Urteil des LG Düsseldorf vom 22.11.2006

LG Düsseldorf (zinssatz, swap, partei, schaden, anlage, beendigung, geschäft, kündigung, verhandlung, höhe)

Landgericht Düsseldorf, 41 O 132/05
Datum:
22.11.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Schlussurteil
Aktenzeichen:
41 O 132/05
Rechtskraft:
27.12.2006
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte handelt mit Ferrari Rennwagen. Sie benötigte zur Finanzierung des
Ankaufes der Rennwagen ab November 2000 Sonderkredite, die die Klägerin ihr
gewährte. Um die Zinsbelastung aus diesen Krediten zu reduzieren, bot die Klägerin der
Beklagten im November 2000 ein erstes Zinssatz-Swap-Geschäft an. Zeitgleich schloss
die Beklagte mit der Klägerin am 22.11.2000 einen "Rahmenvertrag für
Finanztermingeschäfte", in welchem es unter Ziffer 8 Abs. 1 wie folgt heißt:
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"(1) Im Fall der Beendigung steht der kündigenden bzw. der solventen Partei
(nachstehend "ersatzberechtigte Partei" genannt) ein Anspruch auf
Schadensersatz zu. Der Schaden wird auf der Grundlage von unverzüglich
abzuschließenden Ersatzgeschäften ermittelt, die dazu führen, dass die
ersatzberechtigte Partei alle Zahlungen und sonstigen Leistungen erhält, die
ihr bei ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung zugestanden hätten. Sie ist
berechtigt, nach ihrer Auffassung dazu geeignete Verträge
abzuschließen.Wenn sie von dem Abschluß derartiger Ersatzgeschäfte
absieht, kann sie denjenigen Betrag der Schadensberechnung zugrunde
legen, den sie für solche Ersatzgeschäfte auf der Grundlage von Zinssätzen,
Terminsätzen, Kursen, Marktpreisen, Indices und sonstigen Wertmessern
sowie Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt der Kündigung bzw. der
Kenntniserlangung von dem Insolvenzfall hätte aufwenden müssen. Der
Schaden wird unter Berücksichtigung aller Einzelabschlüsse berechnet; ein
finanzieller Vorteil, der sich aus der Beendigung von Einzelabschlüssen
(einschließlich solcher, aus denen die ersatzberechtigte Partei bereits alle
Zahlungen oder sonstigen Leistungen der anderen Partei erhalten hat) ergibt,
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wird als Minderung des im übrigen ermittelten Schadens berücksichtigt."
Ein zweites hier streitgegenständliches Zinssatz-Swap-Geschäft schloss die Beklagte
mit der Klägerin am 06.02.2002 unter der Referenznummer 168163uk ab. Das Geschäft
hatte eine Laufzeit vom 08.02.2002 bis zum 24.11.2007 ("Enddatum") und verhielt sich
über einen Bezugsbetrag von 1.022.583,76 Euro. Wegen der Einzelheiten dieses
Geschäftes wird auf die Anlage K 5 (Bl. 22-25 GA) Bezug genommen. Die nach diesem
Geschäft zu zahlenden Beträge gab die Klägerin der Beklagten jeweils durch
sogenannte "Fixing und Zahlungsavis" auf. Gemäß dem "Fixing und Zahlungsavis" vom
24.08.2004 (Anlage K 6, Bl. 26 GA) hatte die Beklagte 9.117,69 Euro zu zahlen. Wegen
Nichteingangs dieser am 24.11.2004 fälligen Zahlung kündigte die Klägerin am
17.12.2004 den Rahmenvertrag. Zugleich mit dieser Kündigung kündigte die Klägerin
der Beklagten mit Wirkung zum 31.12.2004 auch den unter der Referenznummer
168163uk getätigten Einzelabschluss vom 6. 2.2002.
