Urteil des LG Düsseldorf vom 16.03.1999

LG Düsseldorf (stand der technik, breite, länge, umfang, bundesrepublik deutschland, verhältnis zu, zustand, anlage, verhältnis, angemessene entschädigung)

Landgericht Düsseldorf, 4 O 40/94
Datum:
16.03.1999
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 40/94
Tenor:
für Recht erkannt:
I.
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM - ersatzweise
Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle
wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu
unterlassen,
Vorrichtungen zum Umhüllen von Stück-gut/Stückgutstapeln mit einer
Haube aus Stretchfolie Abnehmern aus der Bundesrepublik
Deutschland anzubieten oder an diese zu liefern, die geeignet sind,
ein Verfahren durchzuführen zum Umhüllen von
Stückgut/Stückgutstapeln mit einer Haube aus Stretchfolie, bei dem aus
einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren (”stretchbaren”)
Seitenfaltenschlauch, der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei
einander parallele, eng benachbarte erste Seitenflächen bestimmter
(Zuführ-) Breite sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen
gefaltete zweite Seitenflächen aufweist und einen um wenigstens 10%
geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende
Stapel besitzt, vor dem Stretchen dadurch eine Haube gebildet wird, daß
der Seitenfaltenschlauch mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer
Quernaht abgeschweißt und hinter dem die Haube bildenden Abschnitt
von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube zum Überziehen über
das Stückgut /den Stückgutstapel vollständig geöffnet und im
wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen
erforderliche Maß gedehnt (= ”gestretcht”) wird, wobei dieses Verfahren
dadurch gekennzeichnet ist, daß der Seitenfaltenschlauch mit einer
Quernaht versehen wird, deren Länge (= ”Ideallänge”) im wesentlichen
gleich der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden
Stückgutes/Stückgutstapels, nämlich wenigstens ca. 95 % dieser Breite,
ist, wobei in Fällen, in denen die Zuführbreite des
Seitenfaltenschlauches ungleich der Ideallänge der zu bildenden
Quernaht ist, vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere
Endabschnitt des (danach) die Haube bildenden Abschnittes des
Seitenfaltenschlauches auf eine Ideallänge der Quernaht entsprechende
Breite gebracht wird, und die Folienhaube so gedehnt wird, daß sich die
unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der
Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen,
ohne
a) im Falle des Anbietens ausdrücklich und unübersehbar darauf
hinzuweisen,
und/oder
b) im Falle des Inverkehrbringens ihren Abnehmern die schriftliche
Verpflichtung mit dem Versprechen einer Vertragsstrafe in Höhe von
10.000,-- DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zu zahlen an die
Klägerin, abzuverlangen,
daß die Vorrichtungen zum Umhüllen von Stück-gut/Stückgutstapeln mit
einer Haube aus Stretchfolie nicht ohne Zustimmung der Klägerin als
Inhaberin des deutschen Anteils an dem europäischen Patent X
gewerbsmäßig für das vorstehend beschriebene Verfahren verwandt
werden dürfen;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu
I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 28. Dezember 1990 begangen
haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer¬mengen, -
zeiten und -preisen und Typen¬bezeichnungen sowie den Namen und
Anschriften der Ab¬nehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots¬men¬gen, -
zeiten und -preisen und Typen¬be¬zeich¬nungen sowie den Namen
und Anschriften der Ange¬bots¬empfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe¬trä¬gern,
deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Ver¬breitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-schlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
- sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die Zeit vor dem 1. Mai
1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in
den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt;
- vom Beklagten zu 2. die Angaben zu a) bis c) hinsichtlich der zu 1.
bezeichneten Handlungen nur für die Zeit seit dem 9. Januar 1994 zu
machen sind;
- den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und An¬schrif¬ten der
Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der
Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit
verpflichteten vereidigten Wirt¬schafts¬prüfer mitzuteilen, sofern die
Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten,
der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein be¬stimm¬ter
Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Auf¬stel¬lung enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt,
daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin
allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit
dem 9. Januar 1994 begangenen Handlungen entstanden ist und noch
entstehen wird.
III.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten 80% als
Gesamtschuldner zu tragen, die Klägerin hat 20% der Kosten zu tragen.
V.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheits-leistung in Höhe von
480.000,-- DM vorläufig voll-streckbar, für die Beklagten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,--DM. Die Sicherheit kann auch
durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als
Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht
werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Anteils des europäischen
Patentes X (nachfolgend Klagepatent; Anlage 1), das unter Inanspruchnahme der
Priorität des am 26. Mai 1989 angemeldeten deutschen Patentes X am 15. Mai 1990
angemeldet, dessen Anmeldung am 28. November 1990 veröffentlicht und dessen
Erteilung am 8. Dezember 1993 bekanntgemacht wurde.
2
Die Beklagte zu 1. hat neben anderen gegen das Klagepatent Einspruch beim
Europäischen Patentamt eingelegt. Die Einspruchsabteilung des EPA hat das
Klagepatent mit einer Zwischenentscheidung vom 16. November 1996 (Anlage K 11)
aufrechterhalten, wobei Änderungen in den Patentansprüchen und der Beschreibung
vorgenommen worden sind. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte zu 1. mit
Schriftsatz vom 23. Januar 1997 (Anlage B 8) Beschwerde eingelegt.
