Urteil des LG Düsseldorf vom 08.10.2003

LG Düsseldorf: konkludentes verhalten, firma, schlüssiges verhalten, vertragsübernahme, verfügung, muttergesellschaft, zusammenarbeit, unternehmen, ware, gespräch

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Düsseldorf, 34 O (Kart) 140/03
08.10.2003
Landgericht Düsseldorf
4. Kammer für Handelssachen
Urteil
34 O (Kart) 140/03
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2003
für Recht erkannt:
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfü-gung
vom 9. September 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin bleibt vor-
behalten, die Vollstreckung der Antragsgegnerin durch Sicher-
heitsleistung in Höhe von 8.000,00 EUR abwenden, wenn nicht zu-vor
die Antragsgegnerin ihrerseits Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Sicherstellung der Belieferung aus einem
Vertragshändlervertrag.
Die Antragstellerin ist in der Baumaschinen- und Baugerätebranche tätig. Sie betreibt 14
Standorte im Bundesgebiet, wovon fünf in Südwestdeutschland liegen.
Die Antragsgegnerin ist eine deutsche Tochtergesellschaft der XX . Sie importiert alle Arten
von Kränen sowie der dazugehörigen Ersatz- und Austauschteile der Hersteller: x, Inc. x, x,
USA; der xx, x, USA; sowie der xx, x, Frankreich. Letztere ist die Muttergesellschaft der xx
GmbH, xx/xx. Die Antragsgegnerin hat u.a. die Abwicklung der Verträge der xx GmbH in
Deutschland übernommen.
Am 1.7.2002 übernahm die Antragstellerin die Baumaschinenverkaufs- und
Reparaturabteilung der Firma xx & xx Baumaterial und Baumaschinen, x. Diese war über
27 Jahre Vertraghändlerin für die xx GmbH im Gebiet Sxx. Grundlage dieser vertraglichen
Beziehung war ein Händlervertrag vom 21.11.1974, der auf der Vereinbarung über den
Verkauf des xx Kranprogramms sowie über den Verkauf, Lieferung und Einbau von
Potainersatzteilen vom 21.11.1974 beruhte. Die Antragstellerin übernahm im Rahmen des
Unternehmenskaufs die Bereiche Baumaschinenhandel, Mietpark, Werkstatt und
Ersatzteilhandel. Die Firma xx & xx behielt die Bereiche Baustoffhandel und den Vertrieb
von Baugeräten und Werkzeugen.
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Mit einem Rundschreiben vom 1.7.2002 teilte die Firma xx & xx der xx GmbH am 15.7.2002
mit, daß die Antragstellerin die Bereiche Baumaschinenhandel, Mietpark, Werkstatt und
Ersatzteilhandel übernommen hatte.
Mit Schreiben vom 17.7.2002 an die Firma xx & xx erklärte die xx GmbH , daß sie einer
Übernahme des Vertragshändlervertrages auf die Antragstellerin nicht zustimme. Sie
würde aber Gespräche mit der Antragstellerin über die weitere Zusammenarbeit führen.
Ende Juli 2002 fand ein Gespräch zwischen der xx GmbH und der Antragstellerin statt, in
welche die xx GmbH ihre Zustimmung zur Vertragsübernahme weiterhin verweigerte. Mit
Schreiben der xx GmbH vom 5.8.2002 wurde das Gesprächsergebnis wie folgt
zusammengefaßt:
"Leider können wir Ihnen heute noch keine endgültige Zusage über die Vergabe der xx-
Händlerschaft im Gebiet Sxx geben, da unsere französische Muttergesellschaft, die an
einer entsprechende Entscheidung maßgeblich beteiligt sein muß, zum jetzigen Zeitpunkt
urlaubsbedingt noch keine Stellung bezogen hat. Sobald eine Stellungnahme vorliegt,
werden wir unaufgefordert wieder auf Sie zukommen.