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Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage Schadensersatz. Die Klägerin bringt zur
Rechtfertigung ihres Klagebegehrens vor: Ihre Kündigung sei nach Ziffer 7 des
Rahmenvertrages aus wichtigem Grunde gerechtfertigt gewesen. Weil die Beklagte auf
die Kündigung nicht reagiert habe, habe sie das abgeschlossene Swap-Geschäft am
10.01.2005 um 17.25 Uhr vorzeitig aufgelöst. Aufgrund des aus Sicht der Beklagten
negativen Marktwertes des Zinssatz-Swap zum Schließungszeitpunkt sei ein Verlust in
Höhe von 93.000,-- Euro aufgetreten. Sie habe diesen Verlust in das Konto der
Beklagten Nr. 644/1301662/00 eingebucht. Zum 21.01.2005 weise dieses Konto einen
Soll von 99.613,53 Euro auf. Unter Verrechnung einiger Gutschriften belaufe sich ihre,
der Klägerin, zustehende Forderung per 16.06.2005 auf 96.059,34 Euro. Die darin
enthaltene Schadensersatzforderung von 93.000,-- Euro nebst Zinsen ergebe sich aus
Ziffer 8 des Rahmenvertrages. Sie habe durch die "Veräußerung der einzelnen
Komponenten des Zinssatz-Swaps" Ersatzgeschäfte vorgenommen. Der Wert der
einzelnen Komponenten des streitgegenständlichen Zinssatz-Swaps werde aufgrund
von "Marktpreisen bzw. Terminkursen" ermittelt, wie dies aus der Anlage K 14
hervorgehe.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 96.059,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Klageabweisung.
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Die Beklagte wendet ein:
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Die Klägerin habe den ihr angeblich entstandenen Schaden nicht einmal ansatzweise
nachvollziehbar dargelegt. Wenn ein solcher Schaden tatsächlich gegeben sein sollte,
so beruhe er auf unzureichender Aufklärung und Beratung seitens der Klägerin. Die
Klägerin habe ihr bei Abschluss des Zinsswap-Geschäftes versprochen, die
Zinsbelastung der Beklagten aus den laufenden Krediten zu reduzieren. Für die
Beklagte sei es deshalb "selbstverständlicher Vertragsinhalt" gewesen, dass – da diese
Geschäfte nur dem Auffangen der Zinsbelastung gedient hätten – auch die
Rahmenverpflichtung von gleicher Dauer wie die Kredite seien. Das sei auch "in den
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Gesprächen mit keinem Wort anders dargestellt worden". Es habe der ausdrückliche
Hinweis der Klägerin darauf gefehlt, dass der Zinsswap auf die Dauer von 7 Jahren fest
und für die Beklagte unkündbar habe abgeschlossen werden sollen und "die zeitliche
Limitierung nicht nur – nach der Absicht der Klägerin – eine zeitliche Limitierung der
Zinskonditionen" habe bedeuten sollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
wechselseitigen Schriftsätze und die zur Akte gereichten Urkunden Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 96.059,34 Euro.
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Der Klageforderung liegt die Forderungsaufstellung per 16.06.2005 (Anlage K 10, Bl.
31/32 GA) zugrunde. Diese Forderungsaufstellung besteht im wesentlichen aus der von
der Klägerin am 12.01.2005 eingebuchten Forderung von 93.000,-- Euro, die nach dem
Ergebnis der mündlichen Verhandlung alleiniger Gegenstand des Rechtsstreites ist. Ein
auf Zahlung von 93.000,-- Euro gerichteter Schadensersatzanspruch wegen vorzeitiger
Beendigung des Zinssatzswap-Geschäftes vom 06.02.2002 (Anlage K 5) steht der
Klägerin indessen nicht zu. Die Klägerin hat nämlich einen ihr aus der vorzeitigen
Beendigung des zweiten Zinssatz-Swap-Geschäftes entstandenen Schaden nicht
schlüssig dargelegt. Die Klägerin zeigt keine konkreten Vermögensnachteile auf, die ihr
als Folge ihrer fristlosen Kündigung und der dadurch bedingten Beendigung des als
Einzelabschluss bezeichneten Zinssatz-Swap-Geschäftes vom 06.02.2004 entstanden
sind. Aus Ziffer 8 Abs. 1 des Rahmenvertrages lässt sich das nicht ableiten. Die
Vorschrift macht eine schlüssige Schadensbehauptung und eine konkrete