3
Ansprüche 1, 2 und 4 des in deutscher Verfahrenssprache erteilten Klagepatentes, das
ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut mit einer
Stretchfolienhaube und eine hiermit zu bildende Verpackungseinheit betrifft, lauten nach
der Zwischenentscheidung des EPA wie folgt (Anlage B 5):
4
1. Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube
(1`) aus Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten,
dehnbaren (”stretchbaren”) Seitenfaltenschlauch (1), der im Bevorratungs- und
Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte erste Seitenflächen
bestimmter (Zuführ-) Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig
nach innen gefaltete zweite Seitenflächen (5,5) aufweist und einen um
wenigstens 10% geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu
umhüllende Stapel (2) besitzt, vor dem Stretchen dadurch eine Haube (1`)
gebildet wird, daß der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien
Ende mit einer Quernaht (13) abgeschweißt und hinter dem die Haube (1`)
bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube (1`)
zum Überziehen über das Stückgut/den Stückgutstapel (2) vollständig
geöffnet und im wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum
Überziehen erforderliche Maß gedehnt (= ”gestretcht”) wird,
dadurch
gekennzeichnet,
versehen wird, deren Länge (= ”Ideallänge”) im wesentlichen gleich der zur
Quernaht (13) parallelen Breite (1) des zu umhüllenden
Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist, wobei in Fällen, in denen die Zuführ-Breite
(B) des Seitenfaltenschlauches (1) ungleich der Ideallänge der zu bildenden
5
Quernaht (13) ist, vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere
Endabschnitt des (danach) die Haube (1`) bildenden Abschnittes des
Seitenfaltenschlauches auf eine Ideallänge der Quernaht (13) entsprechende
Breite gebracht wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet
der Quernaht (13) wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite (1) des
Stückgutes (2) ist.
6
4. Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer
Haube (1`) aus Dehnfolie (= Stretchfolie), mit einer Schweißeinrichtung (15),
mittels welcher aus einem Seitenfaltenschlauch (1), der einen um wenigstens
10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende
Stückgutstapel (2) aufweist, vor dem Dehnen (= ”Stretchen”) dadurch eine
Haube zu bilden ist, daß der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem
freien Ende mit einer Quernaht (13) abzuschweißen ist; mit einer
Trennvorrichtung, mittels welcher der Seitenfaltenschlauch (1) hinter dem die
Haube (1`) bildenden Abschnitt abzutrennen ist; und mit vier Spreizfingern od.
dgl. (7), die in das Innere des die Haube bildenden
Seitenfaltenschlauchabschnitte einzufahren sowie zum Aufspannen
auseinanderzufahren sind, zur Durchführung des Verfahrens nach einem der
Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet
dgl. ausreichend dimensioniert sind, um in den oberen Endabschnitt des
danach die Haube bildenden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs
einzugreifen, und die Spreizfinger od. dgl. in Fällen, in denen die (Zuführ-)
Breite (B) des Seitenfaltenschlauches (1) kleiner bzw. größer als die
Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, in einem ersten Arbeitsschritt
(Fig.5) unter gleichzeitigem teilweisen Verzehr bzw. unter gleichzeitiger
Vertiefung der Seitenfalten (6.1.1., 6.1.2., 6.2.1., 6.2.2.) ohne Dehnung des
Folienmantels in eine erste Betriebsstellung zu fahren sind, bis die gegenüber
der ursprünglichen (Zuführ-) Bahnbreite (B) veränderte Bahnbreite (B`) des
Seitenfaltenschlauches (1) gleich oder geringfügig kleiner als die Breite (1)
des Stückgutstapels (2) und damit gleich der Ideallänge der Quernaht (13) ist;
und daß die Spreizfinger (7) od. dgl. nach dem Legen der Quernaht (13) in
einem zweiten Arbeitsschritt so weit in eine zweite Betriebsstellung
auseinanderzufahren sind, bis die Haube (1`) nach einem vollständigen
Öffnen schließlich auf ein zum Überziehen erforderliches, vorgegebenes Maß
gedehnt (= gestretcht”) ist.
7
Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, stellt her und vertreibt
Verpackungsvorrichtungen, die dazu geeignet sind, Stückgüter und Stückgutstapel mit
einer Haube aus Stretchfolie zu umhüllen. Die Ausgestaltung einer derartigen
Vorrichtung ergibt sich aus den als Anlage 5 vorgelegten Fotos der von der Beklagten
zu 1. hergestellten und vertriebenen X Stretchhaubenmaschine. Aus der Anlage 6
ergeben sich die Abmessungen von mit verschiedenen Gütern beladenen Paletten, die
mit der X-Stretchhaubenmaschine verpackt worden waren.
8
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Anteils des
europäischen Patents X auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung,
Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch.
9
Sie sieht in dem von der Beklagten vertriebenen Verfahren und in der angegriffenen
Ausführungsform, der X Stretchhaubenmaschine, eine wortsinngemäße Verletzung des
Verfahrens- und des Vorrichtungsanspruchs.
10
Die Klägerin beantragt,
11
I.
12
die Beklagten zu verurteilen,
13
1.