Bis zur endgültigen Klärung haben wir jedoch beschlossen, Ihnen auch weiterhin
Ersatzteile zu den von uns eingeräumten Konditionen wie für xx + xx zu liefern.
Selbstverständlich stehen wir Ihnen auch mit unserem Service jederzeit zur Verfügung.
Bei Anfragen über xx-Krane bitten wir sie, sich von Fall zu Fall mit uns abzustimmen."
Bis zur Entscheidungsfindung der xx GmbH und deren Muttergesellschaft unterrichtete ein
Mitarbeiter der xx GmbH die Antragstellerin in regelmäßigen Abstand darüber, daß die
Entscheidung noch nicht gefallen sei.
Die Antragstellerin verkaufte am 17.4.2003 und 3.4.2003 Kräne der Marke xx an
Endkunden. Am 21.7.2003 nahm sie eine weitere Bestellung eines Endkunden entgegen,
welche die Antragsgegnerin am 29.7.2003 bestätigte. Außerdem erhielt die Antragstellerin
von der Antragsgegnerin Ersatzteile zur Durchführung von Servicearbeiten. Schließlich
stellte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Blanko-Exemplare von Kunden-
Inspektionsunterlagen zur Verfügung, welche die Antragstellerin selbst mit Firmenstempel
oder Aufklebern ergänzte.
Mit Schreiben vom 25.8.2003 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, daß sie die
Firma xx, x, mit der Bearbeitung des Gebietes Sxx beauftragt hatte und die Antragstellerin
ihre Ware ab dem 1.9.2003 über diese beziehen sollte.
Mit Schreiben vom 29.8.2003 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, ihr bis
zum 1.9.2003 rechtsverbindlich zu erklären, daß sie die Antragstellerin über den 1.9.2003
hinaus ordnungsgemäß mit Vertragsware beliefern werde. Auf dieses Schreiben reagierte
die Antragsgegnerin nicht.
Am 2.9.2003 bestellte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin für eine Reparatur
benötigte Ersatzteile. Am gleichen Tag erhielt die Antragstellerin eine Mitteilung der
Antragsgegnerin, daß der Vertrag zwischen den Parteien mit Schreiben vom 25.8.2003
gekündigt worden sei und fortan keine Aufträge mehr entgegengenommen würden.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, daß ihr ein Anspruch auf Belieferung mit Vertragsware
der Marke xx zustehe. Sie sei in den Händlervertrag vom 21.11.1974 zwischen der xx
GmbH und der Firma xx und xx eingetreten, da die Antragsgegnerin sie nach der
Übernahme der Firma xx und xx wie eine Vertragshändlerin behandelt habe. In diesem
Verhalten liege eine konkludente Zustimmung zum Vertragsübergang. Jedenfalls sei durch
die vollumfängliche Behandlung der Antragstellerin als Vertragshändlerin konkludent ein
neuer Vertragshändlervertrag zustande gekommen.
Dieses Vertragsverhältnis sei auch nicht durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom
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25.8.2003 beendet worden, da eine solche Kündigung unwirksam sei. Zum einen fehle es
an einem wichtigen Grund und zum anderen habe die Antragsgegnerin sie nicht
abgemahnt.
Die Antragstellerin beantragt,
der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR ersatzweise
Ordnungshaft oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an den Geschäftsführern Hx, Lx, Px, zu
untersagen, die Belieferung der Antragstellerin mit Vertragsware, nämlich des gesamten
xx-Kranprogramms sowie xx-Ersatzteilen gemäß des Händlervertrages vom 21.11.1974
(Anlage Ast. 1, Ast. 2) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der von
der Antragsgegnerin durch Schreiben vom 25.8.2003 erklärten Beendigung der
Zusammenarbeit zu verweigern.
Hilfsweise: Der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR
ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an den Geschäftsführern Hx,.
