Urteil des LG Düsseldorf vom 20.02.2007

LG Düsseldorf: anmeldung der forderung, herausgabe der akten, rechtskräftiges urteil, akteneinsichtsrecht, kreis, auflage, entstehung, firma, forderungsanmeldung, feststellungsklage

Landgericht Düsseldorf, 25 T 85/07
Datum:
20.02.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 T 85/07
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführer
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
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Mit Beschluss vom 01.06.2001 hat das Amtsgericht Düsseldorf wegen
Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren über die Schuldnerin
eröffnet und Rechtsanwalt XXX zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Die Antragsteller haben als Gläubiger Nummer 92 eine Forderung in Höhe von
36.362,22 DM = 18.591,71 € zur Tabelle angemeldet, die im Prüftermin vom 31.07.2001
(Bl. 253 b, 264 GA) bestritten wurde.
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Mit Sicherungsvereinbarung vom 11.01.2001 hatte die Gemeinschuldnerin an die
Antragsteller zur Sicherung aller entstandenen und künftig zur Entstehung kommenden
Honoraransprüche und Auslagenersatzansprüche alle ihr aus der Geschäftsverbindung
mit der Firma XXX zustehenden und künftig zur Entstehung kommenden Ansprüche
jeder Art abgetreten. Nachdem das Amtsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom
23.03.2001 den vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin
bestellt hatte, hinterlegte die XXX beim Amtsgericht Siegburg einen Betrag in Höhe von
28.934,75 DM wegen Unklarheit über den Inhaber der Forderung. Der
Insolvenzverwalter hat daraufhin im Verfahren 4 O 207/03 LG Hagen die Antragsteller
auf Freigabe des von der Firma XXX zugunsten der Antragsteller hinterlegten Betrages
nebst Hinterlegungszinsen in Anspruch genommen. Durch rechtskräftiges Urteil vom
17.11.2005 hat der Bundesgerichtshof die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen
und ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Es ist ein Kostenfestsetzungsbeschluss
des Landgerichts Hagen vom 24.03.2006 zugunsten der Antragsteller ergangen. Bereits
im Revisionsrechtsstreit ist den Antragstellern mitgeteilt worden, dass die
Masseunzulänglichkeit eingetreten sei (Bl. 538 GA). Dem Gericht gegenüber ist die
genaue Höhe noch nicht angezeigt worden.
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Im laufenden Insolvenzverfahren haben die Antragsteller im Jahre 2004 und April 2006
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Akteneinsicht erhalten.
Mit Schriftsatz vom 17.10.2006 haben sie erneut um Akteneinsicht durch Übersendung
der Akten an das Amtsgericht Iserlohn gebeten. Gegen die Mitteilung der
Rechtspflegerin vom 20.10.2006, dass die Akten nicht versandt werden, eine
Akteneinsicht jedoch auf der zuständigen Geschäftsstelle des Amtsgerichts Düsseldorf
möglich sei, haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt, die die Kammer als
unzulässig verworfen hat, da eine Entscheidung noch nicht ergangen war. In dieser
Entscheidung hat die Einzelrichterin für das künftige Verfahren ausgeführt, aufgrund der
Anmeldung der Forderung durch die Antragsteller sei deren Akteneinsichtsgesuch nach
§ 299 Abs. 1 ZPO zu beurteilen. Die Art der Gewährung der Einsicht in die
Insolvenzakte stehe im Ermessen des Amtsgerichts, dessen Ausübung durch die
Rechtspflegerin bisher nicht erfolgt sei.
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Mit dem angefochtenen Beschluss hat sodann das Amtsgericht den Antrag auf
Gewährung von Einsichtnahme in die Verfahrensakten vom 17.10.2006
zurückgewiesen und ausgeführt, eine Übersendung der Verfahrensakten an auswärtige
Gerichte im Rahmen eines laufenden Verfahrens verbiete sich, weil diese Handhabung
dem Zweck der Verfahrensbeschleunigung zuwider laufen würde. Die Verfügbarkeit der
Akten für andere Einsichtsberechtigte würde über Gebühr eingeschränkt. Des weiteren
verbiete die Insolvenzordnung eine Herausgabe der Akten aus der zuständigen
Geschäftsstelle. Ein hilfsweiser Anspruch auf Erteilung von Abschriften aus den
Verfahrensakten ergebe sich auch nicht. Eine allgemeine Verpflichtung des
Insolvenzgerichts zur Übersendung von Ablichtungen aus den Verfahrensakten sei vom
Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Insolvenzordnung sei lex specialis zu § 299 ZPO.
Die Fertigung zahlloser Kopien in Insolvenzverfahren mit zum Teil hunderten
Verfahrensbeteiligten sei aus Zeit- und Kapazitätsgründen nicht möglich. Im Übrigen
hätten die Beschwerdeführer nicht dargelegt, aus welchem Grunde sie die Akteneinsicht
bzw. hilfsweise die Abschriften aus den Akten benötigten.