14
es bei Vermeidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsstrafe, entweder als Ordnungsgeld bis zu 500.000,- DM,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder als Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, bei mehrfachem Verstoß bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei
Ordnungshaft bezüglich der Beklagten zu 1. zu vollziehen ist an dem Beklagten zu
2., zu unterlassen,
15
a) Vorrichtungen, die bestimmt und geeignet sind zur Durchführung eines
Verfahrens zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln mit einer Haube aus
Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren
(”stretchbaren”) Seitenfaltenschlauch, der im Bevorratungs- und
Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte erste Seitenflächen
bestimmter (Zuführ-) Breite sowie zwei dazwischenliegende, V-förmig nach
innen gefaltete zweite Seitenflächen aufweist und einen um wenigstens 10%
geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel
besitzt, vor dem Stretchen dadurch eine Haube gebildet wird, daß der
Seitenfaltenschlauch mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht
abgeschweißt und hinter dem die Haube bildenden Abschnitt von dem Vorrat
abgetrennt wird, wobei die Haube zum Überziehen über das Stückgut /den
Stückgutstapel vollständig geöffnet und im wesentlichen über die gesamte
Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt (= ”gestretcht”)
wird,
16
im deutschen Geltungsbereich des europäischen Patentes X anzubieten oder
zu liefern,
17
wenn bei diesem Verfahren der Seitenfaltenschlauch mit einer Quernaht
versehen wird, deren Länge (= ”Ideallänge”) im wesentlichen gleich der zur
Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels
ist, wobei in Fällen, in denen die Zuführ-Breite des Seitenfaltenschlauches
ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht ist, vor dem Legen der
Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube
bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches auf eine Ideallänge der
Quernaht entsprechende Breite gebracht wird, und die Folienhaube so
gedehnt wird, daß sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen
Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das
Stückgut anlegen,
18
insbesondere wenn die Länge der Quernaht wenigstens ca. 95 % der zu ihr
19
parallelen Breite des Stückgutes beträgt,
b) Vorrichtungen zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln mit einer
Haube aus Dehnfolie (=Stretchfolie), mit einer Schweißeinrichtung, mittels
welcher aus einem Seitenfaltenschlauch, der einen um wenigstens 10%
geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/ der zu umhüllende
Stückgutstapel aufweist, vor dem Dehnen (=”Stretchen”) dadurch eine Haube
zu bilden ist, daß der Seitenfaltenschlauch mit Abstand zu seinem freien Ende
mit einer Quernaht abzuschweißen ist; mit einer Trennvorrichtung, mittels
welcher der Seitenfaltenschlauch hinter dem die Haube bildenden Abschnitt
abzutrennen ist; und mit vier Spreizfingern od. dgl., die in das Innere des die
Haube bildenden Seitenfaltenschlauchabschnittes einzufahren sowie zum
Aufspannen auseinanderzufahren sind, zur Durchführung des vorstehend
unter a) beschriebenen Verfahrens
20
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu
den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
21
bei denen die Spreizfinger od. dgl. in Fällen, in denen die (Zuführ-) Breite (B)
des Seitenfaltenschlauches kleiner bzw. größer als die Ideallänge der zu
bildenden Quernaht ist, in einem ersten Arbeitsschritt unter gleichzeitigem
teilweisen Verzehr bzw. unter gleichzeitiger Vertiefung der Seitenfalten ohne
Dehnung des Folienmantels in eine erste Betriebsstellung zu fahren sind, bis
die gegenüber der ursprünglichen (Zuführ-) Bahnbreite veränderte Bahnbreite
des Seitenfaltenschlauches gleich oder geringfügig kleiner als die Breite des
Stückgutstapels und damit gleich der Ideallänge der Quernaht ist; und bei
denen die Spreizfinger od. dgl. nach dem Legen der Quernaht in einem
zweiten Arbeitsschritt so weit in eine zweite Betriebsstellung
auseinanderzufahren sind, bis die Haube nach einem vollständigen Öffnen
schließlich auf ein zum Überziehen erforderliches, vorgegebenes Maß
gedehnt (=gestretcht”) ist;
22
2.
23
ihr, der Klägerin, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1.
bezeichneten Handlungen seit dem 28. Dezember 1990 begangen haben, und
zwar unter Angabe
24
a) der Herstellungsmengen und –zeiten der Vorrichtungen zu I.1.b),
25
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und
-preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der
Abnehmer,
26
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten
und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften
der Angebotsempfänger,
27
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
28
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
29
wobei
30
- der Beklagte zu 2. nur die Angaben zu a) bis d) zu machen hat und dies nur
für die Zeit bezüglich der Handlungen zu I.1.a) und b) ab dem 9. Januar 1994;
31
- den Beklagten bleibt nach ihrer Wahl vorbehalten, die Namen und
Anschriften der Abnehmer und Angebotsempfänger nicht der Klägerin,
sondern einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen,
sofern die Beklagten dessen Kosten übernehmen und ihn zugleich
ermächtigen, der Klägerin auf Verlangen Auskunft darüber zu erteilen, ob ein
bestimmte Lieferung, ein bestimmter Angebotsempfänger in der
Rechnungslegung enthalten ist.
32
II.
33
festzustellen,
34
1.
35
daß die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, ihr, der Klägerin eine angemessene
Entschädigung zu leisten für
36
für die Handlungen zu I.1.a) und b), soweit sie in der Zeit vom 28. Dezember 1990
bis zum 8. Januar 1994 begangen wurden;
37
2.
38
daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr, der Klägerin, allen
Schaden zu ersetzen, der dieser entstanden ist und noch entstehen wird aus seit
dem 9. Januar 1994 begangenen Handlungen nach I.1.a) und b).
39
Die Beklagten beantragen,
40
1. die Klage abzuweisen,
41
2. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den
gegen das Klagepatent EP X eingelegten Einspruch auszusetzen.
42
Sie stellen eine Verletzung des Klagepatentes in Abrede.
43
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
44
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten und
zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen mit Ausnahme der nicht
nachgelassenen Schriftsätze vom 11. Februar und 25. Februar 1999 Bezug genommen.
45
Entscheidungsgründe:
46
Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen ist sie
abzuweisen.
47
Der Klägerin stehen die gegenüber den Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf
Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz zu, Art. 64
EPÜ i.V.m. §§ 10 Abs. 1, 14, 139 Abs. 1 und 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB, da die
Beklagten eine Vorrichtung anbieten und vertreiben, die wegen ihrer Eignung zur
Ausübung des erfindungsgemäßen Verfahrens mittelbar das Klagepatent verletzt. Die
Klage ist jedoch insoweit abzuweisen, als die Klägerin ihre Ansprüche auf
Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz auf
eine unmittelbare Verletzung des Vorrichtungsanspruches 4 des Klagepatentes stützt.
48
I.
49
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umhüllen von
Stückgut/Stückgutstapeln mit einer Haube aus Stretchfolie.
50
Ein solches Verfahren ist, wie in der Klagepatentschrift erläuternd ausgeführt wird, im
Stand der Technik bekannt. Dabei erfolgt das Abschweißen eines
Schlauchfolienabschnittes jeweils im nicht gestretchten Ursprungszustand derart, daß
der entsprechende Endabschnitt des Schlauchfolienabschnittes praktisch in der
zugeführten Form (und damit auch in der entsprechenden Bevorratungsbreite der
Schlauchfolie) abgeschweißt wird, wobei die Schweißnaht eine Länge aufweist, die der
Breite der zueinander parallelen ersten Seitenflächen der Schlauchfolie entspricht.