Lx, Px, aufzugeben, die Antragstellerin mit folgenden xx-Vertragswaren zu beliefern:
a. 2 Stück 60441146 Hilfsschalter
b. 1 Stück T 1942735 Nocken Zug um Zug gegen Zahlung des jeweils gültigen
Einkaufspreises.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß zwischen den Parteien kein Händlervertrag existiere. Weder sei die
Antragstellerin mit ihrer Billigung in den ursprünglichen Vertrag zwischen der xx GmbH und
der Firma xx & xx eingetreten noch sei sie passivlegitimiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet
I.
Der Hauptantrag ist unbegründet, denn die Antragstellerin hat einen Verfügungsanspruch
nicht glaubhaft gemacht. Es steht ihr kein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf
Belieferung zu.
1. Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Belieferung gegen die Antragsgegnerin aus
dem Händlervertrag vom 21.11.1974 zu. Denn die Antragsgegnerin ist schon nicht
passivlegitimiert. Passivlegitimation liegt vor, wenn das geltend gemachte Recht sich
gegen den Antragsgegner richtet, der der materiellrechtlich Verpflichtete ist. Der
Händlervertrag vom 21.11.1974 ist zwischen der xx GmbH und der Firma xx & xx
geschlossen worden. Die Antragsgegnerin war aber niemals Vertragspartei dieses
Vertrages. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß die Antragsgegnerin die
Rechtsnachfolgerin der xx GmbH geworden ist. Vielmehr existieren beide Gesellschaften
noch und die Antragsgegnerin hat lediglich die Abwicklung der Verträge der xx GmbH in
Deutschland übernommen. Durch die Übernahme einer solchen Tätigkeit wird sie aber
noch nicht Vertragspartei der von der xx GmbH abgeschlossenen Verträge.
Selbst wenn man die Antragsgegnerin als Rechtsnachfolgerin der xx GmbH ansehen oder
ihr deren Verhalten zurechnen würde, liegt eine Vertragsübernahme durch die
Antragstellerin nicht vor. Denn eine Vertragsübernahme bedarf der Zustimmung aller am
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ursprünglichen Vertrag Beteiligten. Die xx GmbH hat einer Vertragsübernahme aber nicht
zugestimmt. Nachdem der xx GmbH die Übernahme des gesamten Baumaschinen- und
Reparaturgeschäfts der Firma xx & xx am 15.7.2002 bekannt wurde, hat sie unverzüglich
mit Schreiben vom 17.7.2002 ihre Zustimmung verweigert. Auch in dem Gespräch mit der
Antragstellerin Ende Juli 2002 hat sie keine Zustimmung zur Vertragsübernahme gegeben.
Vielmehr hat sie der Antragsgegnerin gegenüber erklärt, daß sie noch keine endgültige
Zusage über die Vergabe der xx-Händlerschaft geben könne, da sie noch die Zustimmung
der Muttergesellschaft benötige, welche nicht erteilt worden ist. Dies ist der Antragstellerin
durch das Schreiben vom 25.8.2003 mitgeteilt worden.
Die Antragsgegnerin oder auch die xx GmbH haben auch nicht durch konkludentes
Verhalten ihre Zustimmung zu einer Vertragsübernahme erklärt. Zwar haben die Parteien
und die xx GmbH nach der Übernahme der Geschäftsteile der Firma xx & xx durch die
Antragstellerin weiterhin zusammengearbeitet. Dies geschah aber immer auf der
Grundlage des Gespräches von Ende Juli 2002, wonach eine ausdrückliche Zustimmung
gerade nicht erteilt worden ist. Vielmehr hat die xx GmbH der Antragstellerin bis zur
endgültigen Klärung der xx-Händlerschaft eine Zusammenarbeit angeboten, wonach die
einzelnen Bestellungen von Fall zu Fall abgestimmt werden sollten. Hinzu kommt, daß die
Antragstellerin bis zum Schreiben vom 25.8.2003 von der Antragsgegnerin bzw. der xx
GmbH in regelmäßigen Abständen informiert worden ist, daß noch keine Entscheidung
über die Vertragshändlerschaft gefallen ist.