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Gegen diesen förmlich nicht zugestellten Beschluss haben die Antragsteller
Beschwerde eingelegt und ausgeführt, sie seien nicht bloß Insolvenzgläubiger sondern
Massegläubiger aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts Hagen
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vom 24.03.2006. Der Insolvenzverwalter berufe sich auf Masseunzulänglichkeit. Zur
Überprüfung bedürften die Antragsteller der Akteneinsicht, hilfsweise der beantragten
Übersendung von Kopien aus der Gerichtsakte.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und zusätzlich ausgeführt, die
Beschwerdeführer seien nicht Insolvenzgläubiger, da ihre Forderung im Berichts- und
Prüftermin bestritten worden sei. Ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse könne daher
nicht erkannt werden.
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Es hat die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
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Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
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Ein allgemeines Akteneinsichtsrecht nach §§ 4 InsO, 299 Abs. 1 ZPO steht den
Antragstellern und Beschwerdeführern nicht zu. Grundsätzlich finden im
Insolvenzverfahren nach § 4 InsO die Vorschriften der Zivilprozessordnung
entsprechend Anwendung. Mithin gilt auch die Vorschrift des § 299 ZPO, nach der die
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Parteien die Akten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle
Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen können. Der Parteibegriff ist im
Insolvenzverfahren durch den Beteiligtenbegriff zu ersetzen. In dem als quasi streitigen
Parteiverfahren ausgestalteten Insolvenzverfahren sind Beteiligte grundsätzlich
zunächst nur der Antragsteller und der Antragsgegner (vgl. Uhlenbruck, Kommentar zur
Insolvenzordnung, 12. Auflage, § 4 Randnummer 26). Durch die Verfahrenseröffnung
wird der Kreis der Beteiligten im Sinne von § 299 Abs. 1 ZPO erheblich erweitert. Durch
die Aufforderung zur Anmeldung ihrer Forderung werden sämtliche Insolvenzgläubiger
gemäß § 38 InsO in den Kreis der Beteiligten aufgenommen, die das
Akteneinsichtsrecht für sich in Anspruch nehmen können (Uhlenbruck a.a.O.
Randnummer 29). Das Akteneinsichtsrecht im eröffneten Verfahren steht jedoch
grundsätzlich nur solchen Gläubigern zu, deren Forderung nicht nur angemeldet worden
ist, sondern deren Forderung auch im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. LG
Karlsruhe NZI 2003, 327). Bei bestrittenen Forderungen ist dies nach § 189 Abs. 1 und 2
InsO nur dann der Fall, wenn für sie ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil vorliegt,
oder der Nachweis geführt wird, dass eine Feststellungsklage nach § 179 Abs. 1 InsO
erhoben wurde. Derartiges behaupten die Antragsteller, soweit sie sich auf ihre
Forderungsanmeldung zur Tabelle berufen, nicht.
Soweit sie geltend machen, sie seien jedoch Massegläubiger im Hinblick auf den
Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hagen vom 24.03.2006 führt dies nicht
dazu, dass sie zum Kreise der den Parteien im Zivilprozess vergleichbaren Beteiligten
des Insolvenzverfahrens gehören. Massegläubiger sind Gläubiger eigener Art. Das
Charakteristische der Massegläubiger liegt darin, dass sie mit ihrer Forderung nach § 53
InsO vorweg aus der Insolvenzmasse in voller Höhe zu befriedigen sind und sie deshalb
im eigentlichen Sinne am Insolvenzverfahren nicht teilnehmen (vgl. Hefermehl in
Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung § 53 Randnummer 18). So haben
Massegläubiger kein Teilnahmerecht an der Gläubigerversammlung, da ihre Forderung
gemäß § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu bereinigen ist (so Uhlenbruck
Kommentar zur Insolvenzordnung 12. Auflage § 74 Randnummer 9). Auch sonst haben
sie keinen gestalterischen Einfluss auf das Insolvenzverfahren. Sie können daher im
Insolvenzverfahren nicht Parteien im Zivilprozess gleichgestellt werden, denen allein
Akteneinsichtsrecht nach § 4 InsO in Verbindung mit § 299 ZPO zukommt.
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Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Massegläubigern ein Einsichtsrecht in die Akte
oder Teilen davon generell verwehrt bliebe. Vielmehr findet im Insolvenzverfahren auch
der § 299 Abs. 2 ZPO Anwendung, wonach Dritten, sofern sie ein berechtigtes Interesse
an der Akteneinsicht haben, der Vorstand des Gerichts, dies ist der Präsident des
Amtsgerichts, Akteneinsicht gewähren kann. Ein solches Akteneinsichtsgesuch ist
bisher nicht beschieden. Im Falle der Ablehnung und Einlegung eines Rechtsmittels
wäre insoweit auch nicht das Landgericht als Beschwerdegericht zur Entscheidung
berufen sondern gemäß § 23 EGGVG das Oberlandesgericht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO; 97 ZPO.
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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus §§ 4 InsO, 574 ZPO.
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