspersonen standen uns
Herr X, Frau X und Frau X (X) zur Verfügung". Die Ausführungen des Berichts vom
28.4.2006 vermögen daher die vorstehend dargestellten Feststellungen des
Insolvenzverwalters nicht zu entkräften.
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Der Zinsanspruch der Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Prozesszinsen folgt -
nach Auslegung- aus §§ 288, 291 BGB. Soweit die Kläger darüber hinaus Zinsen vor
Rechtshängigkeit geltend machen, war die Klage abzuweisen. Gemäß § 249 BGB sind
die Kläger so zu stellen, wie sie stünden, wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis
nicht eingetreten wäre. Gerade dann hätten die Kläger nicht die
Inhaberschuldverschreibungen gezeichnet. Zinsen in Höhe der versprochenen
Wertentwicklung können daher nicht verlangt werden.
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Die Nebenentscheidungen des Urteils folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 104.000 € festgesetzt.
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