Urteil des LG Düsseldorf vom 04.05.2007

LG Düsseldorf: ex nunc, einstellung des verfahrens, vergleich, lex fori, suspendierung, beschränkung, zwangsvollstreckung, wechsel, arbeitsgericht, verwalter

Landgericht Düsseldorf, 25 T 206/07
Datum:
04.05.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 T 206/07
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Erinnerung des
Schuldners gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des
Amtsgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2006 zurückgewiesen.
Der Schuldner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
Der Gläubiger hat vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf – Az. 3 Ca 10099/03 – mit dem
Schuldner als Insolvenzverwalter der XXX am 21.01.2004 einen Vergleich geschlossen,
in dem sich der Schuldner (Beklagte) verpflichtete, als Masseforderung gemäß § 55
Abs. 1 Ziff. 2 InsO unter Beschränkung auf die Befriedigungsmöglichkeiten im
Insolvenzverfahren einen Anspruch auf Entgeltzahlung für den Monat Juli 2003 in Höhe
von 835,64 € sowie einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 3451,90 € brutto an
den Gläubiger (Kläger) zu zahlen.
2
Die vollstreckbare Ausfertigung dieses Vergleichs wurde dem Gläubiger am 28.08.2006
erteilt.
3
Aufgrund dieses Vergleichs hat der Gläubiger am 18.10.2006 den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf erwirkt, wonach die näher
bezeichneten Ansprüche des Schuldners gegenüber den Drittschuldnerinnen gepfändet
wurden.
4
Mit seiner Erinnerung vom 10.11.2006 hat sich der Schuldner gegen den Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss gewandt und beantragt, diesen aufzuheben. Er hat
ausgeführt, er sei nicht die im Titel genannte Partei kraft Amtes. Als solcher existiere er
nicht mehr; denn das Insolvenzverfahren, welches unter dem Aktenzeichen 502 IN
124/03 vor dem Amtsgericht Düsseldorf über das Vermögen der XXX in XXX eröffnet
worden sei und in welchem er zum Insolvenzverwalter bestellt worden sei, sei am
07.04.2004 gemäß Artikel 102 § 4 Abs. 1 Satz 1 EGInsO zugunsten der
5
Verfahrenseröffnung vom 16.05.2003 vor dem High Court of Justice in Leeds (Az. NO
861 TO 876 OF 2003) eingestellt worden. Die Tatsache, dass das Amtsgericht
Düsseldorf am selben Tage unter dem Aktenzeichen 502 IE 2/04 auf Antrag des in dem
Verfahren vor dem High Court of Justice in Leeds eingesetzten Insolvenzverwalters das
Sekundärinsolvenzverfahren nach Artikel 3 Abs. 2, Art. 27 EUInsO eröffnet habe, führe
allenfalls dazu, dass er nur noch als Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens in
Anspruch genommen werden könne, wofür eine neue Leistungsklage, mindestens
jedoch eine Titelumschreibung erforderlich sei. Dies deshalb, da der gerichtliche
Vergleich vom 21.01.2004, welcher Titel im vorliegenden Vollstreckungsverfahren ist,
mit dem Erinnerungsführer als Verwalter des Hauptverfahrens geschlossen worden sei.
Zwar sei der Erinnerungsführer als Sekundärverwalter dieselbe natürliche Person,
jedoch eine andere Partei kraft Amtes als in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter
über das Vermögen der XXX unter dem Aktenzeichen 502 IN 124/03. Die Eröffnung
eines Sekundärinsolvenzverfahrens führe zu einer ex nunc Suspendierung der
Beschlagswirkung des Hauptverfahrens hinsichtlich des im Sekundäreröffnungsstaates
belegenen Vermögens des Schuldners sowie zu einem Wechsel des anwendbaren
Rechts. Da der Sekundärinsolvenzverwalter und der Hauptinsolvenzverwalter eine
andere Vermögensmasse verwalteten, seien sie nicht dieselbe Partei kraft Amtes.
Darüber hinaus handele es sich bei dem Vergütungsanspruch des Gläubigers, der
Gegenstand des Vergleichs gewesen sei, auch nicht mehr um einen Anspruch nach §
55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Vielmehr verfüge der Gläubiger nunmehr nur noch über eine
Insolvenzforderung, die nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren geltend
gemacht werden könne. Die Einstellung des Verfahrens gemäß Artikel 102 § 4 Abs. 1
Satz 1 EGInsO führe dazu, dass das im Inland belegene Vermögen des Schuldners
unmittelbar ab der Einstellung den Vermögensbeschlag des ausländischen Verfahrens
unterlegen hätte. Erst die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens um 11.00 Uhr
führe zu einer ex nunc Suspendierung der Beschlagswirkung des Hauptverfahrens
hinsichtlich des im Sekundäreröffnungsstaats belegenen Vermögens des Schuldners
sowie zu einem Wechsel des anwendbaren Rechts auf die lex fori des Eröffnungsstaats.
Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens habe der Gläubiger
gegen den Schuldner nur einen normalen Vermögensanspruch gehabt, weshalb die
Forderung als Insolvenzforderung einzuordnen sei, die bereits vor Eröffnung des
Sekundärinsolvenzverfahrens begründet gewesen sei. Eine Zwangsvollstreckung sei
deshalb nach § 87 InsO nicht möglich.
Darüber hinaus habe der Vergleich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt gehabt, da
dieser nur eine Zahlung unter Beschränkung auf die tatsächliche
Befriedigungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren vorsehe. Was der Schuldner zu
leisten habe, ginge deshalb nicht aus dem Titel hervor. Auch aus diesem Grunde sei der
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzuheben.
6
Der Gläubiger ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt, der Titel beziehe sich sehr
wohl auf den richtigen Schuldner, nämlich auf den Erinnerungsführer als
Insolvenzverwalter der XXX. Dabei mache es keinen Unterschied, dass der
Erinnerungsführer seit dem 07.04.2004 nicht mehr Insolvenzverwalter des
ursprünglichen Verfahrens sei, sondern als Sekundärinsolvenzverwalter bestellt worden
sei. Der Schuldner habe auch noch mit Schreiben vom 06.07.2004 schriftlich bestätigt,
dass der am 02.02.2004 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf geschlossene Vergleich für
ihn Wirksamkeit habe. Die Einordnung der Forderung als Masseforderung sei durch den
Titel eindeutig. Sie sei vom Insolvenzverwalter zu berichtigen.
7
Soweit der Schuldner meine, der Titel habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, so sei
dies nicht nachvollziehbar. Der Einschub "unter Beschränkung auf die
Befriedigungsmöglichkeit in dem Insolvenzverfahren" sei ausdrücklich auf Wunsch des
Insolvenzverwalters in den Vergleich aufgenommen worden. Dass der Gläubiger seine
Ansprüche nur dann vollstrecken könne, wenn Befriedigungsmöglichkeit gegeben sei,
also Masse vorhanden sei, verstehe sich von selbst. Offensichtlich nur um klarzustellen,
dass der Erinnerungsführer nicht persönlich in Anspruch genommen werden sollte,
habe er auf die Aufnahme der genannten Erklärung bestanden.
8
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 18.10.2006 aufgehoben und
den Eintritt der Wirksamkeit des Beschlusses mit der Rechtskraft angeordnet. Das
Amtsgericht hat ausgeführt, der Vergleich habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, da
die Forderung aus dem Titel heraus nicht feststellbar sei.
9
Gegen diesen, dem Gläubiger am 26.02.2007 zugestellten Beschluss hat dieser mit
einem am 07.03.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde
eingelegt, mit der er seinen früheren Rechtsstandpunkt wiederholt.
10
Der Erinnerungsführer ist dem entgegengetreten und hat beantragt, die sofortige
Beschwerde zurückzuweisen. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, als
Sekundärinsolvenzverwalter verwalte der Erinnerungsführer eine andere, nämlich nur
auf das Land bezogene Vermögensmasse als ein Hauptverwalter. Die Eröffnung eines
Hauptinsolvenzverfahrens habe universale Wirkung, Die Eröffnung eines
Sekundärinsolvenzverfahrens führe zu einer ex nunc Suspendierung der
Beschlagswirkung des Hauptsacheverfahrens hinsichtlich des im
Sekundäreröffnungsstaats belegenen Vermögens. Es sei nicht möglich, das
fälschlicherweise eröffnete deutsche Hauptverfahren in ein Sekundärinsolvenzverfahren
umzudeuten. Im Übrigen wiederholt er sein Vorbringen aus erster Instanz.
11
Die zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses und Zurückweisung der Erinnerung des Schuldners.
12
Das Beschwerdegericht folgt nicht der Auffassung des Amtsgerichts, dass der
Vollstreckungstitel keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Vollstreckungsfähig ist ein
Titel, wenn er aus sich heraus verständlich ist und für jeden Dritten erkennen lässt, was
der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann. Ein Zahlungsanspruch ist bestimmt,
wenn er betragsmäßig festgelegt ist oder sich ohne weiteres errechnen lässt. Dies ist
vorliegend der Fall. Nach dem Vergleich vom 02.02.2004 schuldet der Schuldner dem
Gläubiger als Urlaubsabgeltungsanspruch einen Betrag in Höhe von 3.451,90 € sowie
einen Gehaltsanspruch für Juli.2003 bis 14.07.2003 in Höhe von 835,64 € brutto, den
der Schuldner dem Gläubiger zu zahlen hat. Soweit in dem Titel die Einschränkung
enthalten ist, "unter Berücksichtigung der tatsächlichen Befriedigungsmöglichkeit im
Insolvenzverfahren" führt dies nicht zur inhaltlichen Unbestimmtheit der Forderung.