2. Der Antragstellerin steht auch kein Anspruch auf Belieferung gegen die Antragsgegnerin
aus einem neuen Händlervertrag zu. Denn die Antragsgegnerin hat mit der Antragstellerin
keinen Vertragshändlervertrag geschlossen. Ein solcher ist nicht durch ein konkludentes
Verhalten der Antragsgegnerin zustande gekommen. Denn die Annahme von Aufträgen
durch die Antragsgegnerin erfolgte immer auf der Grundlage des Gespräches mit der xx-
GmbH Ende Juli 2002. Die Antragstellerin konnte insoweit nicht davon ausgehen, daß die
Antragsgegnerin oder die xx GmbH einen neuen Händlervertrag mit der Antragstellerin
geschlossen haben.
Ein schlüssiges Verhalten der Antragsgegnerin zu einem Vertragsschluß liegt auch nicht in
den Schreiben vom 25.8.2003 und 2.9.2003. Denn auch diese Schreiben beziehen sich auf
das Gespräch von Ende Juli 2002. Es wird der Antragstellerin lediglich mitgeteilt, daß nicht
sie, sondern ein anderes Unternehmen Gebietsverantwortlicher in Sxx wird und das die
Antragstellerin ihre Ware ab dem 1.9.2003 bei diesem Unternehmen beziehen soll. Daß die
Antragsgegnerin von Kündigung des Vertrages spricht, kann gleichfalls nur auf die
Zusammenarbeit, wie sie aufgrund des Gespräches Ende Juli 2002 erfolgte, bezogen
werden.
3. Der Antragstellerin steht auch kein Anspruch auf Belieferung gegen die Antragsgegnerin
aus §§ 33, 20 I GWB zu. Denn sie hat schon nicht substantiiert dargelegt, daß die
Antragsgegnerin ein marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen ist, von dem
sie abhängig ist. Noch hat sie ausreichend vorgetragen, inwieweit die Antragsgegnerin sie
gegenüber anderen gleichartigen Unternehmen unbillig behindert oder unterschiedlich
behandelt hat.
4. Der Antragstellerin steht schließlich auch kein Anspruch auf Belieferung gegen die
Antragsgegnerin aus §§ 1004, 823 BGB zu. Denn die Antragstellerin hat nicht substantiiert
dargelegt, daß die Antragsgegnerin durch die Nichtbelieferung in ihren eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen hat. Sie hat weder ausreichend dargelegt, daß es
sich um einen betriebsbezogener Eingriff handelt, noch daß die Antragsgegnerin ein
Verschulden trifft. Zudem war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, die Antragstellerin zu
beliefern. Sie kann sich auf dem Markt frei entscheiden, wenn sie beliefern will.
II.
Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.
Denn der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Belieferung von zwei Stück Hilfsschaltern
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(60441146) und einem Stück Nocken (T1942735) gegen die Beklagte zu. Denn die
Parteien haben hierüber keinen Vertrag geschlossen. Das Angebot der Antragstellerin am
2.9.2003, diese Zubehörteile zu bestellen, hat die Antragsgegnerin nicht angenommen. Sie
hat der Antragstellerin mit Schreiben vom 25.8.2003 ausdrücklich mitgeteilt, daß sie ihre
Ware bei der Firma xx, x, beziehen soll. Die Ablehnung des Angebotes der Antragstellerin
hat die Antragsgegnerin dann mit Schreiben vom 2.9.2003 bestätigt.
Die Antragsgegnerin war auch nicht verpflichtet, dieses Angebot anzunehmen. Denn ein
Rahmenvertrag, wonach sie verpflichtet gewesen wäre, solche Verträge abzuschließen,
liegt zwischen den Parteien wie oben ausgeführt nicht vor.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Streitwert: 250.000,00 EUR