Schadensberechnung nicht entbehrlich. Die Vorschrift unterstellt vielmehr, dass die
kündigende Partei aus wichtigem Grunde berechtigt gekündigt hat und ihr deshalb ein
Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Der Schaden soll dann auf der Grundlage von
unverzüglich abzuschließenden Ersatzgeschäften ermittelt werden können, die dazu
führen, dass die ersatzberechtigte Partei alle Zahlungen und sonstigen Leistungen
erhält, die ihr bei ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung zugestanden hätten. Die
Klägerin trägt solche unverzüglich abzuschließenden Ersatzgeschäfte aber nicht
hinreichend vor. Die von der Klägerin gegebenen allgemeinen Erläuterungen, dass der
Zinssatz-Swap hier aus 5 selbständig handelbaren Einzelkomponenten bestanden
habe sowie der Verweis der Klägerin auf die Anlage K 14 genügen in diesem
Zusammenhang nicht. Wann und mit wem die Klägerin welche konkreten
Ersatzgeschäfte abgeschlossen hat, wird nicht klar. Die Kammer hat dies in der
mündlichen Verhandlung deutlich gemacht und die Klägerin im Rahmen der Erörterung
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Schlüssigkeit des geltend
gemachten Schadens bestehen. Die Klägerin hat auf diesen Hinweis hin versucht, den
Schaden zu erläutern. Sie hat dabei durch den Vertreter ihrer Rechtsabteilung (Herrn
Witolla) davon gesprochen, dass sie hier ein reines Provisionsinteresse und kein
Zinsinteresse verfolge und dass eine interne Gegenbuchung erfolgt sei, um das
Engagement auf Null zu bringen. Dies sei deshalb erforderlich gewesen, da die
Klägerin kein eigenes Finanztermingeschäft habe vornehmen oder ausweisen dürfen
und wollen. Die Gegenbuchung sei über ein "Portfolio" und nicht auf der Basis von
Einzelgeschäften erfolgt. Auf Nachfrage der Kammer nach diesem "Port folio" hat die
Klägerin eingeräumt, dass sie das "Portfolio" selbst steuert und es ein Internum ist. Die
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Handelsabteilung der Klägerin steuert das "Portfolio" nach den in der mündlichen
Verhandlung gegebenen Erläuterungen so, dass es stets gewinn- und verlustlos
schließt.
Es stellt jedoch keinen zurechenbar auf die Nichterfüllung des Zinssatz-Swap-
Geschäftes zurückgehenden echten Vermögensschaden dar, wenn die Klägerin in dem
dargestellten Sinne interne Gegenbuchungen bildet, die sie bei Auflösung eines
Zinssatz-Swap-Engagements verändern muss. Die Klägerin beschreibt mit ihrem
Sachvortrag lediglich interne Berechnungen und Gegenbuchungen ohne eine konkrete
Einbuße an Vermögenswerten aufzuzeigen. Auch aus der Anlage K 8 (dem von der
Klägerin vorgelegten Ausdruck aus ihrem internen Buchungssystem betreffend die
Auflösung des abgeschlossenen Swap-Geschäftes am 10.01.2005) geht eine konkrete
Vermögenseinbuße nicht hervor. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie zur
Absicherung des Währungsrisikos auf den hier relevanten Rückzahlungszeitpunkt
einzelne betragsmäßig bestimmte Devisenterminkäufe getätigt hat und ihr daraus ein
Vermögensschaden entstanden ist (zu einem solchen Fall vgl. OLG München WM 2006,
1071).
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Berücksichtigt man, dass die Klägerin in ihre Forderungsaufstellung vom 16.06.2005
auch 6,21 % Zinsen jährlich auf 93.000,-- Euro ab dem 13.01.2005 eingestellt hat und
berücksichtigt man weiter, dass zugunsten der Beklagten Geldeingänge von 385,89
Euro, 1.199,65 Euro, 11,73 Euro und zuletzt am 30.05.2005 4.341,-- Euro zu
verzeichnen sind, so verbleibt aus der Differenz zwischen der eingeklagten Summe von
96.059,34 Euro und der unberechtigten Schadensersatzforderung von 93.000,-- Euro
kein Kontokorrentrestbetrag, der von der Klägerin schlüssig berechnet worden ist und
der ihr – zumindest im Rahmen eines Hilfsvorbringens – als unstreitig zuerkannt werden
könnte.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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Streitwert: 96.059,34 Euro.
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