51
Da der Umfang der Schlauchfolie im nicht gestretchten Ursprungszustand
bestimmungsgemäß nennenswert (z.T.) ganz erheblich kleiner ist als die Länge der
Stirnseitenränder des Stückgutes/Stückgutstapels, zu denen die Schweißnaht im
umhüllten Zustand parallel verläuft, wird die Schweißnaht bei dieser Arbeitsweise beim
Stretchen zwangsläufig einer erheblichen Dehnung unterworfen, und zwar nicht nur
beim Quer-Stretchen vor dem Umhüllen des Stückgutes/Stückgutstapels, bei dem die
Schlauchfolie so weit aufgeweitet werden muß, daß sie sich mühelos über das
Stückgut/den Stückgutstapel ziehen läßt, sondern noch danach im umhüllten Zustand.
Dies liegt ersichtlich daran, daß eine Stretchfolienhaube bestimmungsgemäß auch
dann noch unter (z.T.) erheblicher Dehnung steht, wenn sie fest am
Stückgut/Stückgutstapel anliegt, wobei Dehnungen bis zu 30% und mehr vorgesehen
sein können (s. z.B. DE X).
52
Bei dieser Verfahrensweise kommt es im Bereich der Schweißnaht zu Problemen
insbesondere an den Stellen, an denen die bei einer derartigen Schlauchfolienhaube
zwangsläufig entstehenden Zipfel im umhüllten Zustand an der betreffenden Stirnseite
des Stückgutes/Stückgutstapels aufeinanderliegen.
53
Bei dem aus der DE X bekannten Verfahren wird die Folie vor dem Schweißen geöffnet
und (quer-) gestretcht und erst dann in der gewünschten Länge vom
Schlauchfolienvorrat abgetrennt und angeschweißt. Dadurch ergibt sich eine
Schweißnaht, deren Länge im Dehnungszustand vor dem Überziehen (erheblich)
größer ist als die Länge der im umhüllten Zustand parallel zu der Schweißnaht
verlaufenden Stirnseitenrandes zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels. Eine
derartige Bildung der Schweißnaht kann nun aber zur Folge haben, daß die in dem
54
Folienmaterial vorhandenen inneren Spannungen bei der beim Schweißvorgang
erfolgenden Plastifizierung des Folienmaterials verloren gehen, so daß sie auch nach
Beendigung des Schweißprozesses im abgeschweißten Abschnitt nicht mehr
vorhanden sind, während sie aber im übrigen Folienmaterial verbleiben, so daß es
insbesondere in den Grenzbereichen zwischen Schweißnaht und benachbartem
Folienmaterial zu Ein- oder gar Abrissen kommen kann, insbesondere beim mehrfachen
Umschlag derart gebildeter Verpackungseinheiten, was dann bei entsprechenden
Einrissen zu einem Verlust der erforderlichen Stapelfestigkeit führen kann und stets zu
einem Verlust der gewünschten Dichtigkeit führt.
Dem Klagepatent liegt die Aufgabe (das Problem) zu Grunde, die bekannten Verfahren
und Vorrichtungen so zu verbessern, daß die bisher im Schweißnahtbereich sowie in
den benachbarten Bereichen auftretenden Probleme vermieden oder zumindest auf ein
unschädliches Maß erheblich verringert werden.
55
Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent ein Verfahren und eine
Vorrichtung vor, die folgende Merkmalskombinationen aufweisen:
56
Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube (1`)aus
Stretchfolie:
57
1. Von einem Vorrat wird ein dehnbarer (”stretchbarer”) Seitenfaltenschlauch
(1) zugeführt;
58
2. der Seitenfaltenschlauch (1) weist im Bevorratungs- und Zuführzustand
zwei einander parallele, eng benachbarte erste Seitenflächen (4,4) bestimmter
(Zuführ-) Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen
gefaltete zweite Seitenflächen (5,5) auf;
59
3. der Seitenfaltenschlauch (1) besitzt einen um wenigstens 10% geringeren
Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel (2);
60
4. vor dem Stretchen wird aus dem Seitenfaltenschlauch (1) eine Haube (1`)
gebildet;
61
5. die Bildung der Haube (1`) erfolgt dadurch, daß
62
a) der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit
einer Quernaht (13) abgeschweißt
63
b) und hinter dem die Haube (1`) bildenden Abschnitt von dem Vorrat
abgetrennt wird;
64
6. die Haube (1`) wird zum Überziehen über das Stückgut/den Stückgutstapel
(2) vollständig geöffnet;
65
7. die Haube (1`) wird im wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum
Überziehen erforderliche Maß gedehnt (= ”gestretcht”);
66
8. der Seitenfaltenschlauch (1) wird mit einer Quernaht (13) versehen, deren
Länge (= ”Ideallänge”) im wesentlichen gleich der zur Quernaht (13) parallelen
67
Breite (1) des zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist;
9. in Fällen, in denen die Zuführ-Breite (B) des Seitenfaltenschlauches (1)
ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, wird vor dem
Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die
Haube (1`) bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches (1) auf eine
Breite gebracht, die der Ideallänge der Quernaht (13) entspricht;
68
10. die Folienhaube wird so gedehnt, daß sich die unteren Folienabschnitte
im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen
Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
69
Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2)
70
1. mit einer Haube (1`) aus Dehnfolie (=Stretchfolie),
71
2. mit einer Schweißeinrichtung (15), mittels welcher aus einem
Seitenfaltenschlauch (1), der einen um wenigstens 10% geringeren Umfang
als das zu umhüllende Stückgut/ der zu umhüllende Stückgutstapel aufweist,
vor dem Dehnen (=”Stretchen”) dadurch eine Haube (1`) zu bilden ist, daß der
Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer
Quernaht (13) abzuschweißen ist,
72
3. mit einer Trennvorrichtung, mittels welcher der Seitenfaltenschlauch (1)
hinter dem die Haube (1`) bildenden Abschnitt abzutrennen ist,
73
4. mit vier Spreizfingern od. dgl. (7), die in das Innere des die Haube
bildenden Seitenfaltenschlauchabschnittes einzufahren sowie zum
Aufspannen auseinanderzufahren sind,
74
5. zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
75
6. wobei die Spreizfinger (7) od. dgl. ausreichend dimensioniert sind, um in
den oberen Endabschnitt des danach die Haube (1´) bildenden Abschnitts
des Seitenfaltenschlauchs (1) einzugreifen,
76
7.1 wobei die Spreizfinger (7) od. dgl. in Fällen, in denen die (Zuführ-) Breite
(B) des Seitenfaltenschlauches (1) kleiner bzw. größer als die Ideallänge der
zu bildenden Quernaht (13) ist, in einem ersten Arbeitsschritt (Fig. 5) unter
gleichzeitigem teilweisen Verzehr bzw. unter gleichzeitiger Vertiefung der
Seitenfalten (6.1.1.,6.1.2.,6.2.1.,6.2.2.) ohne Dehnung des Folienmantels in
eine erste Betriebsstellung zu fahren sind, bis die gegenüber der
ursprünglichen (Zuführ-) Bahnbreite (B) veränderte Bahnbreite (B`) des
Seitenfaltenschlauches (1) gleich oder geringfügig kleiner als die Breite (1)
des Stückgutstapels (2) und damit gleich der Ideallänge der Quernaht (13) ist,
77
7.2. und wobei die Spreizfinger (7) od. dgl. nach dem Legen der Quernaht (13)
in einem zweiten Arbeitsschritt so weit in eine zweite Betriebsstellung
auseinanderzufahren sind, bis die Haube (1`) nach einem vollständigen
Öffnen schließlich auf ein zum Überziehen erforderliches, vorgegebenes Maß
gedehnt (=gestretcht”) ist.