Hierdurch wird der Zahlungsanspruch weder an den Eintritt einer Bedingung beknüpft,
noch ist sonst für einen Dritten nicht erkennbar, welche Forderung der Schuldner
schuldet. Vielmehr stellt insoweit der Titel lediglich klar, dass die Forderung im
Insolvenzverfahren zu befriedigen ist und nicht etwa persönlich gegen den
Insolvenzverwalter durchgesetzt werde kann.
13
Das der Gläubiger seine Ansprüche nur dann vollstrecken kann, wenn Masse
14
vorhanden ist und Befriedigungsmöglichkeiten dadurch gegeben sind, versteht sich von
selbst. Insoweit diente die Vergleichsformulierung lediglich der Klarstellung, die, wie
unstreitig ist, auch auf ausdrücklichen Wunsch des Insolvenzverwalters in den Vergleich
aufgenommen wurde.
Auch ansonsten ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu Recht ergangen.
Insbesondere sind Gläubiger und Vollstreckungsschuldner die im Titel bezeichneten
Personen, wobei der Schuldner als Partei kraft Amtes als Insolvenzverwalter der XXX
bezeichnet ist. Eine Parteiänderung hat nicht dadurch stattgefunden, dass das
ursprünglich unter dem Aktenzeichen 502 IN 124/03 eröffnete Insolvenzverfahren
gemäß Art. 102 § 4 EGInsO durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom
07.04.2004 eingestellt wurde und durch Beschluss vom selben Tage das
Sekundärinsolvenzverfahren unter Berufung desselben Insolvenzverwalters eröffnet
wurde. Auch als Sekundärinsolvenzverwalter ist der Erinnerungsführer immer noch
Insolvenzverwalter über das Vermögen der XXX. Seine Bezeichnung lautet immer noch
so wie im Titel ausgewiesen. Durch den Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts
Düsseldorf vom 07.04.2004 ist das Verfahren auch nicht generell eingestellt worden,
sondern lediglich zugunsten der Verfahrenseröffnung vom 16.05.2003 vor dem High
Court of Justice in Leeds. Hierdurch ist das Verfahren nicht mit rückwirkender Kraft
beendet worden, sondern die Wirkungen des deutschen Insolvenzverfahrens, die vor
der Einstellung eingetreten sind und nicht auf die Dauer des Verfahrens beschränkt
waren, bleiben wirksam und deshalb behalten alle vom Insolvenzverwalter
vorgenommenen Rechtshandlungen ihre Wirksamkeit. Mit der Einstellung des
inländischen Verfahrens enthält der Schuldner nicht die Verfügungsbefugnis über sein
Vermögen wieder. Dieses wird vielmehr durch den Vermögensbeschlag des
ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens erfasst. Wird in diesem Zusammenhang
sodann das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, beschränkt sich dieses Verfahren auf
das im Inland befindliche Vermögen und dieses wird vom Insolvenzbeschlag des
Sekundärinsolvenzverfahrens erfasst. Der inländische Insolvenzverwalter bleibt also
weiter Partei kraft Amtes für dieselbe im Inland belegene Vermögensmasse, auch wenn
das Verfahren nur noch für das Sekundärinsolvenzverfahren durchgeführt wird. Der
inländische Insolvenzverwalter muss gemäß § 209 InsO auch die im Inland begründeten
Masseverbindlichkeiten berichtigen und die Zwangsvollstreckung wegen dieser, vom
Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeit ist uneingeschränkt zulässig,
solang der Insolvenzverwalter nicht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 210 InsO
angezeigt hat.
15
Entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers ist die einmal im Vergleich begründete
Masseforderung nicht zu einer reinen Insolvenzforderung im
Sekundärinsolvenzverfahren umgewandelt worden, weil nicht ein neues Verfahrens
eröffnet wurde, sondern die Wirkungen des zuvor zugunsten des ausländischen
Insolvenzverfahrens eingestellten Verfahrens auf dieses und sodann auf das
inländische Sekundärinsolvenzverfahren übergegangen sind.
16
Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben mit der Folge, dass der
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 18.10.2006
weiterhin bestehen bleibt.
17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO, § 91 ZPO.
18
Die Rechtsbeschwerde war im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache
19
zuzulassen.