78
II.
79
Die angegriffene Vorrichtung ist für ein Verfahren geeignet, das wortsinngemäß
sämtliche Merkmale des Verfahrensanspruches 1 des Klagepatentes erfüllt. Da die
Verwirklichung der Merkmale 1, 2, 4 bis 7 und 9 im wesentlichen zwischen den Parteien
unstreitig ist, erübrigen sich Ausführungen hierzu.
80
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Merkmal 3 wortsinngemäß verwirklicht.
81
Das Merkmal 3 besagt zwar nach seinem Wortlaut, daß der Seitenfaltenschlauch einen
um wenigstens 10% geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut bzw. der
Stückgutstapel besitzen soll. Auch trifft es zu, daß die Einspruchsabteilung des
Europäischen Patentamtes in Anlage 9, Seite 2 unter Ziffer 2a bei der Würdigung der
Entgegenhaltung D 1, darauf abstellt, welchen Umfang der Seitenfaltenschlauch im
ungedehnten Zustand im Verhältnis zu dem zu umhüllenden Stückgut bzw.
Stückgutstapel aufweist. Die Ausführungen der Einspruchsabteilung des Europäischen
Patentamts sind jedoch nicht verbindlich für die hier vorzunehmende Auslegung der
Ansprüche des Klagepatentes unter Berücksichtigung der Beschreibung. Bei der
Auslegung des Patentanspruches ist zu beachten, daß der Wortlaut des
Patentanspruches nicht allein für die Bestimmung des Schutzbereiches maßgebend ist.
Denn der Schutzbereich des Klagepatents hat gemäß § 14 PatG als maßgebliche
Grundlage den durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt der Patentansprüche, zu deren
Verständnis die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind (vgl. BGH,
GRUR 1986, 803, 805 - Formstein; GRUR 1988, 896, 898 f - Ionenanalyse; GRUR
1989, 205, 208 - Schwermetalloxidationskatalysator; GRUR 1989, 903, 904 -
Batteriekastenschnur; GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung).
Hiernach fällt unter den Schutzbereich eines Patents einerseits nicht allein das, was
sich aus dem Wortlaut der Patentansprüche ergibt; andererseits dienen die
Patentansprüche aber auch nicht lediglich als bloße Richtlinien mit der Folge, daß sich
der Schutzbereich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der
Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt.
Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen beiden Auffassungen liegen und einen
angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für
Dritte verbinden (vgl. BGH, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische
Betätigungsvorrichtung). Hieraus folgt, daß die Auslegung der Patentansprüche nicht
nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Klarstellung der darin
verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und Tragweite der
dort beschriebenen Erfindung dient (vgl. BGH, GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische
Betätigungsvorrichtung). Maßgebend ist dabei die Sicht des Fachmanns, dessen
Verständnis sich bereits bei der Ermittlung des Inhalts der in den Patentansprüchen
verwendeten Begriffe auswirkt und das auch bei der Feststellung des über den Wortsinn
hinausgehenden Gesamtzusammenhangs der Patentansprüche maßgebend ist (vgl.
GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; BGH, GRUR 1992, 594, 596 -
Mechanische Betätigungsvorrichtung).
82
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann das Merkmal 3 des Anspruches 1 des
Klagepatents indes nicht dahin ausgelegt werden, daß es ausschließlich einen
Seitenfaltenschlauch erfaßt, dessen Umfang im ungedehnten Zustand mindestens 10%
geringer als der Umfang der Ladung ist. Auf Seite 2 der Patentbeschreibung in den
Zeilen 46 bis 51 wird zur Definition des Begriffes Stretchen ausgeführt, daß ”unter dem
83
(technischen) Begriff ”Stretchen” ganz allgemein nicht jede beliebig geringe Dehnung
des Ausgangsmaterials zu verstehen ist, sondern eine beachtliche Dehnung von i.a.
wenigstens 10% und mehr, die im Umhüllungszustand dann auch in der Lage ist, die für
die erforderliche Stapelfestigkeit von Stückgutstapeln erforderliche Formbeständigkeit
zu gewährleisten”. Der Fachmann wird auf Grund seines Fachwissens den Inhalt des
Merkmals 3 als Bezugnahme auf diese Umschreibung des technischen Begriffs des
Stretchens auffassen. Er wird daher das Merkmal 3 nicht dahingehend verstehen, daß
es auf das Verhältnis der Größe des Seitenfaltenschlauches im nicht gestretchten
Zustand zur Größe des Stückgutes bzw. Stückgutstapels ankommt, sondern unter der
Berücksichtigung der Ausführungen in der Patentbeschreibung den Wortlaut des
Merkmals 3 seinem technisch zu verstehenden Wortsinn gemäß dahingehend
auslegen, daß es ausschließlich auf die Dehnung des Ausgangsmaterials selbst
ankommt.
Die von der Klägerin erstellte Aufstellung über die Abmessungen der mit der X-
Stretchhaubenmaschine verpackten Stückgutstapel (Anlage 6) belegt, daß das
angegriffene Verfahren das Merkmal 3 des Patentanspruches 1 erfüllt. Bei allen dort
aufgeführten Fällen sind zueinander ins Verhältnis zu setzen der Umfang des
Seitenfolienschlauches im ungedehnten Zustand zu seinem Umfang im gedehnten
Zustand.
84
Umfang des
Seitenfaltenschlauches
(Folienumfang)
Umfang
des
Stapels
Differenz zwischen
Umfang des Stapels und
Folienumfang
Dehnung des Umfanges
des
Seitenfaltenschlauches
in %
3400 mm
3760
mm
360 mm
10,58%
3400 mm
3980
mm
580 mm
17,05%
3400 mm
3720
mm
320 mm
9,41%
3400 mm
4040
mm
640 mm
18,88%
85
Hierbei ist zu berücksichtigen, daß in sämtlichen Fällen, so auch im dritten Fall, in dem
nur eine Dehnung des Umfanges des Seitenfaltenschlauches von ”nur” 9,41% erfolgt ist,
die Dehnung des Umfangs während des Umhüllungsvorganges selbst erheblich größer
ist, da der Umfang des Seitenfaltenschlauches auf das zum Überziehen erforderliche
Maß gestretcht werden muß. Das ist jedoch höher, als die Dehnung des
Seitenfaltenschlauches in dem den Stückgutstapel umhüllenden Zustand, das heißt,
wenn der Stückgutstapel von dem Seitenfaltenschlauch umhüllt wird, da die Stretchfolie
sich nach der Umhüllung wieder zusammenzieht und sich dabei fest an das zu
umhüllende Stückgut anlegt (vgl. Beschreibung S.2, Zeilen 51 bis 52).
86
Die angegriffene Vorrichtung ist auch geeignet, das Merkmal 8 des Anspruches 1 des
Klagepatentes wortsinngemäß zu erfüllen. Das Merkmal 8 besagt, daß der
87
Seitenfaltenschlauch mit einer Quernaht versehen wird, die im wesentlichen gleich der
zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückgutstapels ist. Die Kammer hat
bereits in ihrem den Parteien bekannten Urteil vom 18. September 1997 in dem
Verfahren 4 O 30/94 das Merkmal 8 dahingehend ausgelegt, daß dieses im Sinne des
Unteranspruches 2 zu konkretisieren ist, nämlich dahingehend, daß die Länge der
Quernaht wenigstens ca. 95% der zu ihr parallelen Breite des Stückgutes sein soll.
Dabei ist die Angabe im Unteranspruch 2 vom Fachmann so zu verstehen, daß es sich
hierbei um die Mindestgrenze der im Hauptanspruch nur unbestimmt beschriebenen
Angabe handelt, daß die Ideallänge im wesentlichen gleich der parallelen Breite des
Stückgutes sein soll, das heißt ”im wesentlichen 100 %” betragen soll. Nach Anlage 6
überschreitet die Quernahtlänge zum Teil die Breite des zu umhüllenden Stapels, sie
erreicht jedoch mit mindestens 93,44 % stets wenigstens ca. 95 % der Breite des zu
umhüllenden Stapels. Dies zeigt die nachstehende Übersicht:
Quernahtlänge Breite
des
Stapels
Länge der Quernaht im Verhältnis zur Breite des
Stapels/sowie Länge der Quernaht im Verhältnis zur Breite
der Palette
1140 mm
1080
mm
105,56% / 95%
1140 mm
1190
mm
95,79% / 95%
1140 mm
1060
mm
107,55% / 95%
1140 mm
1220
mm
93,44% / 95%
88
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Merkmal 8 nicht dahingehend
auszulegen, daß die Länge der Quernaht die Breite des Stückgutstapels nicht
überschreiten darf. Merkmal 8 des Anspruches 1 trifft nach dem Verständnis des
Fachmannes nur eine technische Aussage dahingehend, daß die Quernaht eine
bestimmte Mindestlänge im Verhältnis zum zu umhüllenden Stückgutstapel nicht
unterschreiten darf, schließt aber nicht aus, daß die Quernaht auch eine Länge
aufweisen darf, die etwas über der Breite des Stückgutstapels liegt. Dieser Auslegung
des Merkmals 8 steht auch nicht die Entscheidung der Kammer vom 18. Juni 1998 in der
Zwangsvollstreckungssache 4 O 30/94 entgegen. Dort hat die Kammer ausgeführt, daß
die Reichweite des Urteilstenors nicht auf Verfahren beschränkt ist, bei denen die
umhüllten Stückgutstapel in ihrer der Schweißnaht parallelen Breite mit derjenigen der
Europalette übereinstimmen. Die Entscheidung vom 18. Juni 1998 betraf die
Konstellation, daß die Länge der Querschweißnaht (1100 mm) unter 95% der Länge der
Europalette (1200 mm) lag. Für diesen Fall hat die Kammer entschieden, daß es zur
Auslegung des Urteilstenors des Unterlassungsausspruches nicht auf das
Längenverhältnis der Schweißnaht zur parallelen Breite der Palette ankommt, sondern
auf die parallele Breite des Stückgutstapels. Der vorliegende Sachverhalt ist jedoch
dadurch gekennzeichnet, daß die Querschweißnaht des Seitenfaltenschlauches zum
Teil die parallele Breite des Stückgutstapels überschreitet. Das Merkmal 8 trifft zwar
eine Aussage darüber, welche Mindestlänge die Querschweißnaht im Verhältnis zum
89
Stückgutstapel aufweisen muß, damit die technisch erwünschten
Spannungsverhältnisse eintreten können, die darin bestehen, daß sich die unteren
Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich ohne weiteres unter der Spannung
der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen und die unter Spannung
stehenden oberen Folienabschnitte für eine glatte Oberfläche sorgen, während, wenn
die Schweißnaht zu kurz ist, im fertigen Umhüllungszustand schädliche Spannungen,
Abrisse und unerwünschte Wellungen auftreten. Das Merkmal 8 trifft aber keine
Aussage darüber, welche Höchstlänge die Querschweißnaht im Verhältnis zur Breite
des Stückgutstapels aufweisen muß, um die technischen Wirkungen weiterhin zu
erzielen. Der Beschreibung der Klagepatentschrift läßt sich vielmehr auf Seite 4, Zeilen
20 bis 45 entnehmen, daß bei dem höchst zu bevorzugenden Verfahren die
Schweißnahtlänge gleich der Länge der im umhüllten Zustand zu ihr parallelen
Stirnseitenränder des Stückgutes ist, also die Ideallänge 100% beträgt, während die
durch den Unteranspruch 2 konkretisierte Länge der Quernaht von 95% bereits qualitativ
und quantitativ erhebliche Verbesserungen gegenüber den Verfahren nach dem Stand
der Technik mit sich bringt (vgl. Beschreibung S. 4; Zeilen 40 bis 45. Insbesondere als
nachteilig sieht es die Beschreibung der Klagepatentschrift an, wenn die
Schweißnahtlänge deutlich kleiner als die entsprechende Stapellänge ist (a.a.O., vgl.
auch Beschreibung S. 3, Zeilen 39 bis 47). Das schließt aber nicht aus, daß die oben
beschriebenen vorteilhaften technischen Wirkungen auch dann noch – nämlich
erheblich besser als im Stand der Technik, der dadurch gekennzeichnet war, daß die
Schweißnaht aufgrund der Dehnung der Schlauchfolie vor dem Anbringen der
Schweißnaht erheblich größer war (vgl. Beschreibung, S. 3, Zeilen 53 bis 58) - erreicht
werden, wenn die Länge der Quernaht des Seitenfaltenschlauches die Breite des
Stückgutstapels um ein gewisses Maß übersteigt. Das gilt jedenfalls dann, wenn die
Breite des Stückgutstapels schwankt und sich zwischen Stückgutbreite und
Palettenbreite oder auch über die Höhe des Stückgutstapels Differenzen ergeben, so
daß bei der Dehnung des Folienschlauches der maximalen Breite Rechnung getragen
werden muß. So verhält es sich auch in den in Anlage 6 aufgeführten Fällen, in denen
die Quernahtlänge stets geringer ist als die Palettenbreite.
Schließlich ist die Vorrichtung auch geeignet, das Merkmal 10 wortsinngemäß zu
erfüllen. Den Beklagten kann bei der Auslegung des Merkmals 10 nicht darin gefolgt
werden, daß dieses Merkmal neben einer vertikalen (nach dem Merkmal 7) auch noch
eine horizontale Dehnung des Seitenfaltenschlauches verlangt, so daß die oberen
Folienabschnitte sich an das Stückgut anlegen können. Das Merkmal 7, das durch das
Merkmal 10 konkretisiert wird, welches – das Merkmal 10 - keine eigenständige
Funktion hat, sondern nur die besondere Wirkung des vertikalen Stretchvorganges
beschreibt, verlangt, daß die Haube im wesentlichen über ihre gesamte Länge auf das
zum Überziehen erforderliche Maß gestretcht wird. Das Merkmal 10, das unter
Heranziehung der allgemeinen Beschreibung der Klagepatentschrift auszulegen ist,
beschreibt die Wirkung, die beim vertikalen Dehnen der Folienhaube eintritt, nämlich
daß sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der
Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen. Eine horizontale
Dehnung des Seitenfaltenschlauches verlangt dieses Merkmal nicht. Vielmehr ist es
nach dem Verfahren nach dem Klagepatent im Gegensatz zum Stand der Technik nur
noch erforderlich, den Seitenfaltenschlauch senkrecht zur Quernaht zu dehnen, weil die
Quernaht bereits im ungedehnten Zustand im wesentlichen der parallelen Breite des zu
umhüllenden Stückguts entspricht. Insoweit kann auf die ausführlichen Darlegungen der
Kammer im Urteil vom 18. September 1997, S. 19 bis 23, verwiesen werden.
90
Auch dieses Merkmal wird von der angegriffenen Vorrichtung verwirklicht. Die
Folienhaube wird von ihr so gedehnt, wie dies in Merkmal 10 beschrieben ist. Denn wie
die Lichtbilder belegen und vorstehend dargelegt ist, weisen die Verpackungsstapel
eine Quernaht auf, deren Länge im wesentlichen gleich der zur parallelen Breite des zu
umhüllenden Stückgutstapels einschließlich der zu umhüllenden Palette ist. Dadurch
tritt im obenliegenden Folienabschnitt in den V-förmigen Dopplungsbereichen eine
innere Folienspannung auf, die größer als im untenliegenden Folienabschnitt ist,
wodurch insbesondere Zipfelbildungen, wie sie bei Anwendung der nach dem Stand
der Technik bekannten Verfahren entstehen, vermieden werden.
91
III.
92
Die Klägerin hat jedoch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen und auch nicht unter
Beweis gestellt, daß die Beklagten eine Vorrichtung herstellen und vertreiben, die das
Merkmal 7.1 des Anspruches 4 des Klagepatentes verwirklicht. Dieses Merkmal bezieht
sich auf das Merkmal 9 des Verfahrensanspruches, das bestimmt, daß in den Fällen, in
denen die Zuführbreite des Seitenfaltenschlauches ungleich der Ideallänge der
Quernaht ist, vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des
danach die Haube bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches auf eine der
Ideallänge der Quernaht entsprechenden Breit gebracht wird. Die Beklagte hat zu Recht
geltend gemacht, daß die Merkmalsgruppe 7 sich auf die erforderliche
Steuerungseinrichtung der Vorrichtung bezieht, die zur Steuerung der beiden
Arbeitsschritte gemäß Merkmale 7.1 und 7.2 erforderlich ist, und sie hat insoweit geltend
gemacht, daß eine derartige Steuerungseinrichtung bei der angegriffenen
Ausführungsform nicht vorhanden sei. Denn die Schweißnahtlänge des
Seitenfaltenschlauches nach Anlage K 6 hat in allen vier Beispielen trotz
unterschiedlicher Stapelabmessungen unstreitig jeweils 1140 mm betragen. Die
Klägerin hat insoweit lediglich vorgetragen, daß die Spreizfinger bei der angegriffenen
Ausführungsform auch diagonal verfahrbar seien, ohne jedoch näher darzulegen, daß
bei der angegriffenen Ausführungsform eine entsprechende Programmierung der
Steuerung für die Durchführung des Arbeitsschrittes nach dem Merkmal 7.1 auch
vorhanden ist.
93
IV.
94
1.
95
Da die Beklagten den Gegenstand des Klagepatents rechtswidrig mittelbar benutzt
haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG. Die
Beklagten müssen das Anbieten und den Vertrieb der beanstandeten
Haubenstretchautomaten allerdings nur insoweit unterlassen, als sie nicht durch
geeignete Maßnahmen hinreichend vorsorge dagegen treffen, daß ihre Abnehmer den
wie dargelegt hierfür geeigneten Vorrichtungen auch die Bestimmung zur Anwendung
des geschützten Verfahrens geben und diese nicht in patentverletzender Weise nutzen.
Soweit ausgeschlossen ist, daß die Vorrichtung für das erfindungsgemäße Verfahren
benutzt wird, ist den Beklagten der Vertrieb weiterhin erlaubt. Maßnahmen, die eine
klagepatentverletzende Benutzung ausschließen, können je nach Schlage eine
Warnung der Abnehmer, die Auferlegung einer gegebenenfalls
vertragsstrafenbewehrten Unterlassungsverpflichtung beim Verkauf der Vorrichtungen
oder auch ein völliges Vertriebsverbot sein. Welches Ausmaß an Vorkehrungen
erforderlich ist, ist im Einzelfall unter Abwägung der beiderseitigen Interessen,
96
insbesondere auch unter Berücksichtigung des Grades der Gefahr der
patentverletzenden Benutzung zu bestimmen (vgl. BGH, GRUR 1961, 627 (628)
Metallspritzverfahren; GRUR 1964, 496 (497) –Formsand II). Hier ist es, um zukünftige
Verletzungen des erfindungsgemäßen Verfahrens auszuschließen, als hinreichend,
aber auch erforderlich anzusehen, daß die Beklagten die angegriffenen Verfahrensform
nur noch anbieten oder liefern, wenn sie die im Tenor genannten Maßnahmen getroffen
haben.
2.
97
Die Beklagten haben der Klägerin außerdem für die begangenen mittelbaren
Verletzungshandlungen Schadensersatz zu leisten, § 139 Abs. 2 PatG. Denn als
Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1. die Patentverletzung bei Anwendung der im
Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB, und
das gleiche gilt für den Beklagten zu 2., der als ihr gesetzlicher Vertreter für die
Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen hatte und nach § 840 Abs. 1
gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1. haftet.
98
Da es hinreichend wahrscheinlich ist, daß der Klägerin durch die rechtsverletzenden
Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch
noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden
Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein
rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der
Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
99
Hingegen besteht keine gesetzliche Grundlage für einen Entschädigungsanspruch
wegen mittelbarer Benutzung des angemeldeten Patents, Art. II § 1a IntPatÜG (GRUR
1993, 1, 4).
100
3.
101
Außerdem sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in
die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu
können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen,
über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch
die von ihnen verlangten Auskünfte - die auch für die Zeit nach Schluß der mündlichen
Verhandlung zu erteilen sind, § 259 ZPO - nicht unzumutbar belastet.
102
4.
103
Gemäß § 140b PatG haben die Beklagten schließlich über Herkunft und Vertriebsweg
der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser
Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2 mit den Angaben
zusammengefaßt, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind.
104
Da die Klägerin mit der Gewährung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes einverstanden
ist, ist entsprechend zu tenorieren.
105
V.
106
Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung besteht keine
107
hinreichende Veranlassung. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988,
91 - Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 - Hepatitis-C-Virus), die auch vom
Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe) und vom
Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein
Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche
noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf
hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende
Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der
Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse
des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die
Aussetzung kommt deshalb nur in Betracht, wenn mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten
ist. Dies wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem
Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren
berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, daß
das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine
Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür
zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
Für eine Aussetzung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf das noch nicht
rechtskräftig abgeschlossene Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt
besteht keine Veranlassung. Es ist nicht anzunehmen, daß die Beschwerdekammer im
Hinblick auf die bereits im Erteilungsverfahren geprüften Entgegenhaltungen,
insbesondere in der Würdigung der D1, D 2 und der D 4 (Anlage B 1, B2, und B4), zu
einem anderen Ergebnis gelangen wird als die Einspruchsabteilung. Insbesondere der
in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte englischsprachige X ”Stretch
Packaging” enthält auf S. 6 nur rein schematische Darstellungen, denen sich die
technische Lehre des Klagepatents nicht entnehmen läßt, so daß nicht davon
auszugehen ist, daß dieser als neuheitsschädliche Vorwegnahme von der
Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes gewertet werden wird.
108
VI.
109
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
110
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, §§ 108 Abs. 1,
100 Abs. 4 ZPO.
111
Der Streitwert beträgt 600.000,-- DM